Schlüsselwörter
Traumamanagement - Blutungskontrolle - Präklinik - Terror - ABCDE-Schema
Key words
trauma management - bleeding control - preclinical - terror - ABCDE algorithm
Trauma ist die häufigste Todesursache bei Personen bis 44 Jahre sowie die dritthäufigste
Todesursache in allen Altersklassen in den westlichen Industrienationen [1]. Etwa 30 – 40% der Schwerverletzten versterben an einer schweren Hämorrhagie – bis
zu 50% davon bereits präklinisch, insbesondere nach penetrierenden Traumata. Potenziell
reversible Ursachen des traumatischen Herz-Kreislauf-Stillstandes sind [2], [3]:
Auch wenn die Versorgung schwerer Traumata gerade im bodengebundenen Notarztdienst
in Deutschland ein eher seltenes Notfallbild darstellt, ist die Polytraumaversorgung
ein zentraler Bereich der präklinischen Notfallmedizin, mit einem hohen Maß an Bewusstsein
und Motivation aller Beteiligten. Dies zeigt sich auch in den zahlreichen und in den
letzten Jahren immer weiter verbreiteten, zertifizierten Trauma-Kurssystemen – Pre
Hospital Trauma Life Support (PHTLS®), International Trauma Life Support (ITLS®) – sowie der konsekutiven, „traumazentrierten“ Verbreitung einer algorithmusbasierten
Versorgung. Dabei stimmen die Empfehlungen des PHTLS im hohen Maße mit den Empfehlungen
der S3-Leitlinie Polytrauma überein [4].
Die in den letzten Jahren in Deutschland zunehmende Anzahl an Schadenslagen mit teilweise
terroristischem Hintergrund hat nicht nur eine einsatztaktische Veränderung erfordert,
sondern auch eine Modifikation bzw. Erweiterung der Notfallausstattung. Bei derartigen
Einsätzen steht vorwiegend das penetrierende Trauma im Fokus [5]. So wurde in Bayern durch die oberste Rettungsdienstbehörde – das Bayerische Staatsministerium
des Innern, für Bau und Verkehr – eine Handlungsempfehlung für Rettungsdiensteinsätze
bei besonderen Einsatzlagen (REBEL) erarbeitet und landesweit die Ausstattung aller
Notfallrettungsmittel erweitert. Die folgenden 3 Kasuistiken beschreiben die Anwendung
dieser REBEL-Ausstattung bei zivilen Notfällen. Sie verdeutlichen, dass die Erweiterung
der Ausstattung in Kombination mit der Fortbildung aller Beteiligten – insbesondere
im Bereich der Blutungskontrolle – primär auch bei nicht terroristischen Einsätzen
sinnvoll eingesetzt werden kann.
Fall 1: Hämostyptika
Auf einer Bundesautobahn fährt ein Lkw auf ein stehendes Streufahrzeug auf. Der Fahrer
des Lkw ist durch Intrusion des Lkw-Fahrerhauses schwer zugänglich und eingeklemmt.
Im „Primary Survey“ ist Folgendes festzustellen:
-
kritische Blutung aus dem Gesichtsbereich
-
partiell verlegte Atemwege bei vorhandener Spontanatmung
-
zentralisierte Kreislaufverhältnisse
-
initialer Glasgow Coma Scale (GCS) = 8
Noch im Lkw wird mit mehreren Helfern mittels manueller Kompression durch Kompressen
sowie mit Hämostyptika beschichteter Verbandmittel aus dem REBEL-Set versucht, die
massive Blutung einzudämmen. Unmittelbar nach der technischen Rettung wird der sich
im hämorrhagischen Schock befindliche, ca. 50-jährige Patient videolaryngoskopisch
intubiert. Außerdem werden bei anhaltender Kreislaufinstabilität nach Notfallnarkose
und hochdosierter Katecholamingabe (bis zu 20 μg/min Noradrenalin), u. a. über einen
bereits während der technischen Rettung inserierten i. o. Zugang am proximalen Humerus,
bei extrem zentralisierten Kreislaufverhältnissen 2 großlumige Thoraxdrainagen und
eine Beckenschlinge angelegt. Präklinisch werden insgesamt
als Kurzinfusion gegeben.
