Ansprechpartner für die Aktualisierung
Priv.-Doz. Dr. med. Petra Lynen Jansen Deutsche Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs-und Stoffwechselkrankheiten Olivaer Platz 7 10 707 Berlin Tel. 030/3198 315 003 lynen@dgvs.de
Einleitung
Gastrointestinale Blutungen sind häufig. Ihr klinisches Spektrum reicht von der nur
laborchemisch fassbaren Anämie bis hin zur fulminanten Blutung mit Schock und erfordert
ein differenziertes Vorgehen vom ersten Verdacht einer gastrointestinalen Blutung
über die Akutversorgung bis hin zur Prävention einer erneuten Blutung.
Diese interdisziplinäre Leitlinie unter Leitung der DGVS und Beteiligung benachbarter
Fachgesellschaften fasst die wichtigsten Aspekte zur Versorgung von Patienten mit
gastrointestinaler Blutung unter Berücksichtigung der aktuellen Datenlage zusammen.
Insbesondere wurden Praktikabilität und Einfachheit der Empfehlungen betont, um die
Umsetzung im klinischen Alltag zu vereinfachen, wohlwissend, dass ein Querschnitt
der Datenlage immer in eine Einzelfallentscheidung am individuellen Patienten überführt
werden muss. Die Schnittmenge mit verschiedenen weiteren Leitlinien wurde bewusst
herausgestellt und, soweit erforderlich, aktualisiert.
Wir hoffen, dass diese Leitlinie eine Stütze für die Versorgung der Patienten mit
einer gastrointestinalen Blutung ist und auch die Aspekte betont, in denen weiterer
Forschungsbedarf gesehen wird.
Arbeitsgruppe 1: Prä-endoskopisches Management
Arbeitsgruppe 1: Prä-endoskopisches Management
Die Empfehlungen zum prä-endoskopischen Management sind in der [Abb. 1 ] zusammengefasst.
Abb. 1 Präendoskopisches Management bei vermuteter gastrointestinaler Blutung. Einzelheiten
ergeben sich aus den Leitlinienempfehlungen (siehe Text).
Initiale Risikoeinschätzung
Zu einer ersten Risikoeinschätzung bei vermuteter gastrointestinaler Blutung sollten
eine (Fremd-)Anamnese, der körperliche Untersuchungsbefund und die Erhebung der Vitalparameter
herangezogen werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Eine initiale Anamnese sollte u. a. Fragen nach der Blutungsmanifestation und -dauer
(Erbrechen von Kaffeesatz, Hämatemesis, Teerstuhl, Hämatochezie bzw. Abgang von Blutkoageln),
nach Begleitsymptomen (orthostatische Dysregulation, Synkope, Vigilanzminderung, Aspiration,
Agitation), nach der Medikation (insbesondere bzgl. Thrombozytenaggregationshemmung
mit Acetylsalicylsäure, ggf. als duale Thrombozytenaggregationshemmung [DAPT] in Kombination
mit Clopidogrel, Prasugrel bzw. Ticagrelor, orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten
oder mit dem Thrombininhibitor Dabigatran bzw. den Faktor-Xa-Inhibitoren Rivaroxaban,
Apixaban oder Edoxaban als direkte orale Antikoagulanzien [DOAK], Antikoagulation
mit unfraktioniertem Heparin intravenös bzw. niedermolekularen Heparinen subkutan,
nicht-steroidale Antiphlogistika [NSAR]) und nach Begleit- bzw. Vorerkrankungen (Leberzirrhose,
splanchnische Thrombosen, Ulkusleiden, stattgehabte variköse oder nicht-variköse gastrointestinale
Blutungen, Malignome des Gastrointestinaltrakts, hämatologische Neoplasien, kürzlich
stattgehabte PT(C)A, kürzlich stattgehabte Polypektomie) beinhalten ([Tab. 1 ]) [1 ]
[2 ]. Eine digital-rektale Untersuchung inklusive Test auf okkultes Blut sollte im Rahmen
der körperlichen Untersuchung erfolgen. Eine nicht-invasive Blutdruckmessung sowie
eine Bestimmung der Herzfrequenz und der peripheren Sauerstoffsättigung SpO2 sollten erfolgen [2 ].
Tab. 1
Wichtige Aspekte in der Anamnese zur Risikoabschätzung bei Verdacht auf gastrointestinale
Blutung.
Anamnese zur Risikoabschätzung bei vermuteter gastrointestinaler Blutung
Blutungs-manifestation
Erbrechen von Kaffeesatz
Hämatemesis
Teerstuhl
Hämatochezie
peranaler Abgang von Blutkoageln
Begleitsymptome
orthostatische Dysregulation
Synkope
Vigilanzminderung
stattgehabte Aspiration
Agitation
Medikation
Thrombozytenaggregationshemmung
duale Thrombozytenaggregationshemmung
Vitamin-K-Antagonisten
„Triple-Therapie“
direkte orale Antikoagulanzien
Heparin
nicht-steroidale Antirheumatika
Vorerkrankungen
Leberzirrhose, splanchnische Thrombosen
Ulkusleiden
stattgehabte variköse oder nicht-variköse gastrointestinale Blutungen
Malignome des Gastrointestinaltrakts
Hämatologische Neoplasien
kürzlich stattgehabte PT(C)A
kürzlich stattgehabte Polypektomie oder andere Eingriffe im GI-Trakt
Bei Patienten mit vermuteter gastrointestinaler Blutung soll der Hämoglobinwert bestimmt
werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Eine Point-of-care-Diagnostik inklusive Laktatbestimmung kann zur Risikostratifizierung
bei Patienten mit vermuteter gastrointestinaler Blutung herangezogen werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Der Schweregrad einer gastrointestinalen Blutung kann anhand des Hämoglobin-Werts
abgeschätzt werden, der z. B. im Rahmen einer Blutgasanalyse (Point-of-care-Diagnostik)
unmittelbar verfügbar ist [1 ]. Der Hämoglobinwert ist auch im ambulanten Umfeld schnell verfügbar und unterstützt
die klinische Einschätzung des Ausmaßes einer vermuteten gastrointestinalen Blutung.
Je nach klinischer Situation (z. B. vermutete chronische Blutung, vermutete Varizenblutung,
vermutete Hämorrhoidenblutung) muss der Hämoglobinwert aber nicht vor Einleiten weiterer
Maßnahmen abgewartet werden.
Im septischen Schock ist eine Laktaterhöhung als prognostischer Parameter unstrittig
[3 ], besonders die Laktat-Clearance innerhalb der ersten Stunden scheint für das Outcome
von Bedeutung [4 ]. Kürzlich konnte gezeigt werden, dass auch bei der oberen gastrointestinalen Blutung
ein signifikanter Zusammenhang zwischen dem Ausmaß der Laktaterhöhung innerhalb der
ersten 24 h und der Sterblichkeit auf der Intensivstation besteht [5 ]. Insbesondere erhöhte Laktatwerte (> 5 mmol/l) bei Aufnahme im Krankenhaus zeigen
daher möglicherweise ein erhöhtes Letalitätsrisiko an und könnten zur Risikostratifizierung
herangezogen werden [5 ]. Zur Bewertung der Gerinnungssituation wird auf die Empfehlungen der AG2 verwiesen.
Es ist nicht möglich, aufgrund nicht-invasiver Marker sicher zwischen nicht-varikösen
und varikösen Blutungsquellen bei oberer gastrointestinaler Blutung zu unterscheiden,
aber Risikofaktoren wie Leberzirrhose, splanchnische Thrombosen, Thrombozytopenie
oder erhöhte Leber-/Milz-Gewebesteifigkeit können Hinweis auf eine variköse Blutungsursache
im oberen Gastrointestinaltrakt sein.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Es ist sehr schwierig, bei Patienten mit oberer gastrointestinaler Blutung aufgrund
der Anamnese und anderer nicht-invasiver Indikatoren zwischen variköser und nicht-variköser
Blutungsquelle zu unterscheiden. In einer großen retrospektiven Analyse von 2233 stationär
aufgenommenen Patienten mit oberer gastrointestinaler Blutung, davon 1034 Patienten
mit Leberzirrhose, waren Thrombozytopenie, AST-Thrombozyten-Ratio (APRI-Score), AST-ALT-Ratio
(AAR) und der Lok-Index (nicht-invasive Labortests) hinweisend auf das Vorhandensein
von Varizen sowie mit niedrigerer Sensitivität und Spezifität auch hinweisend auf
eine Varizenblutung [6 ]. Leider war keiner der untersuchten Parameter in multivariaten Untersuchungen in
der Lage, bei Patienten mit bekannter Leberzirrhose sicher zwischen nicht-varikösen
und varikösen Blutungen zu unterscheiden [6 ]. Derzeit werden weitere Verfahren evaluiert; beispielsweise scheinen sowohl die
Lebersteifigkeit, gemessen über transiente Elastografie (Fibroscan® , Fa. Echosense) oder andere Ultraschall-basierte Methoden (z. B. Acoustic Radiation
Force Impulse Imaging, ARFI; Scherwellenelastografie, SWE), und die Steifigkeit der
Milz sowohl das Vorliegen von Varizen bei Leberzirrhose [7 ]
[8 ]
[9 ] als auch das Blutungsrisiko [10 ] vorherzusagen. Der Stellenwert in der akuten Blutungssituation ist aber aktuell
noch nicht definiert.
Zur präendoskopischen Risikostratifizierung bei vermuteter nicht-variköser oberer
gastrointestinaler Blutung kann der (modifizierte) Glasgow-Blatchford-Score (GBS)
bestimmt werden. Patienten mit einem (m)GBS von 0 – 1 können einer ambulanten Gastroskopie
im Verlauf zugeführt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Für die präendoskopische Risikobewertung sollte der Rockall-Score nicht verwendet
werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Im Jahr 2000 wurde ein Scoring-Modell für die nicht-variköse obere gastrointestinale
Blutung vorgeschlagen [11 ], in den sogenannten Glasgow-Blatchford-Score (GBS) fließen klinische Parameter,
Vitalparameter, Laborwerte und Vorerkrankungen mit ein. Anhand des Scores gelang es
auch in prospektiven Studien, mit hoher Sensitivität und Spezifität die Notwendigkeit
einer endoskopischen Intervention vorauszusagen. Ein vereinfachter bzw. modifizierter
Glasgow-Blatchford-Score (mGBS) basiert unter Ausschluss subjektiver Kriterien ausschließlich
auf Vital- und Laborparametern mit ähnlich guter Sensitivität und Spezifität (ROC-AUC
0,85) ([Tab. 2 ]) [12 ].
Tab. 2
Modifizierter Glasgow-Blatchford-Score (mGBS) zur Risikoabschätzung bei vermuteter
nicht-variköser oberer gastrointestinaler Blutung (adaptiert nach [12 ]).
Kriterium
Ausprägung
Punktzahl
Herzfrequenz
≥ 100 /min.
1
systolischer RR
100 – 109 mmHg
1
90 – 99 mmHg
2
< 90 mmHg
3
Harnstoff (mg/dl)
≥ 18,2 und < 22,4 mg/dl
2
≥ 22,4 und < 28 mg/dl
3
≥ 28 und < 70 mg/dl
4
≥ 70 mg/dl
6
Hämoglobin (♂)
≥ 12 und < 13 g/dl
1
≥ 10 und < 12 g/dl
3
< 10 g/dl
6
Hämoglobin (♀)
≥ 10 und < 12 g/dl
3
< 10 g/dl
6
Anmerkung : Harnstoff ursprünglich als Blood urea nitrogen (BUN) angegeben; Harnstoff: Umrechnung
von mmol/l in mg/dl: Harnstoff in mmol/l/0,1665 = Harnstoff in mg/dl; Umrechnung von
Harnstoff in BUN: Harnstoff in mg/dl/2142 = BUN in mg/dl. Bewertung : Niedrigrisiko-Gruppe: 0 – 1 Punkt; Maximale Punktzahl: 16 Punkte.
Patienten mit einer Niedrig-Risiko-Konstellation (0 – 1 Punkt) im Glasgow-Blatchford-Score
(Hb (♂) ≥ 130 g/l bzw. Hb (♀) ≥ 120 g/l, systolischer Blutdruck ≥ 110 mmHg, Puls < 100/min,
Fehlen von Meläna, Synkope, Herz- oder Lebererkrankungen) benötigten mit einer Sensitivität
> 99 % keine endoskopische Intervention [13 ]. Eine ambulante Versorgung mittels Gastroskopie im Verlauf ist gerechtfertigt. Einschränkend
anzumerken ist, dass der Glasgow-Blatchford-Score eine evtl. vorhandene antithrombotische
Therapie nicht berücksichtigt, außerdem ist er nicht für intensivmedizinische oder
postoperative Patienten validiert.
Der präendoskopische Rockall-Score [14 ] ist für die initiale Risikostratifizierung nicht geeignet. Er erlaubt keine zuverlässige
Aussage über die Notwendigkeit der Durchführung einer endoskopischen Intervention
[13 ]
[15 ].
Daher können Scores die klinische Entscheidungsfindung erleichtern, diese aber nicht
ersetzen.
Patienten mit vermuteter variköser oberer gastrointestinaler Blutung sollen unter
stationären Bedingungen evaluiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Patienten mit vorbestehender Lebererkrankung und gastrointestinaler Blutung sind Hochrisikopatienten
mit einer erheblichen Letalität, die einer stationären Überwachung und Therapie bedürfen
[16 ].
Patienten mit vermuteter unterer gastrointestinaler Blutung (okkultes Blut im Stuhl,
gelegentliche Blutauflagerungen) können bei eindeutig stabiler klinischer Situation
und niedrigem Risikoprofil ambulant versorgt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Patienten mit vermuteter unterer gastrointestinaler Blutung und Hinweisen auf eine
akute Gefährdung durch die Blutung (z. B. eine intermittierend schwere Hämatochezie
mit vegetativer Reaktion) sollten stationär versorgt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Es gibt keine randomisierten prospektiven Studien zur optimalen Versorgung der „harmlosen“
unteren gastrointestinalen Blutung. Anders als bei der oberen gastrointestinalen Blutung
gibt es für die unteren gastrointestinalen Blutungen auch keine allgemein akzeptierten
oder multizentrisch prospektiv validierten Scores [17 ]. In vielen, zumeist retrospektiven Studien zeigte sich insgesamt eine sehr niedrige
blutungsassoziierte Letalität selbst bei akuter unterer gastrointestinaler Blutung
[5 ]
[17 ]. Eine größere japanische Studie (439 Patienten) konnte acht Risikofaktoren für eine
schwere akute gastrointestinale Blutung bei stationär aufgenommenen Patienten herausarbeiten,
welche in einer kleineren prospektiven Kohorte (161 Patienten) validiert wurden: Einnahme
von nicht-steroidalen Antiphlogistika (NSAR), Diarrhö, abdominelle Abwehrspannung,
systolischer Blutdruck unter 100 mmHg, Thrombozytenaggregationshemmung, Albuminspiegel
unter 3 g/dL, mehrere Begleiterkrankungen (Charlson Comorbidity Index ≥ 2) und Synkope/Kollaps
(„NOBLADS Score“) [18 ]. Dieser Score war mit mehreren Endpunkten wie Transfusionsbedarf, Interventionen
und Krankenhausaufenthaltsdauer assoziiert, umgekehrt benötigte nur ein Patient (von
66 Patienten) mit einem Score von 0 eine Transfusion und eine endoskopische Intervention
[18 ]. In einer erst kürzlich publizierten Untersuchung [19 ] verglichen die Autoren die Genauigkeit dreier Scores (ASA, Center of Ulcer Research
and Education Hemostatis Score und Charlson-Index), um einen schweren Verlauf der
unteren gastrointestinalen Blutung vorherzusagen. Allerdings hatten alle Scores außer
dem ASA-Score keine gute diagnostische Aussagefähigkeit (accuracy 75 % maximal). Somit
können Scores in der klinischen Routine auch nicht empfohlen werden. Davon ausgenommen
bleibt der ASA-Score, der alleine schon zur Evaluation des Sedierungsrisikos bestimmt
werden sollte. Dies deckt sich mit retrospektiven Analysen stationär versorgter Patienten,
nach denen bei eindeutig stabiler klinischer Situation (Hämoglobin-Wert > 13 g/dl,
systolischer Blutdruck > 115 mmHg) und Fehlen von Risikofaktoren (d. h. keine Antikoagulation,
keine schweren Komorbiditäten) keine stationäre Aufnahme erforderlich ist [20 ]
[21 ]. Selbstverständlich ist okkultes oder overtes Blut im Stuhl aber immer als Warnsymptom
aufzufassen, das eine zeitnahe (dann ggfs. ambulante) Abklärung mit einer Koloskopie
nach sich ziehen sollte [2 ]. Damit kommt der klinischen Einschätzung (Symptomatik/Kreislaufreaktion, Komorbiditäten,
Schwere der Blutung, Hb-Wert bei chronischem Blutverlust, Begleitmedikation/Antikoagulation,
Versorgungssituation des Patienten, stattgehabte Interventionen wie Polypektomie)
eine bestimmende Bedeutung für die Entscheidung zur ambulanten oder stationären Abklärung
zu.
Zeitpunkt der Endoskopie und Überwachung bis zur Endoskopie
Bei hämorrhagischem Schock bei vermuteter nicht-variköser oberer gastrointestinaler
Blutung sollte unmittelbar nach Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung eine Endoskopie
erfolgen (innerhalb von 12 h). Bei Hochrisikosituationen und vermuteter nicht-variköser
oberer gastrointestinaler Blutung sollte zeitnah (innerhalb von 24 h) eine Endoskopie
erfolgen. Bei vermuteter nicht-variköser oberer gastrointestinaler Blutung und hämodynamischer
Stabilität sollte frühelektiv (innerhalb von 72 h) eine Endoskopie erfolgen.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Zur Einschätzung der Dringlichkeit kann der Glasgow-Blatchford-Score eingesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Bei hämorrhagischem Schock bei vermuteter nicht-variköser oberer gastrointestinaler
Blutung sollte die Aufnahme auf eine Intensivstation erfolgen. Nach hämodynamischer
Stabilisierung sollte zeitnah eine ÖGD erfolgen, in der ESGE-Leitlinie zur nicht-varikösen
oberen gastrointestinalen Blutung ist hierfür ein Zeitfenster < 12 h vorgesehen [1 ].
Eine Endoskopie innerhalb der ersten zwölf Stunden nach Aufnahme resultierte in einer
prospektiven, randomisierten Studie an 325 Patienten in einem signifikant geringeren
Bedarf an Erythrozytenkonzentraten (450 ml vs. 666 ml, P< 0,001) [22 ].
Die ESGE-Leitlinie empfiehlt ebenfalls eine zeitnahe Endoskopie innerhalb der ersten
zwölf Stunden bei beobachteter Hämatemesis und bei Patienten mit vermuteter oberer
gastrointestinaler Blutung, bei denen die antithrombotische Therapie fortgesetzt werden
muss [1 ].
Bei 97 Patienten mit einem Glasgow-Blatchford-Score GBS ≥ 12 konnte in einer retrospektiven
Analyse die Mortalität mittels Endoskopie mit erfolgreicher Blutstillung innerhalb
der ersten 13 Stunden signifikant gesenkt werden (0 vs. 44 %, P< 0,001), sodass eine
ÖGD in einem Zeitfenster < 24 h erfolgen sollte [23 ].
Zur Identifikation von Hochrisikopatienten können neben klassischen anamnestischen
Parametern (bekanntes Ulkusleiden, vorangegangene gastrointestinale Blutungen, gastrointestinales
Tumorleiden, laufende Thrombozytenaggregationshemmung oder Antikoagulation, hohes
Alter, schwere Begleiterkrankungen) auch einfache klinische Einschätzungen wie der
„AIMS65-Score“ (Albumin, INR, mental status, systolic RR, age > 65) herangezogen werden.
Dieser beinhaltet niedriges Albumin (< 3 g/dl), hoher INR (> 1,5), Bewusstseinstrübung
(„altered mental status“), niedriger systolischer Blutdruck (< 90 mmHg) und Alter
(> 65 Jahre) [24 ].
Bei vermuteter oberer gastrointestinaler Blutung bei einem hämodynamisch stabilen
Patienten sollte eine ÖGD innerhalb der ersten 72 h erfolgen [2 ].
Bei vermuteter variköser oberer gastrointestinaler Blutung sollte eine kontinuierliche
Überwachung der Vitalparameter sowie zeitnah (< 12 h) eine Endoskopie erfolgen. Bei
vermuteter variköser Blutung mit hämodynamischer Instabilität sollte frühestmöglich
eine Notfall-Endoskopie erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens.
Bei vermuteter variköser oberer gastrointestinaler Blutung mit hämodynamischer Instabilität
sollte die Aufnahme auf eine Intensivstation erfolgen, bei hämodynamischer Stabilität
sollte bis zur Endoskopie zumindest eine kontinuierliche Überwachung der Vitalparameter
gewährleistet sein. Nach hämodynamischer Stabilisierung, intravenöser Applikation
einer vasoaktiven Substanz und eines Breitspektrumantibiotikums und ggf. nach endotrachealer
Intubation (siehe Empfehlungen unten) sollte zeitnah (< 12 h) eine Gastroskopie erfolgen
[25 ]
[26 ]
[27 ]
[28 ]. Hämodynamisch instabile Patienten sollten frühestmöglich (d. h. sobald es der Allgemeinzustand
des Patienten zulässt) einer Notfall-Endoskopie zugeführt werden [29 ]. Mittels Kombination aus medikamentöser Therapie und frühzeitiger, effektiver endoskopischer
Intervention konnte die Mortalität der varikösen Blutung in den letzten Jahren kontinuierlich
gesenkt werden [30 ].
Bei hämorrhagischem Schock bei vermuteter unterer gastrointestinaler Blutung sollten
nach Maßnahmen zur Kreislaufstabilisierung unmittelbar (innerhalb von 12 h) endoskopische
Untersuchungen (Gastroskopie plus ggfs. Rekto-Sigmoido- oder Koloskopie) erfolgen.
Bei hämodynamischer Stabilität und vermuteter unterer gastrointestinaler Blutung sollte
eine Koloskopie erst nach entsprechender Vorbereitung erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens.
Schwere Verläufe bei der unteren gastrointestinalen Blutung sind seltener, die Mortalitätsrate
geringer [31 ], dennoch kommt es besonders bei älteren Patienten > 65 Jahren [18 ] und unter antithrombotischer Therapie, insbesondere unter direkten oralen Antikoagulanzien
[32 ]
[33 ], häufiger zu schweren Verläufen. Als Risikofaktoren für einen schweren Verlauf einer
unteren gastrointestinalen Blutung gelten eine Herzfrequenz > 100/min, ein systolischer
Blutdruck < 115 mmHg, ein synkopales Ereignis, ein akutes Abdomen, peranaler Blutabgang
bis vier Stunden nach Krankenhausaufnahme, ASS-Einnahme und mehr als zwei relevante
Begleiterkrankungen. Sollten mehr als drei Risikofaktoren vorliegen, so besteht eine
Mortalität von 9,6 % [34 ]
[35 ].
Bei hämorrhagischem Schock bei vermuteter unterer gastrointestinaler Blutung sollte
die Aufnahme auf eine Intensivstation erfolgen.
Bei hämorrhagischem Schock bei Hämatochezie und/oder peranalem Abgang von Blutkoageln
sollte zunächst eine Gastroskopie erfolgen. Nach Ausschluss einer Blutungsquelle im
oberen Gastrointestinaltrakt kann dann im Falle einer medikamentös nicht zu beherrschenden
Kreislaufsituation eine Koloskopie auch bei unvorbereitetem Kolon erfolgen [36 ]. Immerhin gelang es in einer kleinen Fallserie (n = 13) bei bis zu 40 % der Patienten,
bei unvorbereitetem Kolon die Blutungsquelle zu lokalisieren, das Zökum wurde bei
69 % der Fälle erreicht [37 ].
Bei hämodynamischer Stabilität sollte erst nach adäquater Vorbereitung (Darmreinigung)
eine Koloskopie erfolgen [2 ].
Strukturelle Anforderungen
Patienten mit vermuteter gastrointestinaler Blutung sollen situationsadaptiert überwacht
werden.
Starke Empfehlung, Konsens.
Die bei schwerer gastrointestinaler Blutung aufnehmende Intensivstation sollte aktuelle
Qualitätsanforderungen erfüllen.
Empfehlung, Konsens.
Es gibt einen breiten Konsens., dass Patienten mit gastrointestinaler Blutung adaptiert
an den klinischen Zustand überwacht werden müssen [17 ]. Allerdings ist die Verfügbarkeit und Ausstattung (technisch/personell) von Notaufnahmestationen,
Überwachungsstationen (mit Telemetrie), „Intermediate-Care-Stationen“ und Intensivstationen
in Deutschland relativ heterogen, sodass es keine wissenschaftliche Evidenz gibt,
für Patienten mit gastrointestinaler Blutung eine bestimmte Überwachungseinheit gegenüber
anderen zu bevorzugen. Bei schwerer gastrointestinaler Blutung und hämodynamischer
Instabilität sind selbstverständlich Strukturen zur Patientenversorgung erforderlich,
die eine kontinuierliche Überwachung und unmittelbare Therapie (Volumenersatz, ggfs.
Beatmung) erlauben.
Unter Beteiligung aller intensivmedizinisch tätigen Fachdisziplinen und der Fachkrankenpflege
wurden im Jahr 2013 zehn Qualitätsindikatoren für deutsche Intensivstationen benannt
[38 ], diese sind im Folgenden aufgeführt ([Tab. 3 ]).
Tab. 3
Qualitätsanforderungen an Intensivstationen (nach [38 ]).
Indikatoren
I
tägliche multiprofessionelle klinische Visite mit Dokumentation von Tageszielen
II
Monitoring von Sedierung, Analgesie, Delir
III
protektive Beatmung
IV
Weaning und andere Maßnahmen zur Vermeidung von ventilatorassoziierten Pneumonien
V
frühzeitige und adäquate Antibiotikatherapie
VI
therapeutische Hypothermie nach Herzstillstand
VII
frühe enterale Ernährung
VIII
strukturierte Dokumentation von Angehörigengesprächen
IX
Händedesinfektionsmittelverbrauch
X
Leitung und Präsenz eines Facharztes mit Zusatzbezeichnung Intensivmedizin in der
Kernarbeitszeit und Gewährleistung der Präsenz von intensivmedizinisch erfahrenem
ärztlichem und pflegerischem Personal über 24 h
Für die Versorgung von Patienten mit gastrointestinaler Blutung sollten auch außerhalb
der Kernarbeitszeiten ein in der Notfallendoskopie erfahrener Arzt und in der Notfallendoskopie
geschultes Assistenzpersonal in Rufbereitschaft sein.
Empfehlung, starker Konsens.
Zudem sollen gerade bei Notfallendoskopien die strukturellen Empfehlungen der S3-Leitlinie
„Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“ strikt eingehalten werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Um die geforderten Zeitintervalle bei variköser Blutung und bei hämorrhagischem Schock
einhalten zu können, ist eine Rufbereitschaft, bestehend aus einer ärztlichen und
einer pflegerischen Kraft, an sieben Tagen in der Woche rund um die Uhr erforderlich
[1 ].
Interventionelle Endoskopien, inklusive Notfalluntersuchungen, sind mit einer höheren
Rate an Sedierungszwischenfällen vergesellschaftet: In einer monozentrischen Registerstudie
eines deutschen Zentrums bekamen über einen Zeitraum von sechs Jahren 6396 Patienten
zur interventionellen Endoskopie eine Kombination aus Midazolam und Propofol, 3151
Patienten ausschließlich Propofol. Es traten 135 schwerwiegende Komplikationen auf,
u. a. verstarben vier Patienten, bei neun Patienten musste eine endotracheale Intubation
erfolgen. Als unabhängige Risikofaktoren wurden Alkohol- oder Drogenmissbrauch, eine
hohe Propofol-Dosis und eben die Notfallendoskopie identifiziert [39 ]. Bei hämorrhagischem Schock bei gastrointestinaler Blutung liegt nach den Kriterien
der American Society of Anesthesiologists (ASA) ein Grad IV (lebensbedrohliche Erkrankung)
vor, sodass eine Endoskopie im hämorrhagischen Schock mittels Sedierung durch einen
erfahrenen Arzt und mit einer adäquaten Überwachung begleitet werden muss [40 ].
Bei unstillbarer bzw. rezidivierender nicht-variköser gastrointestinaler Blutung sollte
zeitnah die Verlegung in ein Zentrum mit der Möglichkeit zur interventionellen Angiografie
bzw. einer operativen Vorgehensweise erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens.
Mittels endoskopischer Therapie kann sehr häufig eine suffiziente Hämostase erzielt
werden (ggf. in Kombination mit medikamentöser Therapie). In einer 2014 veröffentlichten
Arbeit konnte bei 411 von 428 Patienten (96 %) bei Ulkusblutung mittels Endoskopie
eine Blutstillung erreicht werden, 69 Patienten benötigten eine zweite endoskopische
Blutstillung, 18 Patienten eine dritte. Insgesamt konnten 82 % der Rezidivblutungen
endoskopisch beherrscht werden [41 ]. Außerdem stehen neue Techniken der endoskopischen Blutstillung zur Verfügung. Besonders
vielversprechend scheinen Over-the-scope-Clips, neue Through-the-scope-Clips und topisch
anwendbare Substanzen zu sein, deren Wertigkeit später noch besprochen wird [42 ]. Dennoch stehen chirurgische und interventionell-angiografische Blutstillungsverfahren
zur Verfügung, die nicht an jedem Standort vorgehalten werden können. Bei hohem Rezidivblutungsrisiko,
Blutungsrezidiv oder nicht beherrschbarer Blutung sollte daher die Verlegung in ein
Zentrum mit interventioneller Radiologie und erfahrener Viszeralchirurgie erfolgen.
Bei unstillbarer bzw. rezidivierender variköser gastrointestinaler Blutung sollte
zeitnah die Verlegung in ein Zentrum mit der Möglichkeit der Durchführung eines Rescue-TIPS
bzw. frühelektiven TIPS erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens.
