Rofo 1999; 171(5): 413-414
DOI: 10.1055/s-1999-8185
DER INTERESSANTE FALL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Das Chlorom im MR: schwierige Diagnose

R., J. Küper, F. Debatin, B. Marincek
  • Department für Diagnostische Radiologie, Universitätsspital Zürich, Schweiz
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Publication Date:
31 December 1999 (online)

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Als Chlorom (syn. Myeloblastom oder granulozytäres Sarkom) bezeichnet man eine seltene, meist extramedulläre Manifestation der akuten myeloischen Leukämie oder eines der AML verwandten Syndroms. Es handelt sich um eine lokale Ansammlung von unreifen Zellen der Granulozytenreihe, meist Myeloblasten. Die Bezeichnung Chlorom rührt von der manchmal makroskopisch sichtbaren grünlichen Farbe der Tumoren her, die durch die Myeloperoxidase bzw. Protoporphyrin in den Tumorzellen hervorgerufen wird (Burns, Edinburgh, Thomas Bryce and Co. 1811 pp 364). Meistens entstehen Chlorome im Rahmen einer AML, typischerweise bei Kindern, selten auch bei Erwachsenen. Sie können während der Krankheit manifest werden, aber einer AML auch Monate bis Jahre vorausgehen (Stroszczynski et al., Fortschr Röntgenstr 1996; 164: 261). Chlorome treten einzeln oder seltener multipel auf. Im Prinzip kann jedes Organ befallen sein, häufige Lokalisationen sind Haut und Lymphknoten. Das Skelett wird selten befallen, man findet dann meist lytische Läsionen in Rippen oder Schädel (Pomeranz et al., Radiology 1985; 155: 167). Wir stellen den Fall einer jungen Patientin vor, bei dem die Magnetresonanz (MR-)Tomographie in der Diagnostik eines Chloroms eine wichtige Rolle spielt.

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Kasuistik

Bei der 24jährigen Patientin wurde 1997 eine akute myeloische Leukämie, M5a nach FAB, diagnostiziert. Bei Diagnosestellung bestand ein ausgedehnter extramedullärer Befall von Haut, Mammae und Gelenken. Unter drei Chemotherapiezyklen mit Cytarabin und Idarubicin bzw. Amsacrin bildete sich der extramedulläre Befall rasch zurück.

Ein Jahr später kam die Patientin wegen neu aufgetretener Schmerzen über der medialen Tibia erneut in die Klinik. Das Blutbild wie auch das Knochenmark zeigten keinen Anhalt für ein Rezidiv der AML. Die konventionelle Röntgenaufnahme des Unterschenkels ließ eine fleckige Transparenzerhöhung in der distalen Tibia mit Periostreaktion erkennen (Abb. [1 a]). Es bestand der Verdacht einer Osteomyelitis.

Zwei Tage später wurde zur weiteren Abklärung eine MR-Tomographie durchgeführt. Im Bereich der beschriebenen Periostreaktion zeigte das Knochenmark der Tibia in T2-gewichteten Sequenzen eine diffuse Signalalteration meta- und diaphysär im distalen Unterschenkel rechts sowie eine vermehrte KM-Aufnahme, zusätzlich bestand eine umgebende Weichteilreaktion, die sich kranial bis ins proximale Unterschenkel-Drittel ausdehnte (Abb. [1 b]). Dieser Befund führte zur Verdachtsdiagnose einer leukämischen Infiltration bei bekannter AML. In einer 2-Phasen- Skelettszintigraphie zeigte sich ein aktiver Knochenbefall der Tibia. Das Feinnadelpunktat, entnommen aus dem geschwollenen rechten Unterschenkel, ergab die Diagnose eines extramedullären Rezidivs der AML bzw. eines Chloroms.