Die Traumaspirale (Ganzkörper-CT) im Schockraum zeigt neben einer mehrfragmentären,
dislozierten Fraktur des Sinus frontalis und dislozierten Frakturen der rechten Orbita
mehrere stabile Hals- und Brustwirbelkörperfrakturen sowie einen schmalen ventralen
Pneumothorax links. Bei einem initialen Hb von 7,7 g/dl und einer anzunehmenden Koagulopathie
werden unmittelbar im Schockraum 2 Erythrozytenkonzentrate sowie 4 g Fibrinogen verabreicht.
Nach operativer Versorgung der Frakturen in mehreren Sitzungen und einem mehrwöchigen
Klinikaufenthalt kann der Patient ohne Residuen in eine Rehabilitationseinrichtung
entlassen werden.
Fall 2: Thoraxverschlusspflaster
Fall 2: Thoraxverschlusspflaster
Auf einer Baustelle verunfallt ein 32-jähriger Arbeiter: Er stürzt aus ca. 1,5 m Höhe
auf einen Armierungsstahl und zieht sich dabei eine rechtsseitige thorakale Pfählungsverletzung
zu. Die Stange penetriert den Thorax des Verunfallten von vorne kaudal der Mamille
nach laterodorsal. Vor dem Eintreffen des Notarztes haben die Ersthelfer den Patienten
bereits von der Metallstange gehoben, sodass der Bauarbeiter in Linksseitenlage ohne
sichtbaren Fremdkörper am Unfallort aufgefunden wird. Die initiale Untersuchung ergibt:
-
GCS = 15
-
offensichtliche penetrierende Thoraxverletzung mit Ein- und Austrittswunde
-
Schmerzen im rechten Handgelenk
-
diverse Abschürfungen und Prellungen
Weitere relevante Verletzungen sind auch im Verlauf nicht feststellbar.
Der Patient zeigt Zeichen von Atemnot mit einer initialen peripheren O2-Sättigung von 92% ohne O2-Gabe und stärkste thorakale Schmerzen (numerische Ratingskala 10/10). Die Auskultation
der Lunge zeigt keine Auffälligkeiten. Der erste systolische Blutdruck beträgt 100 mmHg,
die Herzfrequenz 90/min. Es wird eine periphere Venenverweilkanüle am rechten Handrücken
(18 G) angelegt und eine Analgosedierung durch die fraktionierte i. v.-Applikation
folgender Substanzen durchgeführt:
-
0,4 mg Fentanyl
-
3 mg Midazolam
-
2,5 g Metamizol
Weiterhin werden Thoraxverschlusspflaster mit Ventilmechanismus aus dem REBEL-Set
auf die Penetrationswunden aufgebracht, um ein Eindringen von Luft in den Thorax zu
verhindern ([Abb. 1]). Daraufhin wird der Patient mittels Schaufeltrage und Vakuummatratze in den Rettungswagen
gebracht. Unter diesen Erstmaßnahmen verbessert sich der subjektive Zustand des Patienten
deutlich.
Im Rettungswagen zeigen sich stabile Vitalparameter, der Patient gibt keine relevante
Dyspnoe und erträgliche Schmerzen an. Daraufhin verzichtet man, die bereits vorbereitete
Intubationsnarkose einzuleiten und eine präklinische Thoraxdrainage anzulegen. Der
Transport in das nächstgelegene, überregionale Traumazentrum gestaltet sich problemlos.
Bei Aufnahme im Schockraum werden folgende Parameter dokumentiert:
Das Ganzkörper-CT zeigt die Thoraxpenetration ohne Hinweis auf verletzte intrathorakale
Organe. An der rechten Hand wird eine Spiralfraktur der Ossa metacarpalia II und III
diagnostiziert, die später operativ versorgt wird. Unter intensivmedizinischer Überwachung
wird im Verlauf noch die Therapie eines Pleuraergusses rechts mittels Thoraxdrainage
erforderlich. Der Patient kann nach 2 Wochen aus dem Krankenhaus entlassen werden.
Abb. 1 Thoraxverschlusspflaster mit Ventil an der ventralen Durchspießungswunde.
