physioscience 2018; 14(01): 43-45
DOI: 10.1055/s-0044-100529
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© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Selbstmobilisierung mittels einer Faszienrolle im Vergleich zu einer Massagerolle: Welche ist effektiver für die Steigerung der Hamstring-Flexibilität?

Self-Mobilization Using a Foam Roller versus a Roller Massager: Which Is More Effective for Increasing Hamstrings Flexibility?
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Publication Date:
06 March 2018 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund

Verletzungsprävention von Muskelsehnenverletzungen ist ein wichtiger Baustein für Sportler. Die Literatur beschreibt hierfür, dass Muskelsehnenverletzungen durch eine Verlängerung des Muskel-Sehnen-Komplexes verhindert werden können. In der Literatur finden sich diesbezüglich viele Methoden, die eine Flexibilitätsverbesserung des Muskel-Sehnen-Komplexes hervorrufen. Die Verwendung von Faszien- oder Massagerollen wird immer häufiger angewendet, obwohl deren Wirksamkeit zur Verbesserung der Muskel-Sehnen-Flexibilität unklar ist.

In der Literaturstudie wurde die Hamstring-Muskulatur als die Muskelgruppe von Interesse ausgewählt, da eine Verbesserung der Hamstring-Flexibilität als ein Prädiktor von Sportverletzungen gilt.

Die Forschungsfrage lautete: Sind Faszien- oder Massagerollen wirksam, um die Hamstring-Flexibilität bei asymptomatischen, körperlich aktiven Erwachsenen zu erhöhen?


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Ziel

Das Ziel der Literaturübersichtsarbeit war es, den Nutzen einer Faszien- im Vergleich zu einer Massagerolle im Hinblick auf eine Verbesserung der Hamstring-Flexibilität durch moderate bis hochwertige experimentelle Evidenzquellen nachzuweisen.


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Methode

Die Arbeit lässt sich als Critically Appraised Topic (CAT) klassifizieren. Die Literaturnachweise stammen aus den Datenbanken CINAHL Plus, Cochrane Collection Plus, EBSCOhost, MD Consult Medline, PEDro, PubMed, Sport Discus sowie Google Scholar. Zudem erfolgte eine Handsuche in den Literaturreferenzen der gefundenen Artikel. Die Forschungsfrage wurde anhand des PICO-Modells formuliert.

Einschlusskriterien waren nur englische Peer-Review-Artikel, gesunde asymptomatische Erwachsene (> 18 Jahre) und Artikel, die als primäre oder sekundäre Zielvariable eine Hamstring-Flexibilität oder die Range of Motion aufführten. Hierunter fielen isolierte Hamstring- oder funktionelle Messungen wie der Sit-and-Reach-Test. Ausgeschlossen waren Studien, die andere Massagegeräte und myofasziale Release-Techniken benutzten.


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Ergebnisse

Insgesamt wurden 7 Studien gesichtet [3] [5] [6] [7] [8] [10] [11]. 3 Studien konnten nicht eingeschlossen werden [3] [7] [10], da sie nicht in einem Peer-Reviewed-Journal erschienen waren. Nach der Oxford Centre for Evidence Based Medizin (OCEBM) Levels of Evidence Working Group wiesen 2 Studien ein Evidenzlevel von 2 [5] [8] und 2 Studien ein Evidenzlevel von 3 auf [6] [10].

Implikation für die Praxis, Lehre und Forschung

Die eingeschlossenen Studien zeigten, dass sowohl die Faszien- als auch die Massagerolle eine Verbesserung der Hamstring-Flexibilität bei asymptomatischen, körperlich aktiven Erwachsenen hervorruft. Im Gegensatz zur Faszienrolle erzielte die Massagerolle den größeren Effekt auf die Hamstring-Flexibilität mit signifikanten moderaten (> 0,5) bis starken Effektstärken (> 0,8; [5]).

Die Autoren wiesen darauf hin, dass die Gruppengröße der 4 eingeschlossenen Studien zwischen 8 und 11 Probanden lag. Nach ihrer Meinung sollte bei kleinen Stichproben der Unterschied zwischen Gruppen sehr groß sein, um statistische Signifikanz aufzuweisen.

Bei der Anwendung der Faszienrolle konnten hingegen kleine bis moderate Behandlungseffekte nachgewiesen werden [8]. Somit könnten Faszienrollen eventuell klinisch bedeutsame Verbesserungen der Hamstring-Flexibilität hervorrufen. Zur Bestimmung, wann oder ob Gruppenunterschiede auftreten, sind jedoch größere Stichproben erforderlich.

