Einleitung
Eine Vielzahl synthetischer, aber auch natürlich vorkommende Substanzen können phototoxische
oder photoallergische Hautreaktionen verursachen, wenn sie vor einer UV-Exposition
entweder auf die Haut aufgetragen oder systemisch appliziert wurden. Da einige dieser
Stoffe sowohl phototoxische [1]
[2] als auch photoallergische Reaktionen verursachen können, werden diese Substanzen
unter dem Oberbegriff „Photosensibilisatoren“ (PS) zusammengefasst [3]. Obwohl die PS sich häufig auf molekularer Ebene deutlich unterscheiden, haben sie
aber eine Eigenschaft gemeinsam: Bestimmte Molekülanteile können Photonen absorbieren
und somit zusätzliche Energie, meist aus dem UV-A-Bereich, aufnehmen. Deshalb werden
PS auch „Chromophoren“ genannt. Weiterhin werden sie noch in exogene und endogene
PS unterschieden. Unter endogenen PS ([Tab. 1]) werden Stoffe zusammengefasst, die entweder systemisch appliziert werden ( z. B.
Medikamente) oder Agentien, die erst durch Stoffwechselstörungen im Körper selbst
entstehen (z. B. Protoporphyrin IX im Falle einer erythropoetischen Protoporphyrie)
[4]. Bei exogenen PS ([Tab. 2]) handelt es sich dagegen um körperfremde Substanzen, die ausschließlich durch einen
direkten Kontakt in die Haut gelangen [5].
Tab. 1
Endogene Photosensibilisatoren (Auswahl).
Diuretika
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Furosemid, Hydrochlorothiazid
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Lipid-Senker
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Fenofibrat, Clofibrat
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nichtsteroidale Antiphlogistika
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Benoxaprofen, Carprofen, Piroxicam, Tiaprofensäure,
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Neuroleptika
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Chlorpromazin, Promethazin
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Phytopharmaka
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Johanniskraut
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Photochemotherapeutika
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5-Methoxypsoralen, 8-Methoxypsoralen, Trimethylpsoralen
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Antiarrhythmika
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Amiodaron
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Antibiotika
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Ciprofloxacin, Norfloxacin, Chlortetracyclin, Doxycyclin, Minocyclin
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Tab. 2
Exogene Photosensibilisatoren (Auswahl).
Farbstoffe
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Akridin, Bengalrot, Eosin, Methylenblau, Thiazide, Toluidinblau
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polyzyklische Kohlenwasserstoffe
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Anthrazen, Fluoranthren, Teer
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Psoralene
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5-Methoxypsoralen, 8-Methoxypsoralen, Trimethylpsoralen
|
Die Energieaufnahme durch Photonenabsorption überführt die PS in einen energetisch
angeregten, sog. Singulett-Zustand. Durch die sich anschließende Abstrahlung oder
Übertragung der gewonnenen Energie auf andere Moleküle gelangt der Photosensibilisator
letztlich wieder in seinen energetischen Ausgangszustand zurück. Dabei kommt es während
dieses Energietransfers häufig zu direkten oder indirekten (phototoxischen) Schädigungen,
z. B. von Desoxyribonukleinsäuren, Proteinen, Lipiden, Lysosomen oder Zellmembranen.
Dabei auftretende sauerstoffvermittelte Reaktionen werden auch als photodynamische
Reaktionen bezeichnet [1].
Da solche Prozesse nicht immunologisch bedingt sind, können entsprechende Hautreaktionen
prinzipiell direkt nach dem erstmaligen Kontakt mit einem PS entstehen. Wenn sich
im Gegensatz dazu das energetisch angeregte Chromophor mit einem Protein innerhalb
der Haut verbindet, entsteht wahrscheinlich ein komplettes Antigen. Nach einer entsprechenden
immunologischen Sensibilisierungsphase kann sich dann eine Photoallergie entwickeln.
Deshalb kann sich im Unterschied zu einer phototoxischen eine photoallergische Dermatitis
frühestens nach einer Reexposition mit dem entsprechenden Photosensibilisator bzw.
mit dem sich erneut bildenden kompletten Antigen klinisch manifestieren [1]
[6].