Fall 3: Tourniquet
Ein 47-jähriger Motorradfahrer verunfallt durch eine frontale Kollision mit einem
Lkw und wird teilweise von diesem überrollt. Beim Eintreffen des Notarztes zeigen
sich:
-
initialer GCS = 3
-
massive Kreislaufinstabilität bei schwerem hämorrhagischem Schock
-
traumatische Unterschenkelamputation links
-
Femurfraktur links
-
offene Wunden am Oberarm links
Als eine der ersten Maßnahmen wird ein Tourniquet aus dem REBEL-Set am linken Oberschenkel
angelegt, um die kritische Blutung aus der Amputationsverletzung einzudämmen ([Abb. 2]). Nach Einleitung einer Notfallnarkose erfolgt der unmittelbare luftgebundene Transport
in den Schockraum eines überregionalen Traumazentrums.
Dort wird in der Ganzkörper-Computertomografie bei weiterhin instabilen Kreislaufverhältnissen
– neben der offensichtlichen Amputationsverletzung – Folgendes festgestellt:
-
anteriore Schultergelenksluxation links
-
mehrfragmentäre Scapula- und distale Humerusfraktur links
-
Rippenserienfraktur links (2. bis 9. Rippe)
-
nicht dislozierte Fraktur des Os sacrum rechts
-
mehrfragmentäre Fraktur des Acetabulums rechts
-
obere und untere Schambeinastfraktur links mit Beteiligung der Symphyse
-
nicht dislozierte intraartikuläre Fraktur der medialen Femurkondyle links
Bei einem initialen Hb von 8,5 mg/dl und der Notwendigkeit einer sofortigen operativen
Versorgung der Verletzungen werden noch im Schockraum 4 Erythrozytenkonzentrate verabreicht.
Während der operativen Initialversorgung der führenden Verletzungen kann durch differenzierte
Volumen-, Katecholamin- und Gerinnungstherapie eine zunehmende Kreislaufstabilisierung
erreicht werden. Nach einem 7-wöchigen Intensivaufenthalt und der operativen Versorgung
der beschriebenen Verletzungen – sowie einigen Revisionseingriffen und der Nachresektion
des Stumpfes – wird der Patient in stabilem Zustand in eine Rehabilitationsklinik
verlegt.
Abb. 2 Tourniquet am linken Unterschenkel mit zusätzlich angebrachtem Druckverband.
Diskussion
Gerade bei schwerverletzten Patienten ist die zielgerichtete präklinische Versorgung
für den weiteren Verlauf der Traumabehandlung von entscheidender Bedeutung. Buschmann
et al. bezeichneten die Präklinik als einen der Brennpunkte des Traumamanagements
[6]. Der schnelle Transport in das nächste geeignete Traumazentrum zur weiteren klinischen
Versorgung – nach dem Konzept der „Golden Hour“ – ist weiterhin ein entscheidender
Baustein [7]. Dennoch ist es unabdingbar, bei akut vital bedrohlichen Verletzungsmustern – trotz
einer etwaigen Verlängerung der präklinischen Versorgungszeit – lebensrettende und
teilweise invasive Maßnahmen zu ergreifen. Dazu zählen die Einleitung einer Notfallnarkose
mit Atemwegssicherung und kontrollierter Beatmung bei drohender oder eingetretener
Hypoxie oder die Entlastung eines Spannungspneumothorax [8], [9], [10].
Frühzeitige Blutungskontrolle <C>
Die konsequente Blutungskontrolle bei starken bzw. potenziell lebensbedrohlichen Blutungen
steht besonders im Fokus. Hier erfolgt eine Modifikation des klassischen ABCDE-Algorithmus
hin zu <C>ABCDE, auch beim schweren Monotrauma [11]. Neben einer letalen Hämorrhagie kann durch die frühe gezielte Blutstillung eine
konsekutive traumainduzierte Koagulopathie verhindert werden, die bei 30% der Patienten
bei Ankunft im Schockraum vorliegt [12]. Gegenüber rein supportiven Maßnahmen, wie z. B. der Volumentherapie, haben folgende
Anwendungen eine deutlich höhere Priorität:
-
frühzeitige Anlage einer Beckenschlinge bei entsprechender Unfallkinetik
-
Blutstillung durch Anlage eines Tourniquets bei distalem Extremitätentrauma
-
Anwendung von Hämostyptika bei proximalen Blutungen bzw. am Körperstamm
Auch wenn die meisten Blutungen durch die Anlage eines konventionellen Druckverbandes
kontrolliert werden können, ist es gerade bei penetrierenden Wunden entscheidend,
die Wundhöhle mit geeigneten Verbandstoffen bzw. Hämostyptika in Form von Verbänden
auszutamponieren und ausreichenden Druck auf die Wunde auszuüben [13]. Präklinisch sollen nur Hämostyptika in Form von Verbänden und nicht als Pulver
verwendet werden [14].
