Thorac Cardiovasc Surg 2023; 71(S 03): S107-S136
DOI: 10.1055/s-0043-1763500
Leitlinie AWMF-Register Nr. 011-023, Klasse S2k

Behandlungen von akuten und chronischen Erkrankungen der thorakalen Aorta; Fokus Aortenbogen

Authors

    Deutsche Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG), Unter Mitwirkung von:, Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR), Deutsche Gesellschaft für Anaesthesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI), Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik e.V. (DGfK), Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin - Gesellschaft für operative, endovaskuläre und präventive Gefäßmedizin e.V. (DGG), Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK), Deutsche Röntgengesellschaft (DRG), Mitwirkende an der Leitlinienerstellung (alphabetisch):,
  • Martin Czerny*

    1   Universitätsklinikum Freiburg-Universitäts-Herzzentrum, Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG)
  • Walter Gross-Fengels

    2   Asklepios Klinik Harburg Abt. Radiologie und Nuklearmedizin (DRG)
  • Andreas Harloff

    3   Universitätsklinikum Freiburg Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie (DGN)
  • Rolf Alexander Janosi

    4   Universitätsklinikum Essen, Klinik für Kardiologie und Angiologie am Westdeutschen Herz- und Gefäßzentrum (DGK)
  • Tilo Kölbel

    5   Universitätsklinikum Hamburg - Universitäres Herz- und Gefäßzentrum (DGG)
  • Andreas Mahnken

    6   Universitätsklinikum Gießen/Marburg, Klinik für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am (DeGIR)
  • Alexander Raddatz

    7   Universitätsklinikum des Saarlandes, Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie (DGAI)
  • Bartosz Rylski

    1   Universitätsklinikum Freiburg-Universitäts-Herzzentrum, Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG)
  • Sebastian Schmidt

    8   Kerckhoff-Klinik Bad Nauheim (DGfK)
  • Wolfgang Schneider

    9   Wolfgang Schneider, Deutsche Herzstiftung (Patientenvertretung)
  • Andreas Teske

    10   Universitätsklinikum Erlangen (DGfK)
  • Tim Berger

    1   Universitätsklinikum Freiburg-Universitäts-Herzzentrum, Klinik für Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG)

A. Leitlinienreport

1. Verantwortlichkeiten

1.1. Beteiligte Fachgesellschaften

Die Erstellung einer Leitlinie zur „Behandlung akuter und chronischer Erkrankungen der thorakalen Aorta, Fokus: Aortenbogen“ wurde vom Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Thorax-, Herz- und Gefäßchirurgie (DGTHG) initiiert. Folgende medizinische Fachgesellschaften haben auf Einladung durch den Vorstand der DGTHG an der Leitlinienerstellung mitgewirkt (alphabetisch):

  • Deutsche Gesellschaft für Interventionelle Radiologie und minimal-invasive Therapie (DeGIR)

  • Deutsche Gesellschaft für Anaesthesiologie und Intensivmedizin e.V. (DGAI)

  • Deutsche Gesellschaft für Kardiotechnik e.V. (DGfK)

  • Deutsche Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin – Gesellschaft für operative, endovaskuläre und präventive Gefäßmedizin e.V. (DGG)

  • Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN)

  • Deutsche Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung e.V. (DGK)

  • Deutsche Röntgengesellschaft (DRG)

Als Vertreter der Patienteninteressen konnte

  • Herr Wolfgang Schneider (Deutsche Herzstiftung)

gewonnen werden.


1.2. Zusammensetzung der Leitliniengruppe

Die zur Mitarbeit an der Leitlinienerstellung eingeladenen medizinischen Fachgesellschaften und Patientenorganisatoren haben jeweils Vertreter benannt, die im Leitlinienkomitee mitarbeiteten (alphabetisch):