Bereits geringe UV-Dosen (meist aus dem UV-A-Bereich) können in Kombination mit einem
PS häufig zu phototoxischen, seltener aber auch zu photoallergischen Dermatitiden
führen [7]
[8]
[9]
[10]
[11]
[12].
Basierend auf den Effloreszenzen und deren Wandel im Verlauf der Erkrankung konnten
typische Reaktionsverläufe eruiert werden, die die manchmal diffizile Unterscheidung
zwischen einer phototoxischen und photoallergischen Dermatitis erleichtern können
[2]
[13].
Phototoxische und photoallergische Reaktionen
Phototoxische und photoallergische Reaktionen
Durch endogene PS ausgelöste phototoxische oder photoallergische Dermatitiden betreffen
hauptsächlich nur zuvor lichtexponierte Hautareale. Häufig sind aber das Kinndreieck
(Kinnschatten) oder die Haut hinter den Ohren (Ohrschatten) sowie z. B. Hautfalten
innerhalb der Nackenregion ausgespart [14]
[15]. Obwohl sich der Hautbefund i. d. R. sehr typisch darstellt, kann im Einzelfall
eine Abgrenzung gegenüber einer durch bestimmte Pflanzen-Allergene verursachten aerogenen
Kontakdermatitis sehr schwierig sein [16]. Phototoxische sowie photoallergische Hautreaktionen sind meist ausschließlich auf
die Kontaktstellen mit der Haut begrenzt. Bei phototoxischen Kontaktdermatitiden weisen
die betroffenen Areale darüber hinaus oft ein streifiges, teils sogar bizarr konfiguriertes
Verteilungsmuster auf, wie bei phytophototoxischen Dermatitiden nach Kontakt mit bestimmten
Pflanzen, z. B. mit einer Bärenklau- oder Herkules-Staude ([Abb. 1]).
Abb. 1 Phototoxische Dermatitis nach Kontakt mit einer Bärenklau-Staude.
Typischerweise sind die Effloreszenzen bei einer photoallergischen Dermatitis mit
denen einer allergischen Kontaktdermatitis (Typ-IV-Reaktion) durchaus vergleichbar:
relativ unscharf begrenzte Erytheme mit Schuppung, auch in Kombination mit Papulovesikel
oder Blasen und häufig einhergehend mit einem ausgeprägten Juckreiz ([Tab. 3]).
Tab. 3
Charakteristika phototoxischer und photoallergischer Dermatitiden.
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Photoallergische Dermatitiden
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Phototoxische Dermatitiden
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relative Häufigkeit
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gering
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hoch
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Dosis-Abhängigkeit
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nein
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ja
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vorherige Exposition mit einem Photosensibilisator notwendig
|
ja
|
nein
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Zeitraum bis zum Beginn der Hautreaktionen
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Stunden/Tage
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Minuten/Stunden
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klinisch vergleichbare Dermatosen
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allergische Kontaktdermatitis
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Dermatitis solaris
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Dermatohistopathologie
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epidermale Spongiosis
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epidermale Nekrosen
dermale Inflammation
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Hyperpigmentierungen
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selten
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häufig
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Das Erscheinungsbild einer phototoxischen Dermatitis ähnelt eher dem einer Dermatitis
solaris. Auch hierbei kann es zu Vesikel- bzw. Blasenbildungen kommen, aber im Vordergrund
stehen v. a. flächenhafte, ödematöse Erytheme ([Abb. 2]) und brennende Schmerzen [10]
[11]
[14]. Des Weiteren führen bestimmte PS wie z. B. Amiodaron oder Tetrazykline häufig zu
postinflammatorischen Hyperpigmentierungen. Besonders langfristig persistierende Hyperpigmentierungen
entstehen v. a. nach Kontakt mit Furocumarinen, die in bestimmten Pflanzen wie im
Riesen-Bärenklau (Heracleum mantegazzianum) oder im Wiesen-Bärenklau (Heracleum sphondylium)
([Abb. 1]) oder auch in Früchten wie Bergamotten, Zitronen oder Grapefruit enthalten sind.
