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DOI: 10.1055/s-0044-101831
Chronisch immunvermittelte Neuropathien – Diagnostik und Therapie
- Einleitung
- Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP)
- Paranodopathien
- Paraproteinämische Neuropathien
- Multifokale motorische Neuropathie (MMN)
- Vaskulitische Polyneuropathie
- Fazit
- Literatur
Die Diagnose einer immunvermittelten Neuropathie ist eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen bei Polyneuropathien. Chronisch inflammatorische Neuropathien haben oft eine schwere neurologische Beeinträchtigung zur Folge, weswegen eine frühzeitige Diagnose zur Einleitung einer antientzündlichen Therapie essenziell ist. Therapiekonzepte beinhalten je nach Pathologie Immunglobuline, Kortikosteroide oder Plasmaaustauschverfahren.
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Abkürzungen
Einleitung
Die Häufigkeit von immunvermittelten Neuropathien beträgt ca. 6 – 8 auf 100 000 Menschen. Die häufigste Form ist die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP) sowie ihre Varianten [1], [2]. Des Weiteren finden sich paraproteinämische Neuropathien, die rein motorische mutifokale motorische Neuropathie (MMN) u. a. Diese Erkrankungen betreffen insgesamt Individuen jedweden Alters, vor allem jedoch Männer mittleren oder höheren Alters, insbesondere bei der MMN (Verhältnis 3:1).
All diesen Formen ist der überwiegend demyelinisierende Pathomechanismus gemein. Eine kürzlich beschriebene Unterform der CIDP, die Paranodopathie, zeigt oft eine eher axonale Schädigung. Darüber hinaus gibt es axonal betonte immunvermittelte Polyneuropathien, v. a. die vaskulitische Polyneuropathie.
In dieser Übersicht wollen wir uns auf die häufigen chronisch inflammatorischen Neuropathien mit großer klinischer Relevanz fokussieren:
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CIDP und ihre Varianten
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paraproteinämische Neuropathien
-
MMN
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vaskulitische Neuropathien
Dabei hat es in den letzten Jahren Fortschritte im Bereich der Bildgebung (Nervenultraschall und MRT) gegeben, die in der Differenzialdiagnostik von chronischen Polyneuropathien nützliche Hinweise geben können.
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Chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie (CIDP)
Klinische Präsentation
Die „klassische“ CIDP zeigt einen chronisch-progredienten oder schubförmigen Verlaufstyp über mindestens 2 Monate mit distal-symmetrischen Sensibilitätsstörungen, Parästhesien, proximal sowie distal beinbetonten Paresen und abgeschwächten oder fehlenden Muskeleigenreflexen [1]. In einigen Fällen kommt ein monophasischer, auch subakut beginnender Verlaufstyp vor, der mitunter schwierig von einem Guillain-Barré-Syndrom (GBS) zu unterscheiden ist, gerade bei Patienten, deren Symptomentwicklung zwischen 4 und 8 Wochen beträgt.
Eine 68-jährige Patientin stellt sich mit seit 4 Jahren progredienten aufsteigenden Dysästhesien der Füße und Unterschenkel vor. Seit 1 Jahr bereite ihr das Laufen und Treppensteigen zunehmend Beschwerden.
In der elektrophysiologischen Untersuchung finden sich ausgefallene SNAP des N. medianus und suralis, die motorische Nervenleitgeschwindigkeit (NLG) ist im N. tibialis mit 30 m/s reduziert, die MSAP-Amplitude mit 2,6 mV distal und 2,2 mV proximal ebenso. Die F-Wellen sind nicht erhältlich. Die motorische NLG des N. medianus ist mit 15 m/s ebenso deutlich reduziert, die MSAP-Amplitude mit 4,6 mV distal leicht und mit 1,6 mV proximal deutlich reduziert.
Die Kriterien eines inkompletten Leitungsblocks sind bei deutlicher temporaler Dispersion nicht erfüllt. Die MSAP-Dauer ist mit 6,7 ms verlängert. Die F-Wellen-Persistenz ist mit 90 % regelrecht, die F-M-Latenz mit 34,3 ms leicht verlängert [ Abb. 1 ]. Im Liquor finden sich regelrechte Werte für Zellzahl, Glukose und Laktat, das Eiweiß ist mit 87 mg/dl erhöht. Differenzialdiagnostische Laboruntersuchungen sind unauffällig, im MRT finden sich T2-Hyperintensitäten der lumbalen Wurzeln mit leichter KM-Aufnahme [ Abb. 1 ]. Im Ultraschall finden sich ubiquitär inhomogene Nervenschwellungen ([ Abb. 1 ] N. medianus am Oberarm mit einer Querschnittsfläche, CSA von 23 mm², Normwert <13 mm²).
Das Beispiel zeigt eine klassische Form der CIDP.


Die Demyelinisierungen bei der klassischen CIDP sind proximal betont (Wurzeln, Plexus, proximale Nervensegmente) und multilokulär. Allerdings finden sich zahlreiche Varianten (ca. 50 % der Fälle) mit überwiegend motorischem („pure motor, CIDP“), sensorischem (distal acquired demyelinating symmetric neuropathy, DADS, oder bei Affektion der Hinterwurzeln „pure sensory, CISP“ mit pathologischen sensorisch evozierten Potenzialen und erhaltenen SNAP [4]) oder asymmetrischem Verlauf (Lewis-Sumner-Syndrom oder multifocal acquired demyelinating sensory and motor neuropathy, MADSAM). Auch Hirnnerven können betroffen sein, v. a. bei der MADSAM.
