Ineinandergreifende Betreuung: Welche Faktoren sind wichtig für ein
effektives Ernährungsprogramm in der Onkologie? (© Adobe Stock/peshkova)
Einleitung
Die Krebserkrankungsrate liegt in Österreich bei jährlich etwa 38 000
Neuerkrankungen. Sie stellt nach den Herz-Kreislauf-Erkrankungen die zweithäufigste
Todesursache dar [1]. Weltweit steigt die Zahl von
neuen Krebsdiagnosen [2]. Häufig entwickelt sich
bei Patienten mit aktiver Tumorkrankheit eine Mangelernährung. Der Gewichtsverlust
begünstigt zahlreiche negative Nebenwirkungen wie verminderte Leistungsfähigkeit und
reduzierte Lebensqualität, bedeutet aber auch schlechtere Toleranz für die
antitumorale Therapie [3]. Des Weiteren besteht bei
Mangelernährung in der Onkologie ein Zusammenhang mit einer verlängerten
Krankenhausverweildauer [4]. Zahlreiche Studien
belegen, dass zwischen 20 und 50 % aller hospitalisierten Patienten in den
Industrieländern mangelernährt sind [5], [6]. Abhängig von der Tumorentität verlieren 31–87 %
der onkologischen Patienten mit einer fortgeschrittenen Erkrankung an Gewicht. Bei
15 % kam es bereits in den letzten 6 Monaten vor Diagnosestellung zu einer
ungewollten Reduktion von mehr als 10 % ihres Ausgangsgewichts [7]. Somit kann Mangelernährung im Kontext einer
Tumorerkrankung auftreten und ist bei onkologischen Krankheitsbildern weit
verbreitet. Der Wechsel vom stationären zum ambulanten Versorgungssektor muss
vielfältigen Ansprüchen gerecht werden und kann mit Informationsverlusten verbunden
sein. Ziel der Arbeit war es, Faktoren für ein nachhaltiges Ernährungsprogramm für
mangelernährte onkologische Patienten in einem akademischen Lehrkrankenhaus
(Krankenhaus Braunau, Österreich) zu ermitteln, um dieser Schnittstellenproblematik
mit einem effektiven Konzept zu begegnen.
Methodik
Ist-Situation
Im Jahr 2015 betreute das Krankenhaus 459 onkologische Patienten. Diese Zahl
umfasst ausschließlich Hauptdiagnosen (sowohl im stationären als auch ambulanten
Bereich). Des Weiteren wurden 152 Patienten chemotherapeutisch behandelt
(stationär und tagesstationär); nicht enthalten sind ambulante orale
Therapien.
In die Ist-Erhebung flossen Auskünfte über die Zuweisungssituation,
Laborparameter, Screening-Maßnahmen etc. ein. Zur Basisdokumentation für
Tumorkranke im Krankenhaus gehört die präzise Erfassung der Körpermaße. Eine
exakte Aufzeichnung des Gewichts in der Onkologie findet bei jeder stationären
Aufnahme der Patienten und somit auch vor jeder geplanten Chemotherapie
statt.
Ein Ernährungsassessment für Mangelernährungsrisiko (Durchführung eines
Ernährungsscreenings mittels AKE-Screening-Bogen [8] sowie bei Bedarf eine Verzehrkontrolle) wurde bisher nur in
einigen wenigen Bereichen des Krankenhauses im Jahr 2013 implementiert. Aktuell
erfolgt jedoch kein Ernährungsscreening im gesamten onkologischen Sektor.
Zuweisungssituation: Im stationären Setting ist eine psychologische Betreuung in
ausreichendem Umfang vorhanden, eine Physiotherapie steht bedarfsweise zur
Verfügung. Nicht routinemäßig erfolgt eine diätologische Konsultation.
Empirische Analyse
Der empirische Teil der Arbeit erfolgte mit einer qualitativen Analyse in Form
von 8 Experteninterviews.
Auswahl der Interviewpartner
Die befragten Experten wurden durch eine bewusste Entscheidung ausgewählt und
damit nicht durch eine Stichprobe ermittelt.
Kriterien für diese Wahl waren:
-
Bezug zur Thematik Onkologie
-
möglichst erfahrene Personen aus den unterschiedlichsten
Disziplinen
-
Gesprächspartner je zur Hälfte vom intramuralen Bereich und zur
anderen Hälfte vom extramuralen Sektor
Entsprechend dieser Anhaltspunkte konnten Personen für die Befragung aus 8
Berufsfeldern bzw. Tätigkeitsbereichen herangezogen werden (s. [
Tab. 1
]).
