CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2017; 77(10): 1079-1087
DOI: 10.1055/s-0043-119542
GebFra Science
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Bestimmung des klinischen Nutzens systemischer adjuvanter Therapien beim frühen Mammakarzinom

Article in several languages: English | deutsch
Volker Möbus
1   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Klinikum Frankfurt-Höchst, Frankfurt, Germany
,
Susanne Hell
2   Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen, Germany
,
Marcus Schmidt
3   Klinik und Poliklinik für Geburtshilfe und Frauengesundheit, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Germany
› Author Affiliations
Further Information

Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Volker Möbus
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Klinikum Frankfurt-Höchst
Gotenstraße 6 – 8
65929 Frankfurt a. M.
Germany   

Publication History

received 08 June 2017
revised 08 September 2017

accepted 11 September 2017

Publication Date:
26 October 2017 (online)

 

Zusammenfassung

Die onkologische Therapie befindet sich im Umbruch. Hohe Erwartungen sind mit einer Reihe innovativer zielgerichteter Medikamente verknüpft, die sich derzeit in der klinischen Entwicklung befinden. Vor diesem Hintergrund erfahren Diskussionen um die Begriffe klinischer Nutzen oder klinische Relevanz neue Aktualität. Dies gilt auch für die Weiterentwicklungen der adjuvanten systemischen Therapie des frühen Mammakarzinoms. In Anbetracht der kurativen Zielsetzung erfolgt die Beurteilung des klinischen Nutzens einer adjuvanten Therapie maßgeblich anhand von Wirksamkeitsendpunkten. Der Fokus liegt hierbei auf Verbesserungen des krankheitsfreien Überlebens und des Rezidivrisikos. Eine Aussage zum Gesamtüberleben ist aufgrund der heute erreichten niedrigen Mortalitätsraten erst nach sehr langen Beobachtungszeiten möglich. Folgerichtig sollte neuen Medikamenten für die adjuvante Therapie ein klinischer Nutzen zugesprochen werden, wenn sie eine weitere Reduktion des Rezidivrisikos über den heutigen hohen Standard hinaus ermöglichen. Die Evidenz für etablierte adjuvante Therapiestandards beim frühen Mammakarzinom kann als objektiver Maßstab zum Vergleich herangezogen werden. Am Beispiel der adjuvanten endokrinen Therapie, der adjuvanten Polychemotherapie und der adjuvanten Anti-HER2-Therapie werden in diesem Übersichtsartikel die Anforderungen für den klinischen Nutzen neuer adjuvanter Therapien beim frühen Mammakarzinom abgeleitet.


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Einleitung

Die onkologische Therapie erlebt aufgrund der rasanten Fortschritte der Molekularbiologie gerade einen tiefgreifenden Umbruch hin zu einer an der individuellen Tumorbiologie ausgerichteten Behandlung. Dabei müssen sich die zielgerichteten Therapien an den bisher zur Verfügung stehenden Therapieoptionen messen lassen. Vor diesem Hintergrund und auch angesichts der Kosten dieser Innovationen erfährt die Diskussion der Begriffe klinischer Nutzen und klinische Relevanz derzeit neue Aktualität. Das zeigt sich unter anderem daran, dass sich auch wissenschaftliche Gesellschaften wie die American Society of Clinical Oncology (ASCO) und die European Society of Medical Oncology (ESMO) damit beschäftigen, Maßstäbe zur Beurteilung des klinischen Nutzens neuer Medikamente zu entwickeln [1], [2].

Die Frage nach der klinischen Relevanz stellt sich aktuell auch für die weitere Entwicklung der adjuvanten systemischen Therapie des frühen Mammakarzinoms: Zwei Phase-III-Studien haben für neue zielgerichtete Medikamente zur systemischen adjuvanten Therapie des frühen HER2-positiven Mammakarzinoms positive Ergebnisse, d. h. eine signifikante Verbesserung bezüglich des primären Studienendpunkts krankheitsfreies Überleben berichtet [3], [4]. Adjuvante Studien mit CDK4/6-Inhibitoren oder Immun-Checkpoint-Inhibitoren sind gestartet oder in der finalen Protokolldiskussion [5], [6], [7], [8], [9], [10], [11]. Doch wonach bemisst sich der klinische Nutzen einer adjuvanten Therapie bei frühem Mammakarzinom? Welche Verbesserungen durch eine neue Therapie sind hier als klinisch relevant einzuordnen?

Ziel dieses Übersichtsartikels ist es, den Begriff klinische Relevanz für die adjuvante Therapie des frühen Mammakarzinoms zu erörtern. Dies geschieht exemplarisch anhand der Evidenz verschiedener, etablierter adjuvanter Therapiestandards. Dabei wird bewusst nicht auf einzelne Studien, sondern auf große Metaanalysen Bezug genommen sowie, in Analogie zu den Maßstäben von ASCO, ESMO und denen der europäischen und amerikanischen Zulassungsbehörden EMA und FDA [12], [13], auf die Ergebnisse zu Rezidivraten und Gesamtmortalität.


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Systemische Therapie des frühen Mammakarzinoms – Rationale und medizinischer Bedarf

Das Mammakarzinom wird heute als generalisierte Systemerkrankung angesehen. Folgerichtig ist die systemische Therapie integraler Bestandteil der Behandlung von Patientinnen mit frühem Mammakarzinom [14], [15], [16], [17], [18], [19]. Sie hat zum Ziel, die im Frühstadium bereits vorhandenen Mikrometastasen zu eliminieren, so ein Rezidiv zu verhindern und die Wahrscheinlichkeit einer Heilung zu erhöhen [20], [21]. Dabei sind neoadjuvante Chemotherapie vor der Primäroperation und adjuvante Chemotherapie danach hinsichtlich des Gesamtüberlebens vergleichbar. Auf dieser Grundlage empfiehlt die AGO, dass bei der Indikation für eine Chemotherapie eine neoadjuvante Gabe erwogen werden sollte [18].