  • Prof. Dr. Martin Czerny, Freiburg – DGTHG

  • Prof. Dr. Walter Gross-Fengels, Hamburg – DRG

  • Prof. Dr. Andreas Harloff, Freiburg – DGN

  • Prof. Dr. Rolf Alexander Janosi, Essen – DGK

  • Prof. Dr. Tilo Kölbel, Hamburg – DGG

  • Prof. Dr. Andreas Mahnken – DeGIR

  • Prof. Dr. Alexander Raddatz – DGAI

  • Prof. Dr. Bartosz Rylski – DGTHG

  • Wolfgang Schneider – Patientenvertretung

  • Sebastian Schmidt – DGfK

  • Andreas Teske – DGfK


1.3. Struktur des Leitlinienkomitees

Koordination und Federführung: Prof. Dr. Martin Czerny

Moderation: Dr. rer. medic. Susanne Blödt (AWMF), Prof. Dr. Martin Czerny

Redaktion: Prof. Dr. Martin Czerny, Dr. Tim Berger

Moderation der Konsensus-Konferenzen: Frau Dr. rer. nat. Susanne Blödt (AWMF)

Die Deutsche Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (DGTHG) hat als federführende Fachgesellschaft die Koordination der Projektgruppe, die Einladung der beteiligten Fachgesellschaften und Patientenvertreter, die methodische Betreuung und Qualitätssicherung, die Literaturbeschaffung und systematische Literaturrecherche, die Verwaltung der erhobenen Daten, die Koordinierung der erforderlichen Diskussionen, Sitzungen und Konsensuskonferenzen, die strukturelle und redaktionelle Bearbeitung der Leitlinientexte sowie die Verwaltung der finanziellen Ressourcen übernommen.

Die Leitlinie wird von der Kommission für Leitlinien (Vorsitzender: Prof. Dr. Thorsten Doenst) der Deutsche Gesellschaft für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (DGTHG) herausgegeben.



2. Adressat*innen der Leitlinie

Die Leitlinie richtet sich an Thorax-, Herz-, Gefäßchirurgen, Anästhesisten und Intensivmediziner, Kardiologen, Radiologen, Neurologen und Patienten/Betroffene. Sie dient zur Information für Internisten und Allgemeinmediziner. Ferner richtet sich diese Leitlinie an Patienten in der Selbsthilfe bzw. Vertreter von Patientengruppen, die hiervon betroffen sind.


3. Zeitplan

Entsprechend der formalen Regeln der AWMF (Regelwerk) wurden durch den Präsidenten der DGTHG diverse medizinische Fachgesellschaften und Patientenvertretungen zu Mitarbeit an der Leitlinienerstellung eingeladen. Nach Benennung der jeweiligen Delegierten der Fachgesellschaften erfolgte am 21.02.2020 die erste Konferenz unter Moderation durch Frau Dr. rer. Nat. Susanne Blödt (AWMF) in Berlin. Als Ziel wurde die Erstellung einer Leitlinie möglichst Level S2k vereinbart, klinische Schlüsselfragen und Teilfragen wurden definiert und im Anschluss an die Konferenz im Umlaufverfahren durch die Teilnehmer konsentiert. Im Januar 2021 wurde den Delegierten eine erste Version vorgelegt, die dann modifiziert wurde. Die Konsentierung der Empfehlungen erfolgte am 16.12.2021 ebenfalls unter Moderation durch Frau Dr. rer. Nat. Susanne Blödt (AWMF) in Berlin. Nach erneuter Überarbeitung der Leitlinie und der Empfehlungen durch Vetreter der DGHTG und der DGG wurde der Konsentierungsprozess nochmals mittels Delphi-Verfahren aufgenommen. Offene Punkte wurden anschließend am 27.06.2022 in einer Videokonferenz besprochen und final konsentiert. Nun liegt hier die Letztfassung vor.


4. Leitlinienerstellung

4.1. Notwendigkeit der Leitlinie

Entsprechend der Novellierung des Sozialgesetzbuches (Fünftes Buch) (SGB V) im Rahmen der GKV-Gesundheitsreform 2000 haben Leitlinien eine zentrale Position als Referenz zur Diagnostik und Therapie verschiedener Krankheitsbilder, aber auch als Steuerungsinstrument im Gesundheitswesen bekommen. Die Diagnostik und Therapie akuter und chronischer Erkrankungen der thorakalen Aorta und insbesondere des Aortenbogens ist gegenwärtig ausgesprochen heterogen und uneinheitlich, eine Standardisierung entsprechend wissenschaftlicher Evidenz ist zwingend erforderlich zur Reduzierung der immer noch hohen Letalität und Morbidität.