Je chronifizierter die Erkrankung, desto uneindeutiger werden klinischer Verteilungstyp, elektrophysiologische und auch bildgebende Befunde. Kritische Differenzialdiagnosen stellen v. a. aufgrund ihrer Klinik und/oder Elektrophysiologie z. B. erregerbedingte (Borreliose, HIV, Diphtherie), hereditäre, amyloidotische oder paraproteinämische Polyneuropathien oder das POEMS-Syndrom (Polyneuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, M-Protein, Hautläsionen/Skin) dar [5]. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass bei Patienten mit Diabetes mellitus ein erhöhtes Risiko besteht, eine CIDP zu entwickeln, so dass ein rasche Verschlechterung einer diabetischen Polyneuropathie auch an eine zusätzliche CIDP denken lassen sollte. [Tab. 1] gibt einen Überblick über die klinischen Diagnosekriterien der European Federation of Neurological Societies/Peripheral Nerve Society Guideline [5].
Eine frühzeitige Diagnosestellung ist essenziell, um eine irreversible, mitunter sekundäre axonale Schädigung zu verhindern.
Einschlusskriterien |
Ausschlusskriterien |
Supportive Kriterien |
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Diagnosen |
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definitive Diagnose |
1 Kriterium von 1–6 erfüllt oder |
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wahrscheinliche Diagnose |
plus 1 supportives Kriterium |
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wahrscheinliche Diagnose |
möglicher LB (≥30 % Reduktion) in 2 Nerven oder |
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mögliche Diagnose (siehe unten) |
plus 1 supportives Kriterium |
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mögliche Diagnose |
1 Kriterium von 1–6 in nur 1 Nerv erfüllt |
*Bei hereditären Neuropathien weisen wir darauf hin, dass es durchaus Assoziationen zwischen hereditären und entzündlichen Neuropathien gibt [2]. ** Zur detaillierten Darstellung der motorischen Elektrophysiologie verweisen wir auf die Originalarbeit [5]. Abkürzungen: dmL = distal motorische Leitungszeit, LB = Leitungsblock, MSAP = Muskelsummenaktionspotenzial, NLG = Nervenleitgeschwindigkeit, OG = oberer Grenzwert, SNAP = sensibles Nervenaktionspotenzial
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Immunpathogenese
Autoptische Befunde zeigen bei ca. der Hälfte aller CIDP-Patienten demyelinisierende und axonale Schädigungszeichen in den Spinalwurzeln und den Spinalganglien sowie lymphozytäre Infiltrationen. Ein klares Antigen konnte bisher in den meisten Fällen nicht gefunden werden – additive humorale Faktoren, Komplementaktivierung und eine B-Zell-vermittelte Zusatzpathogenese werden vermutet. Spezifische Triggerfaktoren werden kontrovers und uneinheitlich diskutiert.
Immunpathologisch finden sich Assoziationen der CIDP zu anderen Erkrankungen, z. B. Transplantationen (Graft-versus-Host-CIDP), Infektionen wie HIV, Zytomegalie (CMV), Campylobacter jejuni oder Hepatitis C, aber auch zu monoklonalen Gammopathien (paraproteinämische Neuropathien) sind Überlappungen beschrieben, denen wir einen eigenen Absatz widmen möchten. Eine erhöhte Inzidenz wird außerdem bei Patienten mit Diabetes mellitus und CMT (erbliche Charcot-Marie-Tooth-Neuropathie) vermutet [3].
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Elektrophysiologische Befunde
Wichtig bei der Untersuchung peripherer Nerven bei V. a. immunvermittelte Pathogenese sind vor allem die Durchführung einer ausgedehnten Elektrophysiologie inkl. Messung von F-Wellen, proximalen Stimulationen (z. B. am Oberarm oder über Erb) und die Messung beider Seiten mit der Frage nach reduzierter Nervenleitgeschwindigkeit, verzögerter distal motorischer Latenz, verlängerter Dauer der Amplitude des distalen Muskelsummenaktionspotenzials (MSAP), temporaler Dispersion oder inkomplettem und komplettem Leitungsblock außerhalb physiologischer Engstellen. [ Abb. 1 ] zeigt einen klassischen Befund einer demyelinisierenden Läsion des N. medianus.
Bei langen und chronischen Verlaufsformen dominieren außerdem oft sekundäre axonale Schädigungszeichen und erschweren somit die Diagnostik nach vorgegebenen Kriterien.
Von den zahlreichen Leitlinien hat die neueste Version der European Federation of Neurological Societies/Peripheral Nerve Society Guideline [5] mit einer Sensitivität von 81 % und einer Spezifität von 96 % insgesamt eine gute Alltagstauglichkeit zeigen können. Diese Leitlinien nennen außerdem mehrere supportive Kriterien, die als hilfreich bzw. diagnoseunterstützend zu Rate gezogen werden können ([Tab. 1]). Eine Aussparung des N. suralis, v.a. in der Frühphase der Erkrankung bei gleichzeitigen Auffälligkeiten in den SEP oder den SNAP anderer Nerven (sog. „sural sparing“), wird als typisch für eine CIDP angesehen. Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass dieses sural sparing auch häufig bei der akuten Polyneuritis, dem Guillain-Barré-Syndrom, gefunden wird.
