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DOI: 10.1055/s-0045-1809285
Fokale Epilepsie – eine Fallvorstellung
Einleitung Migräne und Epilepsien zählen zu den häufigsten neurologischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter. In Europa sind etwa 0,9 Millionen Kinder von aktiver Epilepsie betroffen, was einer Prävalenz von 4,5 bis 5,0 pro 1.000 entspricht. Die Prävalenz von Migräne steigt von 5% bei 5- bis 10-Jährigen auf etwa 15% bei Jugendlichen. Kinder mit Epilepsie haben ein signifikant erhöhtes Risiko, auch an Migräne zu erkranken. Es werden gemeinsame genetische Mechanismen vermutet, darunter Kanalerkrankungen und Störungen in der Ionenbalance von Neuronen und Gliazellen, Störungen im GABA-ergen und Glutamatergen System und Mitochondriopathien, die zu kortikaler Hyperexzitabilität führen. Eine besondere Form ist die Familiäre Hemiplegische Migräne (FHM II), die mit Epilepsie assoziiert ist. Eine weitere relevante Form ist der Ictale epileptische Kopfschmerz (ICE).
Fallbeschreibung Wir berichten über ein 11-jähriges Mädchen mit einer einjährigen Anamnese von Kopfschmerzen, die unter einer Therapie mit Ibuprofen und Entspannungsverfahren keine Besserung erfuhr. Die Patientin berichtete von hämmernden Schmerzen, die rechts parietal begannen und sich holozephal ausbreiteten, begleitet von Photophobie, Fieber bis 40°C und Parästhesien im linken Ringfinger. Die Kopfschmerzen traten überwiegend nachmittags auf, ohne Wochentagabhängigkeit, und hatten eine Dauer von 1-2 Tagen ohne Behandlung sowie 1-1,5 Stunden unter Ibuprofen. Zudem bestand ein Appetitverlust und psychosoziale Belastungen, die zur Vorstellung nicht mehr problematisch waren. Der Vater berichtete von frontotemporalen Kopfschmerzen ohne Aura.
Therapie und Verlauf Die Kopfschmerzen begannen nach einer COVID-19-Infektion im Dezember 2023. Zunächst traten sie einmal wöchentlich auf, später zweimal wöchentlich, ohne Besserung unter einer Therapie mit Ibuprofen. Eine externe umfassende Diagnostik (cMRT, Liquör, EKG) ergab altersentsprechende Normalbefunde. Die Diagnose Migräne wurde gestellt, und die Patientin erhielt eine neurologische Rehabilitationsbehandlung. Hier erfolgte ein EEG mit epilepsietypische Potentiale (präzentroparieto-temporal Einzel-sharp waves und sharp-slow wave-Komplexe) und Paroxysmen unter einer Hyperventilation mit klinischem Anfallsmuster (orofazialen Myoklonien). Ein weiterer Anfall mit starken Kopfschmerzen und Bewusstseinsverlust führte zur Diagnose einer fokalen Epilepsie, gefolgt von einer Therapie mit Lamotrigin, worauf es zur Reduktion der Kopfschmerzfrequenz und -intensität kam.
Schlussfolgerungen Epilepsie und Migräne weisen eine hohe Koinzidenz auf, wobei ähnliche pathophysiologische Mechanismen angenommen werden. Bei therapierefraktärer Migräne mit Aura sollte eine Epilepsie differenzialdiagnostisch in Betracht gezogen werden. Die hohen Prävalenzen beider Erkrankungen unterstreichen die Notwendigkeit einer sorgfältigen Diagnostik. Zu den häufigsten Epilepsieformen im Kindes- und Jugendalter zählen die Rolando-Epilepsie, die Absence-Epilepsie und das Lennox-Gastaut-Syndrom.
Interessenkonflikt
Keine
Publication History
Article published online:
16 July 2025
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