Das relative 10-Jahres-Überleben an einem Mammakarzinom erkrankter Frauen liegt inzwischen bei 82%. Insgesamt nimmt die Sterblichkeit an Brustkrebs seit den 1990er-Jahren ab – dennoch stellt dieser noch immer ein relevantes Gesundheitsproblem in Deutschland dar [22]. Im Jahr 2013 erkrankten 71 640 Frauen neu daran, 17 853 Patientinnen verstarben. Für das Jahr 2020 liegt die Prognose des Robert Koch-Instituts bei 77 600 Neuerkrankungen [22].

Trotz aller Erfolge besteht daher noch immer ein relevanter medizinischer Bedarf für die Verbesserung der systemischen Therapie von Patientinnen mit einem frühen Mammakarzinom.

Dies lässt sich am Beispiel des HER2-positiven frühen Mammakarzinoms illustrieren. Die adjuvante Therapie mit Trastuzumab für 1 Jahr erreichte bei Patientinnen mit HER2-positivem frühem Mammakarzinom eine signifikante und deutliche Verbesserung des krankheitsfreien Überlebens (DFS) (Hazard Ratio [HR] 0,60; 95%-Konfidenzintervall [KI] 0,50 – 0,71, p < 0,00001) und des Gesamtüberlebens (OS) (HR 0,66; 95%-KI 0,57 – 0,77, p < 0,00001) [23]. Nach 10 Jahren hatten allerdings 25 – 31% der Frauen, die in den zulassungsrelevanten Studien eine adjuvante Therapie mit Trastuzumab erhalten hatten, ein Rezidiv entwickelt, davon etwa zwei Drittel Fernmetastasen als erstes Rezidiv. Bis zu 19% der Studienpatientinnen waren innerhalb dieser 10 Jahre verstorben [24] – [26]. Der Anteil der brustkrebsbedingten Todesfälle rangierte in den pivotalen Studien NCCTG 9831/NSABP B-31, BCIRG 006 und HERA je nach medianer Nachbeobachtungszeit von 72% nach 8,3 Jahren, 83% nach 10,3 Jahren bis 91% nach 11,0 Jahren (bezogen auf die Gesamtzahl an Todesfällen in den Therapiearmen der jeweiligen Safety-Population) [27].


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Standards der adjuvanten systemischen Therapie

Endokrine Therapie, Polychemotherapie und Anti-HER2-Therapie gelten als unstrittige Standards in der adjuvanten systemischen Therapie. Ihre Anwendung erfolgt abhängig vom Subtyp und von Risikofaktoren alleine, sequenziell oder in Kombination [14] – [19].

Adjuvante endokrine Therapie

Bei Patientinnen mit hormonrezeptorpositivem Mammakarzinom ist eine adjuvante endokrine Therapie indiziert [17], [18], [19]. Dieses Therapieprinzip wurde medikamentös mit Tamoxifen eingeführt. In der 1998 veröffentlichten Metaanalyse der Early Breast Cancer Trialistsʼ Group (EBCTCG) wurde dessen Effekt auf Basis der patientenindividuellen Daten von 37 000 Frauen aus 55 Studien untersucht. Nach Ausschluss der Daten der 8000 sogenannten ER-poor Patientinnen mit negativer oder geringer ER-Expression (< 10 fmol/mg zytosolischem Protein), zeigte die 5-jährige Therapie mit Tamoxifen eine proportionale Reduktion des Rezidivrisikos um 47% und des Mortalitätsrisikos um 26% [28]. Eine spätere Metaanalyse der EBCTCG auf der Basis der individuellen Daten von 10 386 Frauen mit ER-positiver Erkrankung berichtete absolute Verbesserungen nach 5, 10 und 15 Jahren mit 5-jähriger adjuvanter Tamoxifen-Therapie. Für die gesamte Population lagen sie für die Rezidivrate bei 11,4, 13,6 und 11,8%, für die Mortalitätsrate bei 3,5, 7,6 und 7,9% ([Tab. 1]) [29]. Bei gleicher relativer Risikoreduktion von 39% wurden mit Tamoxifen bei nodal-positiven Patienten höhere absolute Verbesserungen erreicht als bei nodal-negativen: nach 5 Jahren 16,1% im Vergleich zu 9,1% [29].

Tab. 1 Relative und absolute Reduktion von Rezidiv- und Mortalitätsrisiko beim frühen Mammakarzinom durch adjuvante endokrine Therapie [28], [29].

