Rofo 1999; 171(5): 411-412
DOI: 10.1055/s-1999-8184
DER INTERESSANTE FALL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Synchrones MALT-Lymphom beider Mammae - eine seltene Primärlokalisation

M. Bünning, G. Kemmeries
  • Bottrop
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Publication Date:
31 December 1999 (online)

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MALT (mucosa-associated lymphoid tissue)-Lymphome werden als Non-Hodgkin-Lymphome (NHL) klassifiziert. In 60 - 70 % der Fälle wird eine Primärmanifestation im Gastrointestinaltrakt, insbesondere im Magen, beobachtet. Extranodale Lokalisationen außerhalb des Magen-Darm-Traktes wurden unter anderem in der Lunge, Ohrspeicheldrüse, Schilddrüse, Bauchspeicheldrüse, im Bereich der Augen, der Haut und im Waldeyerschen Rachenring beschrieben. Eine primäre Manifestation in den Brustdrüsen wird selten beobachtet (Thieblemont et al., J Clin Oncol 1997; 15: 1624).

Wir berichten über den ungewöhnlichen Fall eines niedrig-malignen MALT-NHL mit synchronem Befall beider Mammae und einer ossären Manifestation.

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Fallbericht

Die 35jährige Patientin stellte sich im Januar 1998 mit einem tastbaren Knoten in der rechten Brust bei ihrem Gynäkologen vor. Die daraufhin durchgeführte Röntgenmammographie in zwei Ebenen zeigte im oberen äußeren Quadranten der rechten und linken Brust jeweils eine Herdbildung (Abb. [1a] u. [b]).

Unter der Verdachtsdiagnose eines beidseitigen Mammakarzinoms erfolgte die Exstirpation beider Läsionen. Die histopathologische Aufarbeitung ergab überraschenderweise ein niedrig-malignes NHL (MALT-Lymphom, monozytoides B-Zell-Lymphom/Marginalzonenlymphom) beidseits.

Da das Staging (CT-Thorax, Abdomen, Becken, Schädel; Enteroklysma nach Sellink; endoskopische Diagnostik des Magen-Darm-Traktes; laborchemische Untersuchungen, Sternalpunktion, Beckenkammtrepanat) keine Hinweise auf eine extramammäre Lymphommanifestation ergab, wurde die Diagnose eines beidseitigen primären MALT-Lymphoms der Brust gestellt.

Die Therapie bestand in einer perkutanen Telekobaltbestrahlung beider Mammae über tangentiale opponierende Stehfelder bis zu einer jeweiligen Herddosis von 40 Gy.

Im Mai 1998 klagte die Patientin erstmalig über linksseitige Schulterschmerzen. Eine konventionelle Röntgenaufnahme zeigte eine inhomogene und aufgelockerte Knochenstruktur des proximalen Humerusschaftes mit angedeuteter Periostabhebung. In der Knochenszintigraphie mit Tc99m-MDP bot das entsprechende Areal eine vermehrte Osteoblastenaktivität. Die zusätzlich durchgeführte MRT der linken Schulter (Gyroscan T5-NT, Fa. Philips) demonstrierte die vollständige Ausdehnung der ossären Infiltration: In der T1-Gewichtung (SE: TR 525 ms, TE 17 ms) Darstellung einer deutlichen Signalabsenkung im Bereich der Metaphyse und proximalen Diaphyse unter Aussparung der Humeruskalotte; in der T2-Gewichtung (TSE: TR 3565 ms, TE 120 ms) ohne und mit frequenzselektiver Unterdrückung des Fettsignals fand sich eine mäßig gesteigerte Signalintensität mit signalreichem Randsaum (Abb. [2 a] u. [b]).

Die Diagnose einer ossären Manifestation des bekannten NHL wurde histopathologisch durch eine Probebiopsie bestätigt. Die Therapie bestand auch hier in einer perkutanen Telekobaltbestrahlung bis zu einer Herddosis von 40 Gy.

Nach Abschluß des Re-Stagings lag das Tumorstadium CS II EA (O+), PS II EA (O+) vor.