Der Rescue-TIPS (transjugulärer intrahepatischer portosystemischer Shunt) kommt zum
Einsatz bei endoskopisch nicht beherrschbarer Blutung (zwei endoskopische Interventionen
innerhalb von 24 h ohne Blutstillung) bzw. bei frühzeitiger kreislaufrelevanter Rezidivblutung
innerhalb von 5 Tagen [43 ]. Die Durchführung sollte an Zentren mit entsprechender Expertise erfolgen. Neben
der effektiven medikamentösen pfortaderdrucksenkenden Therapie (Vasokonstriktoren:
Terlipressin, etc.) stehen zur Überbrückung als lokale Maßnahmen zur Blutstillung
Sengstaken-/Linton-Sonden oder selbstexpandierende Metallgitterstents (SEMS) zur Verfügung
[44 ]. Als Ultima ratio können in Situationen rezidivierender variköser gastrointestinaler
Blutung auch Shunt-Operationen oder, gerade bei begleitendem Leberversagen, eine Lebertransplantation
(unter Beachtung der Indikationen und Kontraindikationen) erwogen werden [45 ].
Initiale Stabilisierung, Volumen- und Transfusionsmanagement
Bei hämodynamischer Instabilität soll ein unverzüglicher Volumenersatz mittels kristalloider
Lösungen erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Wenn eine akute Hypovolämie allein mit Kristalloiden nicht ausreichend therapiert
werden kann, können darüber hinaus Gelatine und Humanalbumin zum Einsatz kommen.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Bei hämodynamischer Instabilität muss zunächst eine intravasale Hypovolämie ausgeglichen
werden, um eine ausreichende Gewebsperfusion sicherzustellen und einem Multiorganversagen
vorzubeugen [1 ]. Bei Patienten mit Schock steht daher die intensivmedizinische Kreislaufstabilisierung
bei varikösen und nicht-varikösen Blutungen immer vor der Endoskopie [2 ]. Auch wenn es zum Volumenersatz bei gastrointestinalen Blutungen keine hochwertigen
randomisierten Studien gibt, so reduzierte die rasche und frühe hämodynamische Stabilisierung
bei Patienten mit akuter gastrointestinaler Blutung in einer Beobachtungs-Studie signifikant
die Letalität (p = 0,04) und das Auftreten myokardialer Ereignisse (p = 0,04) gegenüber
„konventionell“ behandelten Patienten [46 ]. Eine aktuelle Metaanalyse zum Volumenmanagement bei Traumapatienten mit hämorrhagischem
Schock konnte allerdings keinen Vorteil einer frühen und aggressiven Volumentherapie
belegen [47 ].
Zur Art der Volumenersatztherapie, d. h. kristalloide (Elektrolyt- oder niedermolekulare
Kohlenhydratlösungen) vs. kolloidale (großmolekulare Flüssigkeiten) Lösungen, gibt
es eine Vielzahl von Studien bei intensivmedizinisch versorgten Patienten, welche
in der AMWF S3-Leitlinie „Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen“ (Registernummer
001 – 020) dargestellt werden [48 ]. Bei kritisch kranken Intensivpatienten war die Gabe von Kristalloiden im Vergleich
zu Hydroxyethylstärke (HES) als Kolloid in mehreren randomisierten, kontrollierten
Studien mit einem selteneren Auftreten eines Nierenversagens und besserem Überleben
assoziiert [49 ]. Erneut muss einschränkend genannt werden, dass diese Studien nicht explizit Patienten
mit akuter gastrointestinaler Blutung untersucht haben. Da durch Kolloide allerdings
im allgemeinen eine raschere hämodynamische Stabilisierung gelingt [50 ], können Gelatine oder Humanalbumin zusätzlich zu kristalloiden Lösungen ebenfalls
zum Einsatz kommen [51 ].
Bei Patienten im hämorrhagischen Schock soll der Erfolg der intravasalen Volumenersatztherapie
anhand klinischer (Vigilanz, Hautturgor), hämodynamischer (Herzfrequenz, Blutdruck,
Schlagvolumen, dynamische Vorlastparameter), laborchemischer (Laktat) sowie ggfs.
bildgebender (Echokardiografie) Befunde kontrolliert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
In der Initialphase des hämorrhagischen Schocks aufgrund einer gastrointestinalen
Blutung dienen vor allem eine Normalisierung der Herzfrequenz und Stabilisierung des
Blutdrucks (mittlerer arterieller Druck > 65 mmHg), einhergehend mit Normalisierung
erhöhter Laktatspiegel in der bettseitigen Blutgasanalyse, als Indikatoren für einen
erfolgreichen Ausgleich eines Volumenmangels. Gerade erhöhte Laktatspiegel (Laktat
> 5 mmol/l) haben in einer retrospektiven Auswertung intensivpflichtiger Patienten
mit gastrointestinaler Blutung eine Assoziation zur Sterblichkeit [5 ]. Zur Steuerung der Volumentherapie bei erwachsenen, insbesondere bei beatmeten Intensivpatienten
sollen Überwachungsverfahren, die eine Einschätzung der Volumenreagibilität anhand
flussbasierter (Schlagvolumen) und/oder dynamischer Vorlastparameter (Schlagvolumenvariation,
Pulsdruckvariation) erlauben, statischen Parametern (wie zentraler Venendruck, pulmonalarterieller
Okklusionsdruck) vorgezogen werden [48 ]. Einzelheiten zum differenzierten Volumenmanagement im Schock sind der S3-Leitlinie
„Intravasale Volumentherapie beim Erwachsenen“ (Registernummer 001 – 020) zu entnehmen
[48 ].
Bei unzureichendem Ansprechen auf eine Volumentherapie können im hämorrhagischen Schock
passager Katecholamine zur Kreislaufstabilisierung eingesetzt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Grundsätzlich ist die systemische Therapie mit Katecholaminen nicht geeignet, um einen
hämorrhagischen Schock mit Hypovolämie dauerhaft zu behandeln. Dennoch kann es in
Analogie zum septischen Schock notwendig werden, kurzzeitig den Kreislauf mit Katecholaminen
wie Noradrenalin zu stabilisieren [52 ], bis die kausale Therapie (Volumen, Transfusion, Blutstillung) erfolgreich ist.
Abgesehen von der besonderen Situation der varikösen Blutungen (Vasopressin- oder
Somatostatin-Analoga als Mittel der Wahl) gibt es derzeit keine prospektiven Studien
zum Einsatz von Vasokonstriktoren beim hämorrhagischen Schock aufgrund gastrointestinaler
Blutungen [53 ].
Patienten mit vermuteter gastrointestinaler Blutung sollen allogene Erythrozytenkonzentrate
erhalten, sodass der Hämoglobin-Wert zwischen 7 – 9 g/dl stabilisiert wird.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei einem Hämoglobin-Wert über 10 g/dl und fehlenden klinischen Zeichen einer anämischen
Hypoxie sollten keine Erythrozytenkonzentrate transfundiert werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Bei massiver gastrointestinaler Blutung und hämorrhagischem Schock können Erythrozytenkonzentrate
nach klinischer Einschätzung (unabhängig vom Hämoglobinwert) gegeben werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Eine große prospektive, allerdings monozentrische Studie hat den optimalen Transfusionstrigger
bei 921 Patienten mit (vermuteter) gastrointestinaler Blutung (Meläna/Hämatemesis)
untersucht. Ähnlich wie in anderen intensivmedizinischen Szenarien [54 ] war die restriktive Transfusionsstrategie (Transfusion nur, wenn Hämoglobin [Hb]
< 7 g/dl, Ziel-Hb 7 – 9 g/dl) der liberalen Transfusionsstragie (Transfusion bei Hb
< 9 g/dl, Ziel-Hb 9 – 11 g/dl) bezüglich der Gesamtletalität überlegen (HR 0,55) [55 ]. Außerdem gab es weniger Rezidivblutungen bei restriktiver Transfusionsindikation
(HR 0,68) [55 ]. Auch in Subgruppenanalysen (z. B. Zirrhose) ergab sich kein Vorteil für eine liberale
Transfusionsstrategie [55 ]. Eine multizentrische Studie aus Großbritannien hat eine Cluster-Analyse für 936
Patienten mit gastrointestinaler Blutung durchgeführt, in der Krankenhäuser mit restriktiver
(Transfusion bei Hb < 8 g/dl) und mit liberaler (bei Hb < 10 g/dl) Transfusionsstrategie
verglichen wurden [56 ]. Bei restriktiver Transfusionsindikation kam es insgesamt zu weniger Transfusionen
pro Patient, wohingegen es keinen Unterschied bei klinischen Endpunkten (Reblutung,
Überleben, Thrombembolien) gab [56 ]. Allerdings gab es in dieser Studie in der Subgruppe der Patienten mit koronarer
Herzerkrankung einen Trend (p = 0,11) zu erhöhter Letalität (12 vs. 3 %) bei restriktiver
Transfusionsstrategie, sodass in dieser Subgruppe möglicherweise ein Transfusionstrigger
von Hb < 10 g/dl sinnvoll sein könnte [56 ].
Einschränkend muss zudem angeführt werden, dass in diesen prospektiven Studien Patienten
mit schwerer gastrointestinaler Blutung (hämodynamische Instabilität, sichtbare schwerste
Blutung) und einigen Komorbiditäten ausgeschlossen waren [55 ]
[56 ]. In Situationen mit klinisch offensichtlicher massiver Blutung erscheint daher eine
unmittelbare Transfusion nach klinischer Einschätzung und ohne spezifischen Transfusionstrigger
sinnvoll.
Die Querschnitts-Leitlinie der Bundesärztekammer (BÄK) zur Therapie mit Blutkomponenten
und Plasmaderivaten [57 ] räumt insbesondere der klinischen Einschätzung (z. B. physiologische Transfusionstrigger
wie Tachykardie, Hypotension, EKG-Ischämie, Laktazidose) großen Raum ein; gemäß dieser
Querschnittsleitlinie kann (bei niedrigerer 2C-Evidenz) auch eine Transfusion bei
Hb-Werten zwischen 8 – 10 g/dl erfolgen, wenn klinische Hinweise auf eine anämische
Hypoxie bestehen.
Medikamentöse Therapie
Bei vermuteter nicht-variköser oberer gastrointestinaler Blutung sollen Protonenpumpenhemmer
als intravenöse Bolusgabe (80 mg i. v.) verabreicht werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Die präendoskopische intravenöse Bolusgabe eines Protonenpumpenhemmers (PPI), z. B.
Pantoprazol 80 mg i. v., wird in den verfügbaren Leitlinien zu nicht-varikösen Blutungen
empfohlen [1 ]
[2 ]
[58 ]
[59 ]. Dies wird gestützt durch eine Metaanalyse aus sechs randomisierten kontrollierten
Studien mit insgesamt 2223 Patienten, in denen die präendoskopische PPI-Gabe zwar
nicht die Rezidivblutungsrate oder Letalität, aber signifikant die Rate von Blutungsstigmata
(aktive Blutung, Blutkoagel oder Gefäßstumpf) in der Endoskopie (37,2 % vs. 46,5 %;
OR 0,67) und die Notwendigkeit endoskopischer Interventionen (8,6 vs. 11,7 %; OR 0,68)
reduzierte [60 ]. Allerdings darf durch die PPI-Gabe die Endoskopie nicht verzögert werden [1 ].
Bei vermuteter nicht-variköser oberer gastrointestinaler Blutung sollten Protonenpumpenhemmer
intravenös, entweder als wiederholte Bolusgaben oder als kontinuierliche Applikation
mittels Perfusor, bis zur Endoskopie fortgesetzt gegeben werden.
Empfehlung, starker Konsens.
In den meisten Studien der erwähnten Metaanalyse, die einen Vorteil für die präendoskopische
PPI-Gabe nachgewiesen hat, wurden typischerweise nach einer initialen PPI-Bolusgabe
bis zur Endoskopie kontinuierlich PPI über Perfusorsysteme (8 – 10 mg/h) fortgesetzt,
sodass davon auszugehen ist, dass PPI bis zur endoskopischen Versorgung verabreicht
werden sollten [1 ]
[60 ]. Aus vergleichenden Analysen zur fortgesetzten PPI-Gabe bei nachgewiesener schwerer
Ulkusblutung ist bekannt, dass wiederholte PPI-Bolusgaben (meist 3-mal 40 mg pro Tag)
gegenüber einer kontinuierlichen PPI-Gabe über Perfusor (zumeist 240 mg/24 h) gleichwertig
sind [61 ].
Bei vermuteter variköser oberer gastrointestinaler Blutung können Protonenpumpenhemmer
verabreicht werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Diese sollten aber nicht ohne genaue Überprüfung der Indikation als Dauermedikation
fortgesetzt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Wie bereits oben ausgeführt, ist präendoskopisch die Unterscheidung zwischen variköser
und nicht-variköser Blutungsquelle schwierig; auch Patienten mit Leberzirrhose haben
zu ca. 50 % eine nicht-variköse Blutungsursache bei oberer gastrointestinaler Blutung,
sodass die Initialtherapie mit einem PPI möglich erscheint [6 ]. Bei Patienten mit variköser oberer gastrointestinaler Blutung sind PPI allerdings
nicht oder nur wenig wirksam [62 ]. Die Rolle von PPI in der akuten Varizenblutung oder in der Prophylaxe von Rezidivblutungen
nach endoskopischer Intervention ist derzeit noch nicht abschließend geklärt [16 ]
[63 ].
Es gibt aus einer prospektiven Beobachtungsstudie allerdings klare Hinweise, dass
die dauerhafte Gabe von PPI bei Patienten mit Leberzirrhose mit einer erhöhten Letalität
(HR 2,36) assoziiert ist [64 ]. Unter langfristiger PPI-Gabe treten bei Patienten mit Leberzirrhose möglicherweise
gehäuft spontan bakterielle Peritonitiden auf [65 ]. Daher sollte keine unkritische Fortsetzung einer (Hochdosis-)PPI-Therapie bei Patienten
mit Leberzirrhose als Dauermedikation erfolgen.
Bei begründetem Verdacht auf eine akute Varizenblutung soll eine intravenöse Therapie
mit einem Vasokonstriktor (Terlipressin, Somatostatin oder Octreotid) noch vor der
Endoskopie begonnen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei Bestätigung der Diagnose sollte die Vasokonstriktor-Therapie noch 3 – 5 Tage fortgesetzt
werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Zwei Gruppen von vasoaktiven Substanzen werden erfolgreich in der Therapie der akuten
Varizenblutung eingesetzt: Vasopressin und seine Analoga (teils gemeinsam mit Nitraten)
sowie Somatostatin und seine Analoga. Terlipressin ist ein Vasopressin-Analogon, welches
sowohl systemisch als auch in den Mesenterialgefäßen zu einer Vasokonstriktion führt
und so den Pfortaderfluss reduziert. Somatostatin und das synthetische Somatostatin-Analogon
Octreotid führen zu einer Vasokonstriktion im Splanchnikusgebiet über Hemmung der
Glukagon-vermittelten splanchnischen Vasodilatation. Diese Vasokonstriktiva reduzieren
letztlich den Pfortaderfluss und damit die Durchblutung der Umgehungskreisläufe, zusätzlich
stabilisieren sie den Kreislauf und verbessern die Nierendurchblutung [2 ]
[62 ]. Randomisierte Studien und Metaanalysen zeigten klar, dass der Einsatz vasoaktiver
Substanzen bei der akuten Varizenblutung mit einer reduzierten Letalität und einer
besseren Blutungskontrolle assoziiert ist [66 ]
[67 ], insbesondere in Kombination mit endoskopischen Maßnahmen [28 ]
[68 ]
[69 ]
[70 ]. Daher soll bei begründetem Verdacht auf eine Varizenblutung (d. h. obere gastrointestinale
Blutung bei bekannter oder vermuteter Leberzirrhose, anamnestisch bekannte Varizen)
die Gabe einer vasoaktiven Substanz bereits vor der Endoskopie erfolgen [16 ]
[62 ].
Am häufigsten wird in Deutschland Terlipressin in der Dosierung von 1 – 2 mg als intravenöse
Bolusgabe eingesetzt, welche alle 4 – 6 Stunden innerhalb der ersten 72 Stunden wiederholt
wird [2 ]. Die optimale Dauer der Gabe vasoaktiver Substanzen ist nicht abschließend geklärt,
möglicherweise reichen auch kürzere Zeiträume (z. B. 24 Stunden) aus [71 ].
Eine große randomisierte prospektive Studie mit 780 Patienten hat die Effekte von
Terlipressin, Somatostatin und Octreotid in der akuten Varizenblutung verglichen:
In Bezug auf die untersuchten Endpunkte (Blutungskontrolle bei erster Endoskopie,
Reblutungsrate, Letalität) zeigten die verschiedenen Regimes keine signifikanten Unterschiede
([Tab. 4 ]) [72 ]. In der Terlipressin-Gruppe traten allerdings signifikant häufiger Hyponatriämien
als in den übrigen Gruppen auf [72 ]. In internationalen Empfehlungen werden alle drei Substanzen derzeit als gleichwertig
angesehen [16 ]
[62 ].
Tab. 4
Ergebnisse einer randomisierten Studie zum Einsatz vasoaktiver Substanzen bei akuter
Varizenblutung, die drei Studienarme zeigten keine signifikanten Unterschiede (nach
[72 ]).
Vasoaktive Substanzen bei (Verdacht auf) aktive Varizenblutung
Terlipressin
Somatostatin
Octreotid
N = 261
N = 259
N = 260
Dosierung Bolus (vor Endoskopie!)
2 mg Bolus i. v.
250 µg Bolus i. v.
50 µg Bolus i. v.
Dosierung über 5 d
1 mg alle 6 h i. v. für 5 d
250 µg/h i. v. für 5 d
25 µg/h i. v. für 5 d
aktive Blutung bei erster Endoskopie
43,7 %
44,4 %
43,5 %
Therapieerfolg Tag 5
86,2 %
83,4 %
83,8 %
Rezidivblutung
3,4 %
4,8 %
4,4 %
Letalität
8,0 %
8,9 %
8,8 %
Es sind die Dosierungen der Präparate, wie sie in der Studie verwendet wurden, angegeben.
Bei begründetem Verdacht auf eine akute Varizenblutung soll eine intravenöse Antibiotika-Therapie
noch vor der Endoskopie begonnen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei Bestätigung der Diagnose sollte die Antibiotika-Therapie noch 5 – 7 Tage fortgesetzt
werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Bei Patienten mit Leberzirrhose und akuter Varizenblutung kann die frühzeitige Gabe
von Antibiotika mit breitem gram-negativen Wirkspektrum, z. B. Ceftriaxon 2 g/24 h
oder Ciprofloxacin 2-mal 500 mg/24 h, das Auftreten klinisch relevanter bakterieller
Infektionen verhindern. In einer Metaanalyse aus 12 Plazebo-kontrollierten Studien
reduzierte die Antibiotika-Therapie signifikant die Letalität (RR = 0,79, 95 % KI
0,63 – 0,98), bakterielle Infektionen (RR = 0,43, 95 % KI 0,19 – 0,97) und die frühe
Reblutungsrate (RR = 0,53, 95 % KI 0,38 – 0,74) [73 ]. Da sowohl das Infektions- als auch das Letalitätsrisiko bei Patienten mit kompensierter
Leberzirrhose (Child-Pugh Stadium A) gering(er) ist, wird aber diskutiert, ob bei
diesen Patienten auf eine Antibiotika-Gabe verzichtet werden kann [16 ]. Die Wahl des Antibiotikums sollte patientenspezifische (z. B. Vorbehandlungen)
als auch Umgebungs-spezifische (z. B. Keim- und Resistenzspektrum im Krankenhaus)
Spektren berücksichtigen [16 ]; gerade aus Südeuropa ist eine hohe Rate Chinolon-resistenter Darmkeime berichtet
worden, sodass hier Drittgenerations-Cephalosporine bevorzugt werden [74 ]. Die optimale Dauer der Antibiotika-Gabe ist nicht abschließend geklärt, typischerweise
wird die präinterventionell begonnene Therapie für 5 – 7 Tage fortgesetzt. Eine Anpassung
der Antibiose gemäß eingehender mikrobiologischer Befunde ist selbstverständlich („Tarragona-Strategie“)
[75 ].
Bei vermuteter schwerer oberer gastrointestinaler Blutung sollte Erythromycin 250 mg
i. v. einmalig als Kurzinfusion 30 – 120 Minuten vor der Indexendoskopie gegeben werden,
um die Beurteilbarkeit des oberen Gastrointestinaltrakts zu verbessern.
Empfehlung, Konsens.
Insbesondere wenn der Magen noch mit Altblut, Blutkoageln oder Speiseresten gefüllt
ist, kann bei einem Teil der Patienten in der ersten Endoskopie die Blutungsquelle
nicht oder nur unzureichend identifiziert werden [76 ]. Daher erscheint die Gabe eines Prokinetikums vor der (Notfall-)Endoskopie sinnvoll,
um die Beurteilbarkeit des oberen Gastrointestinaltrakts zu verbessern [2 ]. Die Einmalgabe des Motilin-Rezeptor-Agonists Erythromycin vor Endoskopie wurde
in fünf Metaanalysen beurteilt [59 ]
[77 ]
[78 ]
[79 ]
[80 ], in denen sich insgesamt positive Effekte auf Endpunkte wie Lokalisierbarkeit der
Blutungsquelle oder Notwendigkeit einer erneuten Endoskopie zeigten. In der größten
dieser Metaanalysen (n = 558 Patienten, sechs Studien) verbesserte die Erythromycin-Infusion
(gegenüber Plazebo oder keiner Gabe) vor Endoskopie bei oberer gastrointestinaler
Blutung signifikant die Beurteilbarkeit der Magenschleimhaut (OR 3,43; 95 % KI 1,81 – 6,50),
Notwendigkeit einer zweiten Endoskopie (OR 0,47; 95 % KI 0,26 – 0,83), Transfusionsbedarf
(p = 0,04) und Liegedauer im Krankenhaus (P < 0,01) [79 ]. Die Einmal-Gabe von Erythromycin (250 mg i. v. als Kurzinfusion) war in den Metaanalysen
sicher und gut verträglich, zudem ist diese Maßnahme kosteneffektiv [80 ]. Allerdings ist Erythromycin nicht in dieser Indikation in Deutschland zugelassen,
sodass es sich um einen „off label“-Gebrauch handelt [2 ]. Wichtige Kontraindikationen gegen die Gabe von Erythromycin sind bekannte Allergien
gegen Makrolid-Antibiotika und eine verlängerte QT-Zeit [1 ]. Prinzipiell besteht das Risiko lebensbedrohlicher Herzrhythmusstörungen („Long-QT-Syndrom“,
ventrikukäre Arrhythmien), gerade, wenn Erythromycin gemeinsam mit anderen Medikamenten
eingesetzt wird, welche die QT-Zeit verlängern (z. B. Chinolone, Psychopharmaka, Antiarrhythmika).
Metoclopramid ist in dieser Situation weniger gut untersucht, scheint aber ebenfalls
die Beurteilbarkeit in der Notfall-Endoskopie zu verbessern [81 ]. Für Metoclopramid besteht insbesondere bei längerer Gabe das Risiko schwerer neurologischer
Nebenwirkungen [1 ], es kann aber als Alternative bei Kontraindikationen gegen Erythromycin eingesetzt
werden.
Atemwegsmanagement
Bei (vermuteter) schwerer oberer gastrointestinaler Blutung kann zur Verringerung
des Aspirationsrisikos eine endotracheale Intubation vor der Notfallendoskopie erfolgen.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Bei klinisch deutlich erhöhtem Aspirationsrisiko (schwere Hämatemesis, Enzephalopathie)
sollte eine endotracheale Intubation vor der Endoskopie erwogen werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Die endotracheale Intubation vor der Notfallendoskopie soll gerade bei Patienten mit
schwerer oberer gastrointestinaler Blutung das Aspirationsrisiko verringern. Zum Erfolg
einer „prophylaktischen Intubation“ („Schutzintubation“) gibt es allerdings keine
randomisierten prospektiven Studien; retrospektive Auswertungen konnten keinen Vorteil
in Bezug auf patientenrelevante Endpunkte (z. B. Aspirationspneumonie, Letalität)
nachweisen [82 ]
[83 ]
[84 ]. In einer aktuellen größeren amerikanischen retrospektiven Studie wurden 144 Patienten
mit prophylaktischer Intubation vor Gastroskopie mit 221 Patienten mit gastrointestinaler
Blutung ohne Intubation verglichen. Auch in gematchten Populationen von jeweils 100
Patienten pro Gruppe mit ähnlichem Risikoprofil gab es mehr unerwünschte kardiopulmonale
Ereignisse (vor allem Pneumonien und Kreislaufschock) bei Patienten mit prophylaktischer
Intubation [85 ]. In einer retrospektiven Studie traten Aspirationspneumonien ebenfalls häufiger
bei Patienten mit prophylaktischer Intubation auf [82 ], was allerdings auch durch einen Selektions-Bias (Patienten mit schwererer Blutung
wurden häufiger prophylaktisch intubiert) erklärt werden könnte. Da es derzeit keine
hochwertigen Studien gibt, die einen Vorteil der prophylaktischen Intubation nachweisen,
kann hierzu keine generelle Empfehlung ausgesprochen werden (vgl. hierzu auch S3-Leitlinie
„Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“ 2014, AWMF-Register-Nr. 021/014)
[40 ]. Bei Patienten mit klinisch erkennbar deutlich erhöhtem Aspirationsrisiko, d. h.
insbesondere bei schwerer Hämatemesis, vermuteter aktiver Ösophagusvarizenblutung,
bereits bestehender Vigilanzminderung oder hepatischer Enzephalopathie, sollte allerdings
eine endotracheale Intubation vor der Endoskopie erwogen werden, weil hier von einem
sehr hohen Aspirationsrisiko auszugehen ist [1 ].
Aufklärung und Einwilligung
Vor Durchführung intensivmedizinischer oder endoskopischer Maßnahmen sollte geklärt
werden, welches Therapieziel erreicht werden kann und welchem der Patient oder an
seiner Stelle dessen gesetzlicher Vertreter zustimmt.
Empfehlung, Konsens.
Patient oder gesetzlicher Vertreter sollen über Diagnose, Prognose, geplante Maßnahmen
und Behandlungsalternativen einschließlich der damit verbundenen Risiken verständlich
informiert werden; bei lebensrettenden Maßnahmen sind zwischen Aufklärung und Durchführung
keine festen Fristen einzuhalten.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Ist der Patientenwille in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht erhebbar, soll zum
Wohl des Patienten und dem mutmaßlichen Patientenwillen entsprechend entschieden werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Zur Aufklärung vor endoskopischen Eingriffen sei auf die S2k-Leitlinie „Qualitätsanforderungen
in der gastrointestinalen Endoskopie“ (AWMF-Register Nr. 021 – 022) verwiesen [2 ]. Ein wesentlicher Bestandteil der Patient-Arzt-Beziehung ist die Vereinbarung von
Therapiezielen. Diese Aufgabe geht dem Einsatz jeder Diagnostik- und Therapiemöglichkeit
voraus. Besonders für Patienten mit zweifelhafter Prognose ist zu klären, welches
Therapieziel im Spektrum zwischen kurativ orientierter, maximal möglicher Lebensverlängerung
und palliativ orientiertem Zulassen des Sterbens verfolgt werden soll [86 ].
Im Notfall und bei unzureichender Information stehen zunächst Sicherung und Aufrechterhaltung
der Vitalfunktionen nach den in dieser Leitlinie dargelegten Kriterien mit dem Therapieziel
„Lebenserhaltung“ im Vordergrund.
Parallel zu den dazu notwendigen Maßnahmen geht es darum, sich ein möglichst umfassendes
Bild vom Patienten zu verschaffen und neben Anamnese und Befunden patientenbezogene,
individuelle Faktoren (z. B. bekannte Behandlungspräferenzen, persönliche Werthaltungen,
religiöse Einstellung, Alter) zu berücksichtigen und die Therapieziele entsprechend
anzupassen.
Die erarbeiteten Therapieziele müssen dem Patienten oder seinem Stellvertreter ausführlich
mitgeteilt und mit ihm besprochen werden, um seine Entscheidung einzuholen. Dabei
sind Diagnose, Prognose, zu ergreifende Maßnahmen mit ihren Risiken und alle wichtigen
Umstände zu erörtern und zu dokumentieren [Patientenrechtegesetz §§ 630c-f BGB: www.gesetze-im-internet.de/bgb/__630c.html ].
Die Entscheidung über das anzustrebende Therapieziel trifft dann der Patient oder
sein Stellvertreter. Das angestrebte Therapieziel muss dokumentiert und im Behandlungsverlauf
regelmäßig überprüft werden.
Eine Änderung des Therapieziels ist erforderlich, wenn der Patient oder sein Stellvertreter
dies wünscht oder wenn sich relevante medizinische Veränderungen ergeben.
Gibt es Meinungsdifferenzen oder Unsicherheiten zu fachlichen Fragen, ist auf die
Möglichkeit hinzuweisen, eine Zweitmeinung durch einen anderen Experten einzuholen.
Bestehen ethische Entscheidungskonflikte, ist eine Ethikberatung, z. B. durch ein
Klinisches Ethikkomitee, zu empfehlen [www.www.ethikkomitee.de/ ].
Arbeitsgruppe 2: Gerinnungsstatus und Antikoagulanzien
Arbeitsgruppe 2: Gerinnungsstatus und Antikoagulanzien
Für elektive Eingriffe werden viele Problemstellungen wie laborchemische Analysen
vor elektiver Endoskopie, das Vorgehen bei Patienten mit angeborener oder erworbener
nicht medikamentös bedingter Hämostasestörung oder das Pausieren von Thrombozytenaggregationshemmung
(TAH) bzw. Antikoagulation umfassend in der S2k-Leitlinie „Qualitätsanforderungen
in der gastrointestinalen Endoskopie, AWMF-Register Nr. 021 – 022, Erstauflage 2015“
beantwortet. Dort werden folgende Themen abgehandelt, die im Hinblick auf die Vermeidung
von gastrointestinalen Blutungen auch in den Geltungsbereich der vorliegenden Leitlinie
fallen: Blutungsrisiko bei bestimmten endoskopischen Prozeduren, Medikation mit TAH,
Heparinen, oralen Antikoagulanzien (Vitamin-K-Antagonisten und DOAKs) inklusive deren
Halbwertszeiten und empfohlenen Zeiträumen der Pausierung, sowie Empfehlungen zur
Einnahme von gerinnungshemmender Medikation in Abhängigkeit vom Risikoprofil bestimmter
endoskopischer Eingriffe. Diese Empfehlungen behalten ihre Gültigkeit und sollen zur
Vermeidung von Redundanzen in der vorliegenden Leitlinie nicht erneut aufgeführt werden
[87 ].