Intervention

Patienten (n)

Rezidive

Mortalität

nach 5 Jahren

nach 10 Jahren

relatives Risiko (95%-KI)

nach 5 Jahren

nach 10 Jahren

relatives Risiko (95%-KI)

Rate

absolute Differenz

Rate

absolute Differenz

Rate

absolute Differenz

Rate

absolute Differenz

Tamoxifen (Tam) vs. keine endokrine Therapie (ET) [28]

keine ET

10 386

26,5%

− 11,4%

38,3%

− 13,6%

13,9%

− 3,5%

30,7%

− 7,6%

5 Jahre Tam

15,1%

24,7%

10,4%

23,1%

Aromataseinhibitor (AI) vs. Tamoxifen [29]

5 Jahre Tam

9 885

12,1%

− 3,1%

22,7%

− 3,6%

0,80 (0,73 – 0,88)

9,4%

− 1,2%

24%

− 2,7%

0,89 (0,8 – 0,97)

5 Jahre AI

9,0%

19,1%

8,2%

21,3%

5 Jahre Tam

11 798

12,1%

− 2,6%

19,0%

− 2,0%

0,82 (0,75 – 0,91)

8,8%

− 1,7%

17,5%

− 2,9%

0,82 (0,73 – 0,91)

2 – 3 Jahre Tam → AI bis Jahr 5

9,5%

17,0%

7,1%

14,6%

Die Behandlung mit Aromatasehemmern, die für die endokrine Therapie von postmenopausalen Patientinnen empfohlen wird, ist eine Weiterentwicklung der adjuvanten endokrinen Therapie. Optionen sind die Gabe von Aromatasehemmern über 5 Jahre sowie die Therapie mit unterschiedlichen Sequenzen aus Tamoxifen und Aromatasehemmern (2 – 3 Jahre Tamoxifen gefolgt von Aromatasehemmer für insgesamt 5 Jahre, 2 – 3 Jahre Aromatasehemmer gefolgt von Tamoxifen für insgesamt 5 Jahre, 5 Jahre Tamoxifen gefolgt von 5 Jahren Aromatasehemmer) [17], [18]. Standard ist eine Therapiedauer von 5 Jahren. Eine erweiterte Therapie mit Aromatasehemmern über 5 Jahre endokrine Therapie hinaus erfolgt nach individueller Nutzen-Risiko-Abwägung [18].

Der zusätzliche Effekt von Aromatasehemmern gegenüber Tamoxifen wurde in der 2015 veröffentlichten Metaanalyse der EBCTCG auf Basis der Daten von 31 920 Patientinnen aus 9 Studien untersucht. Im Vergleich zu 5 Jahren adjuvanter Therapie mit Tamoxifen zeigte sich für die 5-jährige Therapie mit Aromatasehemmern eine relative Reduktion des Rezidivrisikos um 20% und des Mortalitätsrisikos um 11%. Die absoluten Verbesserungen der Rezidivrate betrugen nach 5 Jahren 3,1% und nach 10 Jahren 3,6%, die der Mortalitätsrate 1,2 und 2,7% ([Tab. 1]) [30]. Für die Sequenz Tamoxifen für 2 – 3 Jahre gefolgt von Aromatasehemmertherapie bis zum Jahr 5 zeigte sich im Vergleich zur 5-jährigen adjuvanten Tamoxifen-Therapie eine relative Reduktion des Rezidivrisikos und des Mortalitätsrisikos um jeweils 18%. Die absoluten Verbesserungen der Rezidivrate betrugen hier nach 5 Jahren 2,6% und nach 10 Jahren 2,0%, die der Mortalitätsrate 1,7 und 2,9% ([Tab. 1]) [30].

Bei gleicher relativer Risikoreduktion in den unterschiedlichen Subgruppen hingen die absoluten Verbesserungen von der vorliegenden Risikokonstellation ab. So reduzierten sich die 5-Jahres-Rezidivraten für Patientinnen mit nodal-negativer Erkrankung absolut um 1,2%, für Patientinnen mit 1 – 3 positiven Lymphknoten um 3,7% und für die Frauen mit mehr als 4 Lymphknoten um 6,4% [30].

Eine weitere Metaanalyse untersuchte den Effekt der Aromatasehemmer bei postmenopausalen Patientinnen auf der Basis publizierter Studiendaten. Sie berichtete signifikante Vorteile für DFS (HR 0,70; 95%-KI 0,63 – 0,77) und OS (HR 0,81; 95%-KI 0,71 – 0,93) für die 5-jährige adjuvante Sequenztherapie von Tamoxifen gefolgt von einem Aromatasehemmer gegenüber der 5-jährigen adjuvanten Therapie mit Tamoxifen. Für die erweiterte Therapie mit Aromatasehemmern nach 5 Jahren Tamoxifen-Therapie wurde in dieser Analyse ein signifikanter DFS-Vorteil (HR 0,62; 95%-KI 0,52 – 0,74), jedoch kein OS-Vorteil gezeigt (HR 0,87; 95%-KI 0,66 – 1,16) [31].


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Adjuvante Chemotherapie

Mit Ausnahme von Patientinnen mit HER2-negativer, hormonrezeptorpositiver Erkrankung und niedrigem Risiko besteht beim frühen Mammakarzinom die Option für eine Chemotherapie [14], [15], [18]. Die deutsche S3-Leitlinie beschreibt als Indikation für eine adjuvante Chemotherapie das Vorliegen eines HER2-positiven Tumors, eines endokrin nicht oder fraglich sensitiven Tumors, einer nodal-positiven Erkrankung, einem Grading G3 oder ein Alter der Patientin < 35 Jahre [17].

Mehrere Metaanalysen konnten zeigen, dass eine Polychemotherapie sowohl Rezidivrate als auch Gesamtüberleben signifikant verbessert. Unabhängig von Alter, Nodalstatus, Tumorgröße, Tumordifferenzierung, Östrogenrezeptorstatus oder adjuvanter Behandlung mit Tamoxifen zeigte sich eine signifikante relative Risikoreduktion [18], [19], [22]. Dabei unterschieden sich die absoluten Verbesserungen zwischen Patientinnen mit höherem und geringerem Grundrisiko [28], [29], [32].