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Labor
Neben klassischen Standardlaboruntersuchungen (Leber-, Nierenwerte, B-Vitamine, Glukose, TSH) sollte bei einem klassisch demyelinisierenden Muster unbedingt die Diagnostik um eine Serumelektrophorese mit Immunfixation (zur Abgrenzung gegen eine paraproteinämische Neuropathie oder ein POEMS) und eine HIV-Testung ergänzt werden. In seltenen Fällen, v. a. bei jüngeren Patienten, kann die Bestimmung langkettiger Fettsäuren, von Arylsulfatase A oder bestimmter Enzyme zum Ausschluss von Lipidspeichererkrankungen nötig sein, wobei hier meist zusätzliche zentrale Symptome dominieren.
Die Bestimmung möglicher Anti-Gangliosid- und Sulfatid-Antikörper hingegen spielt eine untergeordnete Rolle. Im Liquor findet sich häufig eine zytalbuminäre Dissoziation (d. h. eine deutliche Liquoreiweißerhöhung >45 mg/dl bei fehlender bis nur geringer Zellzahlerhöhung <10/mm³). Hier ist jedoch sowohl Spezifität als auch Sensitivität eingeschränkt, Häufigkeitsangaben schwanken je Verteilung von 34 % (bei MADSAM) bis zu 95 % (bei klassischer CIDP).
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Nervenbiopsie
Die Nervenbiopsie, vorzugsweise des N. suralis, bringt häufig die richtige Diagnose zu Tage (siehe Immunpathogenese), kann jedoch auch falsch negativ sein. Dies beruht auf der Tatsache, dass man aufgrund der Multifokalität der entzündlichen Veränderungen mitunter den Ort der Entzündung verpassen kann. Hier könnte nach unserer Ansicht eine Kombination mit Befunden der Bildgebung (z. B. deutliches Ödem im Ultraschall, T2-Läsion oder KM-Enhancement im MRT) und/oder der Elektrophysiologie in der Auswahl einer geeigneten Biopsiestelle hilfreich sein – dieser Ansatz müsste jedoch in einer prospektiven Kohorte analysiert werden.
Die Nervenbiopsie zeigt in seltenen Fällen bei der CIDP eine perivaskuläre, perineurale und epineurale Infiltration von T-Zellen, häufiger hingegen Infiltration von Makrophagen mit Invasion der Schwann-Zellmembran. Als Zeichen der De- und Remyelinisierung finden sich oft sog. Zwiebelschalenformationen („onion bulbs“, [ Abb. 1 ]).
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Bildgebung
Sowohl MRT als auch Ultraschall zeigen in bis zu 90 % aller Patienten mit CIDP multilokuläre oder generalisiert verdickte Nerven [6], [7]. Sonografisch findet sich dies vor allem an [ Abb. 1 ]:
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zervikalen Wurzeln
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Plexus brachialis
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Oberarmnerven
Die Echogenität der Nerven kann erhöht oder reduziert sein. Wahrscheinlich reagieren Patienten mit hypoechogenen Nerven (als Zeichen einer akuten Inflammation) nach unserer Erfahrung besser auf eine Therapie. Hyperechogene Veränderungen scheinen Zeichen der Chronifizierung i. S. von perifaszikulärer Fibrose zu sein, doch weitere Erfahrungen und Studien sind hier notwendig. In seltenen Fällen finden sich auch bildmorphologisch gänzlich unauffällige Nerven.
Im MRT kann zusätzlich zum Ultraschall der Plexus lumbosacralis sowie die Kaudafasern dargestellt sowie (meist nur moderate) Kontrastmittelaufnahmen als Entzündungsäquivalent gezeigt werden. Die Verteilung der Auffälligkeiten ist zumeist symmetrisch (mit Ausnahme der MADSAM) im Gegensatz zur MMN, bei denen Nervenschwellungen häufig asymmetrisch vorkommen.
Die CIDP ist die häufigste chronische immunvermittelte Neuropathie. Neben multifokalen Zeichen der Demyelinisierung in der Elektrophysiologie findet sich meist eine zytalbuminäre Dissoziation im Liquor. Die Bildgebung peripherer Nerven und Wurzeln kann zur Diagnosefindung beitragen.
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Therapie
Die Therapie der CIDP hat sich in den letzten Jahren nur unwesentlich geändert. Klasse-I-Evidenz besteht immer noch nur für die Durchführung regelmäßiger Immunglobulininfusionen mit variabler Gesamtdosis und Intervalldauer, regelmäßiger Steroidgaben (p. o. oder auch als regelmäßige Stoßtherapie) und Plasmaaustauschverfahren. Die subkutane Immunglobulintherapie scheint eine weitere Option zur Therapie darzustellen und ist besonders bei Patienten, die unabhängig bleiben müssen (z. B. Berufstätige, weit von Zentren entfernt Lebende) eine Zukunftsoption.
Für genauere Dosierungen empfehlen wir die Leitlinien der DGN. Additive Therapien, z. B. Azathioprin, Mycophenolatmofetil, Cyclosporin A, Cyclophosphamid oder Rituximab, konnten bisher keine Evidenzklasse I erlangen. Wir raten allerdings, individuell derartige Therapieschritte je nach klinischem Schweregrad, Verlauf und Basistherapiebedarf unter Beachtung der üblichen Kautelen zu evaluieren. Experimentelle Ansätze mittels Interferon beta, Fingolimod, Natalizumab, Bortezomib oder Eculizumab (Medikamente, die teilweise aus der Behandlung der Multiplen Sklerose bekannt sind) blieben bisher oftmals den positiven Nutzenbeweis schuldig.
