Hintergrund und Ziel: Trotz STIKO Empfehlungen und Kostenübernahme durch Krankenkassen bestehen bei vielen
Impfungen immer noch größere Defizite. Da Impfungen zu den effektivsten und kostengünstigsten
Maßnahmen der Prävention gehören, ist es besonders wichtig die Durchimpfungsraten
zu verbessern. Ein Instrument dazu ist die Durchführung von Impfkampagnen. An vielen
Gesundheitsämtern fehlt das Know-how und Zeit solche Kampagnen zu entwickeln. Deshalb
bieten wir einen Workshop mit übertragbaren Materialien und der Entwicklung neuer
gemeinsamer Ideen an.
Bei HPV lagen bundesweit die Imfquoten bei Mädchen und Jungen nur bei 54% bzw. 27%
(15-Jährige). Bei Pneumokokken hatte nur jeder vierte über 60-Jährige eine aktuelle
Impfung. Noch geringer war in dieser Altersgruppe die Impfquote bei Herpes zoster
mit 7,7%.
Bei einer großangelegten Fragebogenaktion zum Thema Impfen an den Berufsschulen im
Landkreis Ludwigsburg (2017-2023) gaben lediglich 53% der befragten Schülerinnen und
Schüler (n=1873) an, auf die Aktualität ihrer Impfungen zu achten. Auch beim Wissen
über Impfungen gab es deutliche Defizite-z.B. kannten nur 18% der Befragten die HPV-Impfung.
Am konkreten Beispiel der Masernkampagne gelten Masern als eine der ansteckendsten
Erkrankungen des Menschen. Trotz effektiver und sicherer Impfstoffe, erkranken jährlich
immer noch mehrere Kinder und junge Erwachsene an Masern in Deutschland. Der wirksamste
Schutz gegen die Verbreitung dieser Krankheit ist die zweifache Impfung von mindestens
95 Prozent der Bevölkerung. 2019 hatten nur 13 von 39 Gemeinden im Landkreis Ludwigsburg
diesen Wert bei den Einschulungsuntersuchungen erreicht. Die Kommunale Gesundheitskonferenz
Ludwigsburg startete daher bereits im Sommer 2019 die landkreisweite Modellkampagne
„Stoppt Masern!“ mit Auftaktveranstaltungen in Vaihingen/Enz und Ludwigsburg.
Ziel war es, die Bevölkerung für das Thema zu sensibilisieren und über Masern aufzuklären,
um die Akzeptanz der Impfung weiter zu steigern.
Methodik/Umsetzung: Informationsparcours: detaillierte Ausarbeitung der einzelnen Arbeitsschritte zur
Projektgründung, -planung und -steuerung (Bedarfsanalyse, Netzwerkanalyse, Gewinnung
Kooperationspartnern/Schirmherrschaft, Finanzierung, Maßnahmen, Umsetzung für verschiedene
Zielgruppen, Evaluation) und Vorstellung der erstellten Materialien der Kampagne.
Interaktive Erarbeitung von neuen Impfkampagnen zu verschiedenen Krankheiten mit den
Teilnehmenden anhand von Arbeitsblättern, Fragebögen und Plakaten. Aushändigung einer
Arbeitsmappe mit Materialien für selbstständige Durchführung einer Impfkampagne am
Beispiel der Masernkampagne (versch. Infoschreiben, Einladungen etc.)
Zum Beispiel:
-
Wahl der Kooperationspartner: wer hat mit der Impfung/Krankheit zu tun? (z.B. gesetzliche
Krankenversicherungen (AOK, mhplus, BARMER), Bezirksärztekammer Nordwürttemberg, Unfallkasse
Baden-Württemberg, Kreisärzteschaft, der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg,
Sportkreis Ludwigsburg e.V., staatliches Schulamt etc.)
-
Schirmherrschaft: Bekanntheitsgrad, vorhandene Beziehungen (ehemalige Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn, Minister für Soziales, Gesundheit und Integration Manne Lucha)
-
Finanzierung: eigenes Etat in Zusammenarbeit mit der Politik, Aquise von Stiftungsgeldern,
Sponsoren, Spenden
-
Maßnahmen, Aktionen/Umsetzung für verschiedene Zielgruppen (Homepage www.stoppt-masern.de, zwei, mit dem Kampagnen-Logo und Maskottchen beklebte Linienbusse, die quer durch
den Landkreis fahren, Recall-Karten für die Zweitimpfung für Arztpraxen, Plakate/Flyer
für Kitas, Arztpraxen, Apotheken und Gemeinden, Infostände mit Bannern, Roll-Ups und
Maskottchen für Veranstaltungen und Betriebe, Postkarten in Bars und Restaurants etc.;
Impfbuchkontrollen auf der Ferienfreizeit des Sportkreises Ludwigsburg, Infoveranstaltungen
mit Bürgermeistern, in Betrieben und für die Öffentlichkeit, eine Telefonaktion „Impfungen
in Zeiten von Corona“ mit der Ludwigsburger Kreiszeitung, die digitale Informationsveranstaltung
zu „Ein Jahr Masernschutzgesetz – Erfahrungen und aktuelle Fragen“ und eine kostenfreie
Masern-Titerbestimmung für Lehr- und Betreuungspersonal in Schulen und Kitas und Flüchtlinge)
-
Evaluation: (Rückmeldebogen bei Veranstaltungen, Auswertung ESU-Daten, Befragung Kooperationspartner)
Ergebnisse: In Baden-Württemberg erfassen die Gesundheitsämter im Rahmen der Einschulungsuntersuchungen
auch den Impfstatus der Vorschulkinder. So konnte der Erfolg der Kampagne teilweise
dargestellt werden. Die Zahl der Durchimpfungsraten von >95% wurde 2022 von 31 Gemeinden
erreicht. Auch nach der offiziellen Kampagnenlaufzeit und „trotz“ Einführung des Masernschutzgesetz
(MSG) ist zu sehen, dass im Landkreis Ludwigsburg die Durchimpfungsraten bei allen
Kindern zwischen 4 und 5 Jahren höher als im Landesdurchschnitt sind. Landesweit waren
dabei im Untersuchungsjahr 2023 96,5 % der untersuchten Kinder zweimal gegen Masern
geimpft. Im Landkreis Ludwigsburg lag die Impfquote für die vollständig gegen Masern
geimpften Kinder bei 97,6%.
Diskussion: Obwohl das MSG am 1. März 2020 in Kraft getreten ist, ist es wichtig im Sinne der
Nachhaltigkeit der Kampagne weiterhin über die Masernimpfung aufzuklären um auch junge
Erwachsene, die nicht in einer Gemeinschaftseinrichtung arbeiten, zu erreichen. Eine
neu gestaltete Wanderausstellung kann kostenlos von Betrieben, Gemeinden, Krankenkassen,
Vereinen etc. ausgeliehen werden. Auf Wunsch werden begleitende Führungen mit einem
Quiz angeboten. Elemente der Masernausstellung werden im Rahmen des bestehenden „Impfparcours“,
welcher ebenfalls kostenfrei von Schulen und Kindergärten ausgeliehen werden kann,
ergänzt. Die Homepage informiert weiterhin über Masern. Andere Stadt- und Landkreise
können bei Interesse Elemente der Kampagne übernehmen.
Obgleich unser Beispiel auf unsere "Stoppt Masern!" Kampagne basiert, können
die Methoden und Maßnahmen für andere Impfkampagnen angepasst und übernommen werden.
Zusätzlich können Impfprogramme die Aufklärungskampagnen ergänzen.