Tab. 1
Übersicht der Interviewpartner und Codierung.
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Codierung
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Beruf/Tätigkeit/Organisation
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Erfahrung
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DGKS: diplomierte Gesundheits- und Krankenschwester
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Intramuraler Bereich
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P 1
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DGKS, Onkologie-Ambulanz
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Seit 13 Jahren in der Onkologie-Ambulanz tätig.
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P 2
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Klinischer Gesundheitspsychologe
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Absolvierte vor 4 Jahren die Spezialausbildung
Psycho-Onkologie. Mitarbeit im Palliativteam.
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P 3
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Physiotherapeut
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Seit 9 Jahren unter anderem auch für onkologische Patienten
zuständig. Mitarbeit im Palliativteam.
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P 4
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Oberarzt Onkologie
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Seit 6 Jahren in der Onkologie tätig. Facharztausbildung
Onkologie und Hämatologie.
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Extramuraler Bereich
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P 5
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DGKS, mobiles Hospiz
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Seit 2010 beim mobilen Hospiz, davor in der Hauskrankenpflege
tätig.
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P 6
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DGKS, Hauskrankenpflege – Teamkoordinatorin
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Seit 1989 als DGKS in der Hauskrankenpflege tätig. Immer
wieder Betreuung von onkologischen Patienten.
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P 7
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Allgemeinmediziner, Internist
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1990 erster Kontakt mit onkologischen Patienten als Famulant.
Als Hausarzt betreut er nicht nur onkologische Patienten,
sondern begleitet diese auch teilweise in der terminalen
Phase.
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P 8
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Vertragspartnerportal der Oberösterreichischen
Gebietskrankenkasse
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Gespräch zur Ermittlung der Finanzierungsmöglichkeiten einer
diätologischen Nachbetreuung beziehungsweise eines
Therapieangebots.
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Ablauf der Interviews
Die Kontaktaufnahme erfolgte entweder per E-Mail oder per Telefon. So konnten
mit den Befragten zum Teil bereits auf diesem Wege auch Vorgespräche geführt
werden. Diese dienten auch dazu, Informationen über die Inhalte der Arbeit
bereitzustellen. Zunächst unterzeichneten alle Interviewten eine
schriftliche Einverständniserklärung. Im Vorfeld wurden 2 verschiedene
Interwiewleitfäden anhand der Forschungsfrage konzipiert. Die
Interviewsituationen haben sich sehr offen gestaltet. Je nach Schwerpunkt
des Erzählens erfolgte die Fragenstellung stellenweise in unterschiedlicher
Reihenfolge. In Absprache mit den Interviewpartnern wurden die Gespräche zu
Auswertungszwecken mittels eines digitalen Aufnahmegeräts auf Tonband
aufgezeichnet. Überdies wurden unmittelbar nach der Befragung
handschriftliche Notizen festgehalten. Wesentlich war außerdem, dass nach
jedem Interview Gedächtnisprotokolle erstellt wurden [9].
INTERVIEWLEITFADEN 1 ALS BASIS FÜR DIE GEFÜHRTEN BEFRAGUNGEN
Allgemeines/Einstieg
-
Welcher Berufsgruppe gehören Sie an?
-
Wie lange arbeiten Sie bereits mit onkologischen Patientinnen und
Patienten?
-
Welchen Zugang hatten Sie bisher zum Thema Mangelernährung in der
Onkologie?
Hauptteil
-
Welche Faktoren muss man Ihrer Meinung nach in der
Konzeptentwicklung berücksichtigen?
-
Welchen Beitrag könnten möglicherweise Sie leisten?
-
Wie sehen Sie die Rolle der Diätologin?
-
Wo sehen Sie Schnittstellenprobleme bzw. Verbesserungspotenzial
im intra- / extramuralen Bereich?
-
Welche Disziplinen sollten enger zusammenarbeiten?
-
Wie könnte aus Ihrer Sicht die Nachbetreuung aussehen?
-
Gibt es zur Konzeptentwicklung noch Anregungen / Anmerkungen von
Ihrer Seite?
