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DOI: 10.1055/s-0045-1812226
Wenn die Gallenblase nur mitfühlt – Reaktive Wandverdickung statt Cholezystitis
Authors
Hintergrund Gallenblasenwandverdickungen werden in der Notfallsonografie häufig als Hinweis auf eine akute Cholezystitis gewertet. Sie sind jedoch ein unspezifischer Befund, der auch bei anderen Erkrankungen auftreten kann(1) – insbesondere bei kritisch kranken Patienten. Eine fehlende Kontextualisierung kann zu Fehlattributionen, Überdiagnostik und unnötigen chirurgischen Eingriffen führen.
Methoden Wir präsentieren hier den Fall einer 43-jährige Patientin, die sich notfallmässig septisch mit deutlich klopfschmerzhaftem rechtem Nierenlager vorstellte. Laborchemisch zeigten sich eine Leukozytose, ein deutlich erhöhtes CRP sowie eine nicht-cholestatische Hepatopathie mit etwa zehnfach erhöhten Transaminasen. Im Urin fand sich eine Bakteriurie und Leukozyturie. Die Sonografie ergab keinen Hinweis für eine Abflussbehinderung, einen Nierenabszess, eine Leber- oder Gallenblasenpathologie. Bei Verdacht auf Pyelonephritis wurde eine intravenöse antibiotische Therapie initiiert. Aufgrund persistierender Entzündungsparameter wurde eine Verlaufssonografie durchgeführt ([Abb. 1]).


Ergebnisse Neu zeigte sich eine mit 12 mm deutlich verdickte Gallenblasenwand ohne Mehrvaskularisation oder Hydrops, jedoch mit multiplen kleinen Konkrementen. Das sonografische Murphy-Zeichen war negativ. Unter Fortführung der antibiotischen Therapie besserte sich der Zustand ohne chirurgische Intervention rasch. Zusammenfassend lag eine reaktive Gallenblasenwandveränderung im Rahmen der systemischen Infektion vor.
Schlussfolgerung Gallenblasenwandveränderungen treten bei bis zu 84% kritisch kranker Patient:innen auf (2), ohne dass eine therapiebedürftige Cholezystitis besteht. Auch bei sonografischen Befunden wie Wandverdickung und Steinen ist die klinische Interpretation mit differentialdiagnostischem Denken entscheidend, um Überdiagnosen und unnötige Operationen zu vermeiden. Der Fall unterstreicht die Bedeutung kontextsensitiver Ultraschallbefundung.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
16. Oktober 2025
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