So kann z. B. Bergamottöl in Parfüms eine phototoxische Kontaktreaktion, auch Berloque-Dermatitis
genannt, verursachen, die mit derartigen, langanhaltenden und sehr ausgeprägten Hyperpigmentierungen
abheilt [17]. Des Weiteren unterscheiden sich phototoxische Reaktionen in Abhängigkeit von dem
jeweiligen Photosensibilisator klinisch durch charakteristische Verläufe [13]
[14]
[18]
[19]:
Abb. 2 Phototoxische Dermatitis nach einer Nachtkerzenöl-Massage gefolgt von einen Solarium-Besuch
in einem „Wellness-Center“.
Sofortige oder verzögerte urtikarielle Reaktion
Sofortige oder verzögerte urtikarielle Reaktion
Bereits während UV-Exposition kommt es zu stechenden, brennenden Schmerzen („smarting“)
in Kombination mit sofortigen oder verzögert auftretenden urtikariellen Erythemen,
z. B. ausgelöst durch Amiodaron, Anthrachinon-Farbstoffe, Benoxaprofen, Chlorpromazin
oder Teer.
Verstärkte sonnenbrandähnliche Reaktion
Verstärkte sonnenbrandähnliche Reaktion
Klinisch entspricht dieser Reaktionstyp einer Dermatitis solaris, zeigt aber einen
protrahierten Verlauf bis hin zu mehreren Tagen. Bei Amiodaron, Chinidin, Chinolon,
Chlorpromazin, Hydrochlorthiazid, Dimethylchlortetracyclin oder Tetracyclin wurde
dieses Muster beobachtet.
Verzögerte Reaktion mit Erythem und Blasenbildung
Verzögerte Reaktion mit Erythem und Blasenbildung
Bei diesem Reaktionsverlauf treten die Effloreszenzen erst Stunden bis mehrere Tage
nach Exposition mit einem PS (8-Methoxypsoralen, Trimethylpsoralen, Bergapten) und
einer konsekutiven Bestrahlung auf. Klinisch zeichnet sich dieser Reaktionstyp durch
flächenhafte, ödematöse Erytheme aus, begleitet oft von brennenden Schmerzen und einer
Blasenbildung.
Porphyrie-ähnliche Hautveränderungen (Pseudoporphyrie)
Porphyrie-ähnliche Hautveränderungen (Pseudoporphyrie)
Dieser Reaktionstyp zeichnet sich durch leichte Verletzlichkeit der Haut und Blasenbildung
nach minimalen Traumata aus [20].
Diese phototoxischen Reaktionen werden z. B. durch Nalidixinsäure, Furosemid, Tetracycline,
Naproxen oder Amiodaron hervorgerufen.
Bei photoallergischen Hautveränderungen handelt es sich oft um eine photoallergische
Kontaktdermatitis ([Tab. 3]), wesentlich seltener liegt dem Krankheitsbild eine systemisch erworbene Photosensibilisierung
zugrunde [14]
[21].
Klinisch ist der Hautbefund im Allgemeinen durchaus mit dem einer allein kontaktallergisch
bedingten Dermatitis (Typ-IV-Reaktion nach Coombs und Gell) vergleichbar ([Abb. 3]).
Abb. 3 Photoallergische Reaktion auf das Diuretikum Chlorthalidon.
Meistens bildet sich anfangs ein Erythem mit Infiltrat aus, häufig gefolgt von Papulovesikeln
und Blasen sowie einem intensiven Pruritus. Im Gegensatz zu den bei phototoxischen
Dermatitiden häufig zu beobachtenden Decrescendo-artigen Reaktionsverläufen entspricht
der klinische Verlauf von photoallergischen Reaktionen eher einem zeitlich verzögerten
Crescendo-artigen Reaktionsmuster.