Zusätzlich extramuraler Bereich
INTERVIEWLEITFADEN 2 FÜR DEN VERTRETER DER
GEBIETSKRANKENKASSE
Allgemeines/Einstieg
Hauptteil
-
Welche Möglichkeiten der Finanzierung wären Ihrer Meinung nach
denkbar?
-
Ist ein Budget dafür vorgesehen in der GKK?
-
Wäre eine Kostenübernahme für ambulante Ernährungsberatungen
möglich, beziehungsweise wer könnte diese übernehmen?
-
Programme Mangelernährung GKK: Existieren solche bereits oder
sind welche in Planung?
-
Kennen Sie österreichweit vergleichbare Programme?
-
Gibt es zur Konzeptentwicklung noch Anregungen oder Anmerkungen
von Ihrer Seite?
Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring wurde zur Auswertung der Daten
herangezogen [10]. Im Mittelpunkt standen
dabei die sukzessive systematische Aufgliederung des Datenmaterials sowie
ein theoriegeleitetes ausgearbeitetes Kategoriensystem. Bei dieser
Zusammenfassung nach Mayring ist die Zielsetzung der Analyse so definiert,
das Material in solchem Maße einzugrenzen, dass die Kernaussage immer noch
erhalten bleibt [10].
Ergebnisse
Bei der Auswertung der Einzelinterviews ließen sich nachfolgende Kategorien
herausarbeiten, welche einen wesentlichen Beitrag für die Konzeptbeschreibung
darstellten:
Individuelle Aufklärung und Schulung
Ärzteschaft und Pflege werden in den letzten Jahren vermehrt mit
unkonventionellen Ernährungsmethoden konfrontiert. Von den meisten
Interviewpartnern (speziell von der Teamleitung der Hauskrankenpflege) wurde
darauf hingewiesen, dass eine Aufklärung seitens des Fachpersonals erforderlich
sei. Die Möglichkeit einer Ernährungsberatung sollte bewusst unterbreitet
werden. Elementar sei an dieser Stelle für den Allgemeinmediziner die
Berücksichtigung des soziokulturellen Hintergrunds der Patienten. Insofern
sollten die Ernährungsempfehlungen individualisiert, nach den Ressourcen des zu
beratenden Klienten bereitgestellt werden. Zielführend sei nach Meinung des
Onkologen ein Ernährungskonzept, welches auf alle Stationen mit onkologischen
Patienten ausgedehnt werden solle. Bereits vorhandene Strukturen könnten um eine
weitere Therapiestrategie ergänzt werden: ein fix verankertes Ernährungskonsil.
Darüber hinaus sehe er vornehmlich einen individuellen Beratungsbedarf bei
Chemotherapie-induzierten Nebenwirkungen.
Lebensqualität
Ein Zugewinn an Lebensqualität im Rahmen einer onkologischen Behandlung sei für
viele Krebspatienten von erheblicher Relevanz. Psychosoziale Belastungen würden
nicht nur seitens der Betroffenen, sondern auch von deren Angehörigen
thematisiert. Lebensqualität stehe in der physiotherapeutischen Behandlung
offensichtlich im Kontext mit „Unabhängigkeit“ und dem Wunsch, den Großteil der
alltäglichen Tätigkeiten selbstständig erbringen zu können. Ebenso liege der
Fokus bei den in der mobilen Hauskrankenpflege betreuten Klienten in der
Aufrechterhaltung ihres Wohlbefindens.
Fächerübergreifendes Arbeiten und Wertschätzung
Denkbar für alle Experten sei aber auch die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen
Sektoren. Überdies könne laut Psychologen die Zusammenarbeit im Team durch den
stattfindenden Dialog zu einer positiven Veränderung der zwischenmenschlichen
Grundhaltung beitragen. Wenngleich auch von Seiten des extramuralen Bereichs ein
Bestreben hinsichtlich einer sektorerweiternden Vernetzung besteht, werden
dennoch deutliche Vorbehalte aufgrund von fehlenden zeitlichen Ressourcen
geäußert, speziell von den Befragten aus dem extramuralen Bereich. Eine
Kooperation mit allen Bereichen „wäre willkommen“ laut Allgemeinmediziner und im
konkreten Einzelfall könne nach gemeinsamen Lösungen gesucht werden. Als eine
wichtige Voraussetzung für ein erfolgreiches Agieren werden genannt:
-
eine gute Kommunikationsstruktur
-
Wertschätzung und Akzeptanz
-
ein relativ hierarchie- und angstfreies Zusammenarbeiten im
interprofessionellen Kontext
Angehörigenbetreuung
Die Interviewpartner aus allen Gesundheitsberufen betonen, dass sie die
Integration der Angehörigen in einem Ernährungskonzept befürworten. Angehörige
würden gerade nach der Diagnosestellung einer Tumorerkrankung immer wieder ein
Gefühl der Ohnmacht (respektive Einflusslosigkeit) erleben. Durch das verstärkte
Einbeziehen hätten laut Allgemeinmediziner diese so die Möglichkeit, auch einen
wesentlichen Beitrag zu leisten – gerade in gewissen Phasen der
Autonomieeinschränkung der Patienten. Offensichtlich werde das Thema Ernährung
mit Gefühlen, Erwartungen, aber auch Ängsten in Zusammenhang gebracht, sind sich
die Interviewpartner einig.