4 Monate später traten bei der Patientin Schmerzen im Bereich des rechten Ellenbogens auf. Der Ellenbogen war prallelastisch geschwollen und überwärmt. Die daraufhin durchgeführte MR-Untersuchung zeigte eine diffuse Signalalteration im meta- und diaphysären Knochenmark der proximalen Ulna. Auf den axialen Schnitten der T1-gewichteten Sequenzen war das Knochenmark hypointens und auf den axialen und koronaren Schnitten der STIR-Sequenz hyperintens. Auf T1-gewichteten Sequenzen zeigte sich eine intramedulläre KM-Aufnahme (Abb. [2 a, b]). Es bestand weiterhin eine ausgeprägte Weichteilreaktion, was zur Verdachtsdiagnose eines erneuten Rezidivs bzw. eines Chloroms führte. Der begleitende Gelenkserguß wurde unter CT-Kontrolle punktiert. Das zytologische Bild zeigte ein sehr zelldichtes Zentrifugat mit 95 % Monozyten inklusive Blasten, was die vermutete Diagnose eines Chloroms bestätigte.

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Diskussion

Die Diagnose „Chlorom” wird in vivo häufig verkannt und erst bei einer Autopsie gestellt. Da es keine typischen radiologischen Zeichen gibt, wird das Chlorom leicht übersehen bzw. verwechselt. Die Liste der Differentialdiagnosen ist lang: Häufig ist die Verwechslung mit einem malignen Lymphom oder einem Histiozytom, da der Tumor sowohl pathologisch wie auch radiologisch diese Neoplasien imitieren kann. Röntgenologisch kann das Chlorom auch einem Lipom, einem Serom, einem Abszeß oder einem Hämatom gleichen, bei Kindern kann es mit einer Histiozytosis X oder einem eosinophilen Granulom verwechselt werden (Stroszcynski et al., Fortschr Röntgenstr 1996; 164: 261; Pomeranz et al., Radiology 1985; 155: 167; Hermann et al., Skeletal Radiol 1991; 20: 509). Als Methode der Wahl zur weiteren radiologischen Diagnostik bietet sich die MR-Tomographie an. Das Chlorom präsentiert sich in T1-gewichteten Sequenzen hypointens, in T2-gewichteten iso- bis hyperintens. Der Tumor zeigt eine deutliche Kontrastmittelanreicherung als Zeichen der starken Vaskularisation. Er wächst meist nicht infiltrierend und zeigt eine hohe Proliferationsrate (Burns, Edinburgh, Tomas Bryce and Co. 1811 pp 364). Zusätzlich besteht eine ausgeprägte zirkumferente Weichteilreaktion. Allerdings ist mit diesem Befund die Diagnose „,Chlorom” keineswegs gesichert. Weitere Abklärung sollte mittels einer Punktion und anschließender zytologischer Untersuchung der Läsion erfolgen. Es ist aber zu beachten, daß es manchmal nicht gelingt, leukämische Zellen im Blut und im Knochenmark nachzuweisen, obwohl klinisch und radiologisch ein Chlorom als Manifestation einer AML diagnostiziert wurde (Pomeranz et al., Radiology 1985; 155: 167).

Zusammenfassend muß bei bekannter AML differentialdiagnostisch immer an ein Chlorom gedacht werden. Diese Diagnose kann dann gestellt werden, wenn klinische, pathologische und radiologische Befunde berücksichtigt werden. Radiologisch lassen sich die Veränderungen gut mit der MR-Tomographie erkennen, die somit das Mittel der Wahl zur Diagnose eines Chloroms darstellt.

R. Küper, J. F. Debatin, B. Marincek, Zürich

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Abb. 1 (a) Konventionelle Röntgenaufnahme der Tibia mit Periostreaktion. (b) MRT beider Unterschenkel in koronarer Schnittführung. T1-gewichtete KM-verstärkte Sequenz.

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Abb. 2 (a) MRT des rechten Ellenbogens in axialer Schnittführung. T1-Gewichtung. (b) MRT des rechten Ellenbogens in axialer Schnittführung. STIR-Sequenz.

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Abb. 1 (a) Konventionelle Röntgenaufnahme der Tibia mit Periostreaktion. (b) MRT beider Unterschenkel in koronarer Schnittführung. T1-gewichtete KM-verstärkte Sequenz.

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Abb. 2 (a) MRT des rechten Ellenbogens in axialer Schnittführung. T1-Gewichtung. (b) MRT des rechten Ellenbogens in axialer Schnittführung. STIR-Sequenz.