Daher erfolgen die nachfolgenden Empfehlungen im Kontext der akuten gastrointestinalen
Blutung bei Patienten mit angeborener oder erworbener, nicht medikamentös-bedingter
Hämostasestörung oder unter laufender Therapie mit TAH oder Antikoagulanzien.
Wie häufig treten gastrointestinale Blutungen unter Thrombozytenaggregation oder Antikoagulation
auf?
Die Therapie mit einem Thrombozytenaggregationshemmer erhöht das Risiko für eine gastrointestinale
Blutung.
Starker Konsens.
In einer Metaanalyse von über 100 000 Patienten aus prospektiven Studien zeigte sich
das Risiko von Blutungen insgesamt (OR 1,70) sowie von schweren oder relevanten Blutungen
(OR 1,31; NNH 73) unter Acetylsalicylsäure (ASS) erhöht [88 ]. In einer weiteren Metaanalyse wurde die auf ASS zurückzuführende Steigerung von
gastrointestinalen Blutungen auf jährlich 0,13 % für Majorblutungen und 0,12 % für
Minorblutungen kalkuliert [89 ]. Das relative Risiko lag bei 2,22 für schwere gastrointestinale Blutungen sowie
1,23 für tödliche Blutungen.
Randomisierte prospektive Studien zu P2Y12-Antagonisten im Vergleich zu Plazebo existieren
nicht; in einer zu ASS randomisierten Studie (CAPRIE-Study) ergab sich für Clopidogrel
ein leicht vermindertes Risiko (ASS vs. Clopidogrel RR 1,45) gastrointestinaler Blutungen
im Vergleich zu ASS [89 ]. Andere Studien weisen ein eher leicht erhöhtes Blutungsrisiko gegenüber ASS aus
[90 ]
[91 ]
[92 ].
Die Gabe eines Antikörpers gegen GP IIb/IIIa bei Patienten mit Myokardinfarkt erhöht
ebenfalls das Blutungsrisiko [93 ].
Das Risiko gastrointestinaler Blutungen ist unter dualer Thrombozytenaggregationshemmung
höher als bei Monotherapie.
Starker Konsens.
Bei dualer Plättchenaggregationshemmung steigt das Risiko gastrointestinaler Blutungen
in der ASS/Clopidogrel-Gruppe relativ zur ASS-Monotherapiegruppe auf eine HR von 2,7
an [94 ]. Die dreifache (Triple-) Thrombozytenaggregations-Therapie (TAT, Zugabe von Cilostazol
zu ASS und Clopidogrel) und die konventionelle duale Thrombozytenaggregationshemmung
(ASS und Clopidogrel) wurden in einer Metaanalyse verglichen. Das Gesamtblutungsrisiko
war in beiden Gruppen gleich (2,39 vs. 2,04 %, p = 0,49), das Risiko von gastrointestinalen
Nebenwirkungen (gastrointestinale Blutungen wurden nicht gesondert ausgewiesen) war
signifikant höher in der TAT Gruppe (OR = 2,46) [95 ].
Das Risiko für eine gastrointestinale Blutung unter Antikoagulation ist erhöht. Das
Risiko unterscheidet sich zwischen Vitamin-K-Antagonisten und direkt wirkenden oralen
Antikoagulanzien (DOAKs) nicht.
Starker Konsens.
Die gastrointestinale Blutung ist eine typische Komplikation der oralen Antikoagulation
mit Vitamin-K-Antagonisten [96 ]
[97 ]. In einer finnischen Kohortenstudie von über 100 000 Patienten lag das Risiko, aufgrund
einer gastrointestinalen Blutung hospitalisiert zu werden, bei 2,3 % pro Patientenjahr
zu Beginn und 0,9 % pro Patientenjahr im weiteren Verlauf einer Therapie mit oralen
Antikoagulanzien. Dabei war das Risiko einer Blutung in den ersten 30 Tagen nach Einleitung
der Antikoagulation am höchsten [98 ]. 30 bis 40 % aller Blutungsereignisse bei oral antikoagulierten Patienten sind gastrointestinalen
Ursprungs [99 ], 6 % dieser Blutungen enden tödlich [100 ].
Das Risiko, eine gastrointestinale Majorblutung zu erleiden, hängt, wahrscheinlich
durch Komorbiditäten, Begleitmedikationen und Länge der Therapiedauer bedingt, von
der Indikation zur Antikoagulation ab; bei Patienten mit Vorhofflimmern liegt die
Inzidenz bei 2,5 %, nach Lungenembolie bei 0,5 % [99 ].
Eine 2013 publizierte Metaanalyse zu DOAKs, die 43 prospektiv randomisierte Studien
einschloss, wies im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten ein leicht erhöhtes Risiko
klinisch relevanter gastrointestinaler Blutungen nach (OR 1,45) [101 ]. Das Risiko war bei den Indikationen Vorhofflimmern (OR 1,21) und venösen Thrombosen
(OR 1,59) leicht, bei der Indikation akutes Koronarsyndrom jedoch deutlich (OR 5,21)
erhöht. Limitierend wurden eine recht große Heterogenität der eingeschlossenen Studien
und das jeweilige Studiendesign, das auf die Effektivität der DOAKs im Vergleich zur
Standardtherapie ausgelegt gewesen war, beschrieben [101 ].
In einer jüngeren Metaanalyse von insgesamt 23 prospektiven Phase III-Studien, die
die Wirkung von direkt wirkenden oralen Antikoagulanzien (Apixaban, Dabigatran, Doxaban
und Rivaroxaban) auf das Risiko von gastrointestinalen Majorblutungen verglichen,
zeigte sich gepoolt aus fünf kontrollierten randomisierten Studien bei den Indikationen
Vorhofflimmern (RR 1.08) und venösen Thrombembolien kein Unterschied zu Vitamin-K-Antagonisten
[99 ]. Auch im Vergleich (allerdings nur eine Studie) zur Acetylsalicylsäure (RR 0,78),
zu niedermolekularen Heparinen allein (RR 1,42, 95 % KI 0,55 – 3,71, I2 = 7 %; 8 RCTs),
zur sequenziellen Therapie von niedermolekularem Heparin und Vitamin-K-Antagonisten
RR 0,77, 95 % KI 0,49 – 1,21, I2 = 43 %; 7 RCTs) oder Plazebo (RR 1,48, 95 % KI 0,15 – 14,84,
I2 = 21 %; 2 RCTs) zeigten die DOAKs kein erhöhtes Risiko für Major-gastrointestinale
Blutungen.
Das Risiko erhöht sich bei Kombination der Antikoagulation mit einem Thrombozytenaggregationshemmer
oder bei Kombination mit einer dualen antithrombozytären Therapie erheblich.
Starker Konsens.
Bei oral antikoagulierten Patienten, die sich zudem einer perkutanen Koronarintervention
unterziehen müssen, ist eine zusätzliche Therapie mit einem oder zwei Thrombozytenaggregationshemmern
indiziert. Der Vorteil im Hinblick auf das kardiovaskuläre Ergebnis wird jedoch mit
einem erhöhten Blutungsrisiko erkauft. In der „STent Anticoagulation Restenosis Study“
fand sich in der Gruppe derjenigen Patienten, die eine duale Therapie mit oraler Antikoagulation
plus ASS erhielten, mit 6,2 vs. 1,8 % eine deutlich höhere Gesamtblutungsrate im Vergleich
zu denjenigen, die nur ASS einnahmen [102 ]; der Anteil der gastrointestinalen Blutungen wurde jedoch nicht gesondert ausgewiesen.
Unter Tripletherapie mit ASS, Clopidogrel und Enoxaparin im Rahmen einer Kurzzeitbehandlung
aufgrund eines akuten Koronarsyndroms wurde in einer retrospektiven Analyse von 666
Patienten bei 2,7 % eine gastrointestinale Blutung innerhalb von 30 Tagen dokumentiert
[103 ].
In einer retrospektiven dänischen Registerstudie mit 118 606 Patienten lagen die Blutungsereignisse
bei der Tripletherapie bei 15,7 % pro Patientenjahr, bei der dualen Therapie mit Vitamin-K-Antagonist
und Clopidogrel bei 13,9 % [90 ]. Im Vergleich zur Monotherapie mit Vitamin-K-Antagonist ergaben sich Risikoerhöhungen
von 3,1-fach für Vitamin-K-Antagonist/Clopidogrel und 3,7-fach für die Tripletherapie.
Dabei trat eine gastrointestinale Blutung zu 5,1 % pro Jahr auf, was einer Steigerung
von 5,38-fach im Vergleich zur oralen Antikoagulation als Monotherapie entspricht.
Dieselbe Arbeitsgruppe konnte in einer weiteren Registerstudie zeigen, dass das Risiko
einer Blutung nach Myokardinfarkt unter Tripletherapie etwa 1,4-fach höher lag als
unter der Kombination von Vitamin-K-Antagonist und Thrombozytenaggregationshemmer.
Zu beachten ist, dass der Anteil gastrointestinaler Blutungen bei den tödlichen gegenüber
den nicht-tödlichen Ereignissen überrepräsentiert war (45,3 vs. 33,8 %) [92 ].
In einer prospektiven Studie, die Blutungen als primäres Zielkriterium definiert hatte
(WOEST-Trial), lag die Inzidenz von Blutungsereignissen sogar noch deutlich höher
[104 ], möglicherweise bedingt durch die systematische Erfassung. Bei Patienten mit dualer
Therapie wurden innerhalb eines Jahres Blutungsepisoden bei 19,4 %, bei Patienten
mit Tripletherapie bei 44,4 % notiert. Bei 2,9 bzw. 8,8 % aller Patienten traten gastrointestinale
Blutungen auf. Der Anteil von Majorblutungen zeigte sich über alle Ereignisse statistisch
nur in Abhängigkeit von dem zugrundegelegten Score (TIMI, GUSTO, BARC) partiell bzw.
tendenziell signifikant, wobei der Schweregrad der gastrointestinalen Blutung nur
eingeschränkt durch die aufgeführten Scores abgebildet wird.
Welche Laborwerte sollten vor der Intervention vorliegen? Welche Gerinnungsstörungen
sollten vor Endoskopie korrigiert werden? Wie sollte korrigiert werden?
Eine notwendige endoskopische Intervention soll bei akuter gastrointestinaler Blutung
unabhängig von vorliegenden Laborwerten begonnen werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Die Gerinnungsparameter (Thrombozyten, Quick/INR, PTT) sollten zeitnah bestimmt werden.
Bei Hinweisen auf Gerinnungsstörungen sollte situationsbezogen eine erweiterte Gerinnungsdiagnostik
erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens.
Blutungsrelevante Gerinnungsstörungen sollten unabhängig vom Zeitpunkt der Endoskopie
korrigiert werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Patienten mit einer bekannten hereditären oder erworbenen Blutgerinnungsstörung sollten
im Rahmen einer akuten Blutung entsprechend ihrer Gerinnungsstörung substituiert werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Hinsichtlich der Empfehlungen zur Bestimmung des Blutbildes wird auf der Empfehlung
2b der Leitlinie verwiesen. Studien zur Routinetestung von Gerinnungsparametern bei
Patienten ohne Anamnese für eine prädisponierende Erkrankung oder ein Blutungsereignis
vor chirurgischen oder endoskopischen Eingriffen zeigten keine Korrelation zu dem
tatsächlichen Auftreten von Blutungsereignissen [105 ]. Eine gerinnungsphysiologische Diagnostik im Rahmen einer akuten gastrointestinalen
Blutung sollte bei Vorliegen von anamnestischen Faktoren und Vorerkrankungen erfolgen,
die auf eine zugrundeliegende Gerinnungsstörung hinweisen. Dies beinhaltet folgende
Faktoren:
positive Blutungsanamnese nach vorherigen Eingriffen
internistische Vorerkrankungen, die mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergehen
können: vaskuläre hämorrhagische Diathese (Morbus Osler, Ehlers-Danlos-Syndrom, Marfan-Syndrom)
angeborene Thrombozytopathien
angeborene plasmatische Gerinnungsstörung (Von-Willebrand-Syndrom, angeborener Faktor
VIII-(FVIII)- oder Faktor IX-(FIX)-Mangel)
erworbene Thrombozytenfunktionsstörung und/oder erworbene plasmatische Gerinnungsstörung
i.R. von Leber-, Nierenerkrankungen, prolongierter biliärer Obstruktion, prolongierter
Antibiotikaeinnahme, Malnutritution oder myeloproliferativen Erkrankungen
Neben der Bestimmung des Quick-Wertes/INR und der PTT ist die Fibrinogenbestimmung
zu empfehlen, da bei einem Fibrinogen < 1 g/l der Quick/INR aufgrund der Methodik
(koagulometrische Messung) pathologisch gemessen wird. Ein Mangel an Fibrinogen tritt
deutlich häufiger erworben als angeboren auf. Mögliche Pathomechanismen beinhalten
neben medikamentös induzierten Effekten vor allem einen vermehrten Verbrauch im Rahmen
einer Hyperfibrinolyse oder einer disseminierten intravasalen Gerinnung, Verlust und
Dilution bei schweren Blutungen oder sehr selten Antikörperbildung gegen Fibrinogen.
Die Gabe von PPSB (beinhaltet die Faktoren II – Prothrombin, VII – Prokonvertin, X
– Stuart-Proper-Faktor und IX) wäre dann, bei unzureichendem Fibrinogen, ohne Effekt.
Insbesondere im Rahmen einer massiven Blutung bei Leberzirrhose ist die zusätzliche
Fibrinogenbestimmung daher unbedingt zu empfehlen. Die lokale Blutstillung sollte
jedoch unabhängig von dem Vorliegen aktueller Laborwerte erfolgen.
Empfehlung zum Vorgehen bei Patienten mit angeborener oder erworbener nicht medikamentös
bedingter Hämostasestörung
In der Literatur finden sich nur wenige systematische Beobachtungs- und keine kontrollierten
Interventionsstudien, die sich im Rahmen akuter gastrointestinaler Blutungen spezifisch
mit dem hämostaseologischen Vorgehen bei Patienten mit angeborener Blutungsneigung
beschäftigen [106 ].
Aus diesem Grund orientieren sich die Empfehlungen vorrangig an den Querschnittsleitlinien
der Bundesärztekammer zur Therapie mit Blutkomponenten und Plasmaderivaten aus dem
Jahr 2008 [107 ], in denen für Patienten mit Hämophilie oder von-Willebrand-Syndrom das allgemeine
Vorgehen zur Blutungsprophylaxe und -therapie bei invasiven oder operativen Eingriffen
geregelt ist, der Leitlinie der World Federation of Hemophilia [108 ] sowie an der an den meisten hämostaseologischen Zentren gängigen klinischen Praxis
(good clinical practice). Dabei unterscheidet sich der Umgang bei den verschiedenen
Störungen nicht von denjenigen, die für die elektive Endoskopie ausführlich in der
Leitlinie „Qualitätsanforderungen in der gastrointestinalen Endoskopie“ dargelegt
wurden [109 ]. Eine Zusammenfassung der jeweiligen therapeutischen Optionen bietet [Tab. 5 ].
Tab. 5
Therapeutische Optionen bei Gerinnungsstörungen und gastrointestinalen Blutungen.
Gerinnungsstörung
Therapie
Handelsname
Dosierung (Bemerkungen)
von- Willebrand-Syndrom
(vWS) Typ 1
1-Desamino-8-D-Arginin-Vasopressin (DDAVP)
z. B. Minirin® parenteral
0,3μg/kg KG über 30 min. (ca. ¾ Ampulle von jeweils 4μg pro 10 kg KG in 50 – 100 ml
NaCl 0,9 %) oder als Nasenspray (Octostim® ) 1 Sprühstoß pro Nasenloch (Gesamtdosis 300μg)
Tranexamsäure
z. B. Cyklokapron®
Erstgabe 10 mg/kg KG i. v.; Fortführung mit 1 g/8 h möglich
Nur in begründeten Ausnahmefällen, z. B. bei Unwirksamkeit oder Unverträglichkeit
von DDAVP, ist bei Patienten mit VWS Typ 1 die Substitution eines VWF-haltigen (FVIII)
Konz.
z. B. Haemate® P, Wilate® , Willfact®
initiale Dosierung 30 bis 60 IE/kg KG, Zielspiegel für von Willebrandfaktor, Ristocetin-Cofaktor
und FVIII > 50 %
(fast reines VWF-Konzentrat ohne nennenswerte FVIII-Anteil, für Behandlung einer akuten
Blutung allein nicht geeignet)
vWS Typ 2
(10 – 30 %)
Substitution eines VWF-haltigen (FVIII) Konz.
z. B. Haemate® P, Wilate® , Willfact®
initiale Dosierung 30 – 60 IE/kg KG, Zielspiegel für von Willebrandfaktor, Ristocetin-Cofaktor
und FVIII > 50 %
(fast reines VWF-Konzentrat ohne nennenswerte FVIII-Anteil, für Behandlung einer akuten
Blutung allein nicht geeignet)
vWS Typ 3
(1 – 5 %)
Substitution eines VWF-haltigen (FVIII) Konz. plus Tranexamsäure
z. B. Haemate® P, Wilate® , Willfact®
initiale Dosierung 30 – 60 IE/kg KG, Zielspiegel für von Willebrandfaktor, Ristocetin-Cofaktor
und FVIII > 50 %
(fast reines VWF-Konzentrat ohne nennenswerte FVIII-Anteil, für Behandlung einer akuten
Blutung allein nicht geeignet)
erworbenes vWS (AvWS)
individuell nach Grundkrankheit
(Substitution des VWF-Konz. häufig ohne anhaltenden Effekt)
Hämophilie A
DDAVP (Desmopressin) plus Tranexamsäure
z. B. Minirin® parenteral
0,3μg/kg KG über 30 min. (ca. ¾ Ampulle von jeweils 4μg pro 10 kg KG in 50 – 100 ml
NaCl 0,9 %) oder als Nasenspray (Octostim® ) 1 Sprühstoß pro Nasenloch (Gesamtdosis 300μg)
FVIII-Konz. bei schwerer und mittelschwerer Hämophilie A
Rekomb. und plasmatische FVIIII-Konz.
25 bis 40 IE/kg KG; Zielspiegel FVIII > 50 %
Hämophilie B
FIX-Konz. plus Tranexamsäure
Rekomb. und plasmatische FIX-Konz.
40 – 60 IE/kg KG; Zielspiegel Faktor IX > 50 %
Hemmkörper-hämophilie
Rekomb. aktivierter FVII plus
NovoSeven®
90 μg/kg KG / 2 – 3 h
aktiviertes Prothrombinkomplexkonz.
FEIBA NF
50 – 100 IE/kg KG/ 8 – 12 h (max. Tagesdosis 200 IE/kg)
FVII-Mangel
Restaktivität > 30 % und unauffällige Blutungsanamnese: ggf. Gabe von Tranexamsäure
z. B. Cyklokapron®
Erstgabe 10 mg/kg KG i. v.; Fortführung mit 1 g/8 h möglich
Restaktivität < 30 % zusätzlich Gerinnungsfaktorkonz.
Immuseven®
NovoSeven®
plasmatischer FVIIa: 1 IE/kg KG hebt FVII-Spiegel im Plasma um 1 – 2 % an (Ziel-Aktivität
von > 30 – 50 %)
rekomb. Faktor VIIa: 15 – 30μg/kg KG/ 2 – 4 h
angeborener FV-Mangel
Tranexamsäure gefrorenes Frischplasma
Zielspiegel FV > 30 %
angeborener FXIII-Mangel
Tranexamsäure
FXIII-Konz.
Fibrogammin
1 IE/kg KG hebt FXIII-Spiegel im Plasma um 2 % an (Ziel-Aktivität > 50 %)
angeborene Thrombozyten-funktionsstörungen
DDAVP
z. B. Minirin® parenteral
0,3μg/kg KG über 30 min. (ca. ¾ Ampulle von jeweils 4μg pro 10 kg KG in 50 – 100 ml
NaCl 0,9 %) oder als Nasenspray (Octostim® ) 1 Sprühstoß pro Nasenloch (Gesamtdosis 300μg)
bei ausbleibendem Therapieerfolg:
Thrombozytenkonz., Tranexamsäure, rekomb. FVIIa
z. B. Cyklokapron®
Erstgabe 10 mg/kg KG i. v.; Fortführung mit 1 g/8 h möglich
hepatische Koagulopathie
Tranexamsäure
bei ausbleibendem Therapieerfolg PPBS, gefrorenes Frischplasma, ggf. Thrombozytenkonz.
bei andauernder Blutung sinnvolle Zielwerte:
Thrombozyten > 50 /µl
Fibrinogen > 1 g/l
Quick > 50 %
F: Faktor; Konz.: Konzentrat; KG: Körpergewicht; h: Stunde; s. o.: siehe oben; rekomb.:
rekombinant.
Im Rahmen einer akuten gastrointestinalen Blutung bei Patienten mit angeborener oder
erworbener nicht-medikamentös bedingter Hämostasestörung sollten die konkreten Maßnahmen
zur akuten Blutungstherapie nach Möglichkeit in Rücksprache mit einem in der Behandlung
von Hämostasestörungen erfahrenen Zentrum erfolgen. Der angeborene oder erworbene
Hämostasedefekt sollte im Fall einer akuten Blutung durch eine entsprechende Therapie
korrigiert werden. Insbesondere bei instabilen Patienten sollte die endoskopische
Intervention unabhängig von der Klärung der Hämostasestörung und deren therapeutischer
Beeinflussung von der klinischen Situation geleitet werden.
Im Folgenden werden Empfehlungen zu den wesentlichen angeborenen und erworbenen Gerinnungsstörungen
gegeben, im Einzelfall ist eine Rücksprache zu konkreten Maßnahmen mit einem entsprechend
erfahrenen Zentrum dennoch unerlässlich.
Hepatische Koagulopathie
Die Beurteilung des Blutungsrisikos bei Patienten mit chronischer Lebererkrankung
und hepatischer Koagulopathie sollte primär auf der Grundlage anamnestischer und klinischer
Daten erfolgen. Ergänzend können hämostaseologische Parameter wie Blutungszeit, Thrombozytenzahl
und plasmatische Gerinnungstests (Quick/INR und aPTT) herangezogen werden.
Patienten mit Leberzirrhose haben ein erhöhtes Blutungsrisiko. Zudem sind bei den
meisten Zirrhosepatienten die routinemäßig angeforderten Labortests zur Beurteilung
der primären (Thrombozytenzahl und Blutungszeit) und sekundären Hämostase (Quick/INR
und aPTT) pathologisch verändert. Bisher konnten jedoch weder der kausale Zusammenhang
zwischen normabweichenden Hämostasetests einerseits und hämorrhagischen Komplikationen
andererseits noch der Nutzen einer Korrektur derselben belegt werden [110 ]
[111 ]
[112 ].
Sehr wahrscheinlich wird das Blutungsrisiko von Zirrhosepatienten wesentlich durch
andere Faktoren beeinflusst wie z. B. portale Hypertension, endotheliale Dysfunktion,
Einschwemmung heparinähnlicher Substanzen im Rahmen bakterieller Infektionen oder
Niereninsuffizienz, sodass neben einer gründlichen Anamnese der bestmöglichen Modifikation
dieser Faktoren besondere Bedeutung zukommt [111 ]
[112 ]. Der Einsatz von Tranexamsäure im Rahmen der akuten Blutung kann aufgrund der häufig
vorherrschenden Hyperfibrinolyse empfohlen werden ([Tab. 5 ]).
Thrombozytenaggregation/Antikoagulation: Wann sollte/sollte nicht pausiert werden?
Bei welchen Erkrankungen sollte umgestellt werden?
Eine Notfallendoskopie zur Blutstillung ist auch unter Thrombozytenaggregationshemmung
oder Antikoagulanzien möglich und sinnvoll.
Starker Konsens.
Es existieren keine Daten über eine optimale INR, um die endoskopische Notfalltherapien
durchführen zu können. Sicher scheint die endoskopische Blutstillung bei einer INR
von 1,5 – 2,5, wie in einer kleinen kontrollierten Studie von Choudari bei mit Warfarin
antikoagulierten Patienten gezeigt wurde [113 ]. Für Patienten mit supratherapeutischer INR gibt es keine prospektiven Daten zur
Sicherheit einer Endoskopie, doch waren in einer retrospektiven Analyse die Rate an
Rezidivblutungen, Transfusionspflicht und Todesfällen im Krankenhaus bei einer entgleisten
INR von > 4 ähnlich wie bei einer INR im therapeutischen Bereich [114 ]. Die Autoren schlussfolgern, dass angesichts der hohen Rate an positiven endoskopischen
Befunden in deren Kollektiv die Notfallendoskopie auch bei supratherapeutischer INR
durchgeführt werden sollte. Andererseits war in einer landesweiten Untersuchung in
England eine INR von > 1,5 der häufigste Grund für eine fehlende endoskopische Blutungskontrolle
[115 ]. Größere prospektive Daten hierzu existieren aber ebenso wenig wie vergleichbare
Daten zur Sicherheit einer Notfallendoskopie unter DOAKs. In der Erfahrung der Autoren
erübrigt sich in den meisten Fällen lebensbedrohlicher akuter gastrointestinaler Blutungen
eine solche Diskussion, da eine intensivmedizinische Therapie mit evtl. periinterventioneller
Antagonisierung von Antikoagulanzien bzw. Thrombozytentransfusion unter Thrombozytenaggregationshemmung
abhängig vom Schweregrad der Blutung erwogen wird (hämorrhagischer Schock vs. signifikante
Blutung ohne hämodynamische Beeinträchtigung vs. Minorblutung) und in der Regel parallel
zur oder unmittelbar vor der Notfallendoskopie verläuft.
Das Risiko bzw. der Nutzen einer Fortführung der Thrombozytenaggregationshemmung oder
Antikoagulation nach Blutstillung im Rahmen einer Notfallendoskopie sowie der Zeitpunkt
der Wiederaufnahme sollen interdisziplinär abgewogen werden gegen a) den Schweregrad
der Blutung und das Risiko einer Rezidivblutung sowie b) das thromboembolische Risiko
des Patienten.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Diese bewusst allgemein gehaltenen Aussagen gelten sowohl für den Einsatz von Thrombozytenaggregationshemmern
als auch für Antikoagulanzien während einer akuten gastrointestinalen Blutung, denn
trotz deren hoher Inzidenz gibt es wenig evidenzbasierte Daten zum periinterventionellen
Management der Substanzen, insbesondere Studien der höheren Evidenzklassen. Das „American
College of Chest Physicians“ z. B. empfiehlt eine Pausierung von Antikoagulanzien
im Falle einer gastrointestinalen Majorblutung, gibt aber keine Empfehlungen zum optimalen
Zeitpunkt der Wiederaufnahme. Im Folgenden soll dennoch zwischen Thrombozytenaggregationshemmern
und Antikoagulanzien differenziert werden.
Bei Patienten, die Thrombozytenaggregationshemmer nur zur Primärprophylaxe erhalten,
sollte die Medikation bei einer akuten gastrointestinalen Blutung periinterventionell
pausiert werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Bei Patienten mit mittlerem bis hohem Risiko für arterielle Thrombosen sollte die
Medikation mit Thrombozytenaggregationshemmern in Abhängigkeit vom Schweregrad der
Blutung zwar periinterventionell pausiert, aber nach endoskopischer Blutstillung so
rasch wie möglich wiederaufgenommen werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Ein kardiologisches oder neurologisches Konsil zur gemeinsamen Entscheidungsfindung
kann durchgeführt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Bei Patienten mit schweren gastrointestinalen Blutungen unter Therapie mit Thrombozytenaggregationshemmern
besteht grundsätzlich die Option, die Thrombozytenaggregationshemmer zu pausieren
und ggf. zusätzlich Thrombozytenkonzentrate zu transfundieren. Es existieren wenig
evidenzbasierte Daten darüber, ob und wann dies sinnvoll ist und wann eine Thrombozytenaggregationshemmung
wiederaufgenommen werden soll. Daher beruhen Empfehlungen anderer Fachgesellschaften
meist auf Expertenmeinungen. Bei einer akut lebensbedrohlichen gastrointestinalen
Blutung muss die Thrombozytenaggregationshemmung gestoppt werden, bis eine sichere
Hämostase erzielt wurde. Bei der Entscheidung zur Aufhebung des Effekts der Thrombozytenaggregationshemmer
mittels Thrombozytenkonzentraten muss das Risiko von Ischämien gegen das Risiko der
weiteren Blutung unter gehemmter Plättchenaggregation abgewogen werden; die Transfusion
erwies sich in mehreren Studien zur Plättchenaggregation als effektiv, auch bei doppelter
Hemmung durch ASS und Clopidogrel (Übersicht in einem Editorial; [116 ]), konnte aber für den PAR-1 Antagonisten Vorapaxar nicht gezeigt werden [117 ].
Bei den meisten Patienten mit gastrointestinaler Blutung ist eine Wiederaufnahme der
Thrombozytenaggregationshemmung möglich, sobald die endoskopische Blutstillung gesichert
ist. Sowohl ein Konsens.uspapier der ACCF/ACG/AHA von 2008 [118 ] als auch die aktuelle Leitlinie der ASGE [119 ] empfehlen im jeweiligen Einzelfall die enge Abstimmung zwischen Gastroenterologen
und den die Thrombozytenaggregationshemmung verschreibenden Spezialisten (insbes.