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Paranodopathien
In den letzten Jahren wurden vermehrt Fälle von immunvermittelten Neuropathien veröffentlicht, bei denen IgG4-Antikörper gegen paranodale Strukturen entdeckt wurden [8], [9]. Hierbei wurden bisher Caspr1, Contactin1- und Neurofascin-155-Antikörper beschrieben. Diese Gruppe ist mit <10 % der CIDP-Formen zwar selten, jedoch therapeutisch relevant, da hier insbesondere ein schlechtes Ansprechen auf Immunglobuline beschrieben ist.
Im Gegensatz zur klassischen CIDP werden histologisch keine makrophagenvermittelten Demyelinisierungen oder Zwiebelschalen entdeckt, sondern Schädigungen der Ranvier-Schnürringe mit deutlicher axonaler Beteiligung (Paranodien sind bei der klassischen CIDP meist ausgespart). Elektrophysiologisch hingegen zeigt sich ein „klassisches“ Bild mit Leitungsblocks und F-Wellen-Verzögerungen. Klinisch bieten diese Patienten oft einen schnelleren Verlauf mit z. T. schweren motorischen Symptomen, sensibler Ataxie und Aktionstremor.
All diesen Fällen war ein eher schlechtes Ansprechen auf Standardtherapien (Immunglobuline, Steroide oder Plasmaaustausch) gemeinsam. Diese Patienten sollten bereits frühzeitig einer immunmodulatorischen Anti-CD-20-Antikörpertherapie, z. B. mit Rituximab, zugeführt werden.
Zukünftige Projekte werden zeigen, inwieweit hier eine CIDP-Subgruppe vorliegt oder ob langfristig eigene Begriffsdefinitionen zur Unterscheidung nötig werden. Bereits jetzt sollte man als Therapeut jedoch bei Fällen einer bisherigen CIDP mit mangelhaftem Therapieansprechen daran denken, dass es sich in diesen Fällen um eine Paranodopathie handeln könnte, und eine weitergehende Diagnostik, z. B. durch ein wissenschaftlich engagiertes Zentrum, durchführen lassen.
Ein 67-jähriger Patient beklagt seit 8 Jahren Dysästhesien der Füße, intermittierend auch der Hände mit z. T. sehr unangenehm stechenden Schmerzen. Das Laufen sei hierdurch erschwert. Er sei sonst gesund. Vor Jahren sei eine demyelinisierende Polyneuropathie festgestellt worden. Mehrere Versuche mit Steroiden und Immunglobulinen hätten keinen Effekt gehabt.
In der hiesigen Untersuchung bestätigt sich die demyelinisierende Polyneuropathie, jedoch mit auffallenden Verzögerungen der distal motorischen Latenz in allen Nerven. In der ergänzten Laboruntersuchung findet sich eine monoklonale Gammopathie Typ IgM. Aufgrund der elektrophysiologischen Befunde ergänzten wir die Anti-MAG-Antikörper, die hochpositiv waren. Daraufhin wurde eine Therapie mit Rituximab eingeleitet. Es handelte sich um eine paraproteinämische Neuropathie mit Anti-MAG-IgM Antikörpern.
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Paraproteinämische Neuropathien
Klinische Präsentation
Die paraproteinämischen Neuropathien bieten ein buntes Potpourri aus verschiedenen mit einer monoklonalen Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS), einem multiplen Myelom oder Morbus Waldenström assoziierten Neuropathien [10], [11].
Zum einen gibt es IgA-, IgG- und IgM-assoziierte demyelinisierende Verlaufsformen, die man als MGUS-CIDP bezeichnet. Deren Verlauf ist relativ identisch zur klassischen CIDP. Darüber hinaus existiert die oft durch distal symmetrische und sensible Symptome dominierende Verlaufsform (DADS), welche v. a. bei IgM-Gammopathien vorkommt.
Zum anderen gibt es die überwiegend axonalen Formen, die sowohl beim multiplen Myelom als auch beim MGUS vorkommen und deren klinische Präsentation oft aus überwiegend sensiblen und sensoalgetischen Symptomen besteht. Hier ist eine immunvermittelte Genese nicht bestätigt und die Behandlung der hämatologischen Erkrankung steht im Vordergrund.
Zusätzlich gibt es die mit multiplem Myelom, Organvergrößerungen, Endokrinopathie und Hautläsionen einhergehende POEMS-Variante, eine oft schmerzhafte, sensomotorische demyelinisierende Polyneuropathie. Neben klassischen Myelommanifestationen finden sich hier häufig Auffälligkeiten der Haut (inkl. Ödemen, Hautverfärbungen, Nävi) und erhöhte Serum-Titer des vascular endothelial growth factor (VEGF). Der Verlauf ist oft schwer und rasch. Eine Abgrenzung zu einer MGUS-CIDP ist oft schwierig [1].
