Aktuelle Urol 2017; 48(05): 404-406
DOI: 10.1055/s-0043-116165
Referiert und kommentiert
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Infektionsrate nach Prostatastanzbiopsien steigt: Strategieänderung nötig

Halpern JA. et al.
Indications, Utilization and Complications Following Prostate Biopsy: New York State Analysis.

J Urology 2017;
197: 1020-1025
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Publication History

Publication Date:
30 August 2017 (online)

 

    Das Standardverfahren bei der Diagnostik des Prostatakarzinoms ist die transrektale Prostatastanzbiopsie. Infektiöse Komplikationen durch Darmbakterien sind eine signifikante Komplikation. In den USA haben sich in den letzten Jahren die Empfehlungen zum Screening und zur Überwachung von Prostatakarzinom-Patienten verändert. Die Autoren untersuchten die Trends und Risiken der letzten Jahre bei den Komplikationen der transrektalen Prostatastanzbiopsie.

    Im Jahre 2012 riet die USPSTF (United States Preventive Services Task Force) in ihrer Empfehlung von der Verwendung des PSA-Tests zur Früherkennung des Prostatakarzinoms ab. Außerdem wurde der Einsatz der transrektalen Prostatabiopsie im Rahmen eines aktiven Überwachungsprogramms und Veränderungen bei der Nachsorge von Prostatakarzinom-Patienten verändert. Die Autoren führten ihre Analyse an einer Kohorte aller vorgenommenen Eingriffe im Bundesstaat New York der USA durch. Anhand der SPARCS-Daten (New York Statewide Planning and Research Cooperative System) identifizierten sie alle Patienten, bei denen zwischen 2011 und 2014 transrektale Stanzbiopsien (n = 9.472) und transperineale Nadelbiopsien (n = 421) im Staat New York durchgeführt wurden. Wiederholte Biopsien wurden als separate Eingriffe gewertet. Aufgenommen wurden nur Eingriffe, für die ein Follow-up von ≥ 30 Tagen verfügbar war. Die zeitlichen Veränderungen bei der Anwendung und den Indikationen für die Durchführung der Prostatabiopsie sowie die 30-Tage-Infektionsrate ermittelten die Autoren mit der Poisson Regression und dem Cochran-Armitage-Test, Prädiktoren für 30-Tage-Komplikationen mit der logistischen Regression.

    Im Studienzeitraum wurden 10 073 Prostatabiopsien durchgeführt mit einer leichten Abnahme während dieses Zeitraums, die auch bei der altersstandandardisierten Sensitivitätsanalyse erhalten blieb. Bei 53,2 % der Männer war ein erhöhter PSA-Wert Anlass für die Prostatabiopsie, 26,7 % erfolgten im Rahmen der aktiven Überwachung, 2,6 % aufgrund eines verdächtigen rektalen Tastbefundes und 1,6 % aufgrund von Atypien. Die Komplikationsrate bei den 777 Wiederholungs-Biopsien war mit der initialer Eingriffe vergleichbar. Während des Studienzeitraums stieg die mit der Prostatabiopsie assoziierte Infektionsrate von 2,6 % auf 3,5 %. Ein rektaler Abstrich vor dem Eingriff wurde in lediglich 1 % der Fälle durchgeführt. 48,1 % (n = 151) der Patienten bei denen nach der Prostatabiopsie eine Infektion auftrat, mussten stationär aufgenommen werden, dabei betrug die mittlere Dauer des Krankenhausaufenthaltes 4 Tage und der Median der Gesamtkosten $ 4129 (IQR 711 – 19 185). Die multivariable Analyse ergab für Rasse des Patienten, Jahr des Eingriffs, Diabetes (OR 1,92; 95 % KI 1,29 – 2,86), transrektalen Zugang (OR 3,48; 95 % KI 1,27 – 9,54) sowie kurz zurückliegende Krankenhausaufenthalte eine signifikante Assoziation mit dem Auftreten einer Infektion.

    Fazit

    Trotz der Veränderungen im Umfeld der Prostatabiopsie in den USA ist die Infektionsrate angestiegen. Angesichts der höheren Komplikationsrate bei rektalem Zugang und des minimalen Einsatzes gezielter antibiotischer Prophylaxe sollte nach Ansicht der Autoren der Schwerpunkt auf der Förderung des transperinealen Zugang und gezielter Prophylaxe liegen, um die infektiösen Komplikationen auf nationaler Ebene zu reduzieren. Dabei sollten Risikopatienten wie Diabetiker besondere Beachtung finden.

    Dr. Gabriele Dobler, Berlin

    Kommentar

    In ihrer retrospektiven Analyse haben die Autoren eine Datenmatrix aus der Region New York hinsichtlich aktueller Trends und Risikofaktoren bei Patienten, die eine Prostatabiopsie in den Jahren 2011 bis 2014 erhalten haben, ausgewertet [1]. 9893 Patientendaten wurden analysiert. Bei diesen Patientendaten lagen ebenso 30-Tage Nachsorgedaten vor, 180 Patienten, bei denen keine Nachsorgedaten vorlagen wurden ausgeschlossen.