Kardiologen). Wenngleich es für diese Empfehlung keine Daten gibt, erscheint dies
im klinischen Alltag sinnvoll und praktikabel, insbesondere da das Risiko für die
Entwicklung von Koronarstentthrombosen unter den zahlreichen Modalitäten für Nicht-Spezialisten
kaum zu überblicken ist (siehe Antikoagulanzien). Der Zeitpunkt der Wiederaufnahme
sollte nach dem kardiovaskulären Risiko stratifiziert werden. Allgemein überwiegt
das Risiko bei Patienten mit niedrigem kardiovaskulärem Risiko (z. B. solche, die
Thrombozytenaggregationshemmer zur Primärprophylaxe einnehmen) den Nutzen einer frühen
Wiederaufnahme. Dagegen wurden bei Patienten, die ASS zur Sekundärprophylaxe einnahmen,
in einer randomisierten prospektiven Studie von Sung et al. unmittelbar nach endoskopischer
Stillung einer Ulkusblutung entweder ASS oder Plazebo verabreicht (n = 156); dabei
gab es keine signifikanten Unterschiede in der Rate an Rezidivblutungen. Eine verzögerte
Wiederaufnahme von ASS war allerdings mit einer erhöhten 30-Tage-Mortalität verbunden
[120 ]. Daher sollte die Wiederaufnahme der Thrombozytenaggregationshemmung so rasch wie
möglich erfolgen. Zum Management von Patienten mit akuter gastrointestinaler Blutung
unter doppelter Thrombozytenaggregationshemmung existieren keine vergleichbar guten
Daten; praktikabel scheint auch hier eine Pausierung bei lebensbedrohlicher Blutung
und eine Wiederaufnahme, sobald endoskopisch die Hämostase gesichert wurde. Besondere
Vorsicht ist bei der Wiederaufnahme von Ticagrelor geboten, da die Plättchenhemmung
nicht durch Transfusion aufgehoben werden kann. Die frühe Fortsetzung der doppelten
Thrombozytenaggregationshemmung nach Blutstillung sollte insbesondere bei Patienten
mit „Bare Metal Stents“ innerhalb der ersten 4 Wochen sowie bei „Drug eluting Stents“
innerhalb der ersten 1 – 6 Monate nach Koronarintervention erwogen werden, da diese
Patienten besonders häufig zu Stentthrombosen neigen. Das Risiko einer erhöhten Rate
an kardiovaskulären Ereignissen konnte auch in einer Metaanalyse mit insgesamt über
50 000 Patienten demonstriert werden. Das periinterventionelle Pausieren von ASS zur
Sekundärprophylaxe resultierte in einer 3-fach höheren Rate an kardialen Ereignissen.
Bei Patienten mit Koronarstents war das Risiko sogar noch deutlich höher. Die in diesen
Studien eingeschlossenen Patienten waren sehr heterogen und nicht auf gastrointestinale
Blutungen fokussiert [121 ]. Ähnliches zeigt eine zweite Metaanalyse mit perioperativer Pausierung von ASS;
diese Studie ist von hoher Relevanz, da die kardiovaskulären Ereignisse teils innerhalb
von 5 Tagen nach ASS-Pausierung auftraten [122 ]. Wenngleich eine Übertragbarkeit dieser Studien auf akute gastrointestinale Blutungen
formal nicht zulässig ist, suggerieren sie dennoch, dass die frühe Wiederaufnahme
der Thrombozytenaggregationshemmung nach endoskopischer Blutstillung grundsätzlich
sinnvoll ist, zumal selbst bei erneuter gastrointestinaler Blutung die endoskopische
Blutstillung meist gut möglich ist.
Die Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten oder DOAKs sollte postinterventionell
abhängig vom Schweregrad der Blutung und dem Thromboembolierisiko zum frühestmöglichen
Zeitpunkt wiederaufgenommen werden, in der Regel aber zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung
bzw. nach ca. 7 Tagen. Dies gilt nicht für Patienten mit mechanischen Herzklappen
und hohem Thromboembolierisiko.
Empfehlung, starker Konsens.
Während mehrere kleine retrospektive Studien variable Ergebnisse erzielten, konnte
in einer größeren retrospektiven Studie an 442 Patienten unter Warfarin gezeigt werden,
dass die frühe Wiederaufnahme der Antikoagulation nach einer akuten gastrointestinalen
Blutung sinnvoll ist [123 ].
Nach Bereinigung für klinische Parameter (z. B. Schweregrad der Blutung, Transfusionspflicht)
konnte gezeigt werden, dass die Wiederaufnahme von Warfarin innerhalb von 90 Tagen
nach einer gastrointestinalen Blutung mit einer ca. 10-fach geringeren Rate an thromboembolischen
Ereignissen (0,4 bzw. 5,5 %; HR 0,05) und einer ca. 3-fach geringeren Mortalität (5,8
bzw. 20,3 %; HR 0,31) assoziiert war (mit der frühesten Thrombose innerhalb von 8
Tagen), ohne das Risiko einer Rezidivblutung signifikant zu steigern (10 bzw. 5,5 %,
HR 1,31).
Eine große retrospektive Analyse von 1329 Patienten mit gastrointestinaler Blutung
bestätigt bei etwas anderem Design diese Ergebnisse [124 ]. Die Wiederaufnahme der Antikoagulation mit Warfarin war mit einer reduzierten Rate
an Thromboembolien (HR 0,71) und signifikant reduzierten Mortalität (HR 0,67) bei
nicht signifikant erhöhter Blutungsrate (HR 1,18) assoziiert. Bei Stratifizierung
nach der Dauer der Warfarin-Pausierung war die Wiederaufnahme innerhalb von 7 Tagen
mit einer geringen Mortalität und Thromboembolierate im Vergleich zur Wiederaufnahme
nach 30 Tagen assoziiert, ebenfalls ohne erhöhte Rezidivblutungsrate.
Die erste prospektive Analyse zu diesem Thema wurde 2015 von Sengupta et al. publiziert
[125 ]. Hier wurde das Ergebnis bei 197 Patienten mit einer gastrointestinalen Blutung
unter Antikoagulation erfasst. Die Ursache der gastrointestinalen Blutungen war sehr
heterogen (größter Anteil mit 37 % „nicht identifizierte Blutungsquelle“); 74 % der
Patienten erhielten Warfarin, 13 % DOAK, 8 % Enoxaparin und 6 % unfraktioniertes Heparin.
Bei 58 % der Patienten war die Indikation zur Antikoagulation Vorhofflimmern. Bei
39 % war die Antikoagulation bei Entlassung noch pausiert, bei den verbleibenden 61 %
wiederaufgenommen worden. Die Entscheidung zur Pausierung oder Wiederaufnahme war
durch den entlassenden Arzt erfolgt, wobei die mediane Dauer des Krankenhausaufenthaltes
in den beiden Gruppen 5 bzw. 6 Tage betrug. Die Rate an Bluttransfusionen, Intensivaufenthalten
und die Ätiologie der zur Antikoagulation führenden Erkrankung waren in beiden Gruppen
ähnlich. Innerhalb von 90 Tagen traten bei 4 % thromboembolische Ereignisse auf, und
14 Patienten wurden wegen einer Rezidivblutung wiederaufgenommen. In der Patientengruppe
mit fortgesetzter Antikoagulation zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung war die
Rate an thromboembolischen Ereignissen signifikant geringer (HR 0,12), während die
Rate an Rezidivblutungen nicht signifikant erhöht war (HR 2,17; p = 0,10). Die Autoren
schlussfolgern, dass die Vorteile einer Wiederaufnahme der Antikoagulation zum Zeitpunkt
der Krankenhausentlassung im Hinblick auf thromboembolische Ereignisse das Risiko
einer Rezidivblutung überwiegen.
Für DOAKs existieren bislang keine vergleichbaren Daten, sodass nur angenommen werden
kann, dass der Vorteil einer frühen Wiederaufnahme nach endoskopischer Hämostase ähnlich
ist wie bei o. g. Studien zu Vitamin-K-Antagonisten. Aufgrund des frühen Wirkungseintritts
von DOAKs und der bislang nicht standardisierten Antagonisierung (s. u.) ist hier
besondere Vorsicht geboten.
Wenngleich die drei größeren genannten Studien nahelegen, dass eine frühe Wiederaufnahme
der Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten sinnvoll ist, gibt es keine Daten darüber,
wann der optimale Zeitpunkt zur Wiederaufnahme ist, also wann der Nutzen bezüglich
des Thromboembolierisikos das Risiko der Rezidivblutung überwiegt. Für DOAKs gibt
es hierzu ebenfalls keine Daten. Es wäre denkbar, für die Stratifizierung auch den
Schweregrad der Blutung mittels verschiedener Blutungs-Scores hinzuzuziehen. Evidenzbasiert
ist dies nicht. Daher bleibt die Entscheidung über den Zeitpunkt der Wiederaufnahme
stets eine Einzelfallentscheidung, die in der Regel zwischen Gastroenterologen und
Kardiologen sowie Patienten gemeinsam getroffen werden sollte; dies gilt insbesondere
aufgrund der für den Gastroenterologen kaum zu überblickenden Thromboembolierisiken
bei vielfältigen Indikationen für Antikoagulanzien, wie eine italienische Umfrage
unter Ärzten zum generellen Management von Warfarin-assoziierter gastrointestinaler
Blutung zeigte [126 ].
Während bei endoskopisch identifizierter Blutungsquelle und Hämostase die Entscheidung
zur Wiederaufnahme der Antikoagulation leichterfällt, stellt der Zeitpunkt bei endoskopisch
nicht identifizierter Blutungsquelle ein weiteres Problem dar, sodass auch hier nur
im Einzelfall anhand der Blutungsschwere, des Hb-Verlaufs und des individuellen Thromboembolierisikos
entschieden werden kann. Bei nicht sicherer endoskopischer Blutstillung kann eine
Kontroll-Endoskopie sinnvoll sein.
Bei Vorhofflimmern und Pausieren der Antikoagulation sollte eine Überbrückungstherapie
(„bridging“) nicht routinemäßig durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Die Wiederaufnahme der Antikoagulation sollte unter Abwägung des Rezidivblutungs-
und Thrombose-/Embolierisikos erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens.
Es existieren keine evidenzbasierten Daten, die das Blutungsrisiko gegenüber dem Thromboembolierisiko
untersuchen. Das Risiko bei mechanischen und frühen biologischen (innerhalb der ersten
3 Monate nach Implantation) Herzklappen bzw. reduzierter kardialer Pumpfunktion ist
aber so hoch [127 ], dass eine Überbrückungstherapie sinnvoll erscheint. Eine enge Abstimmung zwischen
Gastroenterologen und Kardiologen sollte erfolgen. Der optimale Zeitpunkt bis zum
Beginn der Überbrückungstherapie ist unklar, sinnvoll erscheint, in Abhängigkeit vom
individuellen Blutungs- bzw. Thromboembolierisiko, ein Beginn innerhalb von 72 Stunden
nach der Blutung.
Wann sollte die Korrektur der Gerinnungssituation kontrolliert werden? Wie können/sollen
DOAKs antagonisiert werden?
Bei chronischem Blutverlust und klinisch stabiler Situation kann die antithrombotische
Therapie bis zur Endoskopie fortgeführt werden.
Offene Empfehlung, Konsens.
Bei akuter Blutung oder klinisch instabiler Situation soll die Antikoagulation bis
zur Notfall-Endoskopie ausgesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei schwerer gastrointestinaler Blutung kann die Antikoagulation (DOAKs, Vitamin-K-Antagonist)
vor der endoskopischen Blutstillung antagonisiert werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Bei der Indikationsstellung sollte das individuelle Thromboembolierisiko berücksichtigt
werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Nach erfolgreicher endoskopischer Blutstillung kann die Antikoagulation (DOAKs, Vitamin-K-Antagonist)
unter Berücksichtigung des individuellen Blutungsrisikos und des Thromboembolierisikos
wieder fortgeführt werden. Eine Antagonisierung ist nicht erforderlich.
Empfehlung, starker Konsens.
Bei primär erfolgreicher endoskopischer Blutstillung soll keine Antagonisierung einer
gerinnungshemmenden Therapie erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei fraglicher endoskopischer Blutstillung kann eine Antagonisierung von DOAKs erwogen
werden, sofern ein klinisch relevanter Hämoglobin-Abfall innerhalb der Halbwertszeit
eintritt.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Bei interventionell nicht beherrschbarer gastrointestinaler Blutung unter Antikoagulation
sollte die Gerinnung korrigiert werden (z. B. Antagonisierung bei DOAKs oder Gerinnungsfaktoren
bei Vitamin-K-Antagonisten).
Empfehlung, Konsens.
DOAKs sollen bei vital bedrohlicher Blutung mit PPSB oder aPPSB antagonisiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Sofern spezifische Inhibitoren zur Verfügung stehen, können diese eingesetzt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Bei Frührezidiv der gastrointestinalen Blutung kann die Antagonisierung der Antikoagulation
(DOAKs, Vitamin-K-Antagonist) erfolgen.
Offene Empfehlung, Konsens.
Der Umgang mit gerinnungsaktiven Substanzen bei elektiver Endoskopie wird ausführlich
in der Leitlinie „Qualitätssicherung in der gastrointestinalen Endoskopie“ abgehandelt
[109 ] und soll in diesem Rahmen nicht wiederholt werden. Die frühelektive Endoskopie sollte
sich an den dort vorgeschlagenen Empfehlungen orientieren.
Das Absetzen von niedrig dosierter Acetylsalicylsäure, die im Rahmen einer kardiovaskulär
indizierten Sekundärprophylaxe indiziert ist, erhöht das Risiko kardiovaskulärer und
zerebrovaskulärer Ereignisse dreifach, wobei die Mehrzahl der Ereignisse innerhalb
von 7 bis 10 Tagen auftraten [121 ]
[128 ]. In einer randomisierten und kontrollierten Studie bei Patienten mit hohem Rezidivblutungsrisiko
bei gastroduodenalen Ulzera und hohem ischämischem Risiko führte das Absetzen von
ASS zwar zu einem niedrigeren Rezidivblutungsrisiko (5,4 vs. 10,3 % in Woche 4), die
Mortalität stieg aber in der Plazebo-Gruppe zu Woche 8 10-fach an (1,3 vs. 12,9 %)
[120 ]. Der antithrombozytäre Effekt des ASS hielt etwa fünf Tage an, während das Risiko
einer Rezidivblutung in den ersten 3 Tagen besonders hoch war. ASS sollte daher nicht,
oder in Abhängigkeit vom Rezidivblutungsrisiko allenfalls für 72 Stunden pausiert
werden [1 ].
Prinzipiell ist die endoskopische Blutstillung auch bei Patienten, die orale Antikoagulanzien
einnehmen, effektiv [129 ]. In einer Studie am oberen Gastrointestinaltrakt, in der Varizenblutungen ausgenommen
worden waren, wurden zwei Patientenkollektive bezüglich ihrer Re-Blutungsrate nach
endoskopischer Blutstillung verglichen. In der ersten Gruppe waren die Patienten nicht
antikoaguliert (INR < 1,3). In der zweiten Gruppe waren die Patienten mit Vitamin-K-Antagonisten
antikoaguliert (INR 1,3 bis 2,7). Die Re-Blutungsrate nach Blutstillung betrug 21
vs. 23 % und war nicht signifikant unterschiedlich. Zusammenfassend ist bei leicht
bis mittelgradig antikoagulierten Patienten die endoskopische Blutstillung effektiv
und die Re-Blutungsrate im Vergleich zu nicht antikoagulierten Patienten nicht erhöht.
Auch wenn von einem ähnlichen bzw. für einzelne Substanzen geringerem Risiko für schwere
Blutungen unter DOAK im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten ausgegangen werden kann
[130 ], existieren aktuell keine Studien bezüglich der Erfolgsrate der endoskopischen Blutstillung
und der Re-Blutungsrate nach Intervention unter DOAKs.
Bei der vital bedrohlichen Blutung steht die Blutstillung auch bei Patienten mit hohem
Thromboembolierisiko im Vordergrund. Daher sollten in dieser Situation DOAKs antagonisiert
werden. Prospektive Studien zur Erfolgsrate der Blutstillung nach Antagonisierung
von DOAKs existieren jedoch nicht.
Als effektiv bei der Behandlung der refraktären Blutung ist die Gabe von PPSB 20 – 40 IU/kg
Körpergewicht oder aPPSB anzusehen [131 ].
Eine Studie von Marlu et al. zeigte, dass aPPSB sowohl Dabigatran als auch Rivaroxaban
am effektivsten antagonisiert, auch PPSB und rFVIIA waren wirksam [132 ].
Spezifische Antikörper gegen DOAKs sind Ende 2015 in der EU zugelassen worden. Idarucizumab
kann als spezifisches Dabigatran-Antidot eingesetzt werden. Eine weitere Substanz,
Andexanet alfa (PER977), bindet an verschiedene DOAKs (Dabigatran, Edoxaban, Apixaban,
Rivaroxaban) sowie an niedrigmolekulare Heparine und Fondaparinux. In einer ersten
klinischen Studie konnte gezeigt werden, dass die Wirkung von PER977 nach 2 bis 5
Minuten eintritt und den Effekt von Edoxaban 60 mg komplett für 24 Stunden antagonisiert.
Arbeitsgruppe 3: Diagnostik
Arbeitsgruppe 3: Diagnostik
Bei Hämatochezie mit hämodynamischer Instabilität sollte vor einer Koloskopie eine
Gastroskopie zum Ausschluss einer schweren oberen gastrointestinalen Blutung erwogen
werden.
Empfehlung, Starker Konsens.
Obere gastrointestinale Blutung
Eine Reihe von endoskopischen (ÖGD, Koloskopie, Ballonenteroskopie und Kapselenteroskopie)
und nicht-endoskopischen Verfahren (CT-Angiografie, Angiografie, Szintigrafie) stehen
zur Lokalisation der Blutungsquelle zur Verfügung. Die Methode der Wahl zur Diagnostik
bei der akuten gastrointestinalen Blutung richtet sich nach der klinischen Präsentation.
Die ÖGD ist die endoskopische Diagnostik der Wahl bei Zeichen der oberen gastrointestinalen
Blutung und ggf. auch bei massiver Haematochezie, um eine massive obere gastrointestinale
Blutung auszuschließen.
Untere gastrointestinale Blutung
Etwa 10 % der Patienten mit einer schweren Hämatochezie haben eine obere gastrointestinale
Blutung [133 ]. In einer Studie mit 727 Patienten zeigten 14 % der Patienten mit oberer gastrointestinaler
Blutung eine Hämatochezie; ein Ulkus duodeni war bei 44 % der Fälle die häufigste
Ursache. Eine weitere Arbeit konnte bei 13 von 85 Patienten mit einer Hämatochezie
(15 %) eine obere gastrointestinale Blutung feststellen [134 ]. Eine mögliche Schlussfolgerung ist daher, dass bei hämodynamisch instabilen Patienten
mit schwerer Hämatochezie eine Gastroskopie vor der Koloskopie durchgeführt werden
sollte.
Bei unterer gastrointestinaler Blutung mit hämodynamischer Instabilität sollte nach
Ausschluss einer anorektalen Blutungsquelle eine Koloskopie innerhalb von 12 Stunden
nach Aufnahme erfolgen. Dabei sollte eine verkürzte und intensivierte Darmvorbereitung
durchgeführt werden.
Empfehlung, Konsens.
Insgesamt existieren nur wenige Arbeiten, die den Zeitpunkt der Untersuchung bei einer
unteren gastrointestinalen Blutung definieren. Empfehlungen für die Bewertung von
Patienten mit unterer gastrointestinaler Blutung basieren überwiegend auf klinischen
Erfahrungen. Bislang liegen keine großen randomisierten Studien vor, die einen klaren
Vorteil einer bestimmten Strategie demonstrieren. Ein wesentlicher Unterschied zur
Blutung im oberen Gastrointestinaltrakt ist, dass die Endoskopie bei akuter Blutung
aus dem Kolon durch Stuhl- und Blutverschmutzungen deutlich erschwert ist, zudem zeigt
sich bei unvorbereitetem Kolon eine erhöhte Perforationsgefahr [135 ]. So wurde belegt, dass nach intensivierter Darmvorbereitung mit 5 – 6 L Abführlösung
innerhalb von 3 Stunden aktive Blutungen endoskopisch sicherer identifiziert werden
und so eine Hämostase erreicht werden kann [136 ]
[137 ]. Die Notfallkoloskopie wird als Untersuchung definiert, die 12 – 24 Stunden nach
der Aufnahme des Patienten erfolgt [138 ]. So konnte gezeigt werden, dass die Identifikation der Blutungsquelle im unteren
Gastrointestinaltrakt bei Patienten mit Hämatochezie und Divertikeln bei 42 % lag,
wenn die Untersuchung innerhalb von 12 Stunden nach Klinikaufnahme erfolgte. Im Gegensatz
dazu lag die Detektionsrate bei 22 %, wenn die Untersuchung erst nach 27 – 72 Stunden
erfolgte [139 ]. Eine andere kontrollierte randomisierte Studie zeigte ähnliche Ergebnisse (6 vs.
0 %), allerdings ohne statistisch signifikanten Unterschied zwischen Notfall- und
elektiver Koloskopie [134 ]. So wird von der Amerikanischen Gesellschaft für gastrointestinale Endoskopie bei
Patienten mit schwerer Hämatochezie eine Koloskopie innerhalb von 24 Stunden mit einer
schnellen Darmvorbereitung empfohlen [21 ]. Mit zunehmendem Abstand vom Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten sinkt die erfolgreiche
endoskopische Therapie. Sofern die Koloskopie in den ersten 12 Stunden nach Aufnahme
erfolgt, zeigen sich Erfolge in 29 % der Untersuchungsfälle gegenüber 0 %, wenn die
Untersuchung erst nach 48 Stunden erfolgt. In der Bewertung dieser Daten ist die hohe
Rate an spontan sistierenden Blutungen zu bedenken. Niikura und Kollegen konnten neben
einer frühen Notfallkoloskopie weitere Prädiktoren zur Identifikation einer Blutung
im unteren Gastrointestinaltrakt finden. So hatten die Erfahrung des Untersuchers,
eine Kappe auf der Endoskopspitze und der Einsatz eines Endowashers einen signifikant
positiven Einfluss auf die Blutungsdetektion [140 ]. Wenngleich ein spontaner Blutungsstillstand sehr häufig ist, zeigt die endoskopische
Diagnostik innerhalb der ersten 24 Stunden sowohl einen diagnostischen als auch einen
therapeutischen Wert [136 ]
[141 ].
In beiden o. g. Fällen sollte die Untersuchung in einer Umgebung stattfinden, in der
ausreichende Überwachungsoptionen und auch ausreichend ausgebildetes Personal vorhanden
sind. Dies hängt sehr von der jeweiligen Infrastruktur der Klinik ab. Weitere Details
sind der Leitlinie „Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie“ zu entnehmen [40 ] ([Abb. 2 ]).
Abb. 2 Differenzierter Einsatz der diagnostischen Optionen bei unterer gastrointestinaler
Blutung [36 ].
Bei Patienten mit Indikation zur stationären Versorgung einer gastrointestinalen Blutung
soll die Behandlung in einer Einrichtung erfolgen, in der binnen 12 Stunden eine Gastroskopie
bzw. eine Koloskopie durchgeführt werden kann.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Das initiale Management von Patienten mit Zeichen einer gastrointestinalen Blutung
beinhaltet noch vor der endoskopischen Diagnostik und Therapie die Einstufung der
Gefährdung, die Sicherung der Vitalfunktionen und ggfs. die Stabilisierung des Kreislaufs
mittels Volumen- und Blutproduktegaben [46 ]
[142 ]. Zusätzlich sollte in speziellen Situationen (Hämatemesis, Enzephalopathie und unkooperativen
Patienten) eine endotracheale Intubation zum Schutz der Atemwege vor Aspiration möglich
sein [1 ]. Diese Maßnahmen sind im Regelfall in adäquatem Zeitrahmen in Akutkrankenhäusern
mit internistisch oder anästhesiologisch betreuten Intensivstationen durchführbar.
Für obere gastrointestinale Blutungen insgesamt zeigt sich kein eindeutiger Überlebens-Vorteil
für eine frühzeitige Endoskopie (binnen 6 bzw. 12 h), jedoch ließen sich geringere
Kosten (u. a. durch geringere Transfusionsnotwendigkeiten) und eine höhere Rate an
ambulant weiterzuführenden Patienten zeigen, wenn eine Gastroskopie binnen 12 – 24 h
durchgeführt wurde [22 ]
[143 ]
[144 ]. Eine retrospektive Analyse zeigte eine mehr als 24-stündige Dauer bis zur ersten
Endoskopie als unabhängigen Risikofaktor für blutungsassoziierte Letalität bei Patienten
mit nicht-variköser oberer gastrointestinaler Blutung [145 ]. In Berücksichtigung dieser Umstände sollte die Versorgung von Patienten mit Verdacht
auf gastrointestinale Blutung in einer Einrichtung stattfinden, die eine endoskopische
Evaluation und Therapie in diesem Zeitrahmen gewährleisten kann.
Bei Kreislaufinsuffizienz soll die endoskopische Diagnostik bzw. Therapie unter intensivmedizinischen
Bedingungen nach bzw. unter Stabilisierung des Patienten erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei Verdacht auf variköse obere gastrointestinale Blutung sollte ebenfalls eine intensivmedizinische
Stabilisierung des Patienten im Vordergrund stehen, danach sollte baldmöglichst eine
Endoskopie zur Diagnostik und ggfs. Therapie angeschlossen werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Angesichts der möglichen Notwendigkeit einer intensivmedizinischen Versorgung bzw.
der raschen Atemwegssicherung bei Aspirationsgefahr kann die Endoskopie auch auf einer
Intermediate-Care- bzw. Intensivstation stattfinden.
Unabhängig vom Ort der endoskopischen Intervention zeigen Patienten mit endoskopischer
Notfallintervention bei oberer gastrointestinaler Blutung und höherer ASA-Klasse ein
erhöhtes Morbiditäts- und Letalitätsrisiko im Rahmen der Sedierung [39 ].
Ausreichende personelle Voraussetzungen zur endoskopischen Diagnostik bzw. Therapie
umfassen neben dem ärztlichen Untersucher und der Assistenz mindestens eine weitere
ausreichend ausgebildete Person, die die Vitalfunktionen des Patienten überwacht bzw.
sichert und die Sedierung bzw. Narkose führt.
Konsens.
Zur Sicherung und Überwachung der Vitalfunktionen und der prozedurbezogenen Sedierung
wird daher der Einsatz einer nur mit diesen Aufgaben betrauten ausreichend ausgebildeten
Person gefordert, hierzu wird auf die Leitlinien „Qualitätsanforderungen in der gastrointestinalen
Endoskopie“ (AWMF-Registernummer 021 – 022) und „Sedierung in der gastrointestinalen
Endoskopie“ (AWMF-Nummer 021 – 14) sowie auf die Sondersituation einer Notfallendoskopie
verwiesen [2 ]
[40 ].
Propofol scheint als Sedativum zur Notfallendoskopie bei gastrointestinaler Blutung
sicher zu sein.
Starker Konsens.
Zu den besonderen Umständen einer Notfallendoskopie verweisen wir auf die aktuelle
S3-Leitlinie zur Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie [40 ]. In Kapitel 1.4. „Empfehlung Risikoabschätzung“ weist die Stellungnahme darauf hin,
dass Notfallendoskopien zu einer Hochrisikosituation gehören und daher in diesen Fällen
ein zweiter Arzt für die Durchführung und Überwachung der Sedierung empfohlen wird
(kein NAPS). Hinsichtlich der Sedierung des Patienten bedarf es einer individuellen
Abschätzung des Patientenzustandes (ASA-Klassifikation) und der Schwere der Blutung.
Hinsichtlich der Verwendung einer bestimmten Substanz zur Sedierung im Rahmen einer
Notfallendoskopie bei oberer gastrointestinaler Blutung existieren kaum Daten. Im
Hinblick auf die Verwendung von Propofol bei nicht-intubierten Patienten konnte in
einer Studie von Tohda gezeigt werden, dass die Rate an Hypotonie (systolischer Blutdruck
< 90 mmHg) und Hypoxämie (periphere Sauerstoffsättigung < 90 %) mit 8,3 und 6,7 %
höher lag als in der Kontrollgruppe (Patienten ohne obere gastrointestinale Blutung
im Studienzeitraum) [146 ]. Bei keinem der Patienten wurde eine Maskenbeatmung oder endotracheale Intubation
notwendig. Zwei Patienten entwickelten eine Pneumonie am ehesten durch Aspiration
im Rahmen der Endoskopie. Der Anteil an Varizenblutungen wurde von den Autoren selbst
als sehr niedrig angegeben und mit dem guten Outcome der Patienten assoziiert.
In einer weiteren allerdings retrospektiven Studie von Park et al. wurde das Outcome
für die Verwendung von Propofol im Rahmen der OGIB bei Patienten mit nicht-varikösen
und varikösen Blutungen verglichen. Von 703 Endoskopien wurden 539 bei nicht-varikösen
und 164 bei varikösen Blutungen durchgeführt. Schock (definiert als Abfall des mittleren
arteriellen Blutdruckes unter 60 mmHg) trat gehäuft bei varikösen Blutungen auf (12,2
vs. 3,5 % nicht-variköse Blutungen, p < 0,001). Alle bis auf einen Patienten konnten
durch intravenöse Flüssigkeitsgabe stabilisiert und die Notfallendoskopie in den meisten
Fällen ohne Unterbrechung durchgeführt werden. Es zeigte sich kein Unterschied im
Auftreten von Hypoxämie und paradoxen Reaktionen in Abhängigkeit der Blutungsart (nicht-variköse
vs. variköse Blutung: Hypoxämie, 3,5 vs. 1,8 %, p = 0,275; paradoxe Reaktionen, 4,1
vs. 5,5 %, p = 0,442) [147 ].
Es liegen aktuell keine randomisierten Vergleichsstudien zur Anwendung verschiedener
Sedierungsregimes vor, sodass die Verwendung des Sedativums zur Sedierung im Rahmen
der OGIB immer eine individuelle Entscheidung anhand der o. g. Kriterien ist. Eine
generelle Empfehlung kann daher derzeit nicht gemacht werden.