Zuletzt wird die in ca. 50 % der Fälle einer IgM-MGUS vorkommende DADS-Variante mit Anti-MAG-IgM-Antikörpern beschrieben (myelinassoziiertes Glykopeptid, MAG). Hier zeigt sich neben distal betonten sensiblen Symptomen vor allem eine sensorische Ataxie, oft manifest durch einen ausgeprägten Extremitätentremor. Die Klinik ist meistens chronisch progredient.
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Immunpathogenese
Den Anti-MAG-Antikörpern wird eine immunmediierende Eigenschaft zugeordnet, mit Aktivierung von Komplement, Ablagerung von M-Proteinen und Myelinschädigung durch Aufweitung der Myelinlamellen im Bereich der Schwann-Zellen, aber auch in paranodalen Schleifen und im Bereich der Schmidt-Lantermann-Inzisuren. Beim POEMS findet man T-Zell-Infiltrate in den Spinalwurzeln, endoneuronale Ödeme und vaskuläre Veränderungen (VEGF-assoziiert), jedoch keine Makrophagen [10].
Paraproteinämische Neuropathien sind häufig. Das gemeinsame Auftreten von Polyneuropathie und Gammopathie sollte stets an eine immunvermittelte Genese denken lassen, deren Klinik und Elektrophysiologie oft den Befunden bei CIDP ähnelt.
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Elektrophysiologie
Die MGUS-CIDP präsentiert sich elektrophysiologisch wie eine klassische CIDP, daneben existiert eine Variante mit deutlicher Betonung/Verlängerung der distal motorischen Latenzen (DADS). Die der multiplen Myelom oder der MGUS-assoziierten Polyneuropathie ist überwiegend axonal, die POEMS-Variante zeigt uniforme Demyelinisierungen und kann dadurch u. U. von einer MGUS-CIDP unterschieden werden. Letztlich zeigt die Anti-MAG-Neuropathie meist den DADS-Typ mit deutlich verlängerten distal motorischen Latenzen.
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Weitere Zusatzuntersuchungen
Die Diagnose ergibt sich oftmals aus der Serologie (Protein-Elektrophorese mit Nachweis eines Extragradienten) oder der Urindiagnostik. Die meisten Patienten mit immunvermittelter paraproteinämischer PNP zeigen eine Eiweißerhöhung im Liquor, vergleichbar der klassischen CIDP.
Die Rolle der Bildgebung bei paraproteinämischen Neuropathien ist noch weitestgehend unklar, wenngleich MGUS-CIDP-, DADS- und Anti-MAG-Patienten ebenso multifokale Nervenschwellungen mit jedoch meist geringerem Ausmaß als die CIDP zeigen. Beschreibungen bei POEMS-Patienten nennen bisher vor allem multiple Engpassnervenschwellungen als typisch, wenngleich hier unserer Ansicht nach valide Daten fehlen [6]. Bei den anderen axonalen Verlaufsformen gammopathieassoziierter Neuropathien hingegen finden sich keine sonografischen Besonderheiten.
Man sollte stets bei zufällig festgestellter monoklonaler Gammopathie eine hämatologische Mitbeurteilung veranlassen.
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Therapie
Das Fallbeispiel zeigt das Dilemma bei paraproteinämischen Neuropathien. Diejenigen Neuropathien, die ein CIDP-ähnliches Muster zeigen, reagieren meist gut auf die gleichen Therapien wie die klassische Form. Die IgM-Gammopathie, vor allem diejenige, die mit Anti-MAG-Antikörpern assoziiert ist, scheint hingegen eine schlechte Response auf klassische Therapien zu zeigen. Dies führt häufig zu frustranen Therapieverläufen. Es gibt hingegen Hinweise auf eine gute Suszeptibilität für Rituximab, weswegen dieses Therapieverfahren bei dieser Verlaufsform als beste Option genannt wird.
Bei IgM-Gammopathien finden sich in 50 % der Fälle Anti-MAG-Antikörper. Patienten reagieren dann oft unzureichend auf Standardtherapien der CIDP.
Ein 54-jähriger Mann präsentiert sich mit einer rasch progredienten atrophen Handparese links mit Faszikulationen und wird mit der Verdachtsdiagnose einer amyotrophen Lateralsklerose in ein neuromuskuläres Zentrum eingewiesen.
In der Untersuchung zeigen sich rein motorische Paresen im M. extensor digitorum communis (M3), im M. abductor pollicis brevis und im M. flexor pollicis longus (M4-), passend zum Versorgungsgebiet des N. medianus und N. radialis. Die Elektrophysiologie zeigt eine Minderung der MSAP-Amplitude im N. radialis und lediglich einen möglichen Leitungsblock im N. medianus [ Abb. 2 ]. Die SNAP sind regelrecht. Im Ultraschall der peripheren Nerven findet sich eine proximale Nervenschwellung des N. radialis und N. medianus im Vergleich zur unauffälligen Gegenseite [ Abb. 2 ].
Unter der Verdachtsdiagnose einer immunvermittelten Genese werden 0,4 g/kg KG Immunglobulin über 5 Tage verabreicht. Dies führt bereits innerhalb von 14 Tagen zu einer signifikanten Besserung (Vigorimetrie von 0,4 auf 0,8 mbar, M. extensor digitorum brevis M4+, Daumenmuskulatur M5). Im Nachgang finden sich in den vor der ersten IVIG-Gabe bestimmten Blutuntersuchungen positive IgM-GM1-Antikörper.


