Rofo 1999; 171(Bd.2/5): 405-406
DOI: 10.1055/s-1999-11095
DER INTERESSANTE FALL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Magnetresonanztomographie bei persistierendem Ductus arteriosus Botalli

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Publication Date:
31 December 1999 (online)

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Der persistierende Ductus arteriosus Botalli (PDA) ist als häufigster extrakardialer Shunt eher eine typische kardiovaskuläre Mißbildung des Kindesalters. Bei Neugeborenen und Kindern stellt durch optimale Schallverhältnisse die Farbdoppler-Echokardiographie eine sehr sensitive Methode dar, beim Erwachsenen jedoch sind die Schallbedingungen häufig eingeschränkt. Bis vor einigen Jahren war eine definitive Diagnosestellung nur mit der Rechtsherzkatheterisierung und Aortographie möglich, während jetzt die Magnetresonanztomographie (MRT) des Herzens zur nicht-invasiven Diagnostik zur Verfügung steht. Wir berichten über einen erwachsenen Patienten, der mit allen drei Diagnoseverfahren untersucht wurde.

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Fallbeschreibung

Bei einer Routineuntersuchung anläßlich eines fieberhaften Infektes fiel bei einem damals 40jährigen Patienten bei der Herzauskultation ein systolisch-diastolisches Maschinengeräusch über dem Erbschen Punkt mit Ausstrahlung in den Rücken bei normalen Herztönen auf. Bis auf gelegentliche Schwindelanfälle, verbunden mit körperlicher Schwäche, ist der Patient beschwerdefrei. Anamnestisch gab der Patient einen seit Geburt bekannten Herzfehler an, der anläßlich einer Musterungsuntersuchung nochmals aufgefallen sei. Eine Herzkatheteruntersuchung sei bisher nicht erfolgt und wurde auch zum damaligen Zeitpunkt vom Patienten erneut abgelehnt. In der Echokardiographie konnte der PDA nicht direkt nachgewiesen werden, es fanden sich lediglich eine linksventrikuläre Dilatation sowie ein Hinweis auf ein Shuntvitium durch Abschätzung der rechts- und linksventrikulären Volumina. 3 Jahre später gab der Patient seine Einwilligung zu einer Abklärung mittels Rechtsherzkatheter und MRT. Der konventionelle Röntgen-Thorax zeigte eine globale Herzvergrößerung mit prominenten Hilusgefäßen und Kalibersprung zur Peripherie. Bei der Rechtsherzkatheterisierung konnte der PDA mit einem Multipurpose-Katheter über V. cava inferior, rechten Herzvorhof, rechte Herzkammer und pulmonalen Ausflußtrakt direkt sondiert werden. Abb. [1] zeigt den typischen Katheterverlauf in der a.p.-Projektion mit einer scharfen Wendung nach caudal und gestrecktem Verlauf nach Passage des PDA in die Aorta descendens. Die Aortographie (Abb. [2]) weist den Links-Rechts-Shunt durch die Kontrastierung des Truncus pulmonalis nach Kontrastmittelgabe in der Aorta descendens nach. Die oximetrische Messung ergab ein Shuntvolumen von 46 %, das Verhältnis von pulmonalem zu systemischem Fluß (Qp/Qs) betrug 1,87.

Die MRT wurde mit einer „phased-array”-Körperspule an einem 1,5 Tesla MR-System Magnetom VISION (Siemens, Erlangen) durchgeführt, die Auswertung erfolgte mit Hilfe des integrierten Softwareprogramms ARGUS (VB31B). Der Patient lag in Rückenlage, alle Sequenzen waren EKG-getriggert und wurden in Atemanhaltetechnik durchgeführt. Es wurden T1-gewichtete Aufnahmen in Turbospinecho (TSE)-Technik (TR 1300 ms, TE 30 ms, Flip-Winkel 120°, FOV 350 - 400 mm, Matrix 256, Schichtdicke 5 mm) in sagittaler und frontaler Schichtführung aufgenommen. Hier zeigte sich der PDA als ca. 1 cm lange Kurzschlußverbindung zwischen der kranialen Gefäßwand des Truncus pulmonalis und der Aorta descendens mit einer minimalen Lumenweite von 5 mm (Abb. [3] [4]). Die Herzbewegung wurde in CINE-Technik mit einer 2D-Fast Low Angle Shot (FLASH)-Sequenz (TR 100 ms, TE 4,8 ms, Flip-Winkel 30°, FOV 340 mm, Matrix 256, Schichtdicke 8 mm) in der kurzen Herzachse aufgezeichnet. Bei einer Atemanhaltezeit von ca. 17s wurden 17 Herzphasen dargestellt. Nach manueller Segmentierung von Endokard und Epikard wurden die in Tab. [1] aufgelisteten Funktionsparameter ermittelt. Zusätzlich wurden das pulmonale (Qp) und das systemische (Qs) Flußvolumen mit einer Phasenkontrast-Flußmessung (TR 150 ms, TE 5,0 ms, Flip-Winkel 30°, FOV 400 mm, Matrix 256, Schichtdicke 6 mm) in der Aorta ascendens (Qp = 13,8 l/min) und im rechtsventrikulären Ausflußtrakt (Qs = 7,4 l/min) bestimmt. Der Links-Rechts-Shunt (Qp-Qs/Qp) betrug somit 46 % nach der Flußmessung und 45 % nach der volumetrischen Funktionsanalyse beider Ventrikel, Qp/Qs war 1,86 bzw. 1,82.