Verlaufsuntersuchungen zeigten bisher keine Hinweise auf ein Rezidiv, des MALT-Lymphoms der Mammae, die Lymphominfiltrationen des linken Oberarms ergaben kernspintomographisch keine Progression. Weitere Organ- oder Lymphknotenmanifestationen waren bisher nicht nachweisbar.

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Diskussion

Primäre Lymphome der Brust sind relativ seltene Tumoren, ihr Anteil an allen malignen Raumforderungen der Mammae liegt deutlich unter 1 %. Niedrig-maligne NHL, hierzu zählt auch das in der Kasuistik vorgestellte MALT-Lymphom, werden am häufigsten beobachtet (Liberman et al., Radiology 1994; 192: 157).

Eine primär extraintestinale Lokalisation der MALT-Lymphome liegt in ca. 30 % vor (Zinzani et al., Ann Oncol 1997; 8: 883). Am häufigsten betroffen sind die Augen (Konjunktiven, Tränendrüsen, Weichteilstrukturen der Orbitae), die Haut, die Lungen, die Speicheldrüsen und die Schilddrüse; ein primärer Befall der Brüste ist selten (Thieblemont et al., J Clin Oncol 1997; 15: 1624). Die vorgestellte Patientin ist nach unserer Kenntnis der erste Fall, bei dem ein MALT-NHL in beiden Mammae simultan auftrat.

Das röntgenologische Erscheinungsbild primärer oder sekundärer Lymphome der Mammae ist unspezifisch; eine sichere Beurteilung der Dignität von Raumforderungen der Brustdrüse ist mit keinem der zur Verfügung stehenden bildgebenden Verfahren möglich. In der Röntgenmammographie imponieren sie als uni- oder multinoduläre oder als diffuse Verdichtungen ohne Verkalkungen (Liberman et al., Radiology 1994; 192:157); ihr sonographisches Muster ist sehr variabel (Jackson et al., Can Assoc Radiol J 1991: 42: 48).

Bei der Behandlung extraintestinaler MALT-Lymphome haben sich lokale (Exzision, Strahlentherapie, lokale Applikation von alpha-Interferon) und systemische Maßnahmen als gleichwertig erwiesen. Zinzani et al. fanden eine 5-Jahresüberlebensrate von 100 % und eine Rezidiv-freie Überlebenszeit von 79 % (Zinzani et al., Ann Oncol 1997; 8: 883). Ein Krankheitsprogreß wurde allerdings bei extraintestinaler Primärmanifestation früher beobachtet als bei gastrointestinalem Befall (4,9 Jahre vs. 8,9 Jahre) (Thieblemont et al., J Clin Oncol 1997; 15:1624).

M. Bünning, G. Kemmeries, Bottrop

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Abb. 1(a) Röntgenmammographie (kranio-kaudaler Strahlengang): Herdbildung im oberen äußeren Quadranten der rechten Brust. (b) Röntgenmammographie (kranio-kaudaler Strahlengang): Herdbildung im oberen äußeren Quadranten der linken Brust.

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Abb. 2(a) MRT bei 0,5 Tesla; in der T1-Gewichtung (SE: TR 525 ms, TE 17 ms) Signalabsenkung des proximalen linken Humerus unter Aussparung der Humeruskalotte. (b) MRT bei 0,5 Tesla; in der T2-Gewichtung (TSE: TR 3365 ms, TE 120 ms) mäßig erhöhtes Signal mit signalreichem Randsaum.

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Abb. 1(a) Röntgenmammographie (kranio-kaudaler Strahlengang): Herdbildung im oberen äußeren Quadranten der rechten Brust. (b) Röntgenmammographie (kranio-kaudaler Strahlengang): Herdbildung im oberen äußeren Quadranten der linken Brust.

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Abb. 2(a) MRT bei 0,5 Tesla; in der T1-Gewichtung (SE: TR 525 ms, TE 17 ms) Signalabsenkung des proximalen linken Humerus unter Aussparung der Humeruskalotte. (b) MRT bei 0,5 Tesla; in der T2-Gewichtung (TSE: TR 3365 ms, TE 120 ms) mäßig erhöhtes Signal mit signalreichem Randsaum.