Aktuelle Dermatologie 2017; 43(11): 448
DOI: 10.1055/s-0043-117810
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Erfahrungen mit Icatibant aus 6 europäischen Ländern

Caballero T. et al.
The Icatibant Outcome Survey: experience of hereditary angioedema management from six European countries.

J Eur Acad Dermatol Venereol 2017;
31: 1214-1222
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Publication Date:
13 November 2017 (online)

 

    Icatibant ist in Europa seit 2008 zur Behandlung akuter Anfälle des hereditären Angioödems bei C1-Esterase-Inhibitor-Mangel zugelassen, seit einiger Zeit auch zur Selbstinjektion durch die Patienten. Icatibant wirkt über eine Bindung an Bradykinin-2-Rezeptoren und bewirkt damit eine Hemmung der Bradykinin-Wirkung. Seit 2009 läuft der Icatibant Outcome Survey (IOS) zur weiteren Postmarketing-Überwachung, nun liegen aktuelle Ergebnisse daraus vor.


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    Caballero et al. haben dabei Unterschiede von demografischen Daten, Charakteristika der Erkrankung und Behandlungsergebnisse von insgesamt 481 Patienten aus 6 europäischen Ländern verglichen: Frankreich (n = 194), Deutschland und Österreich (n = 95; gemeinsame Auswertung wegen der geringen Zahl österreichischer Patienten), Spanien (n = 81), Italien (n = 60) und Großbritannien (n = 51).

    Im IOS wurden u. a. erfragt:

    • Häufigkeit und Schwere der Anfälle vor Behandlungsbeginn, wobei die Schwere anhand der Einschränkung von Alltagsaktivitäten auf einer Skala von 0 bis 4 (0: sehr geringe Beeinträchtigung der Aktivitäten; 4: sehr starke Beeinträchtigung) vom Patienten selbst bestimmt wurde

    • Art der Verabreichung (Selbstinjektion oder Injektion durch medizinisches Fachpersonal)

    • Zeit von Anfallsbeginn bis zur Injektion von Icatibant und bis zur Rückbildung der Symptome

    Bei der Auswertung zeigte sich, dass in allen 6 Ländern der Anteil der Frauen unter den Patienten weit überwog (im Mittel 61,3 %). Über eine Nachbeobachtungszeit von im Mittel 3,3 Jahren, entsprechend 1062,6 Patientenjahren, berichteten insgesamt 325 Patienten über ≥ 1 mit Icatibant behandelten Anfall des Angioödems.

    Das Alter bei Beginn der Angioödem-Symptomatik unterschied sich deutlich zwischen den Ländern und lag am niedrigsten in Italien (9,5 Jahre) und am höchsten in Frankreich (15 Jahre). Dagegen zeigten sich keine relevanten Unterschiede beim Alter, in dem die definitive Diagnose des Angioödems gestellt worden war, es betrug im Median 21 Jahre.

    Die Charakteristika der Erkrankung variierten ebenfalls erheblich. So traten bei den französischen Patienten vor Behandlungsbeginn im Median 3,6 Attacken/Jahr auf, bei den Patienten in Deutschland und Österreich waren es im Median 18 Attacken/Jahr. Ebenso unterschied sich die Schwere der Anfälle, mit dem höchsten Anteil schwerer und sehr schwerer Anfälle in Frankreich (86,9 %) und dem geringsten in Deutschland/Österreich (40,9 %). Die Lokalisation der Symptomatik war dagegen relativ einheitlich und betraf primär das Abdomen (57,8 %), gefolgt von Haut (41,7 %) und Larynx (6,6 %).

    In allen Ländern überwog die Selbstmedikation, aber dieser Anteil reichte von 70,9 % in Spanien bis 94,6 % in Großbritannien. Über die Zeit nahm der Anteil insgesamt zu, von 44,5 % im Jahr 2009 auf 88,1 % im Jahr 2014.

    Die Zeit von Symptombeginn bis zur Injektion von Icatibant betrug im Median 1,8 h und lag in Deutschland und Österreich bei 0 h gegenüber 4,4 h in Frankreich. Ähnliche Unterschiede zeigte die Dauer bis zur Rückbildung der Symptomatik: Sie betrug im Median 6,5 h, in Deutschland/Österreich waren es 3 h und in Frankreich 12 h. In allen Ländern zeigte sich ein signifikanter Zusammenhang zwischen der Zeitdauer bis zur Behandlung und der Dauer bis zur Rückbildung der Symptome.

    Fazit

    Es finden sich also deutliche geografische Unterschiede bei der Verwendung von Icatibant zur Behandlung des hereditären Angioödems, fassen die Autoren zusammen. Dabei scheint Icatibant auch in der Alltagspraxis wirksam bei der Rückbildung der Attacken, wobei die frühere Gabe die Symptomdauer verkürzen kann.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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