Die Einführung der Kombination aus Cyclophosphamid, Methotrexat und 5-Fluorouracil (CMF) markiert den Beginn der Entwicklung der adjuvanten Polychemotherapie [33]. Der Effekt der Kombination wurde eingehend in der auf individuellen Daten von 100 000 Patientinnen beruhenden 2012 veröffentlichten Metaanalyse der EBCTCG untersucht. Das Rezidivrisiko von Patientinnen, die eine Chemotherapie mit CMF in Standarddosierung erhielten, verringerte sich proportional um 30% gegenüber dem von Patientinnen, die keine adjuvante Chemotherapie erhielten. Die absolute Verbesserung der Rezidivrate betrug 9,9% nach 5 Jahren und 10,2% nach 10 Jahren. Das Mortalitätsrisiko wurde proportional um 16% gesenkt mit absoluten Verbesserungen von 2,7 und 4,7% nach 5 und 10 Jahren ([Tab. 2]) [32].

Tab. 2 Relative und absolute Reduktion von Rezidiv- und Mortalitätsrisiko beim frühen Mammakarzinom durch adjuvante Polychemotherapie [30].

Intervention

Patienten (n)

Rezidive

Mortalität

nach 5 Jahren

nach 10 Jahren

relatives Risiko (95%-KI)

nach 5 Jahren

nach 10 Jahren

relatives Risiko (95%-KI)

Rate

absolute Differenz

Rate

absolute Differenz

Rate

absolute Differenz

Rate

absolute Differenz

C: Cyclophosphamid, M: Methotrexat, F: 5-Fluorouracil, N+: nodalpositive Patienten

Chemotherapie vs. keine Chemotherapie

keine Chemo

5 253 (N + 34%)

30,2%

− 9,9%

39,8%

− 10,2%

0,70 (0,63 – 0,77)

16,4%

− 2,7%

30,7%

− 4,7%

0,84 (0,76 – 0,93)

Standard CMF

20,3%

29,6%

13,7%

26,0%

Anthrazyklin (A) vs. CMF

Standard CMF

5 122 (N + 61%)

32,9%

− 0,5%

42,1%

− 1,1%

0,99 (0,90 – 1,08)

22,4%

− 0,6%

34,6%

− 1,2%

0,97 (0,89 – 1,07)

Standard 4AC

32,4%

41,0%

21,8%

33,4%

CMF

9 527 (N + 53%)

25,5%

− 3,2%

33,8%

− 2,6%

0,89 (0,82 – 0,96)

15,7%

− 2,9%

27,1%

− 3,9%

0,84 (0,76 – 0,92)

A höhere Kumulativdosis

22,3%

31,2%

12,8%

23,2%

Taxan (T) + Anthrazyklin vs. Anthrazyklin

nach 5 Jahren

nach 8 Jahren

nach 5 Jahren

nach 8 Jahren

A (More A)

33 084 (N + 82%)

22,0%

− 2,8%

0,86 (0,82 – 0,91)

12,4%

− 1,2%

0,90 (0,84 – 0,97)

TA

19,2%

11,2%

A (same A)

11 167 (N + 100%)

27,3%

− 3,6%

34,8%

− 4,6%

0,84 (0,78 – 0,91)

18,2%

− 1,9%

26,7%

− 3,2%

0,86 (0,79 – 0,93)

TA

23,7%

30,2%

16,3%

23,5%

Die adjuvante Polychemotherapie wurde zunächst mit der Einführung der Anthrazykline verbessert. Dieser Entwicklungsschritt wurde ebenfalls in der EBCTCG-Metaanalyse von 2012 analysiert. Im Vergleich zum Standard CMF erreichte das Anthrazyklin-Schema Doxorubicin und Cyclophosphamid (AC) keine überlegene Wirksamkeit ([Tab. 2]). Wurden Anthrazyklin-Schemata mit einer höheren Kumulativdosis gegen CMF verglichen, wurde eine relative Reduktion des Rezidivrisikos um 11% erreicht. Die absoluten Verbesserungen der Rezidivrate gegenüber CMF lagen bei 3,2% nach 5 Jahren und 2,6% nach 10 Jahren. Das übersetzte sich in eine relative Reduktion des Sterberisikos um 16% und in absolute Verbesserungen der Mortalitätsrate von 2,9% nach 5 Jahren und 3,9% nach 10 Jahren ([Tab. 2]) [32].

Die Hinzunahme von Taxanen stellt einen weiteren Entwicklungsschritt der adjuvanten Polychemotherapie dar. Eine anthrazyklin- und taxanbasierte Chemotherapie ist heute Standardbaustein der adjuvanten systemischen Therapie [14], [15], [16], [17], [18], [19].

Mehrere Metaanalysen haben den Stellenwert von Taxanen auf Basis publizierter und damit aggregierter Ergebnisse untersucht, mit ähnlichen Ergebnissen bezüglich der relativen Reduktionen von Rezidiv- und Mortalitätsrisiko [34] – [38]. Exemplarisch seien die Resultate der Cochrane-Metaanalyse angeführt, die 12 Studien mit insgesamt 21 191 Patienten einschloss. Diese fand für taxanhaltige gegenüber nicht taxanhaltigen adjuvanten Regimen eine signifikante Verbesserung von DFS (HR 0,81; 95%-KI 0,77 – 0,86) und OS (HR 0,81; 95%-KI 0,75 – 0,88). Es konnte keine Subgruppe identifiziert werden, die mehr oder weniger von der adjuvanten Taxangabe profitierte [35].