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Multifokale motorische Neuropathie (MMN)
Klinische Präsentation
Asymmetrische, rein motorische Paresen im Versorgungsgebiet zweier oder mehrerer Nerven, oftmals distale Armmuskeln betreffend, sind das Kernsymptom der MMN. Zeichen einer Läsion des 1. Motoneurons sind nicht vorhanden. Die Reflexe in betroffenen Segmenten sind oft – jedoch nicht immer – abgeschwächt. Die Muskeln sind oft atroph, z.T. auch faszikulierend. Patienten beklagen häufig Krämpfe und Erschöpfungszustände. Männer mittleren Alters sind häufiger betroffen. Das Fortschreiten der Erkrankung ist chronisch progredient oder stufenweise. In seltenen Fällen können Hirnnerven betroffen sein, sensible Nerven sind i.d.R. nicht betroffen, wenngleich sensible Symptome in jedem 5. Fall geschildert werden [2], [12].
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Immunpathogenese
In 50–70 % der Patienten finden sich IgM-Antikörper gegen Gangliosid GM1, wenngleich diese Antikörper mitnichten pathognomonisch für die Erkrankung sind und – zumindest niedrigtitrig – auch bei der amyotrophen Lateralsklerose vorkommen können [1]. Es kommt durch Komplement- und Makrophagenaktivierung zu einer Schädigung von Myelin und Axon, vereinzelt auch zur Bildung von Zwiebelschalenphänomenen analog der CIDP.
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Elektrophysiologische Befunde
In der Untersuchung der peripheren Nerven liegt das Hauptaugenmerk für die Diagnosestellung auf 2 Kernpunkten:
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Suche nach Leitungsblocks außerhalb von allgemeinen Engpässen
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Aussparung sensibler Nerven
Letzteres kann bei konkurrierenden Diagnosen, die eine Polneuropathie auslösen können (z. B. stattgehabte Chemotherapie, Diabetes mellitus, Vitamin-B12-Mangel), fehlen. Ersteres bereitet vor allem bei sehr distalen oder aber sehr proximalen Leitungsblöcken Schwierigkeiten. Insgesamt liegt die Trefferquote bei der MMN auch bei ausführlicher Suche nur bei 80 % [12], [13].
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Labor
Laboruntersuchungen, v. a. die Suche nach den im Fallbeispiel erwähnten GM1-IgM-Antikörpern, können in vielen Fällen hilfreich sein (ca. 70 %). Liquordiagnostische Untersuchungen zeigen zwar in ca. 30 % eine Eiweißerhöhung, sind jedoch nicht diagnoseunterstützend.
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Bildgebung
In den letzten Jahren hat sich die Bildgebung der peripheren Nerven als sehr hilfreich erwiesen. Sowohl im MRT als auch im hochauflösenden Ultraschall finden sich in mehr als 75 % der Fälle multifokale, meist asymmetrische Nervenschwellungen bzw. T2-Hyprintensitäten, oft in den proximalen Nervenabschnitten (auch bei distalen Paresen), evtl. mit mäßigen Kontrastmittel-Enhancement, die somit den entzündlichen Charakter motorischer Ausfälle untermauern [6]. Nervenschwellungen und elektrophysiologischer Leitungsblock finden sich oft nicht an den gleichen Stellen [13]. Diese Befunde erleichtern eine Unterscheidung von anderen rein motorischen Neuro- oder Motoneuronopathien [6]. Unter erfolgreicher Therapie sind die Schwellungen der Nerven, v.a. einzelne Faszikel betreffend, oft regredient [13] [ Abb. 2 ].
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Therapie
Die Therapie bei der MMN beschränkt sich aktuell auf die regelmäßige i.v.-Applikation von Immunglobulinen (Leitlinien der DGN [14]). Die subkutane Immunglobulingabe scheint ebenso wirksam zu sein. Plasmaseparation ist nicht hilfreich, Steroide können die Symptome mitunter verschlechtern. Dennoch zeigt sich die Krankheit bei vielen Patienten oftmals langsam progredient, wenngleich der Verlauf insgesamt signifikant verzögert werden kann. Andere Therapieverfahren, z. B. Cyclophosphamid, Azathioprin, Mycophenolatmofetil oder immunmodulierende Verfahren (Anti-CD-20-Antikörper), zeigen allenfalls geringen Erfolg.
Asymmetrische rein motorische atrophe Paresen können ein Hinweis auf eine MMN sein, v. a. wenn mehrere Nerven betroffen sind. Häufige Fehldiagnosen sind eine Motoneuronerkrankung oder Engpass-Syndrome. Leitungsblocks sind bei der Diagnosestellung hilfreich, jedoch nicht obligat.
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Vaskulitische Polyneuropathie
Klinische Präsentation
Eine weitere Ursache für eine entzündlich bedingte Polyneuropathie ist eine Entzündung der Vasa nervosum. Hierbei unterscheidet man eine isolierte Vaskultis des peripheren Nervensystems (nonsystemic vasculitic neuropathy, NSVN) von einer Polyneuropathie im Rahmen einer systemischen Erkrankung.