Beim Patienten mit Verdacht auf aktive gastrointestinale Blutung ohne Identifizierung
der Blutungsquelle durch endoskopische Diagnostik sollte eine kontrastverstärkte Mehrzeilen-Computertomografie
(CT) durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Die CT hat in den 90er Jahren durch die Entwicklung der Spiral-CT und im Folgenden
der Mehrzeilenspiral-CT erhebliche Fortschritte gemacht. Die Möglichkeit, das gesamte
Abdomen in mehreren spezifischen Kontrastmittelphasen einschl. der sog. CT-Angiografie
untersuchen zu können, erlaubt eine nichtinvasive Diagnostik von akuten oberen und
unteren gastrointestinalen Blutungen [148 ]
[149 ]
[150 ]
[151 ].
Für den primären Einsatz der CT spricht die sehr gute örtliche wie zeitliche Verfügbarkeit
und die hohe Untersuchungsgeschwindigkeit. Aus diesen Gründen spielen MRT und nuklearmedizinische
Verfahren bei der akuten GI-Blutung keine relevante Rolle.
Aus experimentellen Studien ist bekannt, dass gastrointestinale Blutungen bereits
ab einer Blutungsrate von 0,5 ml / min mittels CT diagnostiziert werden können [152 ], in einer neueren Studie unter Verwendung eines 64-Zeilen CTs bereits ab 0,25 ml/min
[153 ].
In einer frühen Metaanalyse betrug die Sensitivität der CT in der Diagnostik der akuten
GI-Blutung 86 % bei einer Spezifität von 95 % [154 ]. Eine andere Metaanalyse errechnete ähnliche Werte für Sensitivität (89 %) und Spezifität
(85 %) [155 ]. Die Autoren folgern, dass die CT-Angiografie eine akkurate, kosteneffektive Methode
zur Diagnostik der akuten gastrointestinalen Blutung sei, die genaue Lokalisation
darstellen könne und somit über das weitere therapeutische Vorgehen entscheiden helfe.
In einer europäischen systematischen Metaanalyse von 2013 konnten 22 Studien ausgewertet
werden (672 Patienten, mittleres Alter 65) [156 ]. Die Gesamtsensitivität der CT-Angiografie in der Detektion einer aktiven gastrointestinalen
Blutung wird mit 85,2 % (95 % KI 75,5 % bis 91,5 %) angegeben, die Spezifität mit
92,1 % (95 % KI 76,7 % bis 97,7 %).
Neben der reinen Lokalisationsdiagnostik kann die CT Informationen zur Blutungsursache
bieten und helfen, eine Therapieentscheidung (endoskopisch, radiologisch-interventionell,
chirurgisch) zu fällen.
Die CT zur Detektion einer akuten gastrointestinalen Blutung soll als Mehrzeilenspiral-CT
in mehrphasiger Technik durchgeführt werden, wobei mindestens eine arterielle Phase
nach intravenöser Kontrastmittelgabe akquiriert werden sollte. Eine positive enterale
Kontrastierung soll vor der CT nicht erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
In der Regel werden dreiphasige Protokolle (nativ, arteriell, venös) empfohlen [157 ]
[158 ], wobei experimentell die Kombination aus arterieller und venöser Phase die höchste
Sensitivität aufwies [153 ]. Eine positive enterale Kontrastierung kann die Extravasation des intravenös applizierten
KMs maskieren und zu falsch negativen Befunden führen [158 ]
[159 ]. Eine negative oder neutrale Kontrastierung des GI-Traktes kann hilfreich sein,
soll aber bei entsprechendem Zeitdruck die initiale CT-Diagnostik nicht verzögern.
Wenn die CT in adäquater Technik keine Blutungsquelle zeigt, sollte eine selektive
Angiografie nicht durchgeführt werden.
Die CT sollte so früh wie möglich nach Blutungsbeginn bzw. Endoskopie ohne Blutungsquellennachweis
erfolgen. Sie kann ggfs. wiederholt werden.
Empfehlung, Konsens.
Wenn die CT in adäquater Technik keine Blutungsquelle zeigt, ist auch eine anschließende
Angiografie in der Regel unauffällig. In einer Single-Center-Serie aus Cleveland mit
86 CT-Angiografien bei 74 Patienten über einen Zeitraum von 4,5 Jahren konnte in keinem
Fall nach initial negativem CT in einer Folgeangiografie innerhalb von 24 h eine Blutungsquelle
identifiziert werden [160 ]. Eine Wiederholung der CT-Angiografie im Intervall kann dagegen die Blutung zeigen.
Weil die CT wie alle anderen Verfahren darauf angewiesen ist, dass zum Zeitpunkt der
Untersuchung eine aktive Blutung vorliegt, sollte eine Untersuchung so schnell wie
möglich nach Symptombeginn angestrebt werden [158 ].
Als chronische Blutung des Gastrointestinaltrakts werden anhaltende Blutungen mit
Abfall des Serumhämoglobinspiegels bezeichnet, die nicht zur Kreislaufinstabilität
führen und mit Eisenmangel einhergehen.
Starker Konsens.
Der Patient mit chronischer Blutung kann symptomatisch, aber auch asymptomatisch sein,
da oft eine gute Adaption besteht; bei der adaptierten Anämie handelt es sich oft
um einen Zufallsbefund. Eine fundierte Anamnese deckt häufig Symptome auf, die der
Anämie nicht zugeordnet oder negiert wurden. Die Art der Anämie muss differenziert
werden, um die Weichen für die Diagnostik zu stellen. Die eindeutige Differenzierung
der Eisenmangelanämie führt zu einer entsprechenden endoskopischen Diagnostik. Andere
mögliche Blutungsquellen (z. B. Hypermenorrhö oder rezidivierende Epistaxis) sollten
vorab ausgeschlossen werden. Zur Differenzierung der Anämie sollten weitere Laborparameter
herangezogen werden (großes Blutbild, Serum-Ferritin, Serum-Transferrinsättigung).
Die Eisenmangelanämie ist eine mikrozytäre, hypochrome Anämie mit Unterschreitung
der geschlechtsspezifischen Normwerte des Serumhämoglobinspiegels (Hb) sowie Verringerung
des Serum-Ferritin, der Transferrinsättigung oder des Serum-Eisen (nach Abstufung
hoher zu niedriger Relevanz in dieser Reihenfolge). Die Parameter Ferritin und Transferrinsättigung
können gerade in Grenzbereichen des Serumhämoglobingehalts zur Sicherheit der Einstufung
der Anämie beitragen. Die gastrointestinale Blutung kann sowohl offensichtlich als
auch okkult (nicht sichtbar und nur durch spezifische Stuhltests nachweisbar) auftreten.
Ein fehlendes klinisches Blutungszeichen schließt die gastrointestinale Blutung also
nicht aus. Die genaue Differenzierung ist auch im Hinblick auf die Kostenerstattung
wichtig (Kapselendoskopie).
Die chronische gastrointestinale Blutung kann ambulant abgeklärt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Aufgrund der Eigenheit der chronischen gastrointestinalen Blutung (stabiler Patient)
ist eine ambulante Abklärung sinnvoll und kosteneffektiv. Lassen die klinischen Zeichen
eine Zuordnung der Blutungsquelle zum oberen oder unteren Gastrointestinaltrakt zu,
sollte die endoskopische Diagnostik adaptiert erfolgen (primär Gastroskopie bei klinischen
Zeichen der oberen, primär Koloskopie bei Zeichen der unteren gastrointestinalen Blutung).
Hierdurch kann die Diagnostik beschleunigt werden. Lässt sich die Blutung nicht eindeutig
zuordnen (z. B. bei der okkulten Blutung), sollte nach statistischer Häufigkeit der
Blutungsquelle zunächst die ÖGD und dann ggf. die Ileokoloskopie durchgeführt werden
[161 ].
Eine frühzeitige endoskopische Diagnostik ist kosteneffektiv.
Konsens.
Die zeitnahe Durchführung der Diagnostik erhöht die Ausbeute in Hinsicht auf die Diagnosestellung.
Je länger das Intervall zwischen dem potenziellen Blutungsereignis (overte oder okkulte
Blutung und/oder HB-Abfall) ist, desto geringer ist die diagnostische Ausbeute. Bei
früher Diagnosestellung werden Folgekosten durch Therapie oder wiederholter Diagnostik
gesenkt [144 ]
[162 ]
[163 ].
Eine wiederholte endoskopische Diagnostik sollte bei unzureichender Qualität der Indexendoskopie
und bei erhöhtem Risiko für familiär gehäuftes kolorektales Karzinom erfolgen.
Empfehlung, Konsens.
Besteht weiterhin der Verdacht auf eine aktive obere oder untere gastrointestinale
Blutung, kann eine ÖGD oder Ileokoloskopie wiederholt werden.
Offene Empfehlung, Konsens.
Eine Wiederholung der Endoskopie kann in bestimmten Fällen die Diagnoserate erhöhen:
Bei eingeschränkter Sicht oder hoher familiärer Belastung bzgl. kolorektalen Karzinoms
sollte die endoskopische Diagnostik wiederholt werden, da hierdurch die diagnostische
Ausbeute in dieser Entität gesteigert wird [164 ]
[165 ].
Eine Wiederholung der qualitativ einwandfreien bidirektionalen Endoskopie steigert
nicht die diagnostische Ausbeute, sondern führt zur Verzögerung der Diagnosestellung,
da das Intervall zwischen dem potenziellen Blutungsereignis und den durchzuführenden
weiterführenden Untersuchungen verlängert wird [166 ].
Zum Blutungsprovokationsmanöver durch Gabe von Antikoagulanzien kann aufgrund der
aktuellen Datenlage keine Empfehlung abgegeben werden.
Starker Konsens.
Die Datenlage zu Provokationsmanövern per Antikoagulation ist uneinheitlich. In einer
Serie war durch die Provokation einer Blutung zur Verbesserung der Lokalisation mittels
Antikoagulanzien keine Steigerung der Diagnoserate zu erreichen. Die Komplikationsrate
wird jedoch erhöht [167 ]. Eine aktuelle retrospektive Serie aus Lousiana analysierte eine Datenbank zur Devices-assistierten
Enteroskopie bei mittlerer GI-Blutung. Insgesamt konnten 824 Prozeduren analysiert
werden. 38-mal erfolgte bei insgesamt 27 Patienten eine medikamentöse Provokation.
In der Gruppe, die noch nie Antikoagulanzien eingenommen hatte, erfolgte diese Provokation
mit Clopidogrel und Heparin und bei 71 % (5/7) konnte ein therapierbarer pathologischer
Befund gefunden werden. Unerwünschte Wirkungen traten in dieser Gruppe nicht auf.
Der diagnostische Ertrag der Provokation in der Gruppe, die bereits zuvor Antikoagulanzien
einnahm, lag demgegenüber bei 53 % [168 ].
Führt die bidirektionale endoskopische Diagnostik (ÖGD und Ileokoloskopie) bei chronischer
gastrointestinaler Blutung nicht zu einem Blutungsquellennachweis, sollte zeitnah
eine Kapselendoskopie des Dünndarms (KE) durchgeführt werden.
Empfehlung, Konsens.
Die KE ist als nicht-invasives Verfahren geeignet, eine Blutungsquelle des mittleren
GI-Traktes zu detektieren. Die Sensitivität und Spezifität der Untersuchung sind hoch
[161 ]
[162 ]
[169 ]. Die Wahrscheinlichkeit, die Blutungsquelle zu finden, ist höher, wenn die Diagnostik
zeitnah erfolgt, optimal ist ein Zeitfenster von 14 Tagen [166 ]. Positive prädiktive Faktoren für die Feststellung eines pathologischen Dünndarmbefunds
sind die overte Blutung, männliches Geschlecht und ein Alter > 60 Jahre [170 ].
Eine Kapselendoskopie soll bei bekannter hochgradiger Stenose des Gastrointestinaltrakts
nicht durchgeführt werden. Bei klinischem Verdacht auf eine intestinale Stenose soll
die Kapselendoskopie erst nach Beweis der Durchgängigkeit mittels vorheriger Patency-Kapseluntersuchung
erfolgen.
Starke Empfehlung, Konsens.
Die bekannte hochgradige Dünndarmstenose stellt eine Kontraindikation zur KE dar.
Die Anamnese ist in der Regel richtungsweisend [171 ]
[172 ]. Die Kapselretention (Kapselpersistenz im Dünndarm > 3 Tage) stellt per se keinen
Notfall dar, wenn keine Ileussymptomatik vorliegt, sondern zeigt durch die Kapsellage
die zu diagnostizierende Stenose an, die einer entsprechenden Therapie zugeführt werden
kann. Ein akuter Ileus als Folge einer Kapselendoskopie ist selten [172 ].
Andere bildgebende Verfahren (z. B. MRT) schließen eine Stenose nicht sicher aus.
Die Pilotkapsel (Patency-Kapsel) kann zum Nachweis einer erwartbar komplikationslosen
Kapselpassage herangezogen werden, auch wenn die Passage der Dünndarmkapsel damit
nicht gesichert ist, sondern nur wahrscheinlicher wird [173 ]
[174 ].
Bei negativer Anamnese ist ein genereller Ausschluss einer Dünndarmstenose mittels
Patency-Kapsel oder bildgebender Diagnostik vor einer KE mangels Effektivität und
Steigerung der Kosten nicht empfohlen [166 ].
Bei Patienten unter Antikoagulanzientherapie mit persistierender Anämie sollte die
endoskopische Diagnostik wiederholt werden.
Empfehlung, Konsens.
Ein unauffälliger Befund in der KE bei vorangegangener Endoskopie hat einen hohen
negativen prädiktiven Wert bzgl. des Vorliegens einer Blutungsquelle. Eine Rezidivblutung
ist bei diesen Patienten seltener, davon ausgenommen sind Patienten unter Antikoagulanzientherapie.
Hier ist der negative prädiktive Wert für das Vorliegen einer möglichen Blutungsquelle
im Dünndarm deutlich niedriger [175 ]
[176 ].
Zur endoskopischen Diagnostik einer Blutung im mittleren Gastrointestinaltrakt soll
die Device-assistierte Enteroskopie (DAE) angewandt werden.
Starke Empfehlung, Konsens.
Die Push-Enteroskopie kann bei proximalen Läsionen verwendet werden.
Offene Empfehlung, Konsens.
Die Device-assistierte Enteroskopie (DAE) (hier liegen die meisten Daten für die Doppelballonenteroskopie
[DBE] vor) hat eine hohe Sensitivität und Spezifität zur Detektion der Blutungsquelle
bei der mittleren gastrointestinalen Blutung. Im Vergleich dazu ist die KE ebenbürtig,
weist aber eine wesentlich geringere Komplikationsrate auf. Die DAE kann in der first-line-Diagnostik
nicht empfohlen werden, sondern folgt als therapeutisches Instrument der KE. Eine
Ausnahme stellen hier die Patienten mit einer laufenden Antikoagulanzientherapie dar,
bei denen die DAE wegen des oben beschriebenen schlechteren negativen prädiktiven
Wertes für das Vorliegen einer Blutungsquelle eine höhere diagnostische Trefferquote
erreicht [175 ]
[176 ].
Die intraoperative Enteroskopie, Angiografie oder Technetium-Szintigrafie sind Reserveverfahren
zur Lokalisationsdiagnostik einer okkulten gastrointestinalen Blutung und sollten
auf Einzelfälle beschränkt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Im Vergleich zur intraoperativen Enteroskopie hat die KE eine höhere Sensitivität
und Spezifität [173 ]. Eine diagnostische intraoperative Enteroskopie kann wegen der Invasivität nicht
empfohlen werden. Die radiologischen Verfahren haben bei der Abklärung der chronischen
GIB methodenbedingt eine schlechtere Sensitivität [154 ]
[176 ].
Relevante postoperative gastrointestinale Blutungen sind selten. Meist ist nicht das
Operationstrauma, sondern eine exazerbierte vorbestehende Blutungsquelle bzw. ein
nicht direkt-OP-bezogener Faktor ursächlich.
Starker Konsens.
Es gibt wenig publizierte Evidenz zum Thema postoperative gastrointestinale Blutungen.
Viele gastrointestinale Blutungen sind selbstlimitierend, und relevante post-OP Blutungen
(definiert als Blutungen mit hämodynamischer Auswirkung, Verlust von 2 g/dl Hämoglobin,
Notwendigkeit einer Transfusion oder Notwendigkeit einer Intervention) sind selten.
Postoperative gastrointestinale Blutungen entstehen üblicherweise in drei Szenarien:
Die Operation (oder deren Komplikationen) sind die Ursache der Blutung.
Die Blutung entsteht durch Ursachen, die nicht direkt operationsbezogen sind (z. B.
Überdosierung von Antikoagulanzien).
Der Operationsstress exazerbiert eine vorbestehende Blutungsquelle (z. B. Ulkus oder
Gastritis) ([Tab. 6 ])
Tab. 6
Chirurgische Eingriffe und postoperative gastrointestinale Blutungsinzidenzen.
Operation
Inzidenz
Ref.
Gastrointestinale Anastomosen bei Magen-NPL
0,4 %
[177 ]
GI-Anastomosen im Rahmen bariatrischer OPs
0,4 – 1 %
[178 ]
Kolon-Anastomosen (Hand/Stapler)
0,6 – 4 %
[179 ]
[180 ]
[181 ]
[182 ]
Hepatobiliopankreatische Chirurgie
2 – 5 %
[183 ]
[184 ]
[185 ]
Herzchirurgie, Aortenbogenchirurgie
0,3 – 4 %
[186 ]
[187 ]
Gefäßchirurgische aortale Eingriffe
0,4 – 2 %
[188 ]
[189 ]
[190 ]
Multimorbide Patienten (ünabhängig vom Eingriff)
1 – 6 %
[191 ]
[192 ]
Arbeitsgruppe 4: Therapie nicht-variköser Blutung
Arbeitsgruppe 4: Therapie nicht-variköser Blutung
Blutungen aus Ulzera sollen entsprechend der Forrestklassifikation zugeordnet werden.
Auch für andere nicht-variköse Blutungen kann diese in modifizierter Form verwendet
werden. Hierdurch soll zwischen Ulzera mit hohem und niedrigem Risiko für andauernde
bzw. rezidivierende Blutungen unterschieden werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Die Forrestklassifikation basiert auf der Arbeit John A.H. Forrest et al. aus dem
Jahr 1974 und dient der standardisierten Beschreibung von Blutungen aus peptischen
Ulzera [193 ]. Die prognostische Bedeutung dieser Einteilung unterstreichen nachfolgende Studien,
die insbesondere eine Korrelation zwischen Blutungen der Stadien FIa/FIb und der Blutungspersistenz
bzw. dem Auftreten von Blutungsrezidiven identifizierten [194 ]
[195 ]. Das Erkennen und die richtige Zuordnung der Blutungsstigmata sind jedoch untersucher-
und erfahrungsabhängig. Dies gilt insbesondere für die Stadien FII und FIII [196 ]
[197 ]
[198 ]. Zusätzlich zu den Kriterien der Forrestklassifikation sind die Größe der Ulzera
(> 2 cm), sowie deren Lokalisation (Hinterwand des Bulbus duodeni; proximaler Magen/kleine
Kurvatur) Indikatoren eines erhöhten Rezidivblutungsrisikos. Für Blutungen aus anderen
nicht-varikösen Quellen existieren keine spezifischen Klassifikationen, sodass hier
die Forrestklassifikation zur Anwendung kommen kann.
Ulzera mit arteriell spritzenden Blutungen (FIa), Sickerblutungen (FIb) oder mit sichtbarem
Gefäßstumpf (FIIa) sollen endoskopisch therapiert werden, da diese unbehandelt ein
hohes Risiko für ein Fortbestehen bzw. erneutes Auftreten von Blutungen haben.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Die Effizienz der Endotherapie in den Stadien FIa, FIb und FIIa hinsichtlich der Blutungspersistenz
sowie Rezidivblutungsrate wurde in mehreren, prospektiv randomisierten Studien untersucht.
Eine Metaanalyse dieser Arbeiten zeigte, dass die endoskopische Hämostase sowohl das
Andauern von Ulkusblutungen als auch deren Rezidive reduziert. Dies gilt sowohl für
aktive Blutungen (FIa, FIb: RR 0,29, 95 % KI 0,20 – 0,43; NNT 2, 95 % KI 2 – 2) als
auch für Ulzera mit sichtbaren Gefäßstümpfen (FIIa: RR 0,49, 95 % KI 0,40 – 0,59;
NNT 5, 95 % KI 4 – 6) [199 ].
Adhärente Koagel (FIIb) sollten, wenn leicht möglich, entfernt werden, um darunterliegende
aktive Blutungen bzw. Gefäßstümpfe zu identifizieren und endoskopisch gezielt zu therapieren.
Patienten mit Ulzerationen der Stadien FIIc oder FIII benötigen keine spezifische
endoskopische Therapie.
Empfehlung, starker Konsens.
Die Daten zur endoskopischen Blutstillung von peptischen Ulzera im Stadium FIIb sind
widersprüchlich, sodass eine Empfehlung zur generellen Entfernung von Koageln nicht
gerechtfertigt erscheint. Bei 25 % der Patienten, die in diesem Stadium keine endoskopische
Therapie erhalten, ist innerhalb von 30 Tagen mit einem Blutungsrezidiv zu rechnen
[200 ]. Der Vergleich der alleinigen medikamentösen Therapie mit endoskopischer Hämostase
reduziert dieses Risiko in einigen randomisierten, kontrollierten Studien und Metaanalysen
signifikant (8,2 vs. 24,7 %, p < 0,01) [201 ]
[202 ]
[203 ]. Andererseits ergab eine Metaanalyse, die alleinig randomisierte, kontrollierte
Studien auswertete, keinen signifikanten Vorteil für diese Patienten (RR 0,31, 95 %
KI 0,06 – 1,77) [199 ].
Patient mit Ulcera der Stadien FIIc und FIII erleiden nur selten (Rezidiv-)Blutungen,
sodass eine prophylaktische endoskopische Therapie keinen substanziellen Vorteil bietet
[1 ].
Zur endoskopischen Stillung nicht-variköser Blutungen können die Injektionstherapie,
mechanische Verschlüsse (Hämoclips) sowie thermische Verfahren verwendet werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Die Injektionstherapie soll in der Regel mit einem zweiten, mechanischen oder thermischen
Verfahren kombiniert werden, um das Rezidivblutungsrisiko zu minimieren.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Für Blutungen die unter Anwendung der Standardverfahren nicht sistieren, können „over-the-scope
clips“ oder Hämostasesprays genutzt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Injektionstherapie
Die Blutstillung durch Injektion resultiert aus der lokalen Gefäßkompression infolge
des Gewebeödems. Ein zusätzlicher vasokonstriktiver Effekt wird durch die Verwendung
von Epinephrin, in einem Verdünnungsverhältnis von 1:10 000 bzw. 1:20 000 erreicht.
Fibrinkleber, der ebenfalls per Injektion injiziert wird, verschließt blutende Gefäße
und initiiert die Wundheilung [204 ]. Aktuelle Daten zum Vergleich mit anderen Hämostaseverfahren liegen nicht vor. Unter
Berücksichtigung der Kosten und der erhöhten Anforderungen an die Applikationstechnik
sollte die Fibrinkleberinjektion als Reserveverfahren angesehen werden.
Thermische Verfahren
Thermische Methoden ermöglichen einen gezielten, direkten Gefäßverschluss. Hierzu
stehen verschiedene Sonden zur Verfügung. So kann durch bipolare und Heatersonden
zusätzlich zur kurzzeitigen Kompression des blutenden Gefäßes ein „Verschweißen“ der
Gefäßwände mit dem Ziel der dauerhaften Blutungsstase erreicht werden. Blutungen,
die während endoskopischer Resektionen auftreten, können umgehend, z. B. durch ESD-Messer
oder geeignete Zangen, mittels elektrischer Koagulation gestillt werden. Monopolare
Sonden erreichen die Hämostase durch Fulguration, bei der Gefäße durch Funkenentladung
der dicht über dem Gewebe geführten Sonde verödet werden. Ebenfalls ohne direkten
Kontakt zwischen Sonde und Gewebe wird die Argon-Plasma-Koagulation angewendet. Hierbei
wird nach Ionisation von Argongas zu Argonplasma Hochfrequenzstrom ohne Gewebeberührung
weitergeleitet und so die Hämostase ermöglicht.
Mechanische Therapie
Metallclips führen zur Blutstillung durch mechanischen Gefäßverschluss bzw. durch
Adaptation von Wund- und Resektionsrändern. Sollte die Größe und/oder Beschaffenheit
des Blutungsareals, insbesondere bei Ulkusblutungen keinen Einsatz „konventioneller“
Metallclips erlauben, können durch geschulte Anwender „over-the-scope clips“ (OTSC)
verwendet werden. Hierbei wird nach Ansaugen oder Hineinziehen des Gewebes in die
Aufsatzkappe der OTSC über einen Fadenzug freigesetzt und so ein tiefgreifendes Erfassen
der Wandschichten ermöglicht. Daten einer Studie anhand eines ex-vivo Modells zeigen,
dass OTSC im Vergleich zu Standardhämoclips eine schnellere und effektivere Blutstillung
gestatteten [205 ]. Fallserien beschreiben darüber hinaus die erfolgreiche Blutstillung durch OTSC
nach frustraner endoskopischer Vortherapie bzw. auch als „first line“-Behandlung von
Hochrisikoblutungen [206 ]
[207 ]
[208 ].
Kombination der Verfahren
Da die Wirkung der Injektionstherapie, insbesondere wenn Kochsalzlösung und Epinephrin
verwendet werden, zeitlich begrenzt ist und somit ein erhöhtes Rezidivblutungsrisiko
besteht, sollte ein weiteres, mechanisches oder thermisches Verfahren zur Anwendung
kommen. Diese Empfehlung beruht auf einer Reihe randomisierter kontrollierter Studien
zur Rezidivblutungsrate aus peptischen Ulzera mit Hochrisikoblutungsstigma [199 ]
[209 ]
[210 ]
[211 ]
[212 ].
Hämostasesprays
Hämostasesprays bilden je nach Präparat eine mechanische Barriere über der Blutung,
erhöhen durch Absorption des Serums die Konzentration an Gerinnungsfaktoren, ziehen
durch ihre negative Ladung positiv geladene Eiweiße aus der Blutbahn an und verstärken
so die intrinsische Gerinnungskaskade.
TC 325 (Hemospray™), ein anorganisches, hoch absorptionsfähiges Pulver, bildet nach
Kontakt mit Blut eine mechanische Barriere zur Versiegelung der Blutungsstelle. Durch
Konzentration von Gerinnungsfaktoren soll zudem die Koagulationszeit verkürzt werden
[213 ]. Es wird unter CO2 -Insufflation aus 1 – 2 cm Entfernung direkt auf die Blutungsquelle aufgebracht. Erfahrungen
liegen insbesondere in der Therapie von peptischen Ulzera vor. Hier liegen die primäre
Hämostase (FIa/FIb-Läsionen) bei 92,8 % und die mittlere Blutungsrezidivrate bei 13,3 %
[214 ]. TC 325 kann sowohl als Monotherapie als auch in Kombination mit anderen Verfahren,
z. B. Hämoclips, verwendet werden [215 ]. Eine Fallserie von 60 Patienten mit unterschiedlichen Blutungsquellen im oberen
und unteren Gastrointestinaltrakt beschreibt eine Hämostaserate von 98,5 % und eine
Rate von 9,5 % früher Blutungsrezidive ohne signifikante, unerwünschte Wirkungen [216 ].
Absorbierbare modifizierte Monomere aus Pflanzenstärke (Endoclot™) entziehen dem
Blut Wasser, bilden eine gelartige Haftmasse und beschleunigen die Gerinnungskaskade.
Über einen Applikationskatheter wird dieses Hämostasepulver in einem permanenten Luftstrom,
der durch einen speziellen Kompressor erzeugt wird, ebenfalls aus 1 – 2 cm Abstand
auf die Blutungsstelle aufgebracht. In einer Fallserie konnte bei allen 21 Patienten
eine initiale Hämostase erreicht werden, mit einer Rezidivblutungsrate von 4,8 % innerhalb
von 30 Tagen [217 ]. In einer weiteren Fallserie von 70 Patienten wurde im oberen Gastrointestinaltrakt
in 64 % der Fälle eine Blutstillung erreicht, wenn Endoclot™ primär zum Einsatz kam,
und bei allen Patienten nach frustraner Hämostase mit anderen Verfahren. Im unteren
Gastrointestinaltrakt lag die Hämostaserate bei 83 %. Blutungsrezidive ereigneten
sich bei 11 % (8/70) der Patienten [218 ].
Die Therapie mit anderen neuartigen Agentien, die z. B. bovine Gerinnungsfaktoren
enthalten (SeraSeal™) oder dem synthetischen Aminosäuregel TDM-621, können derzeit
außerhalb von Studien nicht empfohlen werden. Die Studienlage legt zwar nahe, dass
deren Kombination mit Standardverfahren einen Mehrwert darstellen bzw. Rezidivblutungen
nach Resektionen reduziert werden könnten, ausreichende Daten fehlen aber zum Zeitpunkt
der Drucklegung [219 ]
[220 ].
Endoskopische Blutstillung in Abhängigkeit von der Blutungsursache
Ulkusblutung
Bei Hochrisikostigmata (Stadien: FIa, FIb, FIIa) soll nach initialer Injektionstherapie
ein zweites endoskopisches Hämostaseverfahren (mechanisch oder thermisch) erfolgen,
um eine Rezidivblutung zu vermeiden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Die Injektionstherapie dient der akuten Blutstillung und somit ggf. auch der Herstellung
einer besseren Beurteilbarkeit der Blutungsquelle. Metaanalysen und eine Cochrane-Analyse
zeigen, dass die Kombination der Injektion mit einem zweiten Hämostaseverfahren der
alleinigen Injektionstherapie sowohl hinsichtlich der Rezidivblutungsraten als auch
der Notwendigkeit einer chirurgischen Intervention signifikant überlegen ist und einen
positiven Einfluss auf die Mortalität haben kann [199 ]
[209 ]
[210 ]
[211 ]
[212 ].
