Brysland SA.
et al.
Bleeding Propensity in Waldenström Macroglobulinemia: Potential Causes and Evaluation.
Thromb Haemost 2022;
122: 1843-1857
Das Verständnis der pathophysiologischen Mechanismen, die zu Blutungen führen, ist
wichtig, da gängige WM-Therapien, einschließlich Chemo-Immuntherapie und Bruton-Tyrosinkinase-Inhibitoren,
mit Blutungsrisiken verbunden sind. Außerdem sind die Patienten, bei denen ein WM
diagnostiziert wird, aufgrund der relativ indolenten Natur dieses Lymphoms oft älter
und haben eine oder mehrere Begleiterkrankungen, die eine Behandlung mit gerinnungshemmenden
Medikamenten oder Plättchenhemmern erforderlich machen. Es ist also wichtig, den Ursprung
des WM-Blutungsphänotyps zu verstehen, um die Patienten besser nach ihrem Blutungsrisiko
stratifizieren zu können.
WM-Patienten können einen Blutungsphänotyp aufweisen
WM-Patienten können einen Blutungsphänotyp aufweisen
Während Blutungen häufig ein Symptom bei der Erstvorstellung von WM sind, klingen
diese in der Regel nach einer therapeutischen Intervention ab, was darauf hindeutet,
dass die Ätiologie von WM die Thrombozytenproduktion und -funktion nicht direkt beeinflusst.
In vier Studien wurde die Häufigkeit von Blutungen bei Patienten mit WM vor dem therapeutischen
Eingriff untersucht. Insgesamt traten bei etwa 17% der Patienten Blutungssymptome
auf. Interessanterweise gibt es aufgrund eines Mangels an großen Studien zu diesem
Thema keine evidenzbasierten Leitlinien und Standardmethoden für die Behandlung von
Blutungen bei diesen Patienten gibt. Daher sind die veröffentlichten Behandlungsansätze
variabel und die wichtigsten diagnostischen Angaben sind uneinheitlich. Auch eine
standardisierte Berichterstattung über Laborbefunde und -ergebnisse bei WM fehlt:
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▪ Es treten Anomalien in Laboruntersuchungen auf, die mit Blutungen assoziiert sind, z. B. eine verminderte Thrombozytenadhäsion,
-aktivierung oder -aggregation.
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▪ Thrombozytopenie tritt häufig auf, oft gleichzeitig mit Anämie. Isoliert betrachtet erklärt die Thrombozytopenie
nur selten die beobachteten Blutungen und das Ausmaß der Blutung steht oft nicht im
Verhältnis zur Thrombozytenzahl.
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▪ Das erworbene von-Willebrand-Syndrom tritt bei 6% der WM-Patienten auf, wobei die Inzidenz stark mit erhöhten IgM-Werten
(30-60 g/L) korreliert ist. Zu den Symptomen gehören Schleimhaut- und Magen Darm-Blutungen,
die nach Therapie meist abklingen.
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▪ Zu den Symptomen der Hyperviskosität gehören Blutungen, Sehstörungen und neurologische Symptome, die bei 13 % der WM-Patienten
auftreten.
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▪ Hämostase-hemmende Paraproteine: Zirkulierende Paraproteine können in vivo eine VWF- und FVIII-hemmende Wirkung haben,
die durch IgM- oder IgG-Antikörper verursacht wird.
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▪ Eine Kryoglobulinämie, bei der temperaturempfindliche Immunglobuline konzentrationsabhängige unlösliche
Aggregate bilden, die unter 37°C ausfallen, kann bei WM auftreten.
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▪ IgM-Amyloidose tritt bei 7,5% der WM-Patienten auf und ist mit einer drastischen Verkürzung der
Gesamtüberlebenszeit verbunden, von 12,1 auf 2,5 Jahre.
Standardtherapien können den Blutungsphänotyp verstärken
Standardtherapien können den Blutungsphänotyp verstärken
WM ist eine unheilbare Krankheit, bei der die Behandlungen darauf abzielen, die Symptome
zu lindern und eine lang anhaltende Remission zu erzielen. Bei asymptomatischen Patienten
wird routinemäßig nach dem Prinzip „abwarten und beobachten“ vorgegangen. Zu den Behandlungsoptionen
für symptomatische WM-Patienten gehören alkylierende Chemotherapeutika (Bendamustin,
Cyclophosphamid), Proteasom-Inhibitoren (Bortezomib, Carfilzomib, Ixazomib) oder der
BTK-Inhibitor der ersten Generation, Ibrutinib, allein oder in Kombination mit Rituximab.
Zu den neueren therapeutischen Optionen gehören neue, irreversible und selektivere
BTK-Inhibitoren (Acalabrutinib, Zanubrutinib), die als Monotherapie verabreicht werden,
sowie neue Optionen wie BCL2-Antagonisten (Venetoclax). Viele dieser Behandlungen
sind mit einem Blutungsrisiko einhergehend, das bei WM-Patienten noch verstärkt werden
kann.
Bewertung des Blutungsphänotyps im Labor
Bewertung des Blutungsphänotyps im Labor
Zu den aktuellen Ansätzen für WM-Patienten mit Blutungen gehören Gerinnungstests,
die Messung der Plasmaviskosität und spezielle Blut- und Thrombozytentests. Weitere
Thrombozytenqualitäts- und -funktionstests sind im Entstehen. Diese Tests sind jedoch
mit mehreren Probleme verbunden. Erstens kann keiner der standardisierten Thrombozytenfunktionstests
die Thrombozyten bei thrombozytopenischen WM-Patienten ermitteln. Zweitens wird die
Bewertung der Thrombozytenrezeptorwerte, die die Thrombozytenfunktion steuern und
bei hämatologischen Malignomen häufig vermindert sind, nicht routinemäßig mittels
Durchflusszytometrie ausgewertet. Und schließlich untersucht keiner dieser Tests die
Thrombozytenfunktion unter Bedingungen, die den Scherkräften des einströmenden Blutes
entsprechen.
Mit dem Einsatz von BTK-Inhibitoren als routinemäßige Therapie bei WM ist es wichtig,
dass die Patienten auf ihre Blutungsneigung untersucht und überwacht werden. Durch
die Anwendung neuer Ansätze, die durch forschungsbasierte Techniken (Durchflusszytometrie,
Thrombin-Generierungstests, Thrombozytenausbreitungstests) ergänzt werden, in Kombination
mit Megakaryozytenspezifischen genetischen Ansätzen zur Bewertung häufiger WM-Mutationen,
könnte es möglich werden, WM-Patienten auf Grundlage der Thrombozytenfunktionalität
auf ihr Blutungsrisiko hin zu stratifizieren. Eine oder mehrere dieser Techniken könnten
in die Routineuntersuchung bei der Diagnose und dann während der Behandlung integriert
werden, insbesondere bei Patienten, die ein erhöhtes Blutungsrisiko aufweisen.
Dr. Michaela Bitzer, Tübingen