Der Verlauf kann schubweise auftreten, aber auch in bis zu 30 % der Fälle einen chronischen Prozess aufweisen [15], [16]. Die typische Klinik einer Mononeuritis multiplex, in der einzelne Nervenausfälle über die Zeit auftreten, ist aber nur in der Minderheit der Fälle zu finden. Viel häufiger finden sich Schwerpunktneuropathien oder gar symmetrische, distal betonte Polyneuropathien. Ein besonderes klinisches Charakteristikum ist der neuropathische Schmerz, der oft auch plötzlich im Falle einer Nervenischämie auftreten kann. Insbesondere aufgrund der häufig fluktuierenden, variablen klinischen Präsentation ist die Diagnose anspruchsvoll – die mittlere Dauer bis zur Diagnose beträgt bei der nicht systemischen vaskulitischen Neuropathie etwa 5–8 Monate.
Die Minderheit der Patienten mit einer vaskulitischen Polyneuropathie hat eine PNP vom Multiplex-Typ, vielmehr ein generalisiertes Muster mit Schwerpunkten und Asymmetrien. Schmerz ist immer vorhanden.
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Immunpathogenese
Die Entzündung der nervenversorgenden Gefäße ist der gemeinsame pathophysiologische Mechanismus. Die Entzündung der Vasa nervosum führt schließlich zu Thrombose, Gefäßverschluss und Ischämie des Nerven [17]. Allerdings kann die Ätiologie der Vaskulitis unterschiedlich sein. [Tab. 2] zeigt die Einteilung der vaskulitische Polyneuropathien [15], [16], [17].
Einteilung |
Ätiologie |
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Primär systemische Vaskulitis |
Gefäßgröße |
granulomatös |
nicht granulomatös |
groß |
Riesenzellarteriitiden Arteriitis cranialis Takayasu-Arteriitis |
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mittel |
Polyarteriitis nodosa Kawasaki-Erkrankung |
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klein |
Wegener-Granulomatose Churg-Strauss-Syndrom |
mikroskopische Polyangiitis kryoglobulinämische Vaskulitis Behçet-Syndrom |
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Sekundär systemische Vaskulitis |
Kollagenosen |
rheumatoide Arthritis Lupus erythematodes Sjögren-Syndrom Sklerodermie |
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maligne Erkrankungen |
lympho- und myeloproliferative Erkrankungen Karzinome |
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andere entzündliche Grunderkrankungen |
Morbus Crohn Colitis ulcerosa Sarkoidose |
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medikamenteninduziert |
Hydralazin, Phenytoin, Thyreostatika, Thiazide, Penizillin, Sulfonamide, Morphin, Kokain, Amphetamin |
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erregerbedingt |
HBV, HCV, HIV, CMV, Lepra, Borrelien, HTLV-I |
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nicht systemische Vaskulitis |
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nicht systemische vaskulitische Polyneuropathie |
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neuralgische Amyotrophie |
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diabetische Radikuloplexopathie (schmerzhaft und nicht schmerzhaft) |
|||
nicht systemische Haut/Nerv-Vaskulitis |
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Elektrophysiologische Befunde
Elektrophysiologische Befunde zeigen insbesondere Zeichen eines axonalen Verlusts von motorischen und sensiblen Nervenfasern an. Das bedeutet insbesondere eine Reduktion der Amplituden der motorischen und sensiblen Summenpotenziale in der Neurografie [18]. Die EMG zeigt entsprechend Zeichen akuter (positive scharfe Wellen und Fibrillationen) und chronischer Denervierung (mit einer Amplitudenvergrößerung der Potenziale motorischer Einheiten). Kurz nach Symptombeginn kann auch ein transienter Leitungsblock in der Neurografie auffallen, wenn sich distal des Nerveninfarkts in der Frühphase noch keine Waller-Degeneration entwickelt hat [15].
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Ultraschall
Der Durchmesser der peripheren Nerven ist im Vergleich zu Gesunden bei der vaskulitischen Polyneuropathie moderat erhöht [19], aber nicht so ausgeprägt wie bei chronisch demyelinisierenden Polyneuropathien. Insgesamt sind aber das Muster einer axonalen Polyneuropathie in der Elektrophysiologie und leicht verdickte Nerven im Ultraschall sehr verdächtig auf eine Vaskulitis.
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Nervenbiopsie
Die Nervenbiospie kann die Diagnose der Vaskulitis sichern. Während bei der systemischen Vaskulitis die Diagnose auch aus der Beteiligung anderer Organsysteme gestellt werden kann, ist die Nervenbiopsie bei der nicht systemischen vaskulitischen Neuropathie der Goldstandard zur definitiven Sicherung der Diagnose [13], [15]. Dabei sollte ein Nerv biopsiert werden, der klinisch und elektroneurografisch betroffen ist. Die Nervenbiopsie zeigt bei der Vaskulitis insbesondere entzündliche Infiltrate in den Gefäßwänden bzw. die Folgen des Nerveninfarkts.
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Erweiterte Diagnostik
Die Zuordnung einer Vaskulitis zu einer Ätiologie erfordert entsprechend auch eine breite differenzialdiagnostische Abklärung. Hierbei können zunächst spezielle Laboruntersuchungen hilfreich sein [Tab. 3] [17], [18], [20]. Zusätzlich empfiehlt sich – besonders zur Abgrenzung zu systemischen Vaskulitiden – eine erweiterte Organdiagnostik (CT-Thorax-Abdomen, PET etc.).