Multizentrische Studien haben diese Reaktionsmuster mittlerweile eindrucksvoll bestätigt
[2]
[13]. Darüber hinaus fand sich ein weiteres, kombiniertes Reaktionsmuster, zusammengesetzt
aus einem initialen Decrescendo-artigen und einem sich anschließenden Cescrendo-artigen
Reaktionsverlauf. Zu den PS, die potenziell ein solches kombiniertes Reaktionsmuster
verursachen können, also eine Kombination aus einem phototoxischen und einem photoallergischen
Reaktionsverlauf, gehört z. B. Tetrachlorsalycylanilid [2].
Photopatch-Test
Während sich bei phototoxischen Dermatitiden die Ermittlung eines dafür verantwortlichen
PS i. d. R. recht problemlos darstellt, kann sich bei einer photoallergischen Reaktion
ein entsprechender Nachweis sehr problematisch gestalten. Hierbei hat sich der Photopatch-Test,
eine belichtete Variante des herkömmlichen Epikutan-Testes, als sehr nützliche Screening-Methode
zur Identifizierung auslösender Agentien bewährt.
Photoprick-, Photoscratch- und belichteter Intrakutantest
Photoprick-, Photoscratch- und belichteter Intrakutantest
Um PS nachzuweisen, die wegen unzureichender Penetrations-Eigenschaften die Haut-Barriere,
das Stratum corneum, nicht oder nicht hinreichend durchdringen können, stehen weitere
Test-Verfahren wie der Photoprick- oder -scratchtest zur Verfügung [22]
[23]
[24]. Hierbei wird zur Überwindung der Barriere zunächst der fragliche PS auf die Haut
aufgetragen und diese anschließend mit einer sterilen Nadel oder einer Lanzette angeritzt
(„pricking“) oder angekratzt („scratching“). Alternativ kann die Testsubstanz auch
injiziert werden, um ungehindert in tiefere Hautschichten eindringen zu können. Diese
Verfahrensweise wird dann „belichteter Intrakutantest“ genannt. Allen drei Verfahren
ist gemeinsam, dass die Testareale nachfolgend mit UVA-Licht bestrahlt werden [25]
[26]
[27].
Systemische Photoprovokation
Systemische Photoprovokation
Ist ein Stoffwechselprodukt (Metabolit) der eigentlich verursachende Photosensibilisator,
kommt eine systemische Photoprovokation als Nachweisverfahren in Betracht. Nach Applikation
der jeweiligen Testsubstanz werden anschließend mehrere Hautareale zu unterschiedlichen
Zeitpunkten mit UV-A bestrahlt. Die jeweiligen Bestrahlungsintervalle sollten sich
dabei an der Pharmakokinetik bzw. dem Blutplasmaspiegel der jeweiligen Testsubstanz
orientieren [28]
[29]. Die Testreaktionen sollten möglichst sofort nach Bestrahlung und an den folgenden
Tagen dokumentiert werden.
Um in Zukunft die Inzidenz von UV-induzierten Dermatitiden zu minimieren, sollten
Ärzte und Apotheker nach Verordnung potenzieller Photosensibilisatoren ihre Patienten
über die damit einhergehenden Risiken und mögliche Nebenwirkungen ausführlich informieren
[30]
[31]
[32]. Darüber hinaus sollte in Produktbeschreibungen und Fachinformationen z. B. in Beipackzetteln
unübersehbar auf derartige Gefahren nachdrücklich hingewiesen werden.
Sollte eine lokale Anwendung oder systemische Gabe derartiger Agentien jedoch nicht
vermeidbar sein, so kommt neben einer möglichst konsequenten UV-Karenz eine lichtdichte
Kleidung sowie der Einsatz von entsprechenden Sonnenschutzmitteln mit einem hohen
UV-A-Schutz in Betracht, um eine phototoxische oder photoallergische Dermatitis zu
vermeiden [33]. In diesem Zusammenhang kann insbesondere die Therapie mit bestimmten Biologika
(z. B. Verumafenib, Dabrafenib) eine große dermatologische Herausforderung darstellen
[34].