Die Metaanalyse der EBCTCG von 2012 untersuchte den Effekt der Taxane auf Basis patientenindividueller Daten. Danach erreichte die zusätzliche Gabe eines Taxans im Anschluss an eine Anthrazyklin-Kombination gegenüber der gleichen Anthrazyklin-Therapie ohne Taxan eine relative Reduktion des Rezidivrisikos um 16% und des Mortalitätsrisikos um 14%. Die absoluten Verbesserungen der Rezidivraten lagen nach 5 Jahren bei 3,6% und nach 8 Jahren bei 4,6%, die absoluten Verbesserungen der Mortalitätsrate bei 1,9% nach 5 Jahren und 3,2% nach 8 Jahren. Wurden Taxan-Anthrazyklin-Kombinationen gegen Anthrazyklin-Regime getestet, deren Zyklenzahl im Kontrollarm kompensatorisch gesteigert wurde, dann wurden relative Reduktionen des Rezidivrisikos von 14% und des Mortalitätsrisikos von 10% erreicht. Die absolute Verbesserung der Rezidivrate lag dabei nach 5 Jahren bei 2,8%, die der Mortalitätsrate bei 1,2% ([Tab. 2]) [32]. Im Vergleich zu den Ergebnissen der Patientinnen in dieser Metaanalyse, die keine adjuvante Chemotherapie erhielten, erreichte die moderne anthrazyklin- und taxanhaltige Chemotherapie absolute Verbesserungen der Rezidivrate 10,9% nach 5 Jahren und 17,2% nach 10 Jahren und der Mortalitätsrate von 6,8% bzw. 16,1% [32].


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Adjuvante Anti-HER2-Therapie

Bei Patientinnen mit HER2-positivem frühem Mammakarzinom ist nach den aktuellen klinischen Therapieleitlinien die adjuvante Therapie mit Trastuzumab für 1 Jahr indiziert. Bei nodal-negativer Erkrankung wird die Indikation in Abhängigkeit von der Tumorgröße definiert: nach einigen Leitlinien bereits ab einer Tumorgröße von > 5 mm [15], [16], [18] bei allen Leitlinien ab einer Größe von 1 cm [15], [16], [17], [18].

Die adjuvante zielgerichtete Therapie gegen HER2 wurde mit Trastuzumab eingeführt. Es liegen eine Reihe von Metaanalysen vor, darunter bisher allerdings keine auf Basis patientenindividueller Daten. Sie zeigen alle signifikante Steigerungen von DFS und OS durch die adjuvante Anti-HER2-Therapie mit Trastuzumab [39], [40], [41]. Die umfassendste Analyse stellt die Cochrane-Metaanalyse mit 8 Studien beim frühen HER2-positiven Brustkrebs dar. In dieser betrug die relative Reduktion des Rezidivrisikos für die Therapie mit Trastuzumab gegenüber der Therapie ohne Trastuzumab 40% (HR für DFS 0,60; 95%-KI 0,50 – 0,71) und die des Mortalitätsrisikos 34% (HR für OS 0,66; 95%-KI 0,57 – 0,77) [23]. Aus den Metaanalysen gibt es keine Angaben zu absoluten Verbesserungen. In den zulassungsrelevanten Studien lagen sie für DFS nach 5 Jahren bei 5,9 – 9% und nach 10 Jahren bei 5,1 – 11,5%, für OS nach 5 Jahren bei 2,4 – 5% und nach 10 Jahren bei 4,6 – 8,8% [24], [25], [26], [42], [43].


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Eskalation und Deeskalation der adjuvanten systemischen Therapie

Das Beispiel der Eskalation der adjuvanten systemischen Therapie in Form der dosisdichten Chemotherapie zeigt deutlich, dass die Höhe des zusätzlichen Nutzens einer neuen adjuvanten Therapie vom Basisrisiko der Patientinnen abhängt. Die dosisdichte Chemotherapie ist die Therapie der Wahl in der Hochrisiko-Subpopulation von Patientinnen mit frühem Mammakarzinom und hoher Tumorlast [18]. Es liegen bisher lediglich Metaanalysen auf Basis publizierter Daten vor [44], [45], [46], die konsistent einen Vorteil der dosisdichten gegenüber der konventionellen Chemotherapie zeigen. Die umfassendste Analyse mit insgesamt 17 188 Patientinnen aus 8 Studien berichtete eine relative Reduktion des Rezidivrisikos um 16% (DFS HR 0,84; 95%-KI 0,77 – 0,91) und des Mortalitätsrisikos um 14% (OS HR 0,86; 95%-KI 0,79 – 0,93) [46]. Dabei war das Risikoprofil der untersuchten Studienpopulationen unterschiedlich. In einzelnen Studien, in die Patientinnen mit einem besonders hohen Basisrisiko eingeschlossen wurden, war der Vorteil für die Patientinnen größer [47]. So wurden in die deutsche ETC-Studie nur Patientinnen mit mehr als 4 positiven Lymphknoten eingeschlossen [48], [49]. Deren Rezidivrisiko wurde mit intensivierter dosisdichter Chemotherapie gegenüber konventioneller Chemotherapie nach 5 bzw. 10 Jahren proportional um 28% bzw. 26% gesenkt; dies entspricht einem absoluten Benefit von 8% bzw. 9%. Das Mortalitätsrisiko der Patientinnen reduzierte sich nach 5 bzw. nach 10 Jahren proportional um 24% bzw. 28%, dies entspricht einem absoluten Zugewinn von 5 bzw. 10% [48], [49].