    Einige interessante Veränderungen haben sich in der vier-jährigen Erfassung dargestellt:

    1. Die Rate an perinealen Prostatabiopsien war mit 4,3 % nach wie vor niedrig.

    2. Bei weniger als 1 % der Patienten wurde ein präinterventioneller, rektaler Abstrich durchgeführt.

    3. Die infektiösen Komplikationen sind über die Zeit signifikant von 2,6 % auf 3,5 % angestiegen.

    4. Risikofaktoren für infektiöse Komplikationen waren transrektaler Biopsiezugang, Diabetes mellitus, stattgehabte Hospitalisierung und Rasse.

    5. Das Risiko einer Harnverhaltung war mit Alter, Anamnese einer benignen Prostatahyperplasie und stattgehabter Hospitalisierung signifikant erhöht.


    Diese Studie reiht sich in mehrere ähnliche Studien ein, die allesamt vergleichbare Daten produzieren [2]. Das Risiko einer infektiösen Komplikation nach tansrektaler Prostatastanzbiopsie lag in allen Studien zuletzt bei ca. 3 bis 4 %. Risikofaktoren für infektiöse Komplikationen, die eine Selektion der Patienten ermöglichen erhärten sich und umfassen regelhaft stattgehabte Antibiotikagabe, stattgehabter Krankenhausaufenthalt, sowie Diabetes mellitus. Aus dieser Studie zeigt sich erstmals auch ein Vorteil der transperinealen Prostatastanzbiopsie hinsichtlich niedrigerer infektiöser Komplikationen [3].


    Auch wenn eine Strategie der Vermeidung infektiöser Komplikationen der Einsatz eines präinterventionellen, rektalen Abstrichs darstellt, hat sich dies in der Region New York offensichtlich nicht durchgesetzt, da weniger als 1 % der Patienten dies erhielten.


    Bei ungefähr je 1 Million jährlich durchgeführter Prostatastanzbiopsien in Europa und Amerika ist die durch die transrektale Stanzbiospie der Prostata herbeigeführte Morbidität erheblich und mündet zumindest in je 300 000 Fällen einer infektiösen Komplikation und 1000 Mortalitätsfällen. Dies ist nicht akzeptabel, deswegen müssen Strategien zur Reduktion infektiöser Komplikationen erarbeitet werden.


    Hauptursache der Zunahme an infektiösen Komplikationen ist die Antibiotikaresistenz, insbesondere gegenüber Fluorchinolonen, die lange der Goldene Standard der Antibiotikaprophylaxe waren. Fluorchinolone können nicht mehr sicher bei jedem Patienten als Prophylaxe bei transrektaler Prostatastanzbiopsie eingesetzt werden [3]. Patienten mit Risikofaktoren für Fluorchinolonresistenz sollten eine andere Strategie erhalten. Risikofaktoren umfassen stattgehabte Antibiotikagabe, stattgehabter Krankenhausaufenthalt, sowie Reisen in Ländern mit hoher Antibiotikaresistenzlage (z. B. Asien, Südeuropa). Alternative Strategien sind mittlerweile relativ gut untersucht und umfassen insbesondere die Durchführung eines präinterventionellen rektalen Abstrichs, sowie eine perineale Prostatastanzbiospie. In der vorliegenden Studie wurden bei 4,3 % der Patienten eine perineale Prostatastanzbiopsie durchgeführt. Allerdings endete die Erfassung im Jahre 2014, und es zeigt sich doch generell eine Zunahme in der Häufigkeit der perinealen Stanzbiopsie der Prostata, auch in Assoziation mit der MRT-Fusion in den letzten Jahren. Die Bildfusion mit der multiparametrischen MRT Bildgebung, die eine akkuratere Diagnostik darstellt, erlaubt auch eine technisch deutlich verbesserte Handhabung des perinealen Zuganges.


    Diese technischen Fortschritte insbesondere haben den perinealen Zugang heutzutage sehr viel komfortabler gemacht. Allerdings darf auch der signifikant gestiegene Aufwand einer MRT-fusionierten Prostatastanzbiospie nicht verschwiegen werden, der bisher nicht im DRG System gesondert abgebildet ist.


    Zusammenfassend zeigt diese Studie, wie eine Reihe anderer Untersuchungen, ebenfalls eine Zunahme infektiöser Komplikationen nach transrektaler Prostatastanzbiopsie. Insbesondere Patienten mit Risikofaktoren sollten alternative Strategien angeboten werden, um die infektiösen Komplikationen auf ein vertretbares Maß zu reduzieren.


    Der Autor

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    Prof. Dr. med. Florian M. E. Wagenlehner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie, Justus-Liebig Universität Giessen

    Literatur


    [1] Halpern JA, Sedrakyan A, Dinerman B, Hsu WC, Mao J, Hu JC. Indications, Utilization and Complications Following Prostate Biopsy: New York State Analysis. J Urol 2017; 197: 1020 – 1025


    [2] Wagenlehner FM, Pilatz A, Waliszewski P, Weidner W, Johansen TE. Reducing infection rates after prostate biopsy. Nat Rev Urol 2014;11: 80 – 86


    [3] Roberts MJ, Bennett HY, Harris PN, Holmes M, Grummet J, Naber K, et al. Prostate Biopsy-related Infection: A Systematic Review of Risk Factors, Prevention Strategies, and Management Approaches. Urology 2017; 104: 11 – 21


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    Prof. Dr. med. Florian M. E. Wagenlehner, Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie, Kinderurologie und Andrologie, Justus-Liebig Universität Giessen