Pneumologie 2018; 72(03): 185-186
DOI: 10.1055/s-0043-120388
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Bringen inhalative Steroide ein erhöhtes Risiko für Mykobakteriosen mit sich?

Brode SK. et al.
The risk of mycobacterial infections associated wit inhaled corticosteroid use.

Eur Respir J 2017;
50: 17000037
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Publication Date:
07 March 2018 (online)

 

    Inhalative Steroide sind eine wesentliche Säule in der Asthmatherapie und werden auch bei der COPD häufig eingesetzt. Es ist bekannt, dass sie das Risiko für Pneumonien erhöhen; darüber hinaus können sie auch die Gefahr einer Tuberkulose steigern. Wenig bekannt ist dagegen darüber, wie es sich mit dem Risiko für pulmonale Infektionen mit nicht tuberkulösen Mykobakterien verhält. Eine Arbeitsgruppe um S.  K. Brode ging dieser Frage nun nach.


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    Die Autoren führten hierzu eine Populations-basierte Fall-Kontroll-Studie durch, für die sie verschiedene Datenbanken nutzten. Eingang in die Studienkohorte fanden alle Einwohner Ontarios, die zum Zeitpunkt 1. Januar 2001 mindestens 66 Jahre alt waren, an einer obstruktiven Lungenerkrankung (Asthma, COPD oder Asthma-COPD Overlap) litten und entsprechende Medikamente (inhalative Betamimetika, inhalative Anticholinergika, inhalative Kortikosteroide, orale Kortikosteroide oder Methylxanthine) verordnet bekommen hatten. Hierbei waren Patienten mit Tuberkulose (jeglicher Organbefall) und nicht tuberkulösen Mykobakteriosen (nur pulmonal) als Fälle definiert, denen jeweils bis zu vier angepasste Kontrollen gegenübergestellt wurden. Der Beobachtungszeitraum erstreckte sich bis zum 31. Dezember 2013. Die Autoren verglichen in der Folge den Gebrauch von inhalativen Steroiden bei Fällen und Kontrollen.

    Unter 417.494 Studienpatienten konnten sie 2966 mit einer nicht tuberkulösen Mykobakteriose und 327 mit einer Tuberkulose identifizieren, denen 11.851 bzw. 1308 Kontrollen gegenübergestellt wurden. Verglichen mit Patienten, die keine inhalativen Steroide benutzten, war der Gebrauch dieser Medikamente mit einem signifikant erhöhten Risiko für nicht tuberkulöse Mykobakteriosen assoziiert, einer angepassten Odds Ratio (OR) von 1,86 entsprechend. Hierbei zeigte sich eine statistische Signifikanz für Fluticason (OR 2,09), aber nicht für Budesonid (OR 1,19) oder andere Steroide (OR 1,29). Für die Tuberkulose ergab sich in der angepassten Analyse kein signifikant erhöhtes Risiko unter Medikation mit inhalativen Steroiden (OR 1,43).

    Fazit

    Bei Patienten mit obstruktiven Lungenerkrankungen zeigte sich der Gebrauch inhalativer Kortikosteroide mit einem erhöhten Risiko für pulmonale nicht tuberkulöse Mykobakteriosen assoziiert. Ärzte sollten dies nach Ansicht der Autoren berücksichtigen, wenn sie diesen Patienten Inhalativa verordnen und in einem solchen Fall die niedrigste effektive Dosis verwenden. Es wäre laut Autoren hilfreich, wenn zukünftige Studien Unterschiede zwischen verschiedenen Steroiden herausarbeiten würden.