Die Dauer der verbesserten Hamstring-Flexibilität betrug für die Massagerolle 10 Minuten [5]. Nach 60 Minuten war die Hamstring-Flexibilität der Ausgangsmessung erreicht [5] [10]. Nach einer Therapie mit der Faszienrolle stellten Mohr et al. [8] unmittelbar nach der Intervention einen Behandlungseffekt fest. MacDonald et al. [6] fanden keine Effekte der Hamstring-Flexibilität nach 24 Stunden.

Es ist anzunehmen, dass Faszien- und Massagerolle ihre therapeutische Wirkung über denselben physiologischen Kompressionsmechanismus ausüben. Jedoch existieren viele Theorien darüber, in welcher Form die Effekte auftreten. Zum einen wird die Flexibilitätsverbesserung über einen Anstieg der Muskeltemperatur erreicht, was eine strukturelle Verformung von faszialen Adhäsionen zwischen den Muskelschichten ermöglicht. Zum anderen erfolgt durch den schmerzhaft mechanischen Reiz eine Aktivierung der „Diffuse Noxious Inhibitory Control“ (DNIC; [4]). Daraufhin setzt das Gehirn schmerzlindernde Endorphine und Enkaphaline im Rückenmark frei [4]. Diese chemischen Botenstoffe hemmen die für eine gesteigerte Muskelsteifheit verantwortlichen schmerzhaften Reize, schützen sowie verändern die Bewegungsmuster und ermöglichen so eine Verbesserung der Flexibilität [4].

Im Vergleich zu statischem Dehnen erzielen die beiden Rolltechniken keine Reduktion der neuromuskulären Leistung während bestimmter sportlicher Ausübungen [6] [10].

Um Klarheit darüber zu gewinnen, welche Rolle zur Verbesserung der Hamstring-Flexibilität wirksamer ist, sind weitere Studien erforderlich.

Folgendes lässt sich zusammenfassen: Praktisch tätige Therapeuten sollten anstelle einer Faszien- eine Massagerolle verwenden, um bei asymptomatischen, körperlich aktiven Erwachsenen eine Verbesserung der Hamstring-Flexibilität zu erreichen. Zudem scheint eine längere Rolldauer die Verletzungsreduktion ermöglichen und eine Anwendung unmittelbar vor körperlicher Aktivität und der Einsatz eines festen, gleichmäßigen Drucks die größten Vorteile für die Muskel-Sehnen-Flexibilität darzustellen.


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  • Literatur

  • 1 Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz. Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) – Gesetzliche Krankenversicherung – (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477), §139a Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. www.gesetze-im-internet.de/sgb_5/__139a.html (10.12.2017)
  • 2 Di Fabio RP. What Is “Evidence?”. JOSPT 2000; 30: 52-55
  • 3 Evans DF. Self Myofascial Release: Effects on Hamstring Range of Motion and Torque. Honors Theses 2014: 238
  • 4 Hargrove T. How Does Foam Rolling Work? Better Movement. 2013 www.bettermovement.org/blog/2013/how-does-foam-rolling-work (10.12.2017)
  • 5 Jay K, Sundstrup E, Søndergaard SD. et al. Specific and cross over effects of massage for muscle soreness: randomized controlled trial. Int J Sports Phys Ther 2014; 9: 82
  • 6 MacDonald GZ, Button DC, Drinkwater EJ. et al. Foam rolling as a recovery tool after an intense bout of physical activity. Med Sci Sports Exerc 2014; 46: 131-142
  • 7 Miller JK, Rockey AM. Foam rollers show no increase in the flexibility of the hamstring muscle group. UW-L Journal of Undergraduate Research 2006; 9: 1-4
  • 8 Mohr AR, Long BC, Goad CL. Effect of foam rolling and static stretching on passive hip-flexion range of motion. J Sport Rehab 2014; 23: 296-299
  • 9 Sadigh G, Parker R, Kelly AM. et al. How to write a critically appraised topic (CAT). Academic Radiology 2012; 19: 872-888
  • 10 Sherer E. Effects of utilizing a myofascial foam roll on hamstring flexibility. Masters Theses 2013: 1140
  • 11 Sullivan KM, Silvey DBJ, Button DC. et al. Roller‐massager application to the hamstrings increases sit‐and‐reach range of motion within five to ten seconds without performance impairments. Int J Sports Phys Ther 2013; 8: 228