In Fällen mit bereits initial sicherer Lokalisation der Blutungsquelle, insbesondere
von Gefäßstümpfen, kann die mechanische oder thermische Blutstillung auch als Monotherapie
erfolgen. Hämoclips und thermische Verfahren sind in den diesbezüglichen Studien überwiegend
als gleichermaßen effektiv bewertet worden [199 ]
[210 ]
[211 ]
[212 ].
Mallory-Weiss-Läsionen
Zur endoskopischen Therapie relevanter Blutungen aus Mallory-Weiss-Läsionen des Ösophagus
können Injektionstherapie und/oder mechanische Verfahren zum Wundrandverschluss verwendet
werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Sowohl durch Injektion von Epinephrin als auch durch Clipapplikation kann die Blutung
aus Mallory-Weiss-Läsionen gestillt werden. Die Verwendung von Clips erlaubt den Wundrandverschluss
[221 ]
[222 ]
[223 ]. Aufgrund der oft erhöhten Gewebefragilität in dieser Patientengruppe kann aber
eine Clipapplikation durch mangelnden Halt der Clips erschwert sein oder die Situation
aggravieren. Auch die Gummibandligatur kann zur Blutstillung in einer Mallory-Weiss-Läsion
mit vergleichbarer Effektivität zum Hämoclip-Verschluss bzw. zur Injektionsbehandlung
angewendet werden [224 ].
Vaskuläre Malformationen
Angiektasien mit oder nach Blutung sollten primär durch ein thermisches Verfahren
koaguliert werden.
Empfehlung, Konsens.
Die endoskopische Therapie einer Blutung bei GAVE-Syndrom kann durch ein thermisches
Verfahren oder eine Gummibandligatur erfolgen. Bei Dieulafoy-Läsionen können neben
thermischen Verfahren auch mechanische Verfahren angewandt werden.
Offene Empfehlung, Konsens.
Die Empfehlungen zur Endotherapie, z. B. Argon-Plasma-Koagulation, von Blutungen aus
vaskulären Malformationen beruhen auf Fallserien, während kontrollierte, randomisierte
Studien fehlen. So fand eine Übersichtsarbeit von 2014 anhand von 63 Studien nur geringe
Evidenz für die endoskopische Therapie von Angiodysplasien [225 ]. Dennoch stellt die APC in der Regel eine etablierte Methode zur Beherrschung der
akuten Blutung dar.
Gleichermaßen ist die APC weitverbreitetes Verfahren zur Therapie des GAVE-Syndroms.
Allerdings fand sich in der erwähnten Übersichtsarbeit nach Ligaturtherapie eine signifikant
höhere Rate an Patienten ohne Reblutungsereignis im Vergleich zur APC [225 ]. Vor diesem Hintergrund ist die Auswahl des Verfahrens aktuell der Expertise des
Untersuchers überlassen, insbesondere bei ausgeprägten Befunden ggf. aber die Bandligatur
vorzuziehen.
Ob mit der Radiofrequenzablation des GAVE-Syndroms ein weiteres Verfahren zur Auswahl
steht, kann aktuell nicht beurteilt werden. Kleine Fallserien legen zumindest nahe,
dass bei einem Teil der Patienten Hb-Stabilität bzw. ein verringerter Bedarf an Transfusionen
erreicht werden kann [226 ]
[227 ]
[228 ].
Zur Therapie einer Ulkus-Dieulafoy-Blutung können Injektionsverfahren, thermische
bzw. mechanische Methoden verwendet werden. Allerdings ist auch hier eine Kombination
zu empfehlen, da die alleinige Injektionstherapie mit einem hohen Risiko für Rezidivblutungen
vergesellschaftet ist [229 ]. Fulminante Blutungen profitieren ggf. vom Einsatz von OTSC zur Hämostase [230 ]. Auch die Wirksamkeit der endoskopischen Gummibandligatur wurde in einer kleinen
Fallserie demonstriert [231 ].
Zur Therapie von Blutungen im Rahmen einer Strahlenproktitis ist insbesondere die
APC etabliert [232 ], wenngleich vergleichende Studien vergleichbare Effektivität auch für die hyperbare
Sauerstofftherapie [233 ] bzw. die bipolare Koagulation [234 ] zeigen.
Blutung aus Malignomen
Eine Blutung aus Neoplasien im Gastrointestinaltrakt sollte primär endoskopisch therapiert
werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Zur endoskopischen Blutstillung von Malignomen im Gastrointestinaltrakt können Injektionsverfahren
und/ oder thermische Methoden (z. B. Argon-Plasma- Koagulation) bzw., bei geeigneter
Anatomie, auch beschichtete Stents zur mechanischen Kompression verwendet werden.
Zu diesen Verfahren liegen Fallberichte bzw. Beobachtungen im Rahmen palliativer Tumorablation
zur Stenosetherapie vor. Diese erfolgten insbesondere per Argon-Plasma-Koagulation
oder bipolarer Koagulation [235 ]
[236 ]
[237 ]. Darüber hinaus kann die Blutstillung mittels Kompression durch einen beschichteten
Metallstent gelingen [238 ]. Als Reserveverfahren kann auch hier ein Hämostasespray verwendet werden. So liegen
in dieser Indikation z. B. Fallserien für TC-325 vor [216 ]. Bei Versagen der endoskopischen Blutstillung sollten weitere Verfahren (z. B. Embolisation,
Radiatio, endoskopische/chirurgische Resektion) interdisziplinär abgestimmt und angewendet
werden.
Divertikelblutung
Die endoskopische Therapie einer akuten Divertikelblutung sollte mittels Injektion
und/- oder mechanischer Verfahren erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens.
Divertikelblutungen sistieren in der Regel spontan, sodass – nach Ausschluss anderer
Blutungsquellen – die stattgehabte Blutung aus Kolondivertikeln als hochwahrscheinliche
Verdachtsdiagnose gestellt wird. So zeigen Fallserien von Patienten mit Kolondivertikelblutung
überwiegend spontane Hämostaseraten zwischen 77 und 92 % [136 ]
[239 ]
[240 ]. Demzufolge ist die aktive, endoskopische Blutstillung relativ selten indiziert.
Kann koloskopisch eine aktive Kolondivertikelblutung identifiziert werden, so ist
eine endoskopische Hämostase durch Epinephrininjektion oder Hämoclipping bei über
75 % der Patienten möglich [136 ]
[241 ]. Auch für die Gummibandligatur und bipolare Koagulation liegen Fallberichte vor
[136 ]
[242 ].
Blutungen während und nach endoskopischer Resektion
Zur endoskopischen Stillung intra- bzw. postprozeduraler Blutungen können Injektionsverfahren,
thermische und mechanische Methoden zum Einsatz kommen.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Die intraprozedurale Hämostase erfolgt aufgrund fehlender vergleichender Studien allein
basierend auf der Einschätzung des untersuchenden Arztes in Abhängigkeit von der individuellen
Blutungsintensität, der Größe und Lage der Resektionsfläche, sowie dem Fortgang der
Resektion. So kann im Verlauf größerer Resektionen eine thermische Koagulation blutender
Gefäße, ggf. nach vorheriger Injektionstherapie, weniger hinderlich für den Fortgang
der Abtragung sein als mechanische Verfahren [243 ]. Spezielle Koagulationsmodi wie z. B. die „soft coagulation“ unter Verwendung geeigneter
Zangen oder eines passenden ESD-Messers gestatten eine in ihrer Intensität kontrollierbare
Hämostase. So konnte im Rahmen der EMR großer Kolonadenome (n = 198, mittlere Größe
41,5 mm) für die „soft coagulation“ blutender Gefäße eine effektive Hämostase bei
91 % der Fälle erzielt werden [244 ].
Auch Hämostasesprays werden zur Blutstillung im Rahmen von Resektionen verwendet.
So liegen kleine Fallserien (n = 16) für TC-325 zur Hämostase während Resektionen
vor [216 ]. Ein synthetisches Aminosäuregel (TDM-621) wurde bei 12 Patienten zur Blutstillung
während Endoresektionen im Magen verwendet. Bei keinem der Patienten kam es zu Nachblutungen
während des stationären Aufenthaltes [220 ].
Auch zur Therapie von postprozeduralen Blutungen fehlen vergleichende Studien. Analog
zur Ulkusblutung ist davon auszugehen, dass mechanische und thermische Verfahren,
ggf. in Kombination mit einer Injektionstherapie situationsabhängig angewendet werden
sollten [245 ]. Die nach frischen großflächigen Resektionen ggf. diffuse Blutungssituation kann
Anlass zur Anwendung von Hämostasesprays sein. Diesbezüglich liegen erste Fallberichte
vor [220 ]
[246 ]
[247 ].
Was sollte bei primärem Versagen der Blutstillung eingesetzt werden?
Bei primärem Versagen der Blutstillung können zusätzlich zu den konventionellen Verfahren
je nach lokaler Expertise und Verfügbarkeit „over-the-scope clips“ (großvolumiger
Clip zur Geweberaffung), hämostatische Pulver oder Injektionstechniken ggf. in Kombination
eingesetzt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens (eine Enthaltung).
Publizierte Daten zu endoskopischen Reserveverfahren beim primären Versagen der Blutstillung
beschränken sich derzeit auf Fallserien mit niedrigem Evidenzgrad. Ein „over-the-scope
clip“ (OTSC) wurde in drei kleinen retrospektiven Studien bei Therapie-refraktären
Blutungen im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt mit einer Erfolgsrate zwischen
88 und 100 % eingesetzt [206 ]
[248 ]. Indikationen reichten von Ulzera und Dieulafoy- bzw. Mallory-Weiss-Läsionen über
Divertikel- und Tumorblutungen bis zu post-interventionellen Blutungen nach endoskopischen
oder chirurgischen Eingriffen. Als Nachteil der Methode muss die dafür notwendige
Expertise angesehen werden, die derzeit nicht flächendeckend vorhanden ist. Eine prospektive
randomisierte Studie an sieben deutschen Zentren, die allerdings erst in Abstract-Form
vorliegt, zeigt bei der Rezidivblutung einen signifikanten Vorteil des OTSC gegenüber
der Kombination zweier konventioneller Verfahren (Injektionstherapie und konventioneller
Clip) [249 ].
Auch hämostatische Sprays wurden bereits bei refraktären Blutungen verschiedenster
Art und Lokalisation im oberen und unteren Gastrointestinaltrakt mit einer Erfolgsrate
zwischen 76 und 93 % eingesetzt [250 ]
[251 ]. Während die Applikation einfach und sicher erscheint, gibt es auch bei dieser Methode
Limitationen aufgrund der Kosten und der Verfügbarkeit. Schließlich existieren eine
Reihe von Injektionstechniken mit Koagulanzien oder Gewebeklebern, die bei refraktären
Blutungen untersucht wurden.
Eine direkte Injektion der Blutungsquelle mittels Fibrin oder Thrombin wurde 2004
zwar in einer Stellungnahme der Amerikanischen Gesellschaft für Endoskopie (ASGE)
positiv bewertet [204 ], findet aber in neueren Leitlinien aufgrund der Kosten und fehlender neuerer Daten
im Vergleich zu anderen Techniken keine Berücksichtigung mehr [1 ]
[252 ]. Bei fehlenden Alternativen kann das Verfahren jedoch lokal im Einzelfall noch zur
Anwendung kommen. Als eher experimentell einzustufen sind dagegen neuere Untersuchungen
zur lokalen Injektion von bovinen Gerinnungsfaktoren (SeraSeal™) oder die endosonografisch
gesteuerte Embolisation der zuführenden Gefäße [219 ]
[253 ].
Wann sollten Biopsien entnommen werden? (inkl. H.p.-Diagnostik)
Bei Blutungen aus malignomsuspekten Läsionen kann die bioptische Sicherung in Abhängigkeit
vom Aktivitätsgrad der Blutung und der Gerinnungssituation des Patienten bereits während
der initialen Endoskopie erfolgen.
Offene Empfehlung, Konsens.
Besteht der V. a. auf das Vorliegen eines Malignoms als Blutungsquelle, so ist dieses
bioptisch zu sichern. In Übereinstimmung mit den jeweiligen Leitlinien zur Diagnostik
und Therapie von Ösophagus-, Magen- und kolorektalen Karzinomen sollten hierfür eine
ausreichende Zahl an Proben entnommen werden.
Bei gastroduodenaler Ulkusblutung sollte bei vertretbarem Risiko bereits in der Notfallendoskopie
eine bioptische Helicobacter-pylori-Diagnostik erfolgen.
Empfehlung, starker Konsens.
Peptische Ulzera sind in hohem Maß mit der Besiedlung durch H. pylori assoziiert [254 ]
[255 ]. So ist auch das Risiko einer erneuten Ulkusblutung nach erfolgreicher Eradikationstherapie
reduziert [256 ]. Bei positivem Befund soll daher eine Eradikationstherapie nach Wiederaufnahme der
oralen Ernährung eingeleitet werden. Bei fehlendem H.-pylori-Nachweis sollte die Testung
im Verlauf wiederholt werden. So ist die Rate falsch negativer H.-pylori-Testergebnisse
z. B. höher, wenn die Diagnostik während der akuten Blutung erfolgt [256 ]. Eine Metaanalyse anhand von 8496 Patienten mit blutenden peptischen Ulzera fand
eine H.-pylori-Prävalenz von 72 %, wobei die Infektionsrate signifikant höher war,
wenn die Testung mindestens 4 Wochen nach dem Blutungsereignis erfolgte (OR 2,08,
95 % KI 1,10 – 3,93; p = 0,024) [257 ]. Der Eradikationserfolg soll im Verlauf überprüft werden.
Wann sollte eine offen-chirurgische oder radiologische Intervention erwogen werden?
Eine offen-chirurgische oder radiologische Intervention kann erfolgen, bei a) technischem
Versagen der endoskopischen Blutstillung inklusive Reserveverfahren; b) Rezidivblutung
nach zweiter endoskopischer Intervention; c) endoskopisch nicht lokalisierbarer Blutungsquelle.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Nach primär erfolgreicher endoskopischer Therapie kann bei hohem Rezidivrisiko eine
angiografische oder operative Intervention erwogen werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Die Auswahl des offen-chirurgischen oder radiologischen Verfahrens soll sich nach
Art, Lokalisation und Schwere der Blutung, den Komorbiditäten des Patienten sowie
der lokalen Expertise richten.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Eindeutige Indikationen für ein therapeutisches Alternativverfahren sind das technische
Versagen der endoskopischen Blutstillung oder die endoskopisch nicht lokalisierbare
Blutungsquelle. Mehrere randomisierte Studien und Metaanalysen zeigten dabei ebenso
vergleichbare primäre Erfolgs- wie Mortalitätsraten der potenziellen radiologischen
und chirurgischen Alternativen [258 ]
[259 ].
Moderne radiologische Verfahren beruhen auf der super-selektiven angiografischen Embolisation
mit primären Blutstillungsraten bis zu 90 %, interessanterweise auch bei lediglich
endoskopisch und nicht angiografisch identifizierbarer Blutungsquelle [260 ]
[261 ]
[262 ]. Bei den chirurgischen Verfahren überwiegen heutzutage aufgrund der Notfallsituation
mit Hochrisikopatienten die minimal-invasiven Eingriffe mit einer potenziell niedrigeren
perioperativen Mortalität bei höheren Reblutungsraten [263 ]
[264 ]. Im direkten Vergleich zeigen chirurgische Verfahren insgesamt eine höhere sekundäre
Erfolgsrate mit weniger Reblutungen, während radiologische Verfahren auch bei schwerkranken
Patienten mit sehr hohem Operationsrisiko eingesetzt werden können [265 ]
[266 ].
Im Gegensatz zur Studienlage nach endoskopischem Therapieversagen beruht die Evidenz
zur frühelektiven Intervention zur Prävention eines sekundären Therapieversagens auf
historischen Daten mit nur einer randomisierten Studie [267 ]. Als Risikofaktoren für ein potenzielles endoskopisches Versagen ließen sich in
den historischen Studien Größe (> 2 cm) und Lage (duodenale Hinterwand) eines Ulkus,
Alter (> 60 Jahre) und Komorbiditäten der Patienten sowie die kardiovaskuläre Stabilität
während der Blutung herausfiltern [252 ]
[264 ]. In diesen Fällen kann frühzeitig interdisziplinär eine Risikoabwägung und Therapieentscheidung
erfolgen.
Arbeitsgruppe 5: Therapie gastrointestinaler Blutung bei portaler Hypertension
Arbeitsgruppe 5: Therapie gastrointestinaler Blutung bei portaler Hypertension
Wie ist die Definition der portalen Hypertension und einer Varizenblutung?
Die portale Hypertension ist definiert als Erhöhung des Blutdrucks im portalen Stromgebiet,
gemessen als hepatisch-venöser Druckgradient (HVPG), über 5 mmHg. Klinisch von Bedeutung
ist jedoch das Vorliegen einer sogenannten klinisch-signifikanten portalen Hypertension
(CSPH), definiert als portale Druckerhöhung über 10 mmHg. Diese Druckerhöhung ist
von besonderer klinischer Relevanz, da sie die Grenze zwischen einem deutlich erhöhten
Risiko u. a. auch für das Entstehen von Varizen markiert [268 ].
Eine Varizenblutung wird definiert als Blutung aus Ösophagus- oder Magenvarizen zum
Zeitpunkt der Endoskopie oder als Vorhandensein von größeren Varizen mit Blut im Magen
ohne andere Blutungsquelle. Eine Blutung wird als klinisch signifikant gewertet, wenn
der Bedarf an Blutkonserven mehr als 2 in 24 Stunden übersteigt, der initiale systolische
Blutdruck < 100 mmHg und die initiale Herzfrequenz über 100/min liegen [268 ]. Das Zeitfenster einer akuten Blutungsepisode beträgt 120 Stunden. Ein Versagen
der Therapie zur Kontrolle einer aktiven Blutung ist definiert durch fortgesetztes
Erbrechen von frischem Blut, Entwicklung eines hypovolämischen Schocks oder einen
Abfall des Hämoglobins um 3 g/dl (1,86 mmol/l) innerhalb 24 Stunden ohne Gabe von
Erythrozytenkonzentraten [26 ].
Welche Blutungsquellen gibt es, in welcher Häufigkeit?
Als potenzielle Blutungsquellen sollten bei Patienten mit portaler Hypertension zu
den nicht-varikösen Blutungsquellen zusätzlich noch Varizen und die portal-hypertensive
Gastropathie in Betracht gezogen werden. Varizen können im Ösophagus, im Magen, im
gesamten Intestinum, im Kolon, im Rektum und peristomal an einem Anus praeter auftreten.
Die Häufigkeit von Ösophagusvarizen liegt nach neueren Daten bei etwa 35 % bei kompensierten
Patienten und etwa 48 % bei dekompensierten Patienten [269 ]. Gastrale Varizen traten in der Gesamtgruppe der zirrhotischen Patienten mit einer
Häufigkeit von etwa 2 % der Fälle auf [269 ]. Die kumulative Inzidenz bei Patienten ohne Varizen zum Zeitpunkt der Diagnose einer
Leberzirrhose wurde in dieser Untersuchung mit 44 % für 10 Jahre und 53 % für 20 Jahre
angegeben. Progression der Varizengröße wurde bei 33 % der Patienten bei einer mittleren
Beobachtungszeit von 145 ± 109 Monaten beobachtet [269 ].
Prävalenzzahlen für ektope Varizen, definitionsgemäß Varizen außerhalb von Ösophagus
oder Magen, sind lediglich für kolorektale Varizen vorhanden. Die Prävalenz von kolorektalen
Varizen wurde in der Literatur mit 32 bis 46 % angegeben [270 ]
[271 ]
[272 ].
Andere Varizenlokalisationen sind sehr selten, wobei angenommen wird, dass in der
überwiegenden Mehrzahl der Fälle die Kombination mit Ösophagus- bzw. Magenvarizen
vorliegt [273 ]. Eine portal hypertensive Gastropathie ist nach den Daten der größten verfügbaren
Studie (1016 Patienten) bei 37 % der Patienten mit höhergradiger hepatischer Fibrose
oder Zirrhose ohne vorherige gastrointestinale Blutung nachweisbar [274 ].
Welche Besonderheiten sind bei Patienten mit Leberzirrhose ohne Varizen und mit Varizen
zur Verhinderung einer Varizenblutung (Primärprophylaxe) zu beachten?
Jeder Patient mit Erstdiagnose einer Leberzirrhose soll zum Varizenscreening eine
Gastroskopie erhalten.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei einer Lebersteifigkeit (transiente Elastografie) unter 20 kPa und einer Thrombozytenzahl
über 150 000/µl kann auf die ÖGD verzichtet werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Die Reevaluation ist abhängig von dem Vorhandensein von Varizen und der Aktivität
der Grunderkrankung und soll in einem Abstand von 1 bis 3 Jahren erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Zum Zeitpunkt der Dekompensation soll eine Gastroskopie durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, Konsens.
Es wird empfohlen, bei jedem Patienten bei Erstdiagnose der Leberzirrhose eine Gastroskopie
zur Evaluation auf Ösophagusvarizen durchzuführen. Eine Ausnahme kann bei Patienten
mit einer Lebersteifigkeit (transiente Elastografie) unter 20 kPa und einer Thrombozytenzahl
über 150 000/µl gemacht werden, da diese Patienten ein sehr geringes Risiko für das
Vorhandensein von Varizen haben [275 ]
[276 ].
Einschränkend gilt, dass diese Daten aus einer retrospektiven Analyse und einer bisher
nur in Abstraktform veröffentlichten Arbeit stammen. Eine Reevaluation mittels transienter
Elastografie und Thrombozytenzahl sollte im jährlichen Abstand erfolgen, und bei Änderung
der Parameter jenseits der oben genannten Grenzen sollte eine Gastroskopie erfolgen
[268 ]. Die endoskopische Reevaluation ist abhängig von der Aktivität der Grunderkrankung
[268 ]. Bei Dekompensation der Leberzirrhose wird eine erneute Gastroskopie zum Varizenscreening
empfohlen [277 ]. Sind in der Indexgastroskopie keine Varizen vorhanden, ist eine Regastroskopie
abhängig vom Stadium der Grunderkrankung nach 1 bis 3 Jahren empfohlen ([Tab. 7 ]). Sind Varizen vorhanden, hängt das Untersuchungsintervall vom Stadium der Leberzirrhose
(kompensiert vs. dekompensiert) und von der Größe der Varizen ab. Kompensierte Patienten
mit therapierter Grunderkrankung oder fehlender Aktivität und fehlenden Kofaktoren
sowie kleinen Varizen (< 5 mm) sollten alle 2 Jahre untersucht werden. Bei Patienten
mit kompensierter Erkrankung und nicht-therapierter Grunderkrankung sowie bei dekompensierten
Patienten wird eine Kontrollgastroskopie jährlich empfohlen. Alle Patienten mit großen
Varizen sollten einer Primärprophylaxe zugeführt werden und benötigen keine weitere
endoskopische Screeninguntersuchung.
Tab. 7
Empfehlungen zum Varizenscreening für Patienten mit Zirrhose.
Gruppe
Varizen
empfohlener Zeitraum
kompensierte Zirrhose mit therapierter Grunderkrankung oder fehlender Aktivität und
fehlenden Kofaktoren (z. B. Übergewicht)
Keine
3 Jahre
kompensierte Zirrhose mit nicht-therapierter aktiver Grunderkrankung
keine
2 Jahre
kompensierte Zirrhose mit therapierter Grunderkrankung oder fehlender Aktivität und
fehlenden Kofaktoren (z. B. Übergewicht)
kleine Varizen (< 5 mm)
2 Jahre
kompensierte Zirrhose mit nicht-therapierter aktiver Grunderkrankung
kleine Varizen (< 5 mm)
jährlich
dekompensierte Patienten
mit oder ohne Varizen
jährlich
Die Empfehlungen sind in [Tab. 7 ] zusammengefasst.
Welche Therapieformen zur Verhinderung einer Varizenblutung (Primärprophylaxe) gibt
es? Wann sollten die unterschiedlichen Therapien durchgeführt werden?
Bei Patienten mit Leberzirrhose ohne Nachweis von Varizen soll keine spezifische Therapie
zur Verhinderung einer Entstehung von Varizen erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei Patienten mit kleinen Varizen (< 5 mm) und Nachweis von endoskopischen Blutungsbereitschaftszeichen
(red spots oder red wale signs) oder im Child-Pugh-Stadium C sowie bei Patienten mit
großen Varizen (> 5 mm) soll eine Primärprophylaxe zur Verhinderung einer Varizenblutung
erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Die endoskopische und die medikamentöse Therapieform sind in der Verhinderung einer
Ösophagusvarizenblutung (Primärprophylaxe) gleichwertig.
Starker Konsens.
Die medikamentöse Therapie soll durch einen nicht-selektiven Betablocker erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Zur medikamentösen Blutungsprophylaxe sollen Carvedilol oder Propranolol eingesetzt
werden.
Starke Empfehlung, Konsens.
Zur endoskopischen Therapie soll die Ligatur der Ösophagusvarizen erfolgen.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei Patienten mit Leberzirrhose ohne Varizen wird eine medikamentöse Therapie nicht
empfohlen. Diese Empfehlung beruht auf den Daten einer großen internationalen Plazebo-kontrollierten
Multicenterstudie [278 ]
[279 ]. In dieser Plazebo-kontrollierten Multicenterstudie wurde bei Patienten mit Leberzirrhose
ohne Varizen die Wirksamkeit einer prophylaktischen medikamentösen Therapie mit einem
nicht-selektiven Betablocker untersucht. Die Ergebnisse zeigen sowohl in Bezug auf
das Auftreten einer Varizenblutung als auch auf das Überleben keine Unterschiede zwischen
der Gruppe mit Betablocker-Therapie verglichen mit der Plazebo-Gruppe [278 ]. Zudem zeigt die Metaanalyse, dass auch Patienten mit kleinen Varizen nicht von
einer Betablocker-Therapie profitieren. Die Therapie mit einem Betablocker verhinderte
nicht das Entstehen von großen Varizen (OR = 1,05, 95 % KI: 0,25 – 4,36; p = 0,95)
oder eine erste Varizenblutung (OR = 0,59, 95 % KI: 0,24 – 1,47; p = 0,26) und verbesserte
das Überleben nicht (OR = 0,70, 95 % KI: 0,45 – 1,10; p = 0,12) [279 ]. Beide Studien weisen allerdings eine Zunahme von Nebenwirkungen (OR = 3,47, 95 %
KI: 1,45 – 8,33; p = 0,005) in der Betablocker-Gruppe aus. Eine aktuelle randomisierte
Studie zeigt demgegenüber eine niedrigere Progressionsrate von kleinen zu großen Varizen
bei einer Therapie mit Carvedilol [280 ]. Eine nachfolgende Metaanalyse unter Berücksichtigung dieser Daten zeigt allerdings
keinen Vorteil für eine Betablocker-Therapie, sodass aktuell keine eindeutige Empfehlung
zur Therapie gegeben werden kann [281 ]. Bei Patienten mit kleinen Varizen (< 5 mm) und endoskopischen Blutungsbereitschaftszeichen
wie red spots oder red wale signs oder im Child-Pugh-Stadium C sowie Patienten mit
großen Varizen (> 5 mm) wird eine Primärprophylaxe zur Verhinderung einer Varizenblutung
empfohlen [268 ]
[282 ]. Zur Verfügung stehen medikamentöse und endoskopische Therapieformen mit vergleichbaren
Erfolgsergebnissen [268 ]
[283 ]. Die empfohlene medikamentöse Behandlungsform ist eine Therapie mit einem nicht-selektiven
Betablocker, normalerweise Propranolol [284 ] oder Carvedilol [285 ]. Eine Metaanalyse mit 1859 Patienten aus 20 Studien verglich 931 Patienten mit Propranololtherapie
mit 928 Patienten als Kontrollgruppe. Das gepoolte Risiko für eine Blutung (– 11 %
[95 % KI, – 21 %, – 1 %]) und die Mortalität (– 9 % [95 % KI, – 18 %, – 1 %]) bei
Patienten unter Propranololtherapie in der Primärprophylaxe waren signifikant geringer
verglichen mit der Kontrollgruppe [286 ]. Es wurde in randomisierten Vergleichsstudien und in Metaanalysen gezeigt, dass
Carvedilol in diesem Zusammenhang ein größeres portaldrucksenkendes Potenzial verglichen
mit den klassischen nicht-selektiven Betablockern (Propranolol, Nadolol) hat [287 ]
[288 ]. Interessant ist eine neuere Studie, die den Effekt von Carvedilol nach hämodynamisch
definiertem Versagen (Kriterien: Senkung des HVPG unter 12 mmHg oder um 20 %) einer
Propranolol-Therapie untersucht hat [289 ]. Danach zeigt ein erheblicher Teil der Patienten, die nicht auf eine Propranololtherapie
angesprochen haben, ein Ansprechen auf eine Carvediloltherapie, was wiederum mit einer
Senkung der Reblutungsrate, einer geringeren hepatischen Dekompensation und schließlich
zu höheren Überlebensraten führte.
Die Empfehlungen zur Primärprophylaxe sollten auch bei Patienten mit Aszites oder
therapierefraktärem Aszites angewandt werden. Die Ergebnisse einer retrospektiven
Studie mit schlechterem Überleben bei Patienten mit therapierefraktärem Aszites [290 ] konnten in neueren Untersuchungen nicht bestätigt werden. Eine retrospektive Untersuchung
an einer großen Patientenzahl konnte sogar einen Überlebensvorteil für Patienten mit
Aszites und therapierefraktärem Aszites und Betablocker-Therapie zeigen [291 ]. Eine prospektive Untersuchung konnte einen Überlebensvorteil von Patienten mit
Betablocker-Therapie und akut-auf-chronischem Leberversagen aufzeigen [292 ]. Damit können die Empfehlungen zur Primärprophylaxe auch für Patienten mit Aszites
und therapierefraktärem Aszites Anwendung finden.
Ziel in der Primärprophylaxe ist es, den portalen Druck auf unter 12 mmHg zu senken
oder eine Reduktion um 10 % zu erreichen [268 ]
[293 ]. Aufgrund der invasiven Methode zur Messung des portalen Drucks (Lebervenenverschlußdruckmessung)
ist die Kontrolle des Therapieerfolgs allerdings in der Praxis schwierig zu evaluieren.