    Dr. med. Johannes Weiß, Bad Kissingen

    Studien-Kommentar

    Die Arbeit von Brode und Kollegen bestätigt in eindrucksvoller Art und Weise, dass inhalative Steroide (Inhaled Corticosteroid, ICS), insbesondere Fluticason, dosisabhängig das Risiko, an einer Lungenerkrankung durch nicht tuberkulöse Mykobakterien (NTM-PD) zu erkranken, steigern [1]. Die Erkenntnis, dass der ICS-Einsatz mit einem erhöhten Risiko infektiöser Komplikationen assoziiert ist, ist nicht ganz neu. Bereits die „Towards a Revolution in COPD Health“-(TORCH)-Studie zeigte vor mehr als zehn Jahren ein erhöhtes Pneumonie-Risiko in der ICS-Behandlungsgruppe auf und gab damit den Anstoß für eine bis heute anhaltende wissenschaftliche Debatte zum rationalen Einsatz von ICS bei COPD [2, 3]. Andréjak und Kollegen zeigten in einer dänischen populationsbasierten Studie, dass das Risiko einer NTM-PD bei Patienten mit Asthma und COPD 10- bzw. 16-fach gesteigert war und unter ICS-Therapie dosisabhängig bis maximal 48-fach in der Gruppe mit hochdosierter ICS-Therapie anstieg [4]. Auch hier war der Einsatz von Fluticason im Vergleich zu Budesonid mit einem höheren Risiko einer NTM-PD assoziiert. Das höchste Risiko (188-fach) wiesen allerdings Patienten mit Bronchiektasen auf [4], die häufig bereits eine chronische Atemwegsinfektion, z. B. durch Pseudomonas aeruginosa, aufweisen. Dementsprechend empfiehlt die kürzlich erschienene Bronchiektasen-Leitlinie der European Respiratory Society (ERS) von einem pauschalen ICS-Einsatz bei Bronchiektasen abzusehen, wenn dieser nicht im Rahmen eines zusätzlich bestehenden Asthma bronchiale oder ggf. einer COPD angezeigt ist [5]. In Anbetracht der in Deutschland stetig ansteigenden Prävalenz der NTM-PD [6] und der im Vergleich zu Kontrollen erheblich gesteigerten Mortalität bei Patienten mit NTM-PD [7] sollte der Einsatz von ICS bei COPD grundsätzlich zurückhaltend, in der niedrigsten effektiven Dosis und unter Kontrolle der Sputum-Mikrobiologie erfolgen. Möglicherweise hilft die Bestimmung der peripheren Eosinophilenzahl COPD-Patienten zu identifizieren, die von einer ICS-Therapie profitieren. Von einer undifferenzierten ICS-Therapie obstruktiver Atemwegserkrankungen sollte aufgrund des erwiesenermaßen deutlich gesteigerten Risikos für akute und chronische, häufig schwierig zu behandelnde und prognostisch ungünstige Infektionen abgesehen werden.

    Autorinnen/Autoren

    Dr. med. Felix C. Ringshausen, Klinik für Pneumologie, Medizinische Hochschule Hannover, Carl-Neuberg-Straße 1, 30625 Hannover

    Literatur

    [1] Brode SK et al. The risk of mycobacterial infections associated with inhaled corticosteroid use. Eur Respir J 2017; 50

    [2] Calverley PM et al. Salmeterol and fluticasone propionate and survival in chronic obstructive pulmonary disease. N Engl J Med 2007; 356: 775 – 789

    [3] Chalmers JD, Keir HR. 10 years since TORCH: shining a new light on the risks of inhaled corticosteroids in COPD. Eur Respir J 2017; 50

    [4] Andrejak C et al. Chronic respiratory disease, inhaled corticosteroids and risk of non-tuberculous mycobacteriosis. Thorax 2013; 68: 256 – 262

    [5] Polverino E et al. European Respiratory Society guidelines for the management of adult bronchiectasis. Eur Respir J 2017; 50

    [6] Ringshausen FC et al. Prevalence of Nontuberculous Mycobacterial Pulmonary Disease, Germany, 2009 – 2014. Emerg Infect Dis 2016; 22: 1102 – 1105

    [7] Diel R et al. Burden of non-tuberculous mycobacterial pulmonary disease in Germany. Eur Respir J 2017; 49: 1602109


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