Der Klinische Gesundheitspsychologe erwähnt, dass in manchen Familien speziell
die Angehörigen ein Problem mit den körperlichen Veränderungen der Patienten
hätten. Insbesondere die Mangelernährung werde als stark belastend wahrgenommen.
Gemäß seiner Auffassung solle ein Ernährungskonzept über eine Beratung
hinausgehen, gewissermaßen als Begleitung. Diese solle im Idealfall frühzeitig
begonnen werden, ähnlich einer psychoonkologischen Begleitung.
Auch die Angehörigen sind dankbar, mit dem Ernährungskonzept dem
Erkrankten konkret und direkt helfen zu können. (© ccvision)
… im palliativen Setting – mobiles Hospiz und Hausarztpraxis
Besonders im mobilen Hospiz spiele Essen und Trinken eine entscheidende Rolle und
werde häufig mit „Leben aufrechterhalten“ assoziiert. Eine inadäquate
Energie-/Nährstoffzufuhr stelle so in vielen Fällen eine Besorgnis gerade für
pflegende Angehörige dar. Nicht selten findet die Palliativversorgung über die
hausärztliche Ordination statt. So sollten entsprechend des Allgemeinmediziners
bereits implementierte Ernährungssysteme in einer Phase der irreversiblen
Verschlechterung wieder langsam reduziert werden. In vielen Fällen würde dies
eine spürbare Herausforderung und einen sensiblen Umgang bedeuten. So sollten
die Angehörigen von Patienten mit unheilbar chronisch-progredienten Erkrankungen
bereits im Vorfeld auf diese Situation vorbereitet werden.
Effizientes Schnittstellenmanagement – Dokumentation
Eine forcierte Dokumentation in der Ernährungsberatung ist für die meisten
Interviewpartner wünschenswert. Gemäß Oberarzt der Onkologie könne diese
effizientere Dokumentation wiederum die Transparenz verstärken. Demzufolge würde
der extramurale Bereich nicht nur Ernährungsratschläge, sondern gegebenenfalls
auch ärztliche Empfehlungen hinsichtlich Labor- oder Gewichtskontrollen bei
Mangelernährung wünschen. Ebenfalls sei es für die Hauskrankenpflege mehrfach
schwierig, den richtigen Ansprechpartner zu finden; weiterführende
Ernährungsinformationen in schriftlicher Form für den Patienten seien für den
extramuralen Sektor begrüßenswert.
Nachbetreuung
Zusammenfassend sprechen sich alle Interviewpartner für das Angebot einer
Nachbetreuung aus. So solle frühzeitig mit den Patienten Kontakt gehalten werden
und die Nachsorge folglich individuell an deren Bedürfnisse angepasst werden.
Des Weiteren sollten nach Einschätzung der Befragten im Rahmen der
Ernährungsberatung Konzepte der Symptomkontrolle (Emesis, Diarrhö) stehen. Das
Angebot eines verbindlichen zweiten Termins schaffe nicht nur eine gewisse
Struktur für die Krebspatienten, sondern gebe aus Sicht der Psychologie eine
gewisse Sicherheit und ein Zeichen von Wertschätzung. Hauskrankenpflege und
mobiles Hospiz würden zudem auch eine telefonbasierte Nachbetreuung
begrüßen.
