Z Sex Forsch 2018; 31(01): 68-76
DOI: 10.1055/s-0044-101527
Debatte
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Agenten der Moral schlagen zurück. Zur Kritik des Prostituiertenschutzgesetzes

The Moral Agents Fight Back. In Criticism of the Prostitute Protection Act
Thorsten Benkel
a   Lehrstuhl für Soziologie, Universität Passau
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Publication Date:
23 March 2018 (online)

Zusammenfassung

Das ProstSchG von 2017 dient vordergründig Schutzzwecken, muss tatsächlich aber als politisches Konstrukt und darüber hinaus als empirieferne Konzeption angesehen werden. Ein näherer Blick auf den Vorschriftenkanon offenbart, dass es hintergründig um eine moralische Wertung geht, die SexarbeiterInnen nicht unterstützt, sondern ihre Tätigkeit mit institutionellen Widerständen versieht. Die in Verkleidung auftretende Zielsetzung ist ein Moralprotektionismus; er dient nicht den Prostituierten, sondern denen, die sich von Sexarbeit gestört fühlen.

Abstract

The German ProstSchG (Prostitutes Protection Act) of 2017 serves the purposes of protection only on the surface. In actual fact, it is a political construct and, furthermore, a concept devoid of empirical evidence. A closer look at the regulations reveals the factual aim of the bill: based as it is on a moral judgement, it does not protect prostitutes, but rather confronts them with institutional obstacles. In the end, the hidden purpose of this act is moral protectionism – not in service of prostitutes, but rather in favour of those who feel disturbed by them.

 
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