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Diskussion

Der Ductus arteriosus Botalli ist in der embryonalen Entwicklung ein physiologischer Kurzschluß zwischen der Pulmonalarterie und der Aorta descendens zur Umgehung des Lungenkreislaufs, der sich normalerweise wenige Stunden bis Tage nach der Geburt verschließt. Eine Persistenz führt zunächst zu einem Links-Rechts-Shunt von bis zu 70 % des linksventrikulären Schlagvolumens ohne wesentliche Erhöhung des Drucks im kleinen Kreislauf. Im weiteren Verlauf kann sich aufgrund der andauernden Volumenbelastung eine pulmonale Hypertonie ausbilden, die dann zu einem Druckangleich im kleinen und großen Kreislauf („Eisenmenger-Syndrom”) führen kann. Komplikationen des unbehandelten PDA sind die Endokarditis, weshalb auch bei konservativer Therapie stets eine Prophylaxe notwendig ist, und das Rechtsherzversagen durch die ständige Volumenbelastung.

Die Bestimmung des Shuntvolumens und des Verhältnisses von pulmonalem zu systemischem Fluß ist neben der klinischen Situation des Patienten und der Rechtsherzbelastung ein wichtiges Kriterium für die Indikationsstellung zum PDA-Verschluß. MR-tomographisch gelingt dies einerseits durch die volumetrische Funktionsanalyse beider Herzventrikel, andererseits in deutlich kürzerer Untersuchungszeit auch über die Phasenkontrast-Flußmessung. Letztere ist im Phantomversuch validiert worden (Hosten N et al., Fortschr Röntgenstr 1998; 168: 480), und die Messung von Shuntvitien ist vergleichbar mit der Oximetrie (r = 0,87 - 0,94) (Hundley WG et al., Circulation 1995; 91: 2955; Kalden P et al., Fortschr Röntgenstr 1998; 169: 378). Neben der operativen Ligatur stehen mehrere interventionelle Verfahren wie das Rashkind-Schirmchen, ablösbare Metallspiralen oder ein lvalon-Pfropf, entweder transarteriell in Porstmann-Technik oder transvenös eingebracht, zum PDA-Verschluß zur Verfügung (Buheitel G et al., Z Kardiol, 1997; 86: 42; Schräder R et al., Z Kardiol 1997; 86: 56). Für alle Verfahren ist es notwendig, den minimalen Durchmesser des PDA zu bestimmen. Da die Aortographie keine exakte Durchmesserbestimmung erlaubt, ist dies nur durch Testballons während der Intervention möglich. Mit der MRT können die Durchmesser von Truncus pulmonalis und Aorta und - bei entsprechender Größe und senkrechter Schichtführung zum Lumen - auch des PDA bereits bei der Vorbereitung bestimmt werden. Dies verdeutlicht der direkte Vergleich der konventionell angiographischen und der MR-tomographischen Abbildung (Abb. [2], [4]) bei nahezu identischer Projektionsebene, wenn auch hierdurch nicht auf die Ballon-Testokklusion im Rahmen der Intervention verzichtet werden kann.

Durch die Kombination von anatomischer Darstellung, Shuntvolumenmessung und Evaluierung der Herzfunktionsparameter und die Unabhängigkeit von einem diagnostischen Schallfenster ist die MRT die geeignete nicht-invasive Methode, die Indikation für eine operative oder interventionelle Therapie des PDA zu stellen.