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass für Subgruppen von Patientinnen mit frühem Mammakarzinom aufgrund eines sehr geringen Rezidivrisikos eine Deeskalation der systemischen Therapie diskutiert oder bereits empfohlen wird [14], [18]. So betrugen in einer großen Phase-II-Studie, in der Patientinnen mit HER2-positivem frühem Mammakarzinom, negativem Nodalstatus und Tumoren < 3 cm eine deeskalierte Chemotherapie, d. h. lediglich Paclitaxel in Kombination mit Trastuzumab ohne zusätzliche Anthrazykline, erhielten, die 7-Jahres-Raten für DFS 93,3% (95%-KI 90,4 – 96,2%) und für das brustkrebsspezifische Überleben 98,6% (95%-KI 97,0 – 100%). Nur 1% der Patientinnen erkrankten an Fernmetastasen [50].


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Multigensignaturen

Eine Reihe von Multigensignaturen wurden mit dem Ziel entwickelt, Patientinnen mit frühem Mammakarzinom zu identifizieren, deren Prognose so günstig ist, dass der Verzicht auf eine adjuvante Chemotherapie diskutiert werden kann [51]. Nach den Empfehlungen der AGO können methodisch standardisierte und klinisch validierte Multigentests bei Frauen mit einem hormonrezeptorpositiven, HER2-negativen, nodal-negativen frühen Mammakarzinom bei der Entscheidung für oder gegen eine adjuvante Chemotherapie herangezogen werden, wenn die konventionellen Prognoseparameter einschließlich Ki-67 keine eindeutige Entscheidung erlauben [18]. Grundlage dieser Empfehlung sind Daten aus großen prospektiv-retrospektiven Studien und erste Ergebnisse prospektiver Studien [52], [53], [54], [55], [56], [57], [58], [59], [60], [61], [62], [63], [64], [65], [66], [67]. So betrug das 3-Jahres-DFS von Patientinnen mit frühem hormonrezeptorpositivem HER2-negativem Mammakarzinom und einem niedrigen Recurrence Score (RS) ≤ 11 mit rein endokriner Therapie auch ohne adjuvante Chemotherapie 98% [65]. Eine weitere Studie berichtete für Patientinnen mit hormonrezeptorpositiven, HER2-negativen und nodal-negativen Tumoren mit einem niedrigen RS (< 11) unter reiner endokriner Therapie nach 5 Jahren ein DFS von 93,8% und ein OS von 98% [66].


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Instrumente zur Beurteilung des klinischen Nutzens in der Onkologie

Die Definition des Begriffs klinischer Nutzen ist eine aktuelle Herausforderung für die Therapie des frühen Mammakarzinoms.

Es gibt verschiedene nationale Institutionen, die gesundheitsrelevante Technologien systematisch bewerten. Beispiele sind das National Institute for Health and Care Excellence (NICE) in Großbritannien, die Haute Autorité de Santé (HAS) in Frankreich oder der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) mit Unterstützung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit (IQWiG) in Deutschland. Am Ende der Bewertung durch NICE stehen indikationsunabhängige, normierte gesundheitsökonomische Kennzahlen wie QALY (lebensqualitätsadjustiertes Lebensjahr) und ICER (incremental cost-effectiveness ratio) [68]. HAS ermittelt unter Einbeziehung von Schwere der Erkrankung, Effektivität, Nebenwirkungen, therapeutischem Stellenwert im Vergleich mit anderen verfügbaren Therapien und Public Health Benefits einen sogenannten tatsächlichen klinischen Nutzen, der als nicht ausreichend oder ausreichend mit den 3 Kategorien niedrig, moderat und beträchtlich gewertet wird. Es wird ferner basierend auf einer vergleichenden Betrachtung von Effektivität und Sicherheit ein klinischer Zusatznutzen in den 5 Kategorien bedeutend, beträchtlich, moderat, gering und keine Verbesserung ermittelt. Kenngrößen, welche die Zuordnung zu den einzelnen Kategorien bedingen, werden nicht genannt [69]. Das IQWiG benennt konkrete Schwellenwerte in Form der oberen Grenzen der 95%-Konfidenzintervalle für das relative Risiko und formuliert daraus die Größe des Zusatznutzens in den Kategorien Mortalität, Morbidität, gesundheitsbezogene Lebensqualität und Nebenwirkungen. In diesen kann ein bedeutender (Wert für Gesamtmortalität < 0,85, für schwerwiegende Symptome, Nebenwirkungen und Lebensqualität > 0,75), beträchtlicher (Wert für Gesamtmortalität < 0,95, für schwerwiegende Symptome, Nebenwirkungen und Lebensqualität > 0,90, für nicht schwerwiegende Symptome und Nebenwirkungen < 0,80), geringer (Wert für Gesamtmortalität < 1,00, für schwerwiegende Symptome, Nebenwirkungen und Lebensqualität > 1,00, für nicht schwerwiegende Symptome und Nebenwirkungen < 0,90), kein oder geringerer Zusatznutzen erreicht werden, wobei aufgrund dieser Bewertungen dann eine Gesamtbewertung für den Zusatznutzen einer Intervention ausgesprochen wird [70]. Einen definierten Algorithmus für die Ermittlung dieses Zusatznutzens haben weder IQWiG noch G-BA veröffentlicht.

Die Bewertungsmethodik dieser und weiterer HTA-Institutionen erfolgt ohne Unterscheidung nach medizinischen Therapiegebieten. Spezifische Methoden oder Kenngrößen für die Bewertung systemischer onkologischer Therapien wenden sie nicht an [48], [49], [50].

