Pneumologie 2017; 71(07): 433
DOI: 10.1055/s-0043-111904
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akute Atemwegserkrankung: Beeinflusst eine patientennahe Sofortdiagnostik die Behandlungsergebnisse?

Brendish NJ. et al.
Routine molecular point-of-care testing for respiratory viruses in adults presenting to hospital with acute respiratory illness (ResPOC): a pragmatic, open-label, randomised controlled trial.

Lancet Respir Med 2017;
5: 401-411
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Publication History

Publication Date:
12 July 2017 (online)

 

Akute Atemwegsinfektionen stellen eine immense Krankheitsbelastung dar und sind weltweit die dritthäufigste Todesursache. Eine patientennahe Sofortdiagnostik auf Atemwegsviren kann die Behandlungsergebnisse nach bisherigen Erkenntnissen zwar verbessern, doch liegen nur unzureichende Beweise vor, um ihren Einsatz über die übliche klinische Versorgung hinaus zu unterstützen. Ein britisches Team bewertete die Auswirkung der routinemäßigen Sofortdiagnostik auf verschiedene klinische Endpunkte.


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Nathan J. Brendish aus Southampton, England, und Kollegen nahmen Erwachsene im Alter von 18 Jahren oder älter innerhalb von 24 Stunden, nachdem sie sich in einer Notfallabteilung oder medizinischen Akuteinheit vorgestellt hatten, in ihre offene, randomisierte Kontrollstudie mit Parallelgruppen auf. Die Patienten litten im Verlauf von zwei Wintern an akuter Atemwegserkrankung oder Fieber höher als 37,5° C (≤ 7 Tage Dauer) oder beides. Die mittlere Dauer der aktuellen Krankheitssymptome betrug in beiden Gruppen 4 Tage. Die Patienten wurden mittels Zufallsverfahren im Verhältnis 1:1 einer molekularen patientennahen Sofortdiagnostik (Englisch: Point-of-Care Testing; POCT) für Atemwegsviren oder einer routinemäßigen klinischen Versorgung zugeteilt.

Der primäre Endpunkt der Studie bestand im Anteil der Patienten, die während des Krankenhausaufenthalts (bis zu 30 Tage) Antibiotika erhielten. Sekundäre Endpunkte waren die Dauer der Antibiotikagabe, der Anteil der Patienten, die einzelne Dosen oder kurze Kurse von Antibiotika erhielten, Dauer des Aufenthalts, antivirale Therapie, die Nutzung von Isolationseinheiten und Sicherheitsergebnisse. Die statistische Auswertung erfolgte mittels modifizierter ITT-Analyse.

Ergebnisse

Insgesamt nahmen die Forscher 720 Patienten auf und teilten 362 davon einem POC-Testing und 358 einer Standardversorgung zu. Sechs Patienten brachen die Teilnahme ab oder wiesen Protokollverletzungen auf. 301 (84 %) von 360 Patienten in der POCT-Gruppe erhielten Antibiotika im Vergleich zu 294 (83 %) von 354 Patienten in der Kontrollgruppe (p = 0,84). Die mittlere Dauer der Antibiotikatherapie unterschied sich nicht signifikant zwischen den beiden Gruppen (7,2 Tage in der POCT-Gruppe vs. 7,7 Tage in der Kontrollgruppe; p = 0,32). 50 (17 %) der 301 in der POCT-Gruppe mit Antibiotika behandelten Patienten erhielten einzelne Dosen oder eine Kurzzeittherapie mit Antibiotika (< 48 h) im Vergleich zu 26 (9 %) der 294 Patienten in der Kontrollgruppe (Differenz 7,8 %; p = 0,0047). Die mittlere Dauer des Krankenhausaufenthalts war in der POCT-Gruppe mit 5,7 Tagen kürzer als in der Kontrollgruppe mit 6,8 Tagen; Differenz: – 1,1; p = 0,0443).

Die Ärzte führten in der POCT-Gruppe häufiger eine adäquate antivirale Behandlung Influenza-positiver Patienten (52 von 57 Patienten; 91 %) mit Neuramidaseinhibitoren durch als in der Kontrollgruppe (24 von 37 Patienten; 65 %; Differenz 26,4 %; p = 0,0026).

Es fand sich kein signifikanter Unterschied hinsichtlich der unerwünschten Ereignisse zwischen den Gruppen (21 % in der POCT-Gruppe, 25 % in der Kontrollgruppe). Die Anwendung von POCT erwies sich als sicher.

Fazit

Das routinemäßige molekulare POC-Testing reduzierte den Anteil der mit Antibiotika behandelten Patienten und die Dauer der Antibiotikagabe nicht signifikant. Andererseits erhielten mehr Patienten in der POCT-Gruppe nur einzelne Dosen oder eine Kurzzeittherapie mit Antibiotika. Zudem war POCT mit einem kürzeren Krankenhausaufenthalt und einer höheren Entdeckungsrate von Atemwegsviren sowie einem adäquateren Einsatz einer antiviralen Therapie verbunden. Wenn sich diese Befunde in weiteren Studie reproduzieren lassen, sollte das Verfahren nach Ansicht der Autoren in die diagnostische Standardversorgung akuter respiratorischer Erkrankungen integriert werden.

Dr. Volker Kriegeskorte, Untermeitingen


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