J. Sandstede, P. Schanzenbächer, W. Kenn, Würzburg

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Abb. 1Rechtsherzkatheter (a.p.-Projektion): Typischer Verlauf des Katheters durch die pulmonale Ausflußbahn (1) über den persistierenden Ductus arteriosus Botalli in die Aorta descendens (2).

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Abb. 2Aortographie (70° LAO-Projektion): Kontrastierung des pulmonalen Ausflußtrakts (1) nach Kontrastmittelgabe über einen in der Aorta descendens (2) liegenden Pigtail-Katheter.

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Abb. 3u.4Magnetresonanztomographie (T1-gewichtete Turbo-Spin-Echo-Sequenz in Atemanhaltetechnik in frontaler (Abb. [3]) und sagittaler (Abb. [4]) Schichtführung): Persistierender Ductus arteriosus Botalli (PDA) (Pfeil), Ursprung im Truncus pulmonalis (1) und Mündung in der Aorta descendens (2). Der PDA zeigt die typische trichterförmige Erweiterung an seinem aortalen Ansatz (siehe auch Abb. [2]). Der Pulmonalarterienhauptstamm ist deutlich dilatiert als Folge des Links-Rechts-Shunts, ein wichtiges Zeichen bei der Diagnose und Beurteilung eines PDA.

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Abb. 3u.4Magnetresonanztomographie (T1-gewichtete Turbo-Spin-Echo-Sequenz in Atemanhaltetechnik in frontaler (Abb. [3]) und sagittaler (Abb. [4]) Schichtführung): Persistierender Ductus arteriosus Botalli (PDA) (Pfeil), Ursprung im Truncus pulmonalis (1) und Mündung in der Aorta descendens (2). Der PDA zeigt die typische trichterförmige Erweiterung an seinem aortalen Ansatz (siehe auch Abb. [2]). Der Pulmonalarterienhauptstamm ist deutlich dilatiert als Folge des Links-Rechts-Shunts, ein wichtiges Zeichen bei der Diagnose und Beurteilung eines PDA.

Tab. 1Myokardiale Funktionsanalyse beider Herzventrikel nach manueller Segmentierung von Endokard und Epikard.
linker Ventrikelrechter Ventrikel
Masse299,7 g-
EDV379,4 ml237,6 ml
ESV140,7 ml106,6 ml
SV238,7 ml131,0 ml
EF62,9 %55,1 %
EDV= End-diastolisches Volumen ESV = End-systolisches Volumen SV = Schlagvolumen EF = Ejektionstraktion



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Abb. 1Rechtsherzkatheter (a.p.-Projektion): Typischer Verlauf des Katheters durch die pulmonale Ausflußbahn (1) über den persistierenden Ductus arteriosus Botalli in die Aorta descendens (2).

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Abb. 2Aortographie (70° LAO-Projektion): Kontrastierung des pulmonalen Ausflußtrakts (1) nach Kontrastmittelgabe über einen in der Aorta descendens (2) liegenden Pigtail-Katheter.

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Abb. 3u.4Magnetresonanztomographie (T1-gewichtete Turbo-Spin-Echo-Sequenz in Atemanhaltetechnik in frontaler (Abb. [3]) und sagittaler (Abb. [4]) Schichtführung): Persistierender Ductus arteriosus Botalli (PDA) (Pfeil), Ursprung im Truncus pulmonalis (1) und Mündung in der Aorta descendens (2). Der PDA zeigt die typische trichterförmige Erweiterung an seinem aortalen Ansatz (siehe auch Abb. [2]). Der Pulmonalarterienhauptstamm ist deutlich dilatiert als Folge des Links-Rechts-Shunts, ein wichtiges Zeichen bei der Diagnose und Beurteilung eines PDA.

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Abb. 3u.4Magnetresonanztomographie (T1-gewichtete Turbo-Spin-Echo-Sequenz in Atemanhaltetechnik in frontaler (Abb. [3]) und sagittaler (Abb. [4]) Schichtführung): Persistierender Ductus arteriosus Botalli (PDA) (Pfeil), Ursprung im Truncus pulmonalis (1) und Mündung in der Aorta descendens (2). Der PDA zeigt die typische trichterförmige Erweiterung an seinem aortalen Ansatz (siehe auch Abb. [2]). Der Pulmonalarterienhauptstamm ist deutlich dilatiert als Folge des Links-Rechts-Shunts, ein wichtiges Zeichen bei der Diagnose und Beurteilung eines PDA.