Antikoagulanzien
Aktuell werden ca. 1% der europäischen Bevölkerung mit Antikoagulanzien therapiert
[15]. Hier kann es bereits durch Bagatelltraumata zu einer bedrohlichen Blutung kommen,
die zielgerichtet therapiert werden muss. Gerade in Kombination mit einer größeren
Wundfläche bietet sich die frühzeitige Anwendung eines Hämostyptikums auf der Basis
von Chitosan an. Solche Hämostyptika sind durch ihre adhäsive bzw. mukoadhäsive Eigenschaften
wirksam bei [16]:
Sie erreichen im Vergleich zu anderen Hämostyptika die schnellste und effektivste
Blutstillung [17].
Atemweg
Nach Eindämmung der kritischen Blutung liegt im <C>ABCDE-Algorithmus der Fokus auf
dem Atemweg. Dieser ist insbesondere auch bei Traumapatienten hinreichend in der S1-Leitlinie
Notfallnarkose beleuchtet und soll nicht Bestandteil dieser Diskussion sein [18].
Thoraxtrauma
Ein weiteres Verletzungsmuster, das präklinisch häufig einer unmittelbaren Therapie
bedarf, ist das Thoraxtrauma. Identifiziert wird dieses im Primary Survey bei der
Untersuchung der Atmung: „B – Breathing“ (Dyspnoe, erhöhte Atemfrequenz/-arbeit, Schmerzen
am Thorax, pathologische Auskultationsbefunde etc.). Konsekutiv können auch Probleme
des Kreislaufs („C – Circulation“) entstehen, wie es z. B. beim Spannungspneumothorax
der Fall ist. Es wird zunächst zwischen einem stumpfen und einem penetrierendem Thoraxtrauma
unterschieden. Letzteres ist insbesondere bei besonderen Einsatzlagen wie Amoklauf
oder Terror gehäuft zu beobachten (Schuss- bzw. Stichverletzungen). Auch eine Kombination
aus stumpfem und penetrierendem Trauma ist denkbar (z. B. Explosion) [19].
Die initiale Therapie jeder respiratorischen Störung nach Trauma ist die hochdosierte
O2-Gabe mittels High-Flow-Maske [13].
Die wichtigsten Untersuchungsparameter bezüglich des Vorliegens eines relevanten Hämatopneumothorax
bei Traumapatienten sind:
Liegen bei einem Thoraxtrauma alle 3 Parameter vor, so liegt die statistische Wahrscheinlichkeit
für einen relevanten Hämatopneumothorax > 99%.
Bei Verdacht auf Pneumothorax muss der Patient engmaschig bezüglich Zeichen eines
Spannungspneumothrorax untersucht werden. Neben dem einseitigen Fehlen des Atemgeräusches
stehen hier vor allem zirkulatorische Symptome im Vordergrund. Der Spannungspneumothorax
ist die häufigste reversible Ursache des traumatischen Herz-Kreislauf-Stillstands.
Besteht der Verdacht auf einen Spannungspneumothorax, muss die betroffene Pleurahöhle
unmittelbar dekomprimiert werden. Dies kann zunächst mittels Thoraxentlastungspunktion
mit einer großlumigen Kanüle erfolgen, bis personelle und materielle Ressourcen zur
Verfügung stehen, um eine Thoraxdrainage zu legen. Alternativ kann auch eine Mini-Thorakotomie,
z. B. in Bülau-Position, durchgeführt werden, um eine akute Entlastung zu erwirken.
Bei der Entlastungspunktion muss darauf geachtet werden, dass die Nadel eine ausreichende
Länge von mind. 80 mm besitzt, um die Thoraxwand und die Pleura sicher zu perforieren
[20], [21]. Neben der Monaldi-Position im 2. bzw. 3. Interkostalraum medioklavikular ist auch
die Bülau-Position im 4. bis 6. Interkostalraum der vorderen bzw. mittleren Axillarlinie
möglich [21]. Dabei sollte man darauf achten, dass die Bülau-Drainage stets oberhalb der Mamillenlinie
eingebracht wird, um einer Verletzung von benachbarten Organen (z. B. Leber) vorzubeugen.