Es wird daher zur Einstellung die maximal tolerierbare Dosis, eine Senkung der Herzfrequenz
auf 50 – 55/min bzw. die maximale Dosis (Propranolol 320 mg/d; Carvedilol 12,5 – 25 mg/d)
empfohlen [289 ].
Als Alternativtherapie, bei Versagen der medikamentösen Therapie oder Unverträglichkeit
bzw. Kontraindikationen für die Einnahme eines Betablockers wird die endoskopische
Behandlung von blutungsgefährdeten Varizen empfohlen [268 ]
[282 ]. Die empfohlene Methode ist in diesem Zusammenhang die Varizenligatur. Die Empfehlung
beruht auf mehreren Metaanalysen und randomisierten Studien, die die Betablocker-Therapie
mit der Varizenligatur bei blutungsgefährdeten (high risk) Varizen miteinander verglichen
haben. In diesen Untersuchungen zeigen sich beide Behandlungsformen gleichwertig in
der Verhinderung einer Ösophagusvarizenblutung [283 ]
[294 ]
[295 ]
[296 ].
Eine Kombination von medikamentöser und endoskopischer Therapie soll zur Primärprophylaxe
nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, Konsens.
Die Kombination aus Betablocker-Therapie und Varizenligatur wird in der Primärprophylaxe
zur Verhinderung einer Varizenblutung nicht empfohlen. Diese Empfehlung beruht auf
einer multizentrischen randomisierten Studie, in der Patienten im Rahmen der Primärprophylaxe
einerseits mit Betablocker allein und andererseits mit Betablocker und endoskopischer
Varizenligatur verglichen wurden [297 ]. Die Ergebnisse zeigten eine Zunahme von Komplikationen in der Ligatur-Gruppe, sodass
eine Kombinationstherapie in der Primärprophylaxe nicht empfohlen werden kann.
Es gibt nur sehr wenige bzw. keine Daten in der Primärprophylaxe bei Fundus- oder
ektopen Varizen, sodass eine Primärprophylaxe bei diesen Varizen analog der Empfehlungen
der Ösophagusvarizen durchgeführt werden sollte.
Patienten mit einem Budd-Chiari-Syndrom oder einer Thrombose der Pfortader bzw. Mesenterialgefäßen
sollen neben einer Antikoagulation eine Therapie zur Verhinderung einer Varizenblutung
erhalten.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Als Therapien sollten die medikamentöse Therapie mit einem nicht-selektiven Betablocker,
die endoskopische Therapie mit Ösophagusvarizenligatur oder die Implantation eines
transjugulären portosystemischen Stents (TIPS) zum Einsatz kommen.
Empfehlung, starker Konsens (eine Enthaltung).
Erstmaßnahme bei Patienten mit Budd-Chiari-Syndrom, Pfortader- oder splanchnischer
Thrombose ist die Antikoagulation. Eine Prophylaxe zur Verhinderung einer Varizenblutung
ist bei allen Patienten parallel zur Antikoagulation empfohlen [268 ]. Aufgrund fehlender Daten ist allerdings unklar, ob die medikamentöse oder die endoskopische
Therapie in der Primärprophylaxe vorteilhafter ist. Es wird daher empfohlen, die obengenannten
Empfehlungen für die Ösophagusvarizen anzuwenden. Zusätzlich sollte bei allen Patienten
die Möglichkeit der Anlage eines transjugulären portosystemischen Shunts (TIPS) geprüft
werden. Die Datenlage zur Implantation eines TIPS bei Patienten mit Budd-Chiari-Syndrom
ist allerdings gering. In einer retrospektiven Analyse mit 67 Patienten zeigte sich
sowohl für beschichtete als auch für nicht beschichtete Stents ein exzellentes Kurzzeit-
als auch Langzeitüberleben (12 Monate: 92 %; 120 Monate: 72 %) [298 ]. Erwartungsgemäß war die Offenheitsrate bei beschichteten Stents höher im Vergleich
zu nicht beschichteten Stents (76 vs. 27 %), welches wiederum eine geringe Reinterventionsrate
bei Patienten mit einem beschichteten Stent zur Folge hatte (22 vs. 100 %) [298 ].
Eine portaldrucksenkende Therapie kann bei Patienten mit stark ausgeprägten portal-hypertensiver
Gastropathie durchgeführt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Bei Patienten mit gering ausgeprägter portal-hypertensiver Gastropathie soll eine
portaldrucksenkende Therapie nicht durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Bei Patienten mit einer portal-hypertensiven Gastropathie wird eine Primärprophylaxe
abhängig vom Schweregrad der Ausprägung empfohlen. Sind die Magenveränderungen gering
ausgeprägt, ist der Vorteil einer portaldrucksenkenden Therapie nicht belegt. Bei
starker Ausprägung können Patienten von einer medikamentösen portaldrucksenkenden
Therapie mit nicht-selektiven Betablockern profitieren. Diese Empfehlung basiert auf
den Empfehlungen zur Primärprophylaxe der Ösophagusvarizen, da Daten bei portal-hypertensiver
Gastropathie in der Primärprophylaxe nicht vorhanden sind. Sollte eine Kombination
aus Ösophagusvarizen und portal-hypertensiver Gastropathie vorliegen, ist eine Primärprophylaxe
analog der Empfehlungen zu den Ösophagusvarizen anzuraten.
Wie ist der Schweregrad der Blutung (endoskopisch) einzuschätzen?
Der Schweregrad der gastrointestinalen Blutung im Rahmen einer portalen Hypertension
sollte klinisch, laborchemisch und anhand der systemischen Hämodynamik eingeschätzt
werden (siehe hierzu Empfehlungen der AG 1). Als endoskopische Risikofaktoren für
das erneute Auftreten einer Varizenblutung sollten eine aktive Blutung zum Zeitpunkt
der Endoskopie, das Vorhandensein von großen Ösophagus- und Magenvarizen, red color
sign auf den Varizen und ein Koagel auf der Varize verwendet werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Der Schweregrad wird bei Blutungen aufgrund eines portalen Hypertonus normalerweise
nicht-endoskopisch eingeschätzt. Dabei werden sowohl der Hämoglobinwert und der Hämatokritwert
als auch die systemische Hämodynamik als Kriterien der Schwere der Blutung herangezogen
(siehe Kapitel Initiale Risikoeinschätzung der AG1). Die Verwendung von prädiktiven
Scoresystemen wird zum jetzigen Zeitpunkt nicht empfohlen. Entsprechend konnte in
einer aktuell veröffentlichten prospektiven Untersuchung keine statistisch signifikante
Vorhersage in Bezug auf den klinischen Verlauf und die Mortalität bei Patienten mit
einer Varizenblutung gefunden werden [299 ]. Ergebnisse einer randomisierten Multicenterstudie zeigten, dass vor allem bei Patienten
mit Leberzirrhose im Stadium Child-Pugh A und B die Gefahr einer Übertransfusion besteht
[300 ]. Mit einem restriktiven Transfusionsschema (Transfusion bei Abfall des Hämoglobinwertes
unter 7 g/dl) zeigten diese Patienten ein signifikant besseres Überleben (HR 0,30;
95 % KI 0,11 – 0,85) und eine niedrigere Reblutungsrate als bei liberalem Transfusionsschema
(Transfusion bei Abfall des Hämoglobinwertes unter 9 g/dl), während im Stadium Child-Pugh
C (1,04; 95 % KI 0,45 – 2,37) beide Strategien kein unterschiedliches Überleben zeigten.
Entsprechend war die Notwendigkeit zur Anlage einer Sengstakensonde bzw. eines transjugulären
intrahepatischen portosystemsichen Shunts seltener in der restriktiven Transfusionsgruppe
[300 ].
Endoskopische Risikofaktoren für eine frühe Reblutung sind der Nachweis einer aktiven
Blutung während der Endoskopie bzw. das Vorliegen von oder eine Blutung aus gastralen
Varizen [301 ]
[302 ]. Große Varizen, red color signs auf den Varizen oder ein Koagel auf Varizen sind
ebenfalls mit einer höheren Reblutungsrate korreliert [301 ]
[302 ]. Nicht-endoskopische Faktoren, die mit einer frühzeitigen Reblutung assoziiert sind,
sind Alter über 60 Jahre, alkoholische Leberzirrhose, schwere Initialblutung mit einem
Hb-Abfall auf unter 8 g/dl, Thrombozytopenie, Enzephalopathie, Aszites, hoher hepatisch-venöser
Druckgradient und Nierenversagen [302 ]
[303 ]
[304 ].
Welche therapeutischen Besonderheiten sind bei Blutungen im Rahmen einer portalen
Hypertension zu beachten? Welche medikamentösen Therapieformen gibt es? Wann sollten
die medikamentösen Therapien durchgeführt werden?
Bei Verdacht auf eine Varizenblutung soll die medikamentöse Therapie mit einem Vasopressin-Analogon
und einem Antibiotikum begonnen werden. Es soll eine Kombination aus medikamentöser
und endoskopischer Therapie erfolgen. Die endoskopische Untersuchung soll so zeitnah
wie möglich durchgeführt werden, spätestens jedoch nach 12 Stunden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Nach erfolgreicher primärer Blutstillung sollte bei Patienten mit Risikofaktoren (Child-Pugh-Score
B mit aktiver Blutung, Child-Pugh-Score C ≤ 13) die frühzeitige Anlage (innerhalb
von 72 h) eines transjugulären portosystemischen Shunts (TIPS) erwogen werden.
Empfehlung, Konsens (eine Enthaltung).
Ein analoges Vorgehen mit Gabe von Vasopressin-Analogon und Antibiotikagabe sollte
bei einer Blutung im Rahmen einer portal-hypertensiven Gastropathie durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Zusätzlich können diese Patienten eine Therapie mit einem Protonenpumpenhemmer erhalten.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Eine therapeutische Besonderheit bei Blutungen im Rahmen einer portalen Hypertension
ist der Therapiestart verschiedener medikamentöser Regime bereits bei vermuteter Blutung
(siehe Kapitel Medikamentöse Therapie der AG1). Die medikamentöse vasoaktive Therapie
sollte bereits bei vermuteter Varizenblutung gestartet werden und während der endoskopischen
Erstuntersuchung fortgeführt werden. Die Therapie kann mit Terlipressin (1 – 2 mg
alle 4 Stunden i. v.), Somatostatin (250mcg Bolus, 250mcg/h oder 500mcg/h i. v. Infusion)
oder Octreotid (25 – 50mcg/h i. v. Infusion) durchgeführt werden (siehe Kapitel Medikamentöse
Therapie in der AG1) [72 ]. Nach Einleitung der medikamentösen Therapie sollte immer eine endoskopische Therapie
durchgeführt werden. Die Durchführung der Notfallendoskopie sollte so zeitnah wie
möglich erfolgen, wobei nach internationalen Maßstäben dabei innerhalb der ersten
12 Stunden als Zeitgrenze angesehen wird [268 ]. Wichtig ist die Kombination aus einer medikamentösen und einer endoskopischen Therapie.
Die Empfehlung beruht auf den Ergebnissen einer Metaanalyse, die einen signifikanten
Vorteil für eine Kombinationstherapie verglichen mit einer alleinigen endoskopischen
Therapie zeigte [28 ]. Die Kombinationstherapie ging einher mit einer besseren primären Blutstillung (HR 1,12;
95 % KI: 1,02 – 1,23) und einer niedrigeren Rate an Reblutungen innerhalb der ersten
5 Tage nach Initialblutung (HR 1,28; 95 % KI: 1,18 – 1,39). Die maximale medikamentöse
Therapiedauer der Vasopressin-Analogon -Therapie beträgt bei allen aufgeführten Medikamenten
fünf Tage. Analog der Weiterführung der Vasopressin-Analogon -Therapie wird auch die
Weiterführung der antibiotischen Therapie für sieben Tage nach endoskopischer Versorgung
empfohlen.
Patienten mit einem hohen Risiko einer Reblutung (Child-Pugh-Score B mit aktiver Blutung,
Child-Pugh-Score C ≤ 13) profitieren von einer frühzeitigen Anlage (innerhalb von
72 h) eines transjugulären portosystemischen Shunts (TIPS) [305 ]
[306 ]
Ein analoges Vorgehen mit Gabe eines Antibiotikums und Vasopressin-Analogon wird im
Rahmen einer aktiven Blutung bei portal-hypertensiver Gastropathie empfohlen. Weiterhin
können diese Patienten eine Therapie mit einem Protonenpumpenhemmer erhalten. Diese
Empfehlungen beruhen auf den Ergebnissen von zwei randomisierten Studien [307 ]
[308 ]. In der ersten doppelblind randomisierten Multicenterstudie bei 86 Patienten mit
Blutung aus einer portal-hypertensiven Gastropathie oder Varizen hatten die Patienten
mit einer höheren Dosis und längeren Applikationszeit von Terlipressin (1 mg alle
4 Stunden über 5 Tage) eine bessere Kontrolle der Blutung als Patienten mit einer
kürzeren Applikationszeit und niedrigeren Dosierung des Terlipressins (0,2 mg alle
4 Stunden über 2 Tage) [307 ].
Die zweite randomisierte Studie hat die Effektivität einer Therapie mit Octreotid,
Vasopressin und Omeprazol bei 68 Patienten verglichen. Die Blutung wurde kontrolliert
bei 100 % der Patienten in der Octreotid-Gruppe, bei 64 % der Patienten in der Vasopressin-Gruppe
und bei 59 % der Patienten in der Omeprazol-Gruppe [308 ].
Welche (endoskopischen) Blutstillungsverfahren gibt es?
Als endoskopische Blutstillverfahren stehen die Varizenligatur und die Sklerotherapie
mit Injektion von n-Butyl-2-Cyano-acrylat zur Verfügung. Bevorzugte Methode ist die
Ligaturtherapie. Bei Versagen der endoskopischen Blutstillverfahren stehen die Anlage
eines beschichteten Metallstents oder die Anlage von Sengstaken- bzw. Linton-Nachlas-Sonden
zur Verfügung.
Starker Konsens.
Nach Einsatz dieser Bridgingverfahren sollte immer die Möglichkeit der Implantation
eines TIPS geprüft werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Als endoskopische Blutstillverfahren stehen die Varizenligatur und die Sklerotherapie
mit Injektion von n-Butyl-2-Cyano-acrylat zur Verfügung. Bevorzugte Methode ist die
Ligaturtherapie. Die Sklerotherapie sollte nur bei Versagen der Ligaturtherapie zum
Einsatz kommen. Zu der technischen Durchführung dieser Methoden wird auf die DGVS-Leitlinie:
S2k-Leitlinie Qualitätsanforderungen in der gastrointestinalen Endoskopie, AWMF-Register
Nr. 021 – 022 verwiesen. Weitere endoskopische Verfahren zur Blutstillung sind die
Einlage eines vollbeschichteten, selbst expandierenden Metallstents (z. B. Ella-Danis-Stent)
oder die Einlage einer Sengstaken- (Ösophagusvarizenblutung) bzw. Linton-Nachlas-Sonde
(gastrische Varizen). Diese Verfahren sollten nur bei Versagen der Ligatur und Sklerotherapie
eingesetzt werden und werden unten (Empfehlung 81) erläutert.
Bei medikamentös nicht beherrschbarer Blutung oder rezidivierender Blutung bei portal-hypertensiver
Gastropathie sollte die TIPS-Implantation geprüft werden.
Empfehlung, starker Konsens (eine Enthaltung).
Bei Patienten mit einer medikamentös nicht beherrschbaren Blutung oder bei Patienten
mit Rezidivblutung bei portal-hypertensiver Gastropathie sollte die Möglichkeit einer
TIPS-Implantation geprüft werden. Die Daten über die Effektivität einer TIPS-Anlage
bei dieser Patientengruppe sind allerdings limitiert. In einer Studie wurden 40 Patienten
mit gering und stark ausgeprägter portal-hypertensiver Gastropathie einer TIPS-Implantation
zugeführt [309 ]. Die TIPS-Implantation war assoziiert mit einer endoskopischen Verbesserung und
einer Abnahme der Transfusionshäufigkeit bei 89 bzw. 75 % der Patienten mit gering
bzw. stark ausgeprägter portal-hypertensiver Gastropathie [309 ].
Wie ist die Definition des primären Versagens? Was sollte bei primärem Versagen der
Blutstillung eingesetzt werden?
Das primäre Versagen der Blutstillung bei Varizenblutung ist definiert als Therapieversagen
der medikamentösen und endoskopischen Therapie mit fortgesetzter Blutung (Erbrechen
von frischem Blut), fehlender hämodynamischer Stabilisierung, erneuter Abfall des
Hämoglobinwertes um 3 g/dl oder Reblutung in den ersten fünf Tagen.
Starker Konsens.
Bei refraktärer Ösophagusvarizenblutung sollte primär ein beschichteter, selbst expandierender
Metallstent eingelegt werden. Alternativ oder bei Fundusvarizenblutung sollten Sonden
(Sengstaken-Sonde, Linton-Nachlas-Sonde) als Überbrückungstherapie eingelegt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Das primäre Versagen ist definiert als Versagen der medikamentösen und endoskopischen
Therapien mit fortgesetzter Blutung, fehlende hämodynamische Stabilisierung oder Reblutung
in den ersten fünf Tagen. Ein Versagen der Therapie zur Kontrolle einer aktiven Blutung
ist definiert durch fortgesetztes Erbrechen von frischem Blut, Entwicklung eines hypovolämischen
Schocks oder Abfall des Hämoglobins um 3 g/dl (1,86 mmol/l) in 24 Stunden ohne Gabe
von Erythrozytenkonzentraten [26 ]. In der Akutphase steht zunächst die erneute Blutstillung und hämodynamische Stabilisierung
im Vordergrund. Bei Versagen der Ligatur und Sklerosierungstherapie stehen als weitere
Therapieverfahren die Einlage eines vollbeschichteten, selbstexpandierenden Metallstents
und die Einlage einer Sengstaken- (Ösophagusvarizenblutung) bzw. Linton-Nachlas-Sonde
(Fundusvarizen-Blutung) zur Verfügung. Empfohlen wird als Erstmaßnahme die Einlage
eines selbstexpandierten Metallstents. In einer aktuellen randomisierten Multicenterstudie
konnte eine signifikant höhere Kontrolle der Blutung (85 vs. 47 %) durch den Metallstent
(SX-Ella-Stent Danis) gezeigt werden [310 ]. Vergleichbare Ergebnisse mit höherer Kontrolle der Blutung bei Verwendung eines
Stents zeigt eine im Druck befindliche Metaanalyse [311 ]. Für die technische Durchführung wird auf die DGVS-Leitlinie: S2k-Leitlinie Qualitätsanforderungen
in der gastrointestinalen Endoskopie, AWMF-Register Nr. 021 – 022 verwiesen.
Beide Therapieverfahren, Stenteinlage oder Sondenanlage, sind zeitlich limitierte
Verfahren (Stent: bis 14 Tage; Sonden: 24 Stunden). In einer neueren Studie wurden
die Stents im Mittel nach 11 Tagen entfernt [312 ]. Die Studie zeigte weiterhin eine hohe Reblutungsrate nach Entfernen des Stents,
sodass beide Therapieformen als vorübergehende Maßnahmen anzusehen sind. Eine neuere
Studie hat die Möglichkeit der Blutstillung durch hämostatische Puder untersucht [313 ]. Die Ergebnisse zeigen die Möglichkeit der kurzfristigen Blutstillung, eine Empfehlung
kann aber aufgrund der niedrigen Patientenzahl nicht gegeben werden. Grundsätzlich
sollte bei allen Patienten die Möglichkeit zur TIPS-Anlage geprüft werden.
Bei primärem Therapieversagen und fehlenden Kontraindikationen sollte ein transjugulärer
intrahepatischer portosystemischer Shunt (TIPS) implantiert werden.
Empfehlung, starker Konsens (eine Enthaltung).
Die Empfehlung zur frühen TIPS-Anlage basiert auf den Ergebnissen mehrerer Metaanalysen
und randomisierter Studien. Eine hochrangig publizierte randomisierte, kontrollierte
Studie [305 ] zeigte den Nutzen des frühen TIPS bei Hochrisikopatienten (Def. s. nächster Absatz)
mit akuter Varizenblutung. Der Einsatz e-PTFE–beschichteter Stents führte zu hohen
Offenheitsraten, signifikant erniedrigter Rezidivblutungsrate, niedriger Mortalität
und resultierte in einer hohen Rate kontrollierbarer Blutungen. Das Risiko einer hepatischen
Enzephalopathie war hingegen nicht erhöht. Eine weitere Studie derselben Arbeitsgruppe
konnte die Ergebnisse bestätigen [306 ].
In Metaanalysen wurden zirrhotische Patienten mit akuter Varizenblutung (bei drei
Studien Ösophagusvarizenblutung, bei einer Studie gastrische Varizenblutung und in
den restlichen Studien eine Kombination aus Ösophagusvarizen- und/oder gastrische
Varizenblutung) verglichen [314 ]. Zusätzlich wurden in drei Studien ausschließlich Hochrisikopatienten (mit einem
erhöhten Lebervenenverschlußdruck [HVPG] über 20 mmHg, Patienten mit Child-Pugh 10 – 13
Punkten bzw. 7 – 9 Punkten und aktiver Blutung) eingeschlossen. Die Ergebnisse zeigen
einen Vorteil in der Reblutungsrate, beim Gesamtüberleben und in der Verhinderung
eines Blutungs-assoziierten Todes in der TIPS-Gruppe im Vergleich zum ausschließlich
endoskopisch-medikamentösen Vorgehen. Die Entwicklung einer Enzephalopathie war nicht
signifikant unterschiedlich zwischen beiden Interventionsgruppen. In Bezug auf die
Gesamtblutungsrate zeigte sich bei Berücksichtigung aller eingeschlossenen Studien
kein Unterschied zwischen beiden Interventionsgruppen. Hierzu ist allerdings anzumerken,
dass die Heterogenität der Studien signifikant war. Nach Ausschluss einer Studie zeigte
sich keine signifikante Heterogenität mehr und ein Vorteil für die Behandlung mit
einem TIPS [314 ]. Zu denselben Ergebnissen mit Vorteil für die TIPS-Implantation und fehlender höherer
Enzephalopathierate kommt eine weitere aktuelle Metaanalyse [315 ].
Wie ist die Definition des sekundären Versagens? Was sollte bei sekundärem Versagen
der Blutstillung eingesetzt werden?
Als Sekundärversagen ist eine erneute Varizenblutung mindestens 5 Tage nach Blutstillung
definiert.
Starker Konsens.
Das Sekundärversagen soll in der Akutphase wie eine initiale Blutung therapiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Nach Sekundärversagen sollte bei fehlenden Kontraindikationen ein transjugulärer intrahepatischer
portosystemischer Shunt (TIPS) implantiert werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens (eine Enthaltung).
Als Sekundärversagen ist eine Blutung nach stattgehabter Varizenblutung mit einem
Abstand von mindestens 5 Tagen nach vorheriger Blutung definiert.
Für die Sekundärprophylaxe weisen TIPS und die endoskopische Therapie vergleichbare
Überlebensraten auf. Dies wurde durch zahlreiche randomisierte Studien [316 ]
[317 ]
[318 ]
[319 ]
[320 ]
[321 ] belegt sowie in Expertenkommissionen konsentiert. Die Rate der hepatischen Enzephalopathien
war aber in den meisten Studien in der TIPS-Gruppe höher und sollte in die therapeutischen
Überlegungen einbezogen werden. Die neuesten Ergebnisse kommen aus einer deutschen
randomisierten Multicenterstudie [322 ]. Dabei wurden die Patienten frühestens fünf Tage nach vorheriger Varizenblutung
in einen Interventionsarm mit TIPS-Implantation (e-PTFE-beschichteter Stent, 8 mm
Durchmesser) oder einen Arm mit hämodynamisch kontrollierter medikamentöser Therapie
randomisiert. Die Ergebnisse zeigen eine niedrigere Reblutungsrate bei Patienten mit
TIPS-Implantation (7 %) verglichen zur medikamentösen Gruppe (26 %). Die Patienten
in der TIPS-Gruppe zeigten eine höhere Enzephalopathierate (18 %) verglichen mit der
medikamentösen Therapiegruppe (8 %) [322 ].
Nach dem aktuellem Positionspapier der Baveno VI-Konsensuskonferenz [268 ] wird die Durchführung eines TIPS mit beschichtetem Stent bei Versagen der first-line-Therapie
empfohlen. Dies gilt auch für eine Rezidivblutung innerhalb der ersten 5 Tage nach
endoskopischer Therapie.
Wann sollten röntgengestützte Interventionen erfolgen? Welche röntgengestützten Interventionsformen
gibt es?
Röntgengestützte Verfahren können in der akuten Varizenblutung, dem Primärversagen,
dem Sekundärversagen und dem Versagen der Sekundärprophylaxe eingesetzt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Aufgrund niedrigerer Stentthromboseraten und niedrigerer Reinterventionsraten sollte
ein beschichteter Stent verwendet werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens (zwei Enthaltungen).
Die Möglichkeit der Embolisation von Varizen sollte im Rahmen der TIPS-Implantation
überprüft werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Das Verfahren der BRTO (balloon-occluded retrograde transvenous obliteration) als
Alternative zum TIPS kann aufgrund der vorhanden Datenlage noch nicht empfohlen werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Röntgengestützte Verfahren werden in der akuten Varizenblutung, dem Primärversagen
und dem Versagen der Sekundärprophylaxe eingesetzt.
In der Therapie der gastrointestinalen Blutung bei portaler Hypertension ist die TIPS-Implantation
das häufigste eingesetzte röntgengestützte Verfahren. In mehreren Studien [323 ]
[324 ] und einer Metaanalyse [314 ] konnte gezeigt werden, dass PTFE-beschichtete Stents den bare-metal Stents insbesondere
bezüglich Offenheitsraten deutlich überlegen sind. Diese Empfehlung hat auch Eingang
in die AASLD-Guidelines gefunden [325 ].
Die zusätzliche Embolisation von Varizen und Kollateralgefäßen mittels Coils oder
Gefäßverschlusssystemen (z. B. Amplatzer Vascular Plugs) zeigte bezüglich der Senkung
der Rezidivblutungsrate schon in früheren Studien vielversprechende Ergebnisse [326 ]. Die Ergebnisse konnten in einer kontrolliert randomisierten Studie bestätigt werden
[327 ]. Neben den niedrigen Rezidivblutungsraten ist die Varizenembolisation zudem den
TIPS-Offenheitsraten zuträglich, da offensichtlich günstigere Strömungsverhältnisse
im Shunt herrschen.
Die BRTO (balloon-occluded retrograde transvenous obliteration) als Alternative zum
TIPS, insbesondere in der Behandlung gastrischer Varizen zeigt vielversprechende Ergebnisse,
wie eine kürzlich publizierte Metaanalyse zeigen konnte [328 ]. Die klinischen Erfolgsraten liegen bei 97,3 %. Allerdings beruhen die Einschätzungen
auf einer Auswahl von 24 Studien (23 retrospektive und eine prospektive), sodass für
eine Empfehlung weitere prospektive und randomisierte Studien notwendig sind.
Wann sollten chirurgische Interventionen erfolgen? Welche Operationsformen gibt es?
Chirurgische Verfahren sind bei Patienten mit variköser gastrointestinaler Blutung
Reserveverfahren. Als Alternativverfahren zur Anlage eines transjugulären intrahepatischen
portosystemischen Shunts (TIPS) kann die Durchführung einer Shuntoperation von einem
mit dieser Operation erfahrenen Operateur geprüft werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Chirurgische Verfahren sind bei Patienten mit gastrointestinaler Blutung bei portaler
Hypertension als Reserveverfahren anzusehen. Bedeutung haben chirurgische Verfahren
in diesem Zusammenhang bei Versagen der medikamentösen Therapie und endoskopischen
Therapieverfahren oder Versagen der Therapie mit einem TIPS bzw. der Unmöglichkeit
einer TIPS-Anlage. Aufgrund der relativ selten durchgeführten Operationsform sollte
die Shuntoperation allerdings nur von einem mit dieser Operation erfahrenen Operateur
durchgeführt werden. Eine randomisierte Multicenterstudie hat bei Patienten im Stadium
Child-Pugh A und B mit therapierefraktärer Blutung die Anlage eines TIPS mit der Anlage
eines distalen splenorenalen Shunts (DSRS) verglichen [329 ]. Die Ergebnisse zeigen keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf Reblutung (TIPS
10,5 %; DSRS 5,5 %; p = 0,29) oder Enzephalopathierate (TIPS 50 %; DSRS 50 %). Das
Überleben nach 2 und 5 Jahren (TIPS 88 und 61 %; DSRS 81 und 62 %) war nicht signifikant
unterschiedlich (p = 0,87). Die Studie zeigt weiterhin eine signifikant höhere Reinterventionsrate
aufgrund von Thrombose und Stenosen in der TIPS-Gruppe (TIPS 82 %; DSRS 11 %) [329 ]. Diese höhere Interventionsrate in der TIPS-Gruppe muss allerdings im Zusammenhang
mit der Verwendung unbeschichteter TIPS-Stents interpretiert werden. Durch die heutzutage
mehrheitlich verwendeten beschichteten Stents ist, wie oben bereits erwähnt, von einer
deutlich niedrigeren Interventionsrate auszugehen.
