Rofo 1999; 171(6): 494-496
DOI: 10.1055/s-1999-8188
DER INTERESSANTE FALL
Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pseudoaneurysma der A. epigastrica inferior nach laparoskopischer Cholezystektomie

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Publication Date:
31 December 1999 (online)

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Das Pseudoaneurysma (Aneurysma spurium) ist eine bekannte Folge traumatisch bedingter Gefäßwandschäden. Ursächlich kommen gefäßchirurgische Eingriffe, arterielle Punktionen und nichtiatrogene, meist pfählende Verletzungen in Frage. Dabei gelangt Blut über ein Leck in der Gefäßwand in den extravasalen Raum und wird dort von einer bindegewebigen Kapsel begrenzt. Pseudoaneurysmen der A. epigastrica inferior sind selten und im Zusammenhang mit einer laparoskopischen Cholezystektomie in der Literatur bisher nicht beschrieben. Wir berichten über den Fall eines Aneurysma spurium der A. epigastrica inferior dextra nach laparoskopischer Cholezystektomie und diskutieren Pathogenese, Diagnostik und Therapie.

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Fallbeschreibung

Ein 61jähriger Patient wird mit unklaren abdominellen Beschwerden bei Zustand nach laparoskopischer Cholezystektomie eingewiesen. Die Operation erfolgte vor 10 Wochen wegen einer symptomatischen Cholezystitis bei Cholezystolithiasis. Unmittelbar postoperativ trat damals eine transfusionspflichtige Nachblutung aus dem Gallenblasenbett auf, welche Anschluß an eine hier liegende Drainage hatte und konservativ beherrscht wurde. Am 6. postoperativen Tag mußte ein infiziertes Hämatom im Bereich der Nabelinzision eröffnet werden, welches im weiteren Verlauf komplikationslos sekundär ausheilte.

Es bestanden folgende Vorerkrankungen: Terminale, dialysepflichtige Niereninsuffizienz infolge Nephrosklerose, periphere AVK bds. Stadium III nach Fontaine, hämorrhagische Refluxösophagitis III bei axialer Hiatushernie, renale Anämie und Osteopathie sowie Zustand nach Lungentuberkulose.

Bei Aufnahme klagte der Patient über Bauchschmerzen und rezidivierende Übelkeit. Die klinische Untersuchung ergab weiche Bauchdecken und einen geringen Druckschmerz paraumbilical rechts. Hier war eine ca. 5 cm große Resistenz rechts lateral des Nabels tastbar.

In der Röntgen-Abdomenübersichtsaufnahme a. p. im Stehen fanden sich keine Hinweise auf freie Luft, keine Spiegelbildung, keine stehenden Darmschlingen. Es bestand ein massiv stuhlgefüllter Kolonrahmen als Hinweis auf eine Koprostase.

Unter dem Verdacht auf ein Bauchwandhämatom oder eine Abszeßbildung wurde eine abdominelle Sonographie durchgeführt. Hier zeigte sich in topographisch-anatomischer Korrelation zum Tastbefund eine glatt begrenzte, leicht inhomogene und überwiegend echoarme Raumforderung in der vorderen Bauchwand mit einer Größe von 6 × 5 × 5 cm, welche im Farb-Doppler-Bild partiell arterielle Flußsignale aufwies (Abb. [1]).

Computertomographisch bestätigte sich der Befund als kugelige, kapselartig begrenzte Raumforderung in der vorderen Bauchwand extraperitoneal mit einer Größe von 6 × 5 × 4,5 cm (Abb. [2]). Die dorsalen Anteile zeigten eine homogene hypodense Binnenstruktur, ventral war nach intravenöser Kontrastmittelapplikation (120 ml Imeron 300, Fa. Byk Gulden, Konstanz) ein deutliches Enhancement auf Werte über 120 Hounsfield-Einheiten abzugrenzen. Es zeigte sich eine Anhebung und Kompression des Musculus rectus abdominis, angrenzende Dünndarmschlingen waren ebenfalls verlagert. Miterfaßt wurden beiderseits zystisch degenerierte Nieren. Anhand der vorliegenden Befunde wurde die Diagnose eines teilthrombosierten Pseudoaneurysmas der Arteria epigastrica inferior gestellt.

Aufgrund der Größe des Pseudoaneurysmas mit der daraus resultierenden abdominellen Symptomatik und wegen der bestehenden terminalen Niereninsuffizienz erfolgte eine chirurgische Exstirpation mit vorheriger Umstechung der A. epigastrica inferior oberhalb und unterhalb des Aneurysmas.

