Pneumologie 2018; 72(02): 96-97
DOI: 10.1055/s-0043-124799
Pneumo-Fokus
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Keratinozyten-Wachstumsfaktor bei ARDS ohne Erfolg

McAuley DF. et al.
Keratinocyte growth factor for the treatment of the acute respiratory distress syndrome (KARE): a randomised, double-blind, placebo-controlled phase 2 trial.

Lancet Respir Med 2017;
5: 484-491
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Publication Date:
20 February 2018 (online)

 

    Ein akutes Atemnotsyndrom (acute respiratory distress syndrome, ARDS) geht immer noch mit einer hohen Letalität einher, und gesicherte Therapien stehen derzeit nicht zur Verfügung. Britische Mediziner haben nun einen neuen Ansatz getestet, der direkt in die Pathogenese des ARDS eingreifen soll.


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    Ein akutes Atemnotsyndrom (acute respiratory distress syndrome, ARDS) geht immer noch mit einer hohen Letalität einher, und gesicherte Therapien stehen derzeit nicht zur Verfügung. Britische Mediziner haben nun einen neuen Ansatz getestet, der direkt in die Pathogenese des ARDS eingreifen soll.

    Die Arbeitsgruppe um Daniel McAuley hat die Gabe von Keratinozyten-Wachstumsfaktor (keratinocyte growth factor, KGF) bei Patienten mit ARDS untersucht. Dem liegt die Tatsache zugrunde, dass in der Pathogenese des ARDS entzündliche Veränderungen des Alveolarepithels eine wesentliche Rolle spielen. Umgekehrt geht eine verbesserte Funktion des Epithels mit der Rückbildung des Lungenödems einher, wie Tierexperimente und Ex-vivo-Lungenmodelle gezeigt haben. Daher liegt es nahe, eine Erholung des Epithels mit KGF zu versuchen. Bei dem hier eingesetzten rekombinanten KGF (Palifermin) handelt es sich um ein Peptid aus 23 Aminosäuren, das der Sequenz im Stamm des natürlichen humanen KGF entspricht.

    Die Wissenschaftler nahmen zwischen Februar 2011 und Februar 2016 in 2 Erwachsenen-Intensivstationen in Nordirland insgesamt 60 Patienten in eine randomisierte, Placebo-kontrollierte Phase-II-Doppelblindstudie auf. Eingeschlossen wurden maschinell beatmete Patienten mit gesichertem ARDS nach den Kriterien der American-European Consensus Conference, das seit maximal 48 h, bzw. nach einer Protokollerweiterung maximal 72 h, bestand. Zusätzlich musste das Verhältnis des arteriellen Sauerstoffpartialdrucks (paO2) zu inspiratorischen Sauerstofffraktion (FiO2) ≤ 40 kPa (300 mmHg) liegen.

    Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip 1 von 2 Behandlungsgruppen zugewiesen:

    • Gabe von Palifermin 60μg/kg als Bolus i.v. 1-mal pro Tag über bis zu 6 Tage (n = 29) oder

    • 0,9%ige Kochsalzlösung i.v. über den gleichen Zeitraum (n = 31).

    Als primären Endpunkt beurteilten die Wissenschaftler den Oxygenierungsindex an Tag 7, wobei der Index im angloamerikanischen Raum – anders als im deutschen – noch den mittleren Beatmungsdruck (pAW) berücksichtigt und sich berechnet als FiO2 × pAW/paO2. Sekundäre Endpunkte umfassten das Verhältnis paO2/FiO2 an den Tagen 3 und 14, Lungen-Compliance und Veränderungen der Werte im Sequential Organs Failure Assessment (SOFA).

    Die Ausgangsparameter zwischen den beiden Gruppen waren vergleichbar, mit Ausnahme eines höheren PEEP und eines höheren Oxygenierungsindex und eines geringeren Werts von paO2/FiO2 in der Placebogruppe. Hauptursache des ARDS waren Pneumonie, Aspiration und Sepsis. Die Auswertung für den primären Endpunkt ergab keinen signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen,

    • mit einem Oxygenierungsindex nach obiger Definition von 62,3 in der KGF-Gruppe und von

    • 43,1 in der Placebogruppe.

    An Tag 14 lag der Oxygenierungsindex demgegenüber in der Placebogruppe signifikant niedriger (= besser) als in der KGF-Gruppe (30,1 vs. 59,4). Compliance, Verhältnis von paO2/FiO2 und SOFA-Werte waren bis Tag 14 zwischen den beiden Gruppen vergleichbar.

    Außerdem fiel den Medizinern auf, dass Patienten in der KGF-Gruppe signifikant länger beatmet werden mussten (beatmungsfreie Tag(e) 1 vs. 20 in der Placebogruppe) und die Sterblichkeit in der KGF-Gruppe bis Tag 28 bzw. Tag 90 höher war (31 % vs. 10 % bzw. 45 % vs. 16 %). Nach 1 Jahr war der Unterschied der Sterblichkeit dagegen nicht mehr signifikant, auch wenn sie nach KGF numerisch immer noch höher war (52 % vs. 26 %).

    Unerwünschte Wirkungen traten in der KGF-Gruppe häufiger auf (14 vs. 5 Ereignisse); allerdings wurden nur 2 davon als mit der Studienmedikation zusammenhängend beurteilt (Fieberreaktionen).

    Fazit

    Bei ARDS lässt sich demnach mit Keratinozyten-Wachstumsfaktor also kein therapeutischer Vorteil erreichen, fassen die Autoren zusammen. Im Gegenteil, er könnte sich für die Patienten sogar negativ auswirken, wie höhere Sterblichkeit und längere Beatmungsdauer nahelegen. Da es sich dabei aber nicht um nicht präspezifizierte Endpunkte handelt und die Studie für die Sicherung dieser Unterschiede nicht ausreichend gepowert war, müssen diese Ergebnisse zunächst zurückhaltend interpretiert werden.

    Dr. Elke Ruchalla, Bad Dürrheim


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