Zusammenfassung
Einleitung Männer, die die Diagnose „lokal begrenztes Prostatakarzinom“ erhalten, müssen eine
Entscheidung zwischen Behandlungsstrategien treffen, die sich in ihren Nebenwirkungen
erheblich unterscheiden und langfristig sehr unterschiedliche Anforderungen an die
Krankheitsbewältigung stellen. Ziel dieser Studie war zu beschreiben, wie Männer ihre
Therapieentscheidung im Nachhinein wahrnehmen und welche Bewältigungsstrategien sie
einsetzen.
Material & Methoden Fünfzehn Männer (Alter M=67,13±9,38 Jahre) mit der Diagnose lokal begrenztes Prostatakarzinom
nahmen an drei Fokusgruppen teil, die nach Behandlungsstrategie (radikale Prostatektomie,
Radiotherapie, aktive Überwachung) zusammengestellt wurden. Ein Interviewleitfaden
strukturierte die Fokusgruppendiskussionen. In Analogie zu dem Leitfaden wurde das
Material in einem ersten Schritt deduktiv sortiert; in einem zweiten Schritt wurden
Unterkategorien induktiv aus dem Material heraus entwickelt.
Ergebnisse Die Inhaltsanalyse ergab vier Kernthemen: (1) Die Diagnosemitteilung und die damit
verbundenen Reaktionen. (2) Der Prozess der Entscheidungsfindung, bei dem der wahrgenommene
Zeitdruck besonders herausgestellt wurde. (3) Die Bewältigungsstrategien im Umgang
mit der Erkrankung, die ein breites Spektrum zeigten: hier waren Ablenkung, Informationssuche
und Lebensstiländerungen zentral. (4) Die Wahrnehmung der Erkrankung über die Zeit.
Männer unter aktiver Überwachung hoben die Bedeutung der Entschleunigung für ihre
Entscheidungsfindung sowie die Rolle von Lebensstiländerungen besonders hervor.
Diskussion Die Art und Weise der Aufklärung ist auch lange Zeit nach der Diagnosemitteilung
noch sehr präsent. Möglicherweise würden sich durch eine Abnahme des Zeitdrucks und
eine Entschleunigung mehr Männer für ein abwartendes Vorgehen entscheiden. Lebensstiländerungen
könnten insbesondere Männern, die sich für aktive Überwachung entscheiden, helfen,
das Gefühl des „Nichts-Tuns“ zu überwinden und ein Gefühl der Kontrolle zu erhalten.
Schlussfolgerung Angesichts der Vielfalt der möglichen Behandlungsstrategien wird eine Handlungsethik
benötigt, die dem Bedürfnis nach einer individuellen und präferenzsensitiven Entscheidung
gerecht wird.
Abstract
Background Men diagnosed with localized prostate cancer must make a choice between treatment
strategies that differ considerably in their side effects and have different long-term
requirements for coping with the disease. The aim of this study was to describe how
men perceive their treatment decision retrospectively and which coping strategies
they use.
Material & Methods Fifteen men (age mean=67.13±9.38 years) diagnosed with localized prostate cancer
participated in three focus groups, grouped according to the treatment strategies
radical prostatectomy, radiotherapy, and active surveillance. An interview guide structured
the focus group discussions. In analogy to the structured interview, the material
was deductively sorted in a first step; in a second step, sub-categories were developed
inductively from the material.
Results The content analysis revealed four particularly relevant topics: (1) The communication
of the diagnosis and the associated reactions. (2) The decision-making process and
the perceived time pressure. (3) The coping strategies, which showed a broad spectrum
ranging from distraction and information search to lifestyle changes. (4) The perception
of the disease over time. In particular men under active surveillance highlighted
the importance of deceleration in their decision making and the role of lifestyle
changes.
Discussion The time of the diagnosis is still very much present even a long time after the diagnosis
has been communicated. It is possible that a decrease in time pressure and deceleration
would lead to more men deciding in favor of an observational strategy. Lifestyle changes
could especially help men who choose active surveillance to overcome the feeling of
“doing nothing” and gain a sense of control.
Conclusion In view of the variety of possible treatment strategies, an ethic of action is required
that meets the need for an individual and preference-sensitive decision.
Schlüsselwörter
Entscheidungsfindung - Krankheitsverarbeitung - Bewältigungsstrategien - Aktive Überwachung
- Prostatakarzinom
Key words
decision making - coping with illness - coping strategies - active surveillance -
prostate cancer