Grundsätzlich ist der gesamte Thorax ventral und dorsal nach offenen Wunden zu untersuchen,
auch wenn – wie in Fall 2 – die Wunden offensichtlich zu sein scheinen. Dies impliziert
auch, den Patienten vollständig zu entkleiden. Beim Vorliegen offener Thoraxverletzungen
sollten diese unmittelbar luftdicht verschlossen werden. Dadurch kann nicht nur eine
subjektive Linderung der Atembeschwerden, sondern auch eine Verbesserung der Oxygenierung
erzielt werden [23], [24]. Zum Verschluss derartiger Wunden sind kommerziell hergestellte Thoraxverschlusspflaster
die Mittel der Wahl, da durch diese ein adäquater luft- und blutdichter Verschluss
erzielt werden kann. Verschlusspflaster mit Ventilmechanismus sollten bevorzugt werden,
weil durch diese nicht nur im Thorax überschüssige Luft- und Flüssigkeitsmengen suffizient
austreten können, sondern auch der Entwicklung eines Spannungspneumothorax vorgebeugt
wird [25], [26], [27].
Sowohl nach Thoraxverschluss mittels Verschlusspflaster als auch nach Anlage einer
Thoraxdrainage muss engmaschig evaluiert werden, ob die getroffenen Maßnahmen effizient
sind. Dies gilt insbesondere nach Einleitung einer Notfallnarkose mit maschineller
Beatmung. In diesem Zusammenhang sei nochmals auf die S1-Leitlinie Notfallnarkose
verwiesen [18]. Auch wenn die aufgeführten Verletzungsmuster und das beschriebene Vorgehen – insbesondere
bei besonderen Einsatzlagen wie Amok oder Terror – erwartet werden, muss man mit derartigen
Verletzungen auch bei zivilen Notfallbildern rechnen. Exemplarisch hierfür stehen
die aufgeführten Fallbeispiele 1 – 3.
Rettungsdiensteinsätze bei besonderen Einsatzlagen (REBEL)
Rettungsdiensteinsätze bei besonderen Einsatzlagen (REBEL)
Die notfallmedizinischen Aspekte bei „lebensbedrohlichen Einsatzlagen“ wurden nochmals
in den jüngst veröffentlichten Ergebnissen eines nationalen Konsensusgesprächs zum
Thema „Zusammenarbeit von Rettungskräften und Sicherheitsbehörden bei bedrohlichen
Lagen“ betont [28]. Aufgrund der veränderten Bedrohungslage und der daraus resultierenden gestiegenen
Anforderungen an den Rettungsdienst gab die oberste bayerische Rettungsdienstbehörde
– das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr – am 09.06.2016
„Handlungsempfehlungen für Rettungsdiensteinsätze bei besonderen Einsatzlagen/Terrorlagen
(REBEL)“ heraus. Neben einer an derartige Lagen angepassten Einsatztaktik wurde auch
eine Erweiterung der medizinischen Ausstattung der Notfallrettungsmittel empfohlen.
Nicht nur der Rettungsdienst, sondern auch ehrenamtliche Einheiten des Katastrophenschutzes
– z. B. die Bereitschaften des Bayerischen Roten Kreuzes – wurden zeitnah mit sog.
REBEL-Sets ausgestattet [19]. In [Tab. 1] ist das REBEL-Set „Rettungsdienst“ und das REBEL-Set „Bereitschaften“ in Bezug auf
das ABCDE-Schema dargestellt. Darin sind enthalten:
Tab. 1 Inhalt des REBEL-Sets „Rettungsdienst“ und des REBEL-Sets „Bereitschaften“ in Bezug
auf das ABCDE-Schema.
ABCDE-Algorithmus
|
REBEL-Set Rettungsdienst
|
REBEL-Set Bereitschaften
|
Airway (Atemweg)
|
|
Wendl-Tuben
|
Breathing (Beatmung)
|
Thoraxpunktionsnadeln
Thoraxverschlusspflaster
|
|
Circulation (Kreislauf)
|
Tourniquet
Hämostyptika
Beckenschlinge
|
Tourniquet
Notverband/Emergency Bandage
Verbandpäckchen
Z-folded Gauze
|
Disability (neurologische Funktion)
|
|
|
Exposure & Environment (Entkleiden/Wärmeerhalt, Umweltbedingungen)
|
zusätzliche SAM-Splint-Schienen
|
Wärmeschutzfolie
Patienten-Transfer-Unterlage/Umbettungstuch
Leuchtstift/Knicklicht
|
Außerdem beinhaltet die Empfehlung die Vorhaltung von Traumaequipment, welches aber
bereits auf den Notfallrettungsmitteln in Bayern flächendeckend vorhanden ist (z. B.
Beckenschlinge). In der Praxis ist je nach Rettungsdienstbereich diese Zusatzausstattung
entweder in die Standard-Notfallausrüstung integriert oder wird in einem gesonderten
Rucksack mitgeführt ([Abb. 3]).
Abb. 3 REBEL-Set „Rettungsdienst“ in einem Zusatzrucksack auf einem Rettungstransportwagen.
Die Bevorratung dieser neuen Devices bietet neue Möglichkeiten der zielgerichteten
Versorgung akut vital bedrohlicher Zustände. Die stringente algorithmusbasierte Versorgung
(<C>ABCDE) stellt die Grundlage hierfür dar, insbesondere auch für die Anwendung durch
nicht ärztliches Rettungsdienstpersonal. Für eine sichere Anwendung dieser Devices
ist eine fundierte Ausbildung aller an der Rettungskette beteiligten Helfer notwendig.
Exemplarisch ist hier die „REBEL-Schulung“ für jeden Sanitäter der Bereitschaften
des Bayerischen Roten Kreuzes zu nennen, bei der nach einer theoretischen Einführung
die praktische Anwendung an Simulatoren und Modellen geübt wird ([Abb. 4]). Bestenfalls wird in Zukunft die Indikationsstellung und der Umgang mit den beschriebenen
„neuen“ Hilfsmitteln schon in die Notfallsanitäter- und Notarztausbildung integriert.
Abb. 4 Praktische Übung zur Blutungskontrolle mittels spezieller Verbandmittel am Modell.
Zusammenfassend sollte jeder im Rettungsdienst Tätige bei der Versorgung von Traumapatienten
niederschwellig an die beschriebene Zusatzausstattung denken, vor dem tatsächlichen
Einsatz die Indikation aber kritisch prüfen. Auch wenn diese im Rahmen der veränderten
Bedrohungslage durch Terror angeschafft wurden, dürfte der Großteil des Einsatzgebietes
in zivilen Notfallbildern liegen.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Univ.-Prof. Dr. Peter Kranke, Würzburg.
Kernaussagen
-
Im Rahmen der veränderten Bedrohungslage durch Terror werden bundesweit die Notfallrettungsmittel
mit Zusatzmaterial bestückt, das auf die zu erwartenden Verletzungsmuster abgestimmt
ist.
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Im Freistaat Bayern haben Einheiten des Rettungsdienstes und Katastrophenschutzes
das sog. REBEL-Set nachgerüstet (auf Basis der Handlungsempfehlung für Rettungsdiensteinsätze bei besonderen Einsatzlagen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr).
-
Diese Zusatzausstattung umfasst z. B. Thoraxverschlusspflaster und -entlastungskanülen,
Tourniquets und Hämostyptika sowie weitere spezielle Verbandmittel.
-
Unabhängig von der Schadenslage (zivile Notfälle oder besondere Einsatzlagen) stellen
Verbluten, Atemwegsverlegung und Spannungspneumothorax die häufigsten vermeidbaren
Todesursachen von Traumapatienten dar.
-
Durch eine stringente, algorithmusbasierte Notfalltherapie (z. B. <C>ABCDE-Algorithmus)
können derartige Zustände zügig identifiziert und unter Einbeziehung der „neuen“ Hilfsmittel
unmittelbar therapiert werden.
-
Die kritische Indikationsstellung und die Anwendung dieser Hilfsmittel erfordert eine
fundierte Schulung in Theorie und Praxis von ärztlichem und nicht ärztlichem Rettungsdienstpersonal.
-
Derartige Schulungen sollten frühzeitig schon in die Ausbildung angehender Notfallsanitäter
und Notärzte integriert werden.