Routine |
V. a. Vaskulitis |
Blutbild Elektrolyte Leber- und Nierenwerte Urin HbA1c, Glukose BSG, CRP Immunfixation Komplement Kryoglobuline Hepatitis B, Hepatitis C |
antineutrophile zytoplasmische Autoantikörper (cANCA, pANCA, Anti-PR3, Anti-MPO) ANA ENA (SSA, SSB, Sm, RNP, Scl-70) Rheumafaktoren Anti-CCP-Antikörper Liquor HIV, Borrelien-AK, CMV paraneoplastische AK (Anti-Hu) ACE, löslicher Interleukin-2-Rezeptor |
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Therapie
Gute Studien mit dem Endpunkt der Besserung der Polyneuropathie liegen leider nicht vor. Die Therapie fußt auf einer Immunsuppression, wobei die DGN-Leitlinien [14] hier Glukokortikoide und Cyclophsphamid (Grad III) empfehlen. Dabei soll ein Prednisolon-Äquivalent von 1 mg/kg KG/d oder eine Pulstherapie mit 500–1000 mg/d an 3–5 Tagen und anschließender Reduktion auf orale Erhaltungsdosis verbreicht werden. Für Cyclophosphamid empfiehlt sich eine Pulstherapie mit einer Induktion mit 350 mg/m² KOF an 3 aufeinander folgenden Tagen und dann 600 mg/m² KOF in Abständen von 6–8 Wochen.
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Fazit
Die Erkennung entzündlich vermittelter Neuropathien ist eine der fundamentalen Aufgaben in der Diagnostik der Polyneuropathie. Dies ist insbesondere deshalb essenziell, weil der Verlauf meist chronisch progredient ist und zu schweren neurologischen Behinderungen führt. Die korrekte Einordung der entzündlichen Ursache der Neuropathie ist damit die Grundlage einer antiinflammatorischen Therapie.
Das Spektrum ist jedoch vielgestaltig, sowohl in klinischer als auch elektrophysiologischer und histopathologischer Ausprägung. Dabei sind i. d. R. Einzelbefunde für eine Diagnose nicht ausreichend. Es geht vielmehr um das Erkennen eines für eine Erkrankung spezifischen Musters [Tab. 4] Die bildmorphologische Darstellung und Musteranalyse kann hier in Zukunft zusätzliche hilfreiche Informationen liefern.
Therapeutisch stehen vor allem antiinflammatorische und entzündungsmodulierende Verfahren zur Verfügung. Weiterhin von hoher Relevanz ist die Suche nach Biomarkern, die eine gezielte Therapie erleichtern und auch den Verlauf wiedergeben.
* außer IgM-Anti-MAG (50 % d.F.) ** können gänzlich fehlen oder bei sehr distalem Block eine axonale Läsion suggerieren dmL = distal motorische Latenz, NLG = Nervenleitgeschwindigkeit, BSG = Blutsenkung, ANA = antinukleäre Antikörper, RF = Rheumafaktor, MMN = multifokale motorische Neuropathie, ANCA = antineutrophile zytoplasmische Autoantikörper
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Inflammatorische Polyneuropathien führen unbehandelt zu signifikanten neurologischen Ausfällen.
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Die häufigste Form ist die chronisch inflammatorische demyelinisierende Polyradikuloneuropathie(CIDP).
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Des Weiteren finden sich mit überwiegend demyelinisierendem Schädigungsmuster die rein motorische multifokale motorische Neuropathie (MMN), paraproteinämische Neuropathien u. a.
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Die Paranodopathien zeigen eine eher axonale Schädigung bei demyelinisierender Elektrophysiologie.
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Die vaskulitische Polyneuropathie zeigt ein axonales Schädigungsmuster, hier muss eine weitere Einschätzung der Ätiologie der Vaskulitis erfolgen.
Eine frühe Diagnose ist essenziell, um eine antiinflammatorische Therapie einleiten zu können.
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Je nach Diagnose stehen als Therapie Glukokortikoide, Immunglobuline oder Plasmapherese zur Verfügung.
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Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist PD Dr. med. Alexander Grimm, Tübingen.
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Danksagung
Dank an Frau Professor Dr. A. Bornemann, Institut für Neuropathologie, Universitätsklinikum Tübingen, für die Bereitstellung des histologischen Befundes in Fall 1.
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Autorinnen/Autoren


Alexander Grimm
PD, Dr. med. habil.; Studium der Humanmedizin an der Julius-Maximilians Universität Würzburg, 1999–2005, 2006 Promotion. 2006–2011 Facharztausbildung Neurologie an der Universitätsklinik Würzburg und Jena, 2011 Facharzt für Neurologie, seit 2013 Oberarzt für Neurologie, bis 2015 am Universitätsspital Basel, seit 2015 am Universitätsklinikum Tübingen, 2016 Habilitation; Leiter der klinischen Neurophysiologie, der Neurologischen Poliklinik sowie des neuromuskulären Zentrums.


Hubertus Axer
apl. Prof. Dr. med. habil.; Studium der Humanmedizin an der RWTH Aachen, 1996–1997 AiP, 1997 Promotion, 1997–2002 Facharztausbildung Anatomie, RWTH Aachen, 2002 Habilitation, 2002 Facharzt für Anatomie, 2002–2007 Facharztausbildung Neurologie, Universitätsklinikum Jena; 2007 Facharzt für Neurologie; seit 2008 Oberarzt, 2011 Ernennung zum apl. Professor an der FSU Jena; Leiter der Klinischen Neurophysiologie und des Schwindelzentrums.
Interessenkonflikt
Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
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