4.2. Ziele

Ziel dieser Leitlinie ist die Verbesserung der Diagnostik und Behandlung akuter und chronischer Erkrankungen der thorakalen Aorta und insbesondere des Aortenbogens. Dazu wird die verfügbare Literatur gesichtet, bewertet und dargestellt. Problematisch ist das komplette Fehlen hochwertiger RCTs sowie nur geringe Verfügbarkeit von Registerstudien und Metaanalysen für diese Thematik. Bei Mangel an wissenschaftlicher Evidenz werden daher konsentierte Expertenmeinungen zu den ebenfalls im Konsensverfahren definierten Schlüsselfragen abgebildet. Stellung wird bezogen mit Schwerpunkt insbesondere auf folgende Fragestellungen:

  • Definition und Klassifikation der Erkrankung

  • Inzidenz und Risikofaktoren

  • Klinisches Bild und natürlicher Verlauf

  • Diagnostik

  • Patientenperspektive

  • Indikation und Behandlung

  • Monitoring, EKZ, Perfusion, Hämodynamik

  • Nachsorge nach Entlassung

  • Strukturvorgaben


4.3. Verfügbare Leitlinien

Zur Suche bereits vorhandener Leitlinien wurde auf die Datenbank der AWMF, des Guidelines International Networks (G-I-N), des National Guideline Clearinghouses (NGC) und auf Medline zurückgegriffen. Hierbei wurden zwei relevante Leitlinien und ein Expertenkonsensusdokument identifiziert.

  1. Die Leitlinie der American Heart Association (AHA)[1]

  2. Die Leitlinie der European Society of Cardiology (ESC)[2]

  3. Der Expertenkonsensus der European Association for Cardio-Thoracic Surgery (EACTS) und der European Society for Vascular Surgery (ESVS)[3]

  4. Die S2k-Leitlinie der AWMF zur Behandlung der Thorakalen Aortendissektion Typ A


4.4. Systematische Literaturrecherche

Die systematische Literaturrecherche erfolgte im Frühjahr 2020 durch Tim Berger, unter Einbeziehung der Datenbanken Medline und Cochrane. Zur weiteren Eingrenzung wurde ausschließlich auf englischsprachige Literatur ab dem 01.01.1983 zurückgegriffen. Des Weiteren sollte im Titel oder im Abstract erkennbar sein, dass die jeweilige Publikation inhaltlich die akuten und chronische Erkrankungen der thorakalen Aorta mit dem Fokus Aortenbogen behandelt. Daraus resultierend wurde anhand folgender Suchbegriffe recherchiert: “aortic arch“, “open repair“, ”endovascular repair“, “hybrid repair”, “supraaortic transpositions”, “branched arch repair” und “frozen elephant trunk technique”. Diese wurden zur Auslöschung von Redundanzen in der “advanced search” der Benutzeroberfläche PubMed für die Datenbank Medline kombiniert.


4.5. Bewertung der Literatur

Auf eine systematische Bewertung der Literatur wurde im Rahmen der Erstellung einer S2k-Leitlinie verzichtet. Dennoch wurden lediglich Studien als geeignet angesehen, die über eine Mindestanzahl von 20 Patienten berichten. Die als relevant identifizierten Studien wurden thematisch katalogisiert. Publikationen aus zum Thema existenten Leitlinien, Registern zu Dissektionen sowie Metaanalysen wurden unter der Annahme hoher Relevanz gesondert dargestellt und die Aussagen als Zusammenfassungen ebenfalls katalogisiert.


4.6. Strukturierte Konsensusfindung und Konsensuskonferenzen

Die Empfehlungen wurden im Rahmen einer Konsenskonferenz am 19.12.2021 in Berlin und nach Überarbeitung am 27.06.2022 über eine Videokonferenz in Form eines nominalen Gruppenprozesses unter neutraler Moderation von Dr. S. Blödt konsentiert. Dabei war das Vorgehen wie folgt:

  • Präsentation der zu konsentierenden Aussagen/Empfehlungen

  • Stille Notiz: Welcher/welchem Empfehlung/Empfehlungsgrad stimmen Sie nicht zu? Ergänzung, Alternative?

