Garishah FM.
et al.
Hyperresponsive Platelets and a Reduced Platelet Granule Release Capacity Are Associated
with Severity and Mortality in COVID-19 Patients.
Thromb Haemost 2022;
DOI:
10.1055/s-0042-1757163
In die prospektive Studie aus Indonesien wurden zwischen März und Juni 2021 insgesamt
88 erwachsene Patientinnen und Patienten eingeschlossen, die sich aufgrund einer COVID-19-Erkrankung
in stationärer Behandlung befanden und von denen 41 kritisch krank waren. Letztere
wurden auf einer Intensivstation mechanisch beatmet bzw. erhielten Sauerstoff über
ein Highflow-System. Zum Vergleich dienten 30 gesunde Kontrollpersonen. Patienten
mit hämatologischen Erkrankungen oder Gerinnungsanomalien bzw. der Einnahme antithrombozytärer
Substanzen waren von der Studienteilnahme ausgeschlossen. Insgesamt 68% der kritisch
kranken Patienten verstarben im Verlauf.
Mithilfe des Protease-aktivierten Rezeptor-1 (PAR-1) -Agonisten TRAP-6 (Thrombinrezeptor-Aktivator-Peptid-6)
triggerten die Autoren die thrombozytäre ATP-Sekretion. ATP wird neben anderen Substanzen
aus den dichten Granula der Thrombozyten freigesetzt und fördert deren Aggregation.
Es erfolgte dann die Bestimmung der PRT (Platelet Response Time) und der GRC (Platelet
Granule Release Capacity) mittels Lumineszenzmessungen. Die PRT war definiert als
das Zeitintervall zwischen dem Beginn der Messung und dem Erreichen von 10% des maximalen
Signals und die GRC bezeichnete das maximale Signal im Verhältnis zur Thrombozytenzahl.
Im Vergleich zu den Kontrollpersonen wiesen Patienten mit COVID-19 eine thrombozytäre
Hyperreaktivität auf, setzten dabei aber geringere ATP-Mengen frei. Dies drückte sich
in einer kürzeren PRT und einer niedrigeren GRC aus. Die Autoren führten die geringere
ATP-Freisetzung bei Patienten mit COVID-19 am ehesten auf eine chronische Thrombozyten-Aktivierung
im Rahmen der Erkrankung zurück. Darüber hinaus waren eine kurze PRT und eine niedrige
GRC (unteres 5%-Stratum der Kontrollkohorte) mit einem deutlich erhöhten Risiko assoziiert,
einen kritischen Erkrankungsverlauf zu entwickeln (OR 26,0; 95%-KI 8,4-101,5 bzw.
OR 2,8; 95%-KI 1,2-7,2). Es zeigte sich weiterhin eine negative Assoziation zwischen
PRT bzw. GRC und klassischen Parametern der Thrombinflammation (CRP, D-Dimer, Neutrophilen/
Lymphozyten-Verhältnis). In den univariaten Analysen ergab sich außerdem für Patienten
mit einer PRT bzw. GRC unterhalb der genannten Schwelle ein signifikant erhöhtes Mortalitätsrisiko
(OR 18,8; 95%-KI 6,5-62,8 bzw. 4,0; 95%-KI 1,6-10,4). Patienten, die im Verlauf verstarben,
wiesen im Median eine um 73% kürzere PRT auf als Patienten, die überlebten. Eine ROC-Analyse
ergab, dass sowohl die PRT als auch die GRC das Überleben bei Patienten mit COVID-19
voraussagte (AUC 0,87; 95%-KI 0,81-0,95 bzw. AUC 0,69; 95%-KI 0,57-0,81). Das Prädiktionsmodell
wies eine mit dem D-Dimer-Wert vergleichbare Stärke auf (AUC 0,76; 95%-KI 0,65-0,87).
Bei Patienten mit COVID-19 zeigten sich Veränderung der thrombozytären Reaktionskinetik,
am ehesten auf dem Boden einer chronischen Thrombozytenaktivierung. Am stärksten waren
hiervon Patienten mit einem kritischen Erkrankungsverlauf betroffen. In der klinischen
Praxis könnten durch die Messung der thrombozytären ATP-Freisetzungskinetik prognostische
Einschätzungen erfolgen und Patienten identifiziert werden, die möglicherweise von
antithrombozytären Therapien profitieren, so die Autoren.
Dr. Katharina Franke, Darmstadt