Finanzierung GKK (Gebietskrankenkasse)
Derzeit besteht keine Vertragspartnerschaft zwischen der GKK und den
Diätologinnen in Österreich. Diese sind somit im ASVG (Allgemeines
Sozialversicherungsgesetz, Basis Österreichische Sozialversicherung von 1956)
nicht angeführt. Beratungstätigkeiten übernehmen aktuell die Hausärzte, eine
Partnerschaft mit den Diätologinnen ist gegenwärtig und auch künftig nicht in
Planung. Schwerpunkte werden seitens der GKK derzeit auf den Bereich
Gesundheitsförderung im Setting mit Schulen und Betrieben gelegt. Onkologische
oder Mangelernährungsprogramme sind nicht vorhanden.
Diskussion
Die Auswertung zeigte zunächst, dass ein Konzept für mangelernährte onkologische
Patienten bei allen befragten Experten Zustimmung findet und diese auch an einer
Zusammenarbeit interessiert sind. Unter Berücksichtigung der Interviewauswertung,
der Ist-Situation und der Literatur zur Thematik wurde ein Gesamtbetreuungskonzept
beschrieben (bezugnehmend auf den ernährungsmedizinischen Part im akutstationären
Versorgungsbereich). Onkologische Patienten sollen künftig die Möglichkeit eines
strukturierten Ernährungsprogramms standardisiert wahrnehmen können.
Eine besondere Bedeutung wird einer effektiven Nachbetreuung beigemessen. Hierfür
wurden unterschiedliche Möglichkeiten für Maßnahmen angeregt. So könnten
Kommunikationswege nach dem Modell von diversen Disease-Management-Programmen
Anwendung finden. An dieser Stelle erfolgt die strukturierte Nachbetreuung zum Teil
telefonbasiert oder findet auch per E-Mail statt [11].
Die verschiedenen Kernelemente des Ernährungskonzepts
Identifikation von Mangelernährung
Implementierung und Ausweitung des Screening-Programms
(AKE-Ernährungsscreening [8]) auf alle
Krankenhausbereiche, in denen onkologische Patienten betreut werden.
Kontrolle mittels Teller-Monitoring
Evaluierung der Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr und in weiterer Folge das
Einleiten einer gezielten individuellen Ernährungsintervention; die
Anpassung des bereits gegenwärtigen Ernährungsregimes (im stationären
Setting: Führen eines 3-Tage-Protokolls, im ambulanten Setting:
retrospektives 1-Tagesprotokoll).
Beratung und individualisierte Patientenschulung
An den jeweiligen Bedarf der Patienten angepasste Ernährungstherapie
(Stufenmodell der Ernährungstherapie [12]),
Abklären der Verpflegungssituation im häuslichen Bereich, Organisation von
Trink-/Sondennahrung und/oder heim-parenteraler Ernährung.
Dokumentation zur Qualitätssicherung
Die Dokumentation dient dazu, vermehrte Transparenz für andere Professionen
herzustellen. Dokumentation von:
Berufsgruppenübergreifende Zusammenarbeit
Maßnahmen für die sektorübergreifende Kooperation:
Evaluation der Ernährungstherapie
Diese sollte in regelmäßigen Abständen auf ihre Angemessenheit überprüft und
gegebenenfalls optimiert werden. Inhaltliche Aspekte der Evaluation:
Limitationen
Als Limitation kann die Anzahl der Interviewpartner genannt werden. Der Anteil
der für den Gegenstand der Forschung wesentlichen Personen musste aufgrund des
beachtlichen Zeitaufwandes eingegrenzt werden. Daher besteht laut Mayring ein
Problem der Verallgemeinerbarkeit [10]. Des
Weiteren können subjektive Einflüsse im qualitativen Forschen nicht restlos
ausgeschlossen werden. Weitere Limitationen: keine Patientenbefragung zur
Bedürfnisabklärung (aus Mangel an zeitlichen Ressourcen) und die
Finanzierbarkeit durch die Kostenträger. Aktuell kann eine langfristige
ernährungsmedizinische Nachbetreuung vom Krankenhaus nicht übernommen
werden.
Außerdem ist zu erwähnen, dass eine wissenschaftliche Diskussion mit
erfolgreichen Konzepten aus anderen Spitälern beziehungsweise der Literatur
nicht im Diskussionsteil angeführt ist, da dies nicht Gegenstand der Arbeit
war.
Schlussfolgerung
Zusammenfassung des 5-Stufen-Malnutrition-Behandlungsplans
Zu Beginn steht ein alle Bereiche des Hauses umfassendes Screening-Programm
mit anschließender Dokumentation der oralen Aufnahme. In Hauptphase 3, der
die größte Bedeutung zukommt, steht eine Patienten- und Angehörigenberatung.