In der jüngeren Vergangenheit entwickelten jedoch 2 renommierte medizinische Fachgesellschaften Instrumente, die zum Ziel haben, den klinischen Nutzen neuer systemischer onkologischer Therapien standardisiert und systematisch zu bewerten: das Value Framework der ASCO und die Medical Oncology Magnitude Clinical Benefit Scale (MCBS) der ESMO [1], [2].

Zur Beurteilung adjuvanter Therapien berücksichtigt ASCO für den Vergleich einer neuen Therapie gegenüber der Kontrolltherapie die Hazard Ratio für OS. Wurde diese nicht berichtet, wird die HR für DFS herangezogen. Je nach Größe wird die Hazard Ratio einer von 5 Kategorien zugeordnet. Daraus ergibt sich ein bestimmter Punktwert von maximal 80 Punkten. Eine Therapie mit einer HR für DFS > 0,85 wird dabei 0 Punkte, eine mit einer HR für DFS zwischen 0,84 und 0,71 15 Punkte und eine mit einer HR < 0,20 80 Punkte erreichen. Im 2. Schritt wird der Unterschied der beiden Therapien in Bezug auf Grad-3 – 5-Toxizität einer von 5 Kategorien zugeordnet, was wiederum einem bestimmten Punktwert von + 20 bei deutlich geringerer Toxizität bis − 20 bei deutlich höherer Toxizität entspricht. Der aus beiden Skalen resultierende Punktwert wird als Net Health Benefit (NHB) bezeichnet und kann maximal 100 Punkte betragen. Das Ergebnis wird lediglich deskriptiv als Punktzahl x von 100 maximal möglichen Punkten zusammen mit den Kosten des neuen Medikaments in den USA für die gesamte Therapie berichtet. Es werden keine Schwellenwerte für einen klinisch relevanten Nutzen definiert oder Wertungen vorgenommen [1].

Die ESMO hat die MCBS als Instrument zur Bestimmung des klinischen Nutzens neuer systemischer Therapien entwickelt und validiert. Im Gegensatz zum vorher beschriebenen Instrument wird hier eine Bewertung des klinischen Nutzens bezüglich klinischer Relevanz vorgenommen. Für adjuvante Therapien gibt es die drei Kategorien A, B, C, wobei Kategorie C bedeutet, dass kein klinisch relevanter Nutzen vorliegt. Die Einteilung erfolgt anhand von Vorteilen der neuen Therapie hinsichtlich der Endpunkte OS oder DFS, wenn ersteres nicht verfügbar. Toxizität, Lebensqualität und Therapiekosten werden dann in die Bewertung einbezogen, wenn für die neue Therapie Nichtunterlegenheit von OS und DFS gezeigt wurde ([Abb. 1]). Der höchste klinisch relevante Nutzen (Kategorie A) liegt vor, wenn die absolute Verbesserung der Mortalität nach mindestens 3 Jahren mehr als 5% beträgt. Bei unreifen OS-Daten muss zum Erreichen dieser Kategorie eine signifikante DFS-Verbesserung vorliegen, bei der das untere Ende des 95%-Konfidenzintervalls (KI) kleiner als 0,65 ist. Ein klinisch relevanter Nutzen der zweithöchsten Kategorie B wird bei einer absoluten Verbesserung der Mortalität nach mindestens 3 Jahren von 3 – 5% erreicht. Bei unreifen OS-Daten qualifiziert für das Erreichen der Kategorie B eine signifikante DFS-Verbesserung, bei der das untere Ende des 95%-KI 0,65 – 0,8 beträgt. Sind bei Non-Inferiority-Studien OS oder DFS der Kontrolle nicht unterlegen, muss entweder eine geringere Toxizität oder eine bessere Lebensqualität gemessen worden sein oder in der betreffenden Studie müssen geringere Therapiekosten berichtet worden sein, um einen klinisch relevanten Nutzen der Kategorie B zu erreichen [2].

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Abb. 1 ESMO Medical Oncology Magnitude of Clinical Benefit Scale (MCBS) – Bewertungskriterien für neue adjuvante, neoadjuvante und potenziell kurative Therapien [2].

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Zusammenfassung und Schlussfolgerungen

Das Ziel einer adjuvanten Therapie ist die weitere Verbesserung der kurativen Option.

Vor diesem Hintergrund erfolgt die Beurteilung des klinischen Nutzens einer adjuvanten Therapie bei frühem Brustkrebs maßgeblich anhand von Wirksamkeitsendpunkten, auch wenn Ergebnisse zu Toxizität und Lebensqualität in die Entscheidung für oder gegen eine bestimmte adjuvante Therapie einfließen.

Angesichts der heute erreichten reduzierten Mortalitätsrate lässt sich ein Vorteil im Gesamtüberleben erst nach einer langjährigen Beobachtungszeit nachweisen. Das krankheitsfreie Überleben, als Surrogatmarker für Gesamtüberleben akzeptiert [2], [71], [72], wird daher für die Beurteilung wichtiger [1], [2], [12], [13]. Daher ist im kurativen Setting ein Rückfall mit Wiederauftreten der Erkrankung per se ein relevantes Ereignis für die Patientinnen.

