Hintergrund Humane Infektionen durch pathogene Nicht-Cholera-Vibrionen haben in den letzten Jahren
aufgrund der zunehmenden Erwärmung der Meerwassertemperatur an Bedeutung gewonnen.
Die Prävalenz von Nicht-Cholera-Vibrionen im Meerwasser hängt unter anderen von der
Temperatur sowie dem Salzgehalt des Wassers ab. Infektionen erfolgen in der Regel
entweder über den Konsum von kontaminierten Meeresfrüchten, Austern sowie Fisch oder
durch direkten Kontakt von kontaminiertem Meerwasser mit der nicht intakten Haut.
Seit 01.03.2020 besteht in Deutschland für Labore eine namentliche Meldepflicht für
alle Infektionen mit humanpathogenen Vibrio spp., sofern der Nachweis auf eine akute
Infektion hinweist.
Im Sommer 2022 wurden in Baden-Württemberg erstmals seit der Einführung der Meldepflicht
Nachweise von V. alginolyticus gemeldet.
Methoden Deskriptive Auswertung und Analyse der nach dem Infektionsschutzgesetz übermittelten
V. alginolyticus Nachweisen in Baden-Württemberg nach Alter, Geschlecht, klinischen Angaben und Expositionsrisiken.
Ergebnisse Im Jahr 2022 wurden fünf V. alginolyticus Infektionen gemeldet. In den Vorjahren (2020 und 2021) keine. Vier der fünf Fälle
waren älter als 60 Jahre, eine Person war 10 Jahre alt (Median 73 Jahre). Vier der
fünf Fälle sind männliche Personen. Alle Fälle hatten Wundinfektionen an Beinen oder
Rumpf, zwei Personen zeigten zusätzlich Fieber und grippeähnliche Symptome. Ein männlicher
Fall (74 Jahre) war aufgrund der gemeldeten Krankheit hospitalisiert; kein Fall ist
an der gemeldeten Infektion verstorben. Eine der fünf Personen gab Kontakt auf Lanzarote
zu Meer-oder Brackwasser an, bei drei Personen lagen keine Angaben hierzu vor. Bei
einer Person wurde der Kontakt zu Meer-oder Brackwasser verneint: der Fall (10 Jahre,
männlich) war nach einem Italienaufenthalt (Urlaub im Landesinneren) erkrankt und
gab lediglich den Verzehr von konserviertem Dosen-Fisch an.
Diskussion und Schlussfolgerung Erstmals wurden in Baden-Württemberg mehrere Fälle von V. alginolyticus gemeldet. Die Folgen des Klimawandels und dem daraus resultierenden Anstieg der Meerestemperatur
in den gemäßigten Breiten, wie beispielsweise der Nord- und Ostsee, kann zu einem
zunehmenden Expositionsrisiko gegenüber Nicht-Cholera-Vibrionen führen. Die Einführung
einer eigenständigen Meldekategorie für Nicht-Cholera-Vibrionen ist daher ein wichtiger
Schritt um die Sensitivität der Erfassung zu erhöhen. Bei der Ermittlungsarbeit der
Gesundheitsämter muss nun zukünftig die Abfrage der Expositionsrisiken intensiviert
werden.
Es handelt sich um ein noch seltenes und wenig bekanntes Krankheitsbild. Zu den typischen
Risikogruppen zählen ältere Personen mit Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus, Leber-oder
Herz- oder Krebserkrankungen, bei denen auch schwere Krankheitsverläufe auftreten
können. Eine Aufklärung und Sensibilisierung von Risikogruppen und behandelnden Ärzten
scheint besonders vor den Sommer- und Bademonaten sinnvoll.