Einleitung
Einleitung
Die Prävalenz des Asthma bronchiale bei Kindern hat in den letzten Jahrzehnten zugenommen
[[1]
[2]
[3]]. Die Studien basieren allerdings hauptsächlich auf Fragebogenerhebungen. Nur wenige
Untersuchungen verwendeten objektive Testmethoden wie zum Beispiel die Bestimmug der
bronchialen Hyperreagibilität [[4], [5]].
Eine Sensibilisierung gegen Dermatophagoides pteronyssinus (D. pter.) bzw. Alternaria
alternata (A. alternat.), wird als besonderer Risikofaktor für die Entstehung eines
Asthma bronchiale im Kindesalter angesehen [[6]
[7]
[8]
[9]]. Die geänderte Allergenexposition in der Kindheit wird mit der gehäuften Entwicklung
einer bronchialen Hyperreagibilität und mit einer Steigerung der Asthmaprävalenz in
Verbindung gebracht [[10]].
Ziel unserer Studie war, das aktuelle Ausmaß der bronchialen Hyperreagibilität und
des Sensibilisierungsgrades gegen einige Indoor-Allergene bei in Wien lebenden Kindern
festzustellen und Prävalenzänderungen zu erkennen. Um dies zu untersuchen, wiederholten
wir Teile einer Studie aus dem Jahr 1988 [[11]].
Methoden
Methoden
Testpersonen
Zur Charakterisierung der Testpersonen siehe Tab. [1].
Die Zielgruppen 1988 und 1997 waren Schulkinder (281 Kinder 1988, 390 Kinder 1997)
zwischen 10 und 14 Jahren aus einer österreichischen Schule im 10. Wiener Gemeindebezirk.
In diesem Gebiet gibt es keine Schwerindustrie, wenig Straßenverkehr und gute Luftqualität.
Die Durchführung der Studien erfolgte in beiden Querschnittuntersuchungen im Oktober
- nach Ende der Pollensaison. Zum Zeitpunkt der Untersuchungen gab es keine durch
virale Infektion oder andere Erreger verursachten epidemischen Krankheiten. Wie 1988,
so wurden auch 1997 mittels einer klinischen Untersuchung Kinder mit rezenten Infekten
aus der Studie ausgeschlossen. Ebenso wurden Kinder exkludiert, welche angaben, in
den letzten vier Wochen Antihistaminika eingenommen zu haben.
Alle Kinder wurden zu Beginn ausführlich über den Ablauf der Untersuchungen aufgeklärt,
das Einverständnis der Eltern wurde eingeholt.
Tab. 1Charakteristik der Testpersonen.
|
1988 (n = 281) |
1997 (n = 390) |
Kinder, M/F (%) |
173 (61,6)/108 (38,4) |
237 (60,7)/153 (39,3) |
Alter |
11,7 ± 0,3 |
12,1 ± 0,4 |
Größe, cm |
153,9 ± 13,1 |
156,7 ± 15,9 |
Gewicht, kg |
45,9 ± 11,0 |
47,4 ± 14,8 |
FVC, % pred. |
98,5 ± 11,2 |
97,8 ± 10,9 |
FEV1, % pred. |
98,1 ± 11,6 |
98,2 ± 9,8 |
FEV1/FVC, % |
84,9 ± 5,5 |
83,7 ± 4,8 |
Alter, Größe, Gewicht, Lungenfunktionsparameter sind als Mittelwert ± Standardabweichung
angegeben. FVC: forcierte Vitalkapazität, FEV1: forciertes exspiratorisches Volumen
in einer Sekunde; % pred.: Prozentanteil der Sollwerte (12). |
Lungenfunktion und Methacholinprovokation
Sowohl 1988 als auch 1997 wurde die Lungenfunktion mit einem Spirometer (Jaeger, Würzburg,
Deutschland) in sitzender Position mit Nasenklemme durchgeführt. Gemessen wurde die
FVC und der FEV1 in bezug zu den österreichischen Normwerten [[12]].
Es war nicht möglich, bei allen 390 Kindern eine Methacholinprovokation durchzuführen,
daher beschränkten wir uns auf 296 Kinder, bei denen wir eine Lungenfunktionsprüfung
mit anschließender Methacholinprovokation durchführten. Die Auswahl der 296 Kinder
erfolgte so, daß sich keine signifikante Änderung der Personencharakteristik ergab.
Weder Kinder mit Asthmaanamnese, noch solche mit einer inhalativen Asthmamedikation
(inhalative Broncholytika und/oder inhalatives Kortison) wurden von der Methacholinprovokation
ausgeschlossen.
Die Methacholinprovokation wurde - wie schon in der Untersuchung 1988 - mit einem
inspiratorisch gesteuerten Dosimeter durchgeführt (Jaeger, Würzburg). Wir verwendeten
4 % Methacholin mit zuerst zwei Atemzügen bis zu einer Gesamtdosis von 140 µg, 20
Atemzügen bis zu einer Gesamtdosis von 1540 µg und 24 weiteren Atemzügen bis zu einer
Gesamtdosis von 3040 µg. Die Spirometrie wurde drei Minuten nach der jeweiligen Methacholininhalation
durchgeführt. Die Provokation wurde als positiv betrachtet, wenn der FEV1 um mindestens
20 % vom Ausgangswert abfiel. Die Dosis, bei welcher der FEV1 um 20 % abfiel, wurde
als PD20 bezeichnet.
Allergologische Tests
Die Bestimmung der spezifischen IgE-Antikörper gegen Alternaria alternata und Dermatophagoides
pteronyssinus wurde sowohl 1988 als auch 1997 mit Reagenzien der Firma Pharmacia,
Uppsala, Schweden durchgeführt. Der Skin-Prick-Test wurde in beiden Untersuchungen
von denselben geschulten Personen bei allen Kindern durchgeführt und bewertet. Der
Test wurde als positiv angesehen, wenn der Durchmesser der Hautreaktion größer als
2 mm war, abgelesen nach 10 min; Testlösung der Firma Pangramin der Firma Boehringer
Ingelheim, Österreich, wurde verwendet. Getestet wurde gegen Dermatophagoides pteronyssinus,
Hund, Kaninchen, Katze und Alternaria alternata.
Fragebogen
14 Tage vor Untersuchungsbeginn wurde an die Eltern der Kinder ein Fragebogen ausgegeben,
wobei wir uns bei der Wiederholung primär auf die schon 1988 gestellten Fragen konzentrierten:
Frage 2: „Hat oder hatte das Kind jemals Atemnot?”
Frage 6: „Hustet das Kind?”, wenn „ja”, „mit/ohne Auswurf?”
Frage 7: „Wurde je von einem Arzt Asthma festgestellt?”
Frage 17: „Wurde je von einem Arzt eine Allergie festgestellt?”
Frage 26: „Anzahl der im Haushalt lebenden Personen”
Frage 52: „Raucher-/Nichtraucherhaushalt?”
Statistische Methoden
Wir verwendeten sowohl den Binomial-Test, als auch den Chi-square test. Ein p-Wert
< 0,05 wurde als statistisch signifikant beurteilt, ein p-Wert < 0,1 ist auf ein 10
% Signifikanzniveau gesichert.
Ergebnisse
Ergebnisse
RAST
(Tab. [2]):
Es ist durchwegs eine Zunahme der positiven RAST-Ergebnisse zu beobachten, statistische
Relevanz wird jedoch nur bei RAST-Klasse 1 des Allergens D. pter. erreicht.
Tab. 2RAST-Ergebnisse - Änderungsrate der spez. IgE im