Für die Beurteilung des klinischen Nutzens einer neuen adjuvanten Therapie von Patientinnen mit frühem Mammakarzinom bietet die Orientierung an der Evidenz bestehender adjuvanter Therapiestandards einen guten Maßstab. Dabei ist zu beachten, dass sich ein Vorteil hinsichtlich des Rezidivrisikos für die etablierten adjuvanten Therapiemodalitäten erst nach 2 bis 3 Jahren Nachbeobachtung abzuzeichnen begann und sich dann weiter bis zum Jahr 5 steigerte [28] – [30], [32]. Die Einführung der Therapieprinzipien adjuvante endokrine Therapie, Polychemotherapie oder Anti-HER2-Therapie resultierte in einer Senkung des Rezidivrisikos um jeweils 30 – 50%. Dabei betrugen die absoluten Unterschiede in der Rezidivrate nach 5 Jahren bis zu 11,4% [23], [28], [29], [30], [32]. Aktuelle Therapiestandards wie die Chemotherapie mit Anthrazyklinen und Taxanen oder die endokrine Therapie mit Aromatasehemmern über 5 Jahre sind Weiterentwicklungen adjuvanter Therapieprinzipien. Mit ihnen wurden moderatere Reduktionen des Rezidivrisikos von 11 – 16% bzw. 18 – 30% erzielt. Die absoluten Verbesserungen nach 5 Jahren erreichten dann bis zu 3,6% [28], [29], [30], [31], [32]. Der MCBS der ESMO fordert Verbesserungen in ähnlichen Größenordnungen, zieht zur Bewertung des DFS jedoch nicht absolute Verbesserungen zu bestimmten Zeitpunkten, sondern die Hazard Ratio heran. Danach liegt ein klinischer Nutzen für eine neue adjuvante Therapie vor, wenn die untere Grenze des 95%-KI für DFS < 0,8 beträgt [2]. Nicht unerwähnt sollte bleiben, dass Verbesserungen in diesen Größenordnungen für Taxane und Aromataseinhibitoren Grundlage für die Zulassung und für die Aufnahme in Leitlinienempfehlungen waren [73], [74], [75].

Folgerichtig sollte neuen Medikamenten für die Behandlung von Patientinnen mit frühem Mammakarzinom ein klinischer Nutzen zugesprochen werden, wenn sie eine weitere Reduktion des Rezidivrisikos in einem auch von den heutigen Therapiestandards erreichten Ausmaß erzielen. Nach längerer Beobachtung sollte sich die Reduktion des Rezidivrisikos auch konkret in einen Überlebensvorteil übersetzen, ohne dass die Patientin durch Toxizitäten nachhaltig beeinträchtigt wird.

Am Ende ist die Frage der klinischen Relevanz einer neuen Therapie gemeinsam mit jeder Patientin individuell zu beantworten. Dabei ist die Bandbreite der Erwartungen groß. Das und eine hohe Diskrepanz in den Erwartungen von Patientinnen und Ärzten an den Nutzen adjuvanter Therapien zeigt unter anderem eine deutsche Studie, in der 2155 Patientinnen und 527 Ärzte befragt wurden. Ein Drittel der Patientinnen, aber auch ein beträchtlicher Anteil der Ärzte hatten unrealistische Annahmen bezüglich der erwarteten Steigerungen der 5-Jahres-Überlebensraten durch eine adjuvante Chemotherapie, endokrine Therapie oder Antikörpertherapie [76]. Gerade vor diesem Hintergrund ist es hilfreich für eine informierte Entscheidung, den zu erwartenden Nutzen im Kontext der Kenngrößen akzeptierter Therapiestandards zu betrachten.


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Aktualisierung (13. 11. 2017)

Zwischenzeitlich wurde eine aktualisierte Version 1.1 der ESMO MCBS veröffentlicht. Die Zuordnung des klinischen Nutzens neuer adjuvanter oder potenziell kurativer Therapien in Kategorie C erfolgt nun auch bei einer relativen Verbesserung der pathologischen Komplettremissionsrate (pCR), wenn primärer Studienendpunkt, um ≥ 30% sowie bei einer gleichzeitigen absoluten Steigerung der pCR um ≥ 15% in Studien ohne reife Überlebensdaten [Cherny NI, Dafni U, Bogaerts J et al. ESMO-Magnitude of Clinical Benefit Scale version 1.1. Ann Oncol 2017; 28: 2340–2366]. Alle sonst in dieser Übersichtsarbeit getroffenen Aussagen zur ESMO MCBS treffen weiterhin zu.


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Conflict of Interest/Interessenkonflikt

Volker Möbus was a consultant for Amgen, Celgene and Roche and has received consulting fees from Amgen and Celgene. Susanne Hell has received consulting fees from Genomic Health and is employed by Roche Pharma AG. Marcus Schmidt was a consultant for Astra Zeneca, Celgene, Eisai, Myriad, Novartis, Pfizer, Pierre-Fabre, Roche, Sividon and has also received consulting fees from these companies./
Volker Möbus war als Referent für Amgen, Celgene und Roche tätig und hat Beraterhonorare von Amgen und Celgene erhalten. Susanne Hell hat Beraterhonorare von Genomic Health erhalten und ist bei der Roche Pharma AG angestellt. Marcus Schmidt war als Referent für Astra Zeneca, Celgene, Eisai, Myriad, Novartis, Pfizer, Pierre-Fabre, Roche, Sividon tätig und hat von diesen Firmen auch Beraterhonorare erhalten.


Correspondence/Korrespondenzadresse

Prof. Dr. med. Volker Möbus
Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe
Klinikum Frankfurt-Höchst
Gotenstraße 6 – 8
65929 Frankfurt a. M.
Germany   


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Fig. 1 ESMO Medical Oncology Magnitude of Clinical Benefit Scale (MCBS): assessment criteria for new adjuvant, neoadjuvant and potentially curative therapies [2].
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Abb. 1 ESMO Medical Oncology Magnitude of Clinical Benefit Scale (MCBS) – Bewertungskriterien für neue adjuvante, neoadjuvante und potenziell kurative Therapien [2].