Diese umfasst sowohl vielschichtige Aspekte (wie beispielsweise
Persönlichkeit, soziales Umfeld, soziokultureller Hintergrund etc.) als auch
die weiterführende Sicherstellung im privaten Umfeld. Ein weiterer
unerlässlicher Bestandteil des Ernährungskonzepts ist das konsequente
schriftliche Erfassen aller gesetzten Ernährungsinterventionen. Um das
Konzept in seiner Gesamtheit erfolgreich umsetzen zu können, ist eine
Überprüfung in regelmäßigen Intervallen essenziell. Als additives
Kernelement ist abschließend das interdisziplinäre Agieren aller
involvierten Professionen zu nennen.
Fazit
In dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass bei den unterschiedlichen
Gesundheitsberufen ein Interesse an der Zusammenarbeit im multiprofessionellen Team
im Bereich onkologisch mangelernährter Patienten besteht.
Eine partizipative Kommunikation stellt einen unerlässlichen Bestandteil für eine
erfolgreiche Implementierung dar.
Zugleich gilt es, für eine nachhaltige Etablierung des Konzepts ein Bewusstsein unter
den beteiligten beziehungsweise handelnden Personen zu schaffen. Die Gesamtanalyse
der Interviews zeigte, dass es in diesem Zusammenhang auch wichtig ist, dass es eine
Ansprechstelle für Ernährungsprobleme gibt. Dies betrifft sowohl die Patienten als
auch den Schnittstellenbereich zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Bei
onkologischen Krankheitsbildern wäre, ähnlich wie bei anderen chronischen komplexen
Krankheiten, nicht nur eine einmalig stattfindende ernährungsmedizinische Beratung
erforderlich, sondern eine individuelle Begleitung.
Als mögliche Schwierigkeit kann genannt werden, dass eine längerfristige ambulante
Nachbetreuung im Setting Krankenhaus finanziell derzeit nicht abgedeckt werden kann.
Somit wird möglicherweise die Leistungserbringung künftig eine Herausforderung für
das Gesundheitssystem. Die Finanzierung beeinflusst die Umsetzung eines Konzepts
maßgeblich. Hier wären etwa Vertragspartnerschaften und Verrechnungskonzepte
erforderlich. Aktuell bestehen keinerlei Einzelverträge mit den Trägern der GKK. Der
Ausgangspunkt diesbezüglich ist das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG). Im
§ 135 Absatz 1 Z 1 ASVG werden diverse Leistungen der Gruppe von Nichtärzten
angeführt und diese sind im Rahmen der Krankenbehandlung der ärztlichen Hilfe
gleichgestellt [13]. Die Berufsgruppe der
Diätologinnen ist jedoch nicht Teil dessen. Demzufolge ist keine Rückerstattung
durch die GKK möglich. Die OÖ Ärztekammer weist jedoch darauf hin, dass zukünftig
Primärversorgungseinheiten gegebenenfalls neue Chancen ermöglichen würden.
Im Mittelpunkt des empirischen Teils der Arbeit standen Experteninterviews. Es
erfolgten 8 halbstandardisierte Befragungen mit Personen aus dem intra- und
extramuralen Sektor. Die qualitative Inhaltsanalyse nach Mayring wurde zur
Auswertung der Daten herangezogen.
Wir konnten nachfolgende Kategorien herausarbeiten: individuelle Schulung,
Lebensqualität, fächerübergreifendes Arbeiten, effizientes
Schnittstellenmanagement, Dokumentation und Nachbetreuung.
Die Auswertung zeigte, dass ein Konzept für mangelernährte onkologische Patienten
bei allen befragten Experten Zustimmung findet und diese auch an einer
Zusammenarbeit interessiert sind. Basierend auf jenen Ergebnissen wurde ein
Ernährungskonzept für den stationären Bereich dargestellt.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass eine Ansprechstelle sowohl für den
Patienten als auch für den intra-/extramuralen Schnittstellenbereich gewünscht
wird. Entscheidende Faktoren für eine Konzeptumsetzung sind Partizipation und
Bewusstsein der Beteiligten. Als Problematik muss jedoch die finanzielle
Leistungserbringung in diesem Zusammenhang genannt werden, was möglicherweise
künftig für das Gesundheitssystem eine Herausforderung darstellen könnte.