Arbeitsgruppe 6: Prophylaxe und post-endoskopisches Management
Arbeitsgruppe 6: Prophylaxe und post-endoskopisches Management
Begleittherapie zur interventionellen Therapie bei akuter Varizenblutung
Bei Patienten mit Leberzirrhose sollte bei V. a. eine Varizenblutung bzw. nach endoskopischer
Diagnose eine antibiotische Therapie mit Substanzen, welche wirksam gegen gramnegative
Enterobacteriaceae sind, für sieben Tage durchgeführt werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Die Therapie kann mit Ciprofloxazin (400 mg i. v. alle 12 Stunden, alternativ 2x500 mg
p. o.), Ceftriaxon (2 g i. v. alle 24 Stunden) oder Norfloxazin (400 mg p. o. alle
12 Stunden) durchgeführt werden. Bei Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose
(Child-Pugh C) und in Zentren mit hoher Chinolon-Resistenz sind Gruppe-3-Cephalosporine
zu bevorzugen.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Eine intravenös begonnene antibiotische Therapie kann ggf. nach 2 – 3 Tagen auf eine
orale Applikation umgestellt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Bakterielle Infektionen spielen eine wichtige Rolle in der Pathogenese der Varizenblutung
und ca. 20 – 40 % der Patienten, die mit einer akuten Varizenblutung hospitalisiert
werden, entwickeln innerhalb von 48 Stunden eine bakterielle Infektion [330 ]
[331 ]. Eine Rezidivblutung innerhalb der ersten sieben Tage trat bei 43,5 % der Patienten
mit bakterieller Infektion auf, im Vergleich zu 9,8 % der Patienten ohne Infektion
[330 ]. Die häufigsten Erreger sind E. coli, Klebsiella spp., Enterococcus und Pseudomonas
spp., klinische Manifestationen am häufigsten spontan bakterielle Peritonitiden, Harnwegsinfektionen
oder Blutstrominfektionen [332 ]
[333 ]. Eine frühzeitige antibiotische Therapie mit Chinolonen senkt die Infektionsrate
von 37,2 auf 10 % [334 ] bzw. von 45 auf 10 % [333 ]. Patienten mit Child-C-Zirrhose haben ein deutlich höheres Infektionsrisiko als
Patienten mit Child-A/B-Zirrhose (52,9 vs. 18,2 %) [335 ]. Eine Cochrane-Metaanalyse von 12 Studien mit insgesamt 1241 Patienten konnte zeigen,
dass die Antibiotika-Prophylaxe die Gesamtsterblichkeit (RR 0,79, 95 % KI 0,63 – 0,98),
die Sterblichkeit durch bakterielle Infektionen (RR 0,43, 95 % KI 0,19 – 0,97), die
Rate an bakteriellen Infektionen (RR 0,35, 95 % KI 0,26 – 0,47) sowie die Rezidivblutungsrate
(RR 0,53, 95 % KI 0,38 – 0,74) signifikant senken kann [73 ]. Da etwa die Hälfte der bakteriellen Infektionen bereits in den ersten 24 Stunden
auftritt, sollte die Antibiotika-Prophylaxe frühzeitig bei vermuteter Varizenblutung
begonnen werden. Eine Studie legt nahe, dass ein Therapiefenster von 8 Stunden nicht
überschritten werden sollte [336 ]. Die ersten Studien wurden mit oral oder parenteral verabreichten Chinolonen durchgeführt.
Eine jüngere Studie [74 ] zeigte eine höhere Wirksamkeit von Ceftriaxon (Infektionsrate 2 % mit Ceftriaxon
vs. 12 % mit Norfloxazin); aufgrund der Zunahme der Chinolon-Resistenz bei gramnegativen
Bakterien erscheint es daher bedeutsam, lokale Resistenzstatistiken in der Auswahl
der Antibiotika zu berücksichtigen.
Medikamentöse Senkung des portalvenösen Drucks
Wenn sich endoskopisch eine Varizenblutung bestätigt hat, soll die bereits eingeleitete
Therapie mit vasoaktiven Substanzen fortgesetzt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Terlipressin, Somatostatin und Octreotid sind vergleichbar wirksam.
Empfehlung, starker Konsens.
Die Therapie sollte bis zu fünf Tage fortgeführt werden. Ein früheres Absetzen der
Therapie, aber frühestens 24 Stunden nach Erreichen der klinischen Stabilität, kann
bei fehlenden Risikofaktoren erwogen werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Sowohl das synthetische Vasopressin-Analogon Terlipressin als auch Somatostatin und
sein Analogon Octreotid senken den portalvenösen Druck. Terlipressin (2 mg i. v. alle
4 Stunden), Somatostatin (250 µg Bolus gefolgt von 250 µg/Stunde Dauerinfusion) und
Octreotid (50 µg Bolus gefolgt von 50 µg/Stunde Dauerinfusion) sind vergleichbar wirksam,
aber auch andere Dosen sind untersucht worden ([Tab. 4 ]), sodass in bisherigen Leitlinien für Terlipressin Dosen von 1 – 2 mg als intravenöser
Bolus alle 4 – 6 Stunden aufgeführt werden (Beginn noch vor der Endoskopie) [2 ]. In einer Cochrane- Metaanalyse von 20 Studien an insgesamt 1609 Patienten konnte
erstmals gezeigt werden, dass die Gesamtmortalität durch Terlipressin im Vergleich
zu Plazebo signifikant gesenkt wird (RR 0,66, 95 % KI 0,49 – 0,88) [337 ]. Eine erneute Metaanalyse 2012, in der 30 Studien mit insgesamt 3111 Patienten ausgewertet
wurden, die mit Terlipressin, Somatostatin oder Octreotid behandelt worden waren,
zeigte unabhängig von der eingesetzten Substanz eine signifikante Senkung der 7-Tages-Mortalität
(RR 0,66, 95 % KI 0,49 – 0,88). Unterschiede zwischen Terlipressin, Somatostatin und
Octreotid zeigten sich bei allerdings niedriger Evidenzqualität nicht. Die aktuellsten
Daten stammen aus einer großen randomisierten Studie an 780 Patienten [72 ], welche keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Wirkstoffen Terlipressin,
Somatostatin und Octreotid hinsichtlich Therapieerfolg an Tag 5 (86,2, 83,4, bzw.
83,8 %; p = 0,636), Rezidivblutungsrate (3,4, 4,8, bzw. 4,4 %; p = 0,739), oder Mortalität
(8,0, 8,9, bzw. 8,8 %; p = 0,929) ergab. Während in den meisten Studien die Therapie
über bis zu 5 Tagen durchgeführt wurde, ergab eine jüngere Studie [71 ], dass eine verkürzte Therapie mit Terlipressin über 24 Stunden nach erfolgreicher
endoskopischer Varizenligatur einer 72-stündigen Therapie nicht unterlegen ist. In
der Studie waren aber Hochrisikopatienten mit Child-Score > = 12 sowie Patienten mit
Pfortaderthrombose, Fundusvarizen oder HCC ausgeschlossen.
Gerinnungsfaktoren und Thrombozyten
Es existiert keine Evidenz, die den routinemäßigen Einsatz von Gerinnungsfaktoren
oder Thrombozyten unterstützt.
Empfehlung, starker Konsens.
Die INR spiegelt nicht das Ausmaß der plasmatischen Gerinnungsstörung bei Leberzirrhose
wider.
Empfehlung, starker Konsens.
Der Einsatz von rekombinantem Faktor VIIa und Tranexamsäure wird von der aktuellen
Datenlage nicht unterstützt.
Empfehlung, starker Konsens.
Patienten mit fortgeschrittener Leberzirrhose haben einen Mangel an Gerinnungsfaktoren
mit entsprechender Einschränkung der Blutgerinnungstests, insbesondere der INR. Allerdings
fehlen im Gegensatz zu Patienten, die mit Vitamin-K-Antagonisten behandelt werden,
auch gerinnungshemmende Proteine wie Antithrombin III oder Plasminogen. Zudem sind
Faktor VIII und von-Willebrand-Faktor häufig erhöht [338 ]
[339 ]. Die klinische Gerinnungsstörung bzw. Blutungsneigung ist daher anhand der klassischen
Gerinnungstests nicht verlässlich einzuschätzen und wird in der Regel überschätzt.
Die INR kann durch Gabe von Frischplasma (FFP), Prothrombinkomplex-Konzentrat (PPSB)
oder rekombinantem Faktor VIIa normalisiert werden.
Der Nutzen von rekombinantem Faktor VIIa wurde in zwei randomisierten Studien untersucht
[340 ]
[341 ]. In der ersten Studie fand sich bei Patienten mit Child-B und C- Zirrhose eine höhere
Rate an Therapieerfolg, ohne dass eine signifikante Senkung der 5- oder 42-Tage-Mortalität
erreicht wurde. Die zweite Studie fokussierte auf Patienten mit Child-B und C-Zirrhose
und fand keine signifikanten Unterschiede in den primären Endpunkten (Blutungskontrolle
nach 24 Stunden, Rezidivblutungsrate oder Tod innerhalb von 5 Tagen). Beim sekundären
Endpunkt 42-Tages-Mortalität war jedoch ein signifikanter Vorteil für die Patienten
nachweisbar, die rekombinanten Faktor VIIa erhalten hatten (OR 0,31, 95 % KI 0,13 – 0,74).
Eine Metaanalyse der beiden Studien [342 ] ergab, dass in der Subgruppe von Patienten mit fortgeschrittener Zirrhose (Child-Pugh
> 8 Punkte) und aktiver Blutung zum Zeitpunkt der Endoskopie eine signifikante Reduktion
von initialem Therapieversagen sowie Rezidivblutungsrate und Tod bis Tag 5 erreicht
wurde. Zum Tag 42 ergaben sich aber keine signifikanten Unterschiede mehr. Darüber
hinaus erlitten fünf Patienten in der Therapiegruppe eine thromboembolische Komplikation
im Vergleich zu keinem Patienten in der Plazebo-Gruppe. In Anbetracht der hohen Potenz
von rekombinantem Faktor VIIa für die Normalisierung der INR ist es unwahrscheinlich,
dass die Gabe von FFP oder PPSB einen signifikanten Langzeitnutzen für Patienten mit
Varizenblutung erbringen.
Aussagekräftige Studien zum Nutzen von Thrombozytenkonzentraten liegen nicht vor,
in retrospektiven Fallsammlungen erhielten aber 14 – 24,6 % der Patienten mit Varizenblutung
Thrombozytenkonzentrate [343 ]
[344 ].
Protonenpumpeninhibitoren
Hochdosierte Protonenpumpeninhibitoren (PPI) beeinflussen nicht die Rezidivblutungsrate
bei akuter Varizenblutung.
Empfehlung, starker Konsens.
Protonenpumpeninhibitoren sollen zur Prophylaxe der Rezidivblutung von Varizen nicht
eingesetzt werden, sondern nur dann, wenn andere Indikationen dies erfordern.
Starke Empfehlung, Starker Konsens.
Eine Metaanalyse von 20 Studien [345 ] ergibt keinen Vorteil einer hochdosierten PPI-Therapie in einem klinisch relevanten
Endpunkt. Einzig die Größe der Ligaturulzera lässt sich signifikant vermindern, dem
steht aber ein erhöhtes Risiko für eine spontan bakterielle Peritonitis gegenüber.
Prävention der hepatischen Enzephalopathie
Lactulose p. o. kann das Risiko einer hepatischen Enzephalopathie vermindern, alternativ
kann orales Rifaximin eingesetzt werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
In einer Studie an 70 Patienten mit akuter Varizenblutung ließ sich die Rate an hepatischer
Enzephalopathie von 40 auf 14 % senken (p = 0,03) [346 ]. Eine Studie verglich die Wirksamkeit von Lactulose im Vergleich zu Rifaximin und
fand keine Unterschiede in der Rate der hepatischen Enzephalopathie oder Tod (10/60
vs. 9/60 bzw. 8/60 vs. 9/60, p jeweils 1,0) [347 ].
Wie sollte die Sekundärprophylaxe nach Ösophagusvarizenligatur oder Fundus-Varizeninjektion
durchgeführt werden?
Zur Sekundärprophylaxe der Ösophagusvarizenblutung soll eine Kombinationstherapie
aus nicht-selektiver Betablockade und Gummibandligatur durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Kann eine Kombinationstherapie nicht erfolgen, soll eine Monotherapie mit einem nicht-selektiven
Betablocker oder die Gummibandligatur durchgeführt oder ein TIPS angelegt werden.
Starke Empfehlung, Konsens.
Carvedilol stellt eine wirksame Alternative zu den nicht-selektiven Betablockern dar.
Empfehlung, starker Konsens.
Bei der Sekundärprophylaxe der Fundusvarizenblutung sollte grundsätzlich analog zur
Ösophagusvarizenblutung verfahren werden. Es soll jedoch anstelle der Gummibandligatur
die Injektionstherapie mit Cyanoacrylat als endoskopisches Verfahren eingesetzt werden.
Empfehlung/starke Empfehlung, starker Konsens.
In der Sekundärprophylaxe der Magenfundusvarizenblutung kann alternativ ein TIPS angelegt
werden.
Offene Empfehlung, Konsens.
Für Patienten, die eine Varizenblutung überlebt haben, beträgt das Risiko einer Rezidivblutung
bis zu 60 % bei einer Mortalitätsrate von bis zu 33 % [348 ]. Das Verhindern einer erneuten Blutung nach überstandener Initialblutung ist somit
von zentraler Bedeutung.
Verschiedene Methoden zur Sekundärprophylaxe, die z. T. auch kombiniert werden können,
stehen zur Verfügung. Medikamentös stehen nicht-selektive Betablocker (NSBB, in Deutschland
ist nur noch Propranolol in Gebrauch) und Carvedilol, allein oder in Kombination mit
Nitraten (Isosorbitmononitrat, ISMN) zur Verfügung. Die Sklerotherapie der Ösophagusvarizen
ist von der Gummibandligatur (EVL) verdrängt worden und spielt praktisch keine Rolle
mehr. Bei Fundusvarizen kommt in der Regel eine Injektion mit n-Butyl-2-Cyanoacrylat
(z. B. Histoacryl® ) zur Anwendung. Weitere Möglichkeiten stellen der TIPS sowie der chirurgische Shunt
dar.
Eine Metaanalyse aus 12 Studien hat die nicht-selektiven Betablocker Propranolol sowie
Nadolol [349 ] mit keiner aktiven Behandlung verglichen. Es fand sich eine Reduktion des Blutungsrisikos,
die Mortalität hingegen wurde nicht verringert [350 ].
Durch die Kombination von NSBB mit ISMN kann die Rezidivblutungsrate noch weiter gesenkt
werden [351 ]. Eine Reduktion der Mortalität wird nicht erreicht [352 ]. Die Rate unerwünschter Wirkungen steigt unter der Kombinationstherapie allerdings.
In einer neueren Studie wurde Carvedilol mit der Kombination aus NSBB und ISMN verglichen
[353 ]. Die Effektivität war ähnlich bei weniger unerwünschten Wirkungen durch Carvedilol.
Eine aktuelle Studie verglich die Kombination aus Simvastatin, EVL und NSBB mit Plazebo,
EVL und NSBB [354 ]. Hierbei fand sich kein Unterschied in der Rezidivblutungsrate, allerdings eine
geringere Mortalität bei den Patienten mit einer erhaltenen Leberfunktion in der Simvastatin-Gruppe.
Der Vergleich von EVL mit NSBB in Kombination mit ISMN zeigt uneinheitliche Ergebnisse.
Eine Einzelstudie zeigte eine geringere Rezidivblutungsrate unter VBL verglichen mit
NSBB und ISMN [355 ], fand im Follow-up aber trotz der niedrigeren Rezidivblutungsrate eine höhere Mortalität
in der EVL-Gruppe [356 ]. Eine Metaanalyse aus sechs Studien zeigte keinen Unterschied für die Rezidivblutung
zwischen den beiden Behandlungsmodalitäten. Allerdings fand sich eine höhere Gesamtmortalität
bei den Patienten in der EVL-Gruppe [357 ]. Drei weitere Metaanalysen, die die medikamentöse Behandlung (entweder NSBB allein
oder in Kombination mit ISMN) mit EVL verglichen, fanden weder einen Unterschied in
der Rezidivblutungsrate noch in der Mortalität [358 ]
[359 ]
[360 ]. In einer kleinen Studie wurde Carvedilol mit EVL verglichen. Während sich für die
Rezidivblutung kein Unterschied zwischen den beiden Verfahren ergab, fand sich für
Carvedilol ein Trend zu einer geringeren Mortalität [361 ].
In einer großen Zahl von Studien wurde die Kombination aus medikamentöser Therapie
und EVL untersucht. Auch hier waren die Ergebnisse uneinheitlich. Eine Metaanalyse
fand keinen Unterschied in der Rezidivblutungsrate zwischen einer Kombinationstherapie
aus Medikamenten und EVL und den jeweiligen Behandlungsmodalitäten allein [358 ]. Eine weitere Metaanalyse konnte für die Kombinationstherapie eine Reduktion der
Rezidivblutungsrate, nicht jedoch der Mortalität zeigen [360 ]. In einer weiteren Metaanalyse wurde die Kombination aus EVL und medikamentöser
Therapie gegen EVL (sieben Studien) bzw. gegen die medikamentöse Therapie (drei Studien)
untersucht [362 ]. Die Kombinationstherapie zeigte eine Reduktion der Rezidivblutungsrate verglichen
mit den anderen Modalitäten. Gegenüber EVL allein fand sich außerdem auch eine niedrigere
Mortalität. In der aktuellsten Metaanalyse, die die Kombinationstherapie mit EVL oder
medikamentöser Therapie allein verglich [363 ], zeigte sich bei den Studien, die EVL mit der Kombinationstherapie verglichen, eine
niedrigere Rezidivblutungsrate in dem Kombinationsarm, während sich bei den Studien,
bei denen die EVL zur medikamentösen Therapie hinzugefügt wurde, weder ein Unterschied
im Hinblick auf die Rezidivblutungsrate noch auf die Mortalität zeigte.
Diskutiert wird, ob durch NSBB bei Patienten mit Leberzirrhose und therapierefraktärem
Aszites die Mortalitätsrate ansteigt. Während zwei Arbeitsgruppen [290 ]
[364 ] eine höhere Mortalität bei Patienten mit therapierefraktärem Aszites bzw. mit spontan
bakterieller Peritonitis nachweisen konnten, kommen zwei neuere Studien [291 ]
[292 ] bei Patienten mit Aszites auf der Transplantationsliste bzw. Patienten mit akut-auf-chronischem
Leberversagen zu dem Ergebnis, dass durch die NSBB-Therapie die Mortalität im Gegenteil
sinkt. Dementsprechend kann eine abschließende Empfehlung für oder gegen eine Therapie
mit NSBB bei therapierefraktärem Aszites nicht gegeben werden.
Die Datenlage für die Sekundärprophylaxe nach Fundusvarizenblutung ist dünn. In einer
Studie wurden NSBB mit der n-Butyl-2-Cyanoacrylat-Injektion verglichen [365 ]. Dabei zeigten sich bei Patienten, die mittels Injektion behandelt wurden, eine
niedrigere Rezidivblutungsrate und eine niedrigere Mortalität.
Die Insertion eines TIPS zeigte in drei Metaanalysen eine Überlegenheit gegenüber
der Sklerotherapie oder der Varizenligatur in der Sekundärprophylaxe der Blutung [320 ]
[321 ]
[366 ]. Dabei zeigte sich kein Unterschied in der Mortalität, allerdings eine höhere Inzidenz
der hepatischen Enzephalopathie bei den mit einem TIPS behandelten Patienten.
Eine aktuelle Studie verglich die Anlage eines beschichteten TIPS mit relativ kleinem
Durchmesser (8 mm) mit NSBB und ISMN [322 ]. Hierbei war der TIPS in der Prophylaxe der Rezidivblutung effektiver als die medikamentöse
Therapie, beim Gesamtüberleben ergab sich allerdings kein Unterschied.
Die Shuntchirurgie spielt in der Sekundärprophylaxe praktisch keine Rolle mehr. Sie
kommt nur noch bei Patienten zum Einsatz, bei denen Kontraindikationen für eine TIPS-Anlage
(z. B. Pfortaderthrombose) bestehen. Entsprechend dünn ist die Studienlage. Eine Metaanalyse,
die verschiedene Shuntverfahren (TIPS und chirurgische Shunts) mit der endoskopischen
Behandlung verglich, konnte für alle Shuntverfahren eine ähnliche Effektivität im
Hinblick auf eine Rezidivblutung zeigen [367 ]. Die operative Unterbindung bzw. Ligatur von Kollateralen aus dem Pfortaderstromgebiet
zur Senkung des Varizendruckes (Sperroperation) kommt heutzutage nur noch in wenigen
Einzelfällen zur Anwendung. Weiterhin kann bei therapierefraktären Varizenblutungen
die Katheterembolisation der Milzarterien erwogen werden.
Ab wann kann die Antikoagulation/Thrombozytenaggregations-hemmung wiederaufgenommen
werden?
Die Fortführung oder Wiederaufnahme der antithrombotischen Medikation sollte vom individuellen
Blutungs- und Thromboembolierisiko des Patienten abhängig gemacht werden.
Empfehlung, starker Konsens.
Empfehlung, starker Konsens.
Tab. 8
Zusammenfassung der Empfehlung zur Wiederaufnahme der OAK/TZA.
frühe Wiederaufnahme der OAK/TZA
spätere Wiederaufnahme der OAK/TZA
Ischämie
mechanischer Herzklappenersatz (insb. in Mitralis-Position)
stattgehabte (nicht akute, mind. 6 Wochen alte) tiefe Beinvenenthrombose/Lungenembolie
(Schweregrad I-II)
Z. n. komplexer PCI (langstreckige Intervention, Intervention des Hauptstamms)
Z. n. PCI ≤ 4 Wochen
Z. n. PCI > 4 Wochen
Hoher CHA2DS2-VASc-Score (> 2 Punkte)
niedriger CHA2DS2-VASc-Score (≤ 2 Punkte)
Z. n. PCI bei ACS
Z. n. elektiver PCI bei stabiler Angina pectoris
Z. n. Implantation von bioresorbierbaren Stents (Absorb)
Z. n. Stentthrombose
Blutungen
suffizient versorgte gastrointestinale Blutung
Ösophagusvarizenblutung
niedriges Risiko für Rezidivblutung (Forrest IIc, III)
hohes Risiko für Rezidivblutungen
(Forrest Ia, Ib, IIa, IIb)
Prädiktoren für ein generell niedriges Blutungsrisiko (junges Alter, männliches Geschlecht,
hoher BMI)
Prädiktoren für ein generell erhöhtes Blutungsrisiko (hohes Alter, weibliches Geschlecht,
niedriger BMI)
Bei gastrointestinalen Blutungen muss in vielen Fällen eine orale Antikoagulation
und/oder Thrombozytenaggregationshemmung pausiert werden. Der Zeitpunkt der Wiederaufnahme
der Medikamente richtet sich zum einen nach dem Risiko für ischämische Komplikationen
unter der Pausierung der antithrombozytären Therapie und zum anderen nach dem Risiko
für (Rezidiv)-Blutungen nach Wiederaufnahme der Medikation. Im klinischen Alltag wird
die Entscheidung für die Wiederaufnahme der Medikamente zumeist sehr individuell getroffen.
Große klinisch-randomisierte Studien, die verschiedene Therapiekonzepte (z. B. frühe
vs. späte Wiederaufnahme der Medikation) miteinander verglichen haben, fehlen. Es
gibt aber sowohl aufseiten des Blutungsrisikos als auch aufseiten des Thromboserisikos
Determinanten, die für eine frühe bzw. für eine spätere Wiederaufnahme der Medikation
sprechen ([Tab. 8 ] in der Empfehlung 108). Eine frühe Wiederaufnahme der antithrombozytären Medikation
wird bei Patienten mit hohem Thromboserisiko und niedrigem Blutungsrisiko favorisiert,
während eine spätere Wiederaufnahme der Medikation bei Patienten mit niedrigem Thromboserisiko
und hohem Blutungsrisiko zu empfehlen ist.
Bei KHK-Patienten nach Koronarintervention bedingen die klinischen Begleitumstände
(akutes Koronarsyndrom [ACS] vs. elektive perkutane koronare Intervention [PCI]) und
der zeitliche Abstand zur Koronarintervention die Notwendigkeit und den Zeitpunkt
der Wiederaufnahme der Thrombozytenaggregationshemmung [368 ]. Generell gilt hier, dass nach PCI bei einem ACS die Empfehlung für eine 12-monatige
duale Plättchenhemmung besteht [1 ]. Nach elektiver PCI bei stabiler Angina pectoris besteht die Indikation für eine
duale Plättchenhemmung je nach Art des verwendeten Stents für 1 – 6 Monate [369 ]. Kommt es unter einer dualen Plättchenhemmung zu einer gastrointestinalen Blutung
mit ggf. Notwendigkeit zur endoskopischen Versorgung, so wird im klinischen Alltag
zumeist die Therapie mit ASS fortgeführt, und die Therapie mit dem P2Y12-Rezeptorhemmer
(Clopidogrel, Prasugrel, Ticagrelor) wird pausiert. [Tab. 8 ] fasst Faktoren zusammen, die für eine frühe vs. späte Re-Initiierung einer dualen
Plättchenhemmung sprechen. Bei KHK-Patienten ohne Koronarintervention in jüngster
Vergangenheit besteht in der Regel eine Monotherapie mit ASS. Je nach Schweregrad
der Blutung muss diese Therapie für eine endoskopische Versorgung der Blutung pausiert
werden. Auch hier gelten dieselben Determinanten wie bei dualer Plättchenhemmung,
die eine frühe bzw. eine spätere Re-Initiierung der Therapie favorisieren.
Wann ist eine second-look-Endoskopie indiziert?
Eine früh elektive Kontrollendoskopie (innerhalb von 72 h nach gastrointestinaler
Blutung) soll nicht regelhaft durchgeführt werden.
Starke Empfehlung, starker Konsens.
Sie kann im Einzelfall bei Risikofaktoren erwogen werden.
Offene Empfehlung, starker Konsens.
Der Einsatz einer second-look-Endoskopie nach gastrointestinaler Blutung ist sehr
zurückhaltend zu stellen. Die ASGE-Leitlinie beispielsweise erwähnt ausdrücklich,
dass eine routinemäßige, geplante second-look-Endoskopie innerhalb von 24 h nach einer
(oberen) gastrointestinalen Blutung nicht empfohlen wird [81 ]
[370 ]. Dieser Empfehlung folgt auch die europäische Fachgesellschaft, die aber bei „klinischen
Hinweisen auf eine erneute Blutung eine Re-Endoskopie vorsieht“ [1 ], bevor zu weiteren Maßnahmen der Blutstillung gegriffen werden soll. Eine solche
Endoskopie ist dann aber nicht mehr als „elektive“ oder „routinemäßige“ second-look-Endoskopie
zu bezeichnen.
In der Literatur wurde die Wertigkeit einer second-look-Endoskopie nach gastrointestinaler
Blutung insbesondere bei Blutungen aus peptischen Magenulzera untersucht. Zeigt eine
Metaanalyse mit kleiner Fallzahl noch eine signifikante Reduktion von Blutungsrezidiven
und Notfalloperationen durch die second-look-Endoskopie [371 ], so verliert sich dieser Effekt, wenn – der heute gültige Standard – eine hochdosierte
Protonenpumpenhemmer-Behandlung durchgeführt wird [372 ]. Zusammengefasst erscheint der Einsatz der second-look-Endoskopie aus medizinischer,
aber auch sozioökonomischer Sicht nicht mehr zeitgemäß [371 ]
[373 ]. Allenfalls in einer noch genau zu definierenden Risikopopulation, also beispielsweise
Patienten mit hämodynamischer Instabilität bei aktiver Blutung in der Index-Endoskopie
oder sehr großen Ulzera, wäre eine second-look-Maßnahme zu diskutieren.
Wissenschaftliche Daten zur Effektivität von second-look-Endoskopien bei unteren gastrointestinalen
Blutungen liegen nicht vor, finden auch keine Beachtung in den vorliegenden Leitlinien
[21 ] und sind somit zu vermeiden.
Erwähnung finden soll noch das Vorgehen bei Varizenblutungen: Bei fehlender Blutstillung
einer aktiven Varizenblutung durch die Endoskopie wird nach Ballontamponade eine Re-Endoskopie
nach spätestens 24 h empfohlen [374 ]. Eine solche Endoskopie ist aber im Rahmen der primären Blutstillung zu sehen, und
nicht als „elektive“ second-look-Maßnahme zu betrachten.
Überwachung von Patienten nach endoskopischen Untersuchungen
Die postinterventionelle Überwachung richtet sich nach Sedierung und Schwere bzw.
endoskopischem Therapieerfolg der gastrointestinalen Blutung.
In der S3-Leitlinie Sedierung in der gastrointestinalen Endoskopie [375 ] wird empfohlen, die postinterventionelle Überwachung an die Auswahl des Sedativums
und dessen Wirkdauer und Halbwertszeit und dem zu erwartenden Patientenrisiko [376 ] anzupassen. Die Überwachung hat lückenlos, von geschultem Fachpersonal und in einem
separaten Aufwachbereich stattzufinden. Hier sollte gemäß anästhesiologischen Leitlinien
[377 ] ein Monitoring des Patienten (Pulsoxymetrie, Blutdruck, ggf. EKG) stattfinden und
entsprechende Vorsichtsmaßnahmen (wie Medikamente, Sauerstoffanschluss, Absaugung
und Hilfsmittel für Reanimation) verfügbar sein. Als Parameter für die Entlassung
aus dem Aufwachbereich werden der Wachheitsgrad, die Orientiertheit und die Vitalparameter
des Patienten angegeben [377 ]. Zur Abschätzung der Entlassungsfähigkeit des Patienten werden z. T. Scoring-Systeme
wie das Post Anaesthetic Discharge Scoring System, kurz „PADSS“ empfohlen und eingesetzt
[378 ]
[379 ]. Hierbei werden Vitalzeichen, Mobilität, Übelkeit/Erbrechen, Schmerzen, Blutung
und Miktion überprüft und klassifiziert.
Neben der reinen Risikoabschätzung durch die Vorerkrankungen des Patienten, die ASA-Klassifikation
und die Auswahl des Sedativums sollte sich die postinterventionelle Überwachung auch
an der Schwere der gastrointestinalen Blutung und dem Therapieerfolg durch die endoskopische
Maßnahme orientieren. Besteht einerseits bei einer aktiven Varizenblutung die Indikation
zur weiteren intensivmedizinischen Überwachung mit allen damit einhergehenden Konsequenzen
und Möglichkeiten, so kann andererseits ein mobiler und „Hämoglobin-stabiler“ Patient
nach endoskopischem Ausschluss einer oberen gastrointestinalen Blutung ggf. wieder
entlassen werden.