Pneumologie 2018; 72(07): 485-486
DOI: 10.1055/s-0043-124403
Pneumo-Fokus
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MERS: Kortikosteroidtherapie verzögert die Zeit bis zur Virus-RNA-Elimination

Arabi YM. et al.
Corticosteroid Therapy for Critically ill Patients with the Middle East Respiratory Syndrome.

Am J Respir Crit Care Med 2017;
DOI: 10.1164/rccm.201706-1172OC.
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Publication History

Publication Date:
10 July 2018 (online)

 

Gegen Infektionen mit dem Middle East Respiratory Syndrome Coronavirus (MERS-CoV) existiert bislang keine spezifische Therapie. Der Effekt der eingesetzten Kortikosteroide ist nicht gut untersucht und wird oft verzerrt beurteilt. Arabi et al. analysierten die Mortalität und Viruselimination bei intensivpflichtigen Patienten unter Berücksichtigung häufiger Verzerrungsfaktoren.


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Bei den beachteten Faktoren handelte es sich um den „immortal-time bias“ und Indikations-Bias. Ersterer tritt ein, wenn Patienten in einem bestimmten Zeitraum überleben müssen, um eine Intervention zu erhalten. Ein Indikations-Bias entsteht u. a. dann, wenn nur der klinische Zustand zur Aufnahme auf die Intensivstation, nicht aber zum Zeitpunkt der Indikation/des Beginns einer Kortikosteroidtherapie erfasst wird. Diesen Einfluss zeitabhängiger Störfaktoren berechnete die Arbeitsgruppe mit dem „marginal structural model“ (MSM).

In die restrospektive Studie wurden MERS-Patienten aus 14 saudi-arabischen Kliniken aufgenommen. Patienten mit chronischer Kortikosteroidtherapie vor Einsetzen des intensivpflichtigen Zustands waren ausgeschlossen. Die CoV-Elimination kontrollierten die behandelnden Ärzte 1 – 2 pro Woche. Zur Bewertung der Krankheitsschwere bewerteten die Studienautoren Veränderungen im Organversagen (Sequential Organ Failure Assessment, SOFA) sowie Laborbefunde und Beatmungsparameter am Tag 1, 3, 7, 14 und 28 nach Aufnahme auf die Intensivstation. Primärer Endpunkt war die 90-Tages-Gesamtsterblichkeit und die sekundären Endpunkte bestanden in der Krankenhaus-/Intensivstations-Mortalität, Länge des Aufenthaltes auf der Intensivstation und im Krankenhaus.

Ergebnisse

Insgesamt standen Daten von 309 MERS-Patienten zur Verfügung. 48,9 % erhielten Steroide; die Patienten wiesen gegenüber den nicht mit diesen Medikamenten Behandelten häufiger mehr Komorbiditäten auf (87,4 % vs. 72,8 %). Die Steroidtherapie begann 3 Tage nach Aufnahme auf die Intensivstation mit einer maximalen Dosis von 300 mg Hydrokortisonäquivalent über 7 Tage (jeweils Medianwerte). Die Patienten der Steroidgruppe erhielten häufiger invasivere Beatmungen, Hochfrequenzbeatmung, Stickoxide, neuromuskuläre Blocker, Vasopressoren, Bluttransfusionen, Nierenersatztherapie, Ribavirin und Interferon. Sie blieben länger auf der Intensivstation (12,5 vs. 7 Tage) und im Krankenhaus insgesamt (21 vs. 15 Tage).

Während die multivariable logistische Regressionsanalyse eine höhere 90-Tages-Mortalität in der Steroidgruppe ergab (adjustiertes Odds Ratio 1,87), waren die Mortalitätsunterschiede nach der MSM-Methode nicht signifikant (adjustiertes Hazard Ratio [aHR] 1,20). Die CoV-Elimination unterschied sich entsprechend einer ersten Analyse zwischen der Steroidgruppe und nicht mit Steroiden Behandelten nicht signifikant. Nach der MSM-Analyse verlängerte eine Steroidtherapie die Zeit bis Viruselimination deutlich um 65 % (aHR 0,35).

Fazit

Werden zeitabhängige Störfaktoren berücksichtigt, erhöht die Therapie mit Kortikosteroiden bei MERS-Patienten nicht die 90-Tages-Mortalität. Dagegen verlängert sich die Zeit bis zur Viruselimination deutlich. Allerdings betonen die Autoren, dass anhaltend positive MERS-CoV-RNA-Nachweise nicht notwendigerweise auf anhaltende Ausscheidungen lebender Viren hinweisen.

Matthias Manych, Berlin


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