  • Registrierung der Stellungnahmen im Umlaufverfahren und Zusammenfassung von Kommentaren durch den/die Moderator*in

  • Vorabstimmung über Diskussion der einzelnen Kommentare – Erstellung einer Rangfolge

  • Debattieren/Diskussion der Diskussionspunkte

  • Endgültige Abstimmung über jede Empfehlung und alle Alternativen

  • Schritte werden für jede Empfehlung wiederholt

Die Konsensstärke wurde dabei wie folgt festgelegt:

  • > 75% Konsens

  • > 95% starker Konsens

In dieser abschließenden Konsenskonferenz wurde ebenfalls in persona in dieser abschließenden Konsensuskonferenz unter neutraler Moderation ermittelt und dokumentiert. Nach erneuter Überarbeitung der Leitlinie und der Empfehlungen durch Vertreter der DGHTG und der DGG wurde der Konsentierungsprozess nochmals mittels Delphi-Verfahren aufgenommen. Offene Punkte wurden anschließend in einer Videokonferenz besprochen und final konsentiert. Die Empfehlungsgradierung wurden wie folgt sprachlich formuliert:

  • Soll, soll nicht für eine starke Empfehlung, und/oder Metaanalysen)

  • Sollte für eine Empfehlung

  • kann erwogen, kann verzichtet werden für eine offene Empfehlung.

Dabei wurde darauf geachtet, dass bei einer starken Empfehlung Metaanalysen oder andere Leitlinien vorliegen, bei einer Empfehlung schwächere Evidenz aus der Literatur in Sinne von Beobachtungsstudien und Fallserien vorhanden ist. Eine offene Empfehlung war überwiegend basierend auf Expertenmeinungen.


4.7. Gültigkeit der Leitlinie (Stand 17.11.2022)

Die vorliegende Leitlinie gilt 5 Jahre (bis 16.11.2022). Für die Initiierung eines Aktualisierungsprozesses ist die Leitlinienkommission der DGTHG (derzeit Vorsitzender: Prof. Dr. Torsten Doenst, Jena; Doenst@med.uni-jena.de) verantwortlich.


4.8. Finanzierung

Die Finanzierung der Leitlinienerstellung erfolgte nach Beantragung durch die Koordinatoren dieser Leitlinie durch Mittel der DGTHG. Diese beinhaltete die Kosten für die Moderation der AWMF-Vertreterin und Reisekosten für Vertreter der DGTHG. Kosten für Raummiete und Verpflegung für Konsensuskonferenzen sowie die Erstellung und Publikation des Leitlinientextes wurden ebenfalls übernommen. Die angefallenen Reisekosten der der Vertreter der mitarbeitenden Fachgesellschaften sind durch die jeweiligen Fachgesellschaften getragen worden.

Die finanzierende Organisation hat keinen direkten Einfluss auf die Leitlinienerstellung genommen.


4.9. Interessen und Umgang mit Interessenkonflikten

Die Angaben zu den Interessen wurden mit dem AWMF-Formblatt von 2018 online erhoben und von Prof. Czerny und zu Beginn der LL-Konferenz auf einen thematischen Bezug zur Leitlinie bewertet. Der Interessenkonflikt von Prof. Czerny wurde durch Dr. Berger bewertet. Als geringer Interessenkonflikt wurde Vortragstätigkeit, als moderater wurden Ad-Board/Beratertätigkeit und Industriedrittmittel in verantwortlicher Position und als hoher Interessenkonflikt wurde Eigentümerinteresse kategorisiert. Ein moderater Interessenkonflikt hatte eine Stimmenthaltung zur Konsequenz. Ein hoher Interessenkonflikt führte zum Ausschluss von der Beratung und Abstimmung zum betreffenden Thema. Als protektive Faktoren, die einer Verzerrung durch Interessenkonflikte entgegenwirken, können die pluralistische Zusammensetzung der Leitliniengruppe, die strukturierte Konsensfindung unter neutraler Moderation, die Diskussion zu den Interessen und Umgang mit Interessenkonflikten zu Beginn der Konsenskonferenz und die Verabschiedung der Empfehlungen im starken Konsens gewertet werden.


4.10. Verabschiedung durch die Vorstände der beteiligten Fachgesellschaften

Die Leitlinie wurde von den Vorständen der beteiligten Fachgesellschaften vom 18.11.2022 verabschiedet.


4.11. Implementierung

Diese Leitlinie wird als Langversion inklusive des Leitlinienreports bei der AWMF online eingestellt und in geeigneten nationalen und ggf. internationalen Fachzeitschriften publiziert.



* Leitlinienkoordinator




Publication History

Article published online:
23 May 2023

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