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Diskussion

Das Pseudoaneurysma ist durch ein „Leck” in der Arterienwand gekennzeichnet, durch das es zu einer Verbindung zwischen perivasalem, teils organisiertem und endothelialisiertem Hämatom und Gefäßlichtung kommt. Für solche Gefäßverletzungen sind in zunehmendem Maße iatrogene Ursachen verantwortlich. Dabei standen früher vorwiegend gefäßchirurgische Eingriffe im Vordergrund, in den letzten Jahren ist ein großer Anteil der publizierten Pseudoaneurysmen auf minimal-invasive perkutane Techniken zurückzuführen. Beleg dafür ist ein deutlicher Anstieg der Anzahl an Veröffentlichungen über Pseudoaneurysmen, dabei handelt es sich überwiegend um Fallberichte. Die steigende Inzidenz an Pseudoaneurysmen steht in direktem Zusammenhang mit den zunehmenden perkutanen diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, an erster Stelle den transfemoralen Katheterangiographien.

Bisher liegen in der Literatur nur wenige Berichte über ein Aneurysma spurium der Arteria epigastrica inferior vor, jeweils Fallbeschreibungen über Komplikationen ärztlicher Eingriffe. Ursachen waren die Entfernung eines Tenckhoff-Katheters (Werner et al, Nephrol Dial Transplant. 1999;14:1297), Aszitespunktionen (Lam et al, J Vasc Surg. 1998; 28:566) und chirurgische Stütznähte bzw. deren verzögerte Entfernung nach Laparotomie (Ferrer et al, Arch Surg. 1996). Ein Pseudoaneurysma der A. epigastrica inferior nach laparoskopischer Cholezystektomie ist bisher nicht beschrieben. Als Grund für die Entstehung des Pseudoaneurysmas kommt im vorliegenden Fall eine Verletzung des Gefäßes durch Trokarmanipulationen in Betracht, obwohl der Zugang korrekt in der Medioclavicularlinie gewählt wurde. Bei schlanken Patienten können die Bauchdeckengefäße durch eine Translumination der Bauchwand von innen mit der Kameraoptik erkannt und weitere Trokare unter Sicht eingebracht werden, was hier offenbar nicht zur Vermeidung der Gefäßläsion geführt hat.

Die Komplikationsraten nach laparoskopischer Cholezystektomie liegen nach Literaturangaben mit 3 - 11 % deutlich unter denen nach offener Gallenblasenentfernung (14 - 42 %), wobei die Häufigkeit und Charakteristik unter anderem von der Schwere der Entzündung und der Erfahrung des Operateurs abhängig ist (Hannan et al, Surgery 1999;125: 223).

Im beschriebenen Fall wurde die Symptomatik des Patienten durch lokale Schmerzen und eine peritoneale Reizung bestimmt. Die initialen Differentialdiagnosen eines Bauchwandhämatomes oder Abszesses waren vorwiegend klinisch und anamnestisch begründet. Mit Farb-Doppler-Sonographie und kontrastverstärkter Spiral-CT konnte die definitive Diagnose einwandfrei gestellt werden. Eine angiographische Darstellung des Pseudoaneurysmas war nicht notwendig, zumal eine interventionell-radiologische Therapie (Embolisation) wegen der Größe des Befundes und der terminalen Niereninsuffizienz aus unserer Sicht nicht indiziert war.

Bei unklaren Bauchwandverdickungen nach Punktionen oder laparoskopischen Eingriffen sollte an das Vorliegen eines Pseudoaneurysmas der A. epigastrica inferior oder superior gedacht werden. Therapeutisch kommt die Katheterembolisation (Glanz et al, Cardiovasc Intervent Radiol 1987;10:198) oder die chirurgische Exstirpation in Frage; die Indikation hierzu sollte im Einzelfall interdisziplinär gestellt werden.

Die Kenntnis der Ursachen und Entstehungsmöglichkeiten eines Pseudoaneurysmas ist auch im Hinblick auf die zunehmende Bedeutung der CT- oder Ultraschall-gesteuerten Punktionen und Drainagen für den Interventionellen Radiologen von Bedeutung.

R. Wutke, T. Reck, W. Bantz, Erlangen

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Abb. 1Farbkodierte Doppler-Sonographie, paraumbilikaler Längsschnitt; überwiegend glatt begrenzte echoarme Raumforderung mit zentralem arteriellen Flußsignal.

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Abb. 2Kontrastverstärkte abdominelle Spiral-CT nach oraler Darmkontrastierung; teilthrombosiertes Pseudoaneurysma an der vorderen Bauchwand mit ventral gelegenen perfundierten Anteilen.

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Abb. 1Farbkodierte Doppler-Sonographie, paraumbilikaler Längsschnitt; überwiegend glatt begrenzte echoarme Raumforderung mit zentralem arteriellen Flußsignal.

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Abb. 2Kontrastverstärkte abdominelle Spiral-CT nach oraler Darmkontrastierung; teilthrombosiertes Pseudoaneurysma an der vorderen Bauchwand mit ventral gelegenen perfundierten Anteilen.