Hintergrund/Struktur: Im Gesundheitsamt der Stadt Essen (Einwohnerzahl 597.081, Stand 2024, Quelle: Homepage
Stadt Essen) sind dem Infektionsschutz u.a. die Beratungsstellen nach §10 Prostituiertenschutzgesetz
und zu HIV/STI nach § 19 Infektionsschutzgesetz und die ärztliche Beratung/Untersuchung
bei STI zugeordnet.
Neben Sozialarbeiter*innen, Sozialpädagoginnen, einer Krankenpflegerin, einer Fachärztin
für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie arbeitet hier eine Fachärztin für Frauenheilkunde
und Geburtshilfe.
Ärztlicherseits erfolgt die Beratung und bei bestehenden Risiken auch die Untersuchung
auf STI. Das Angebot ist anonym, freiwillig, kostenfrei und richtet sich vornehmlich
an bestimmte Zielgruppen, wie in der Sexarbeit tätige Menschen, nicht krankenversicherte
oder besonders gefährdete Menschen, aber auch an die Allgemeinbevölkerung. Die Tätigkeit
erfolgt aufsuchend und vor Ort im Gesundheitsamt.
Vernetzung: Aus beiden o.g. Beratungsstellen, aber auch von anderen städt. Akteuren erfolgt
die Überleitung der Personen an die Ärztinnen (z.B. Beratungsstelle „freiRaum“ und
„Nachtfalter“ (beide cse), BELLA DONNA – Drogenberatung für Mädchen und Frauen, Suchthilfe
direkt gGmbH, Aidshilfe Essen e.V). Umgekehrt wird auch vom Gesundheitsamt übergeleitet
z.B. an die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen der Stadt, an das Zentrum für
HIV, AIDS, Proktologie und Geschlechtskrankheiten der Uniklinik, an den sozialpsychiatrischen
Dienst, vereinzelt an niedergelassene Ärzte, an das Arztmobil oder an Praxen für Menschen
ohne Papiere.
Umsetzung: Im Gesundheitsamt werden neben der körperlichen Untersuchung Abstrichuntersuchungen
an verschiedenen Körperstellen auf Chlamydien, Gonorrhoe und bei Bedarf auch auf andere
sexuell übertagbare Erkrankungen angeboten, im Blut kann eine HIV- und Syphilisdiagnostik
durchgeführt werden. Diese Untersuchungen sind teilweise landesfinanziert.
Bei den Sexarbeiterinnen ohne deutschen Krankenversicherungsschutz kann die Frauenärztin
zusätzlich Ultraschalluntersuchungen und die zytologische Gebärmutterhalskrebsvorsorge
anbieten, außerdem können Schwangerschaften festgestellt werden und im Einzelfall
auch medizinisch begleitet werden. Die Themen Schwangerschaftsverhütung und Impfprophylaxe
werden adressiert.
Neben dem geschilderten stationären Angebot im Gesundheitsamt, gibt es in der Stadt
Essen aber auch die lange Tradition (seit ca. 35 Jahren) der niederschwelligen aufsuchenden
Tätigkeit in der Prostitutionsszene in Kooperation mit den unterschiedlichsten Akteuren
der Stadt (s.o.).
Die Ärztinnen sind mehrmals im Monat aufsuchend unterwegs (z.B. auf dem Straßenstrich,
in der Bordellstraße oder in der Anlaufstelle „Nachtfalke“ der Aidshilfe Essen e.V.
für Männer/Jungs, die mit Sex Geld verdienen) und bieten auch dort – oft mit Unterstützung
von Sprachmittler*innen – Abstrichuntersuchungen, Blutentnahmen und bei Bedarf die
Behandlung und Versorgung von Bagatellerkrankungen und -wunden an. Nach § 19 des IfSG
„Aufgaben des Gesundheitsamtes in besonderen Fällen“ kann bei Menschen ohne Krankenversicherungsschutz
auch die ambulante Behandlung einer sexuell übertragbaren Infektion erfolgen – im
Einzelfall auch vor Ort z.B. auf dem Straßenstrich. Für die medikamentöse Behandlung
stellt die Stadt Essen finanzielle Mittel bereit.
Weitere aufsuchende Angebote: Das Sachgebiet bietet aber auch für die Allgemeinbevölkerung niederschwellige –
lebensnahe – Testangebote an: aktuell in verschiedenen Stadtteilen einen Hepatitis
Check („HEP CHECK“), einmal im Monat abends ein Testangebot („Teste mich“) in der
Aidshilfe, mehrmals jährlich sind ärztliche Kollegen mit einem Testangebot in der
schwulen Szene unterwegs z.B. in Saunen („Der Doktor kommt“).
Diskussion: Trotz vielfältiger niederschwelliger Angebote und Vernetzungen bleibt die Situation
der nicht krankenversicherten Personen, die pathologische Befunde haben und eigentlich
medizinisch weiterversorgt werden müssten, herausfordernd. Hier wären kreative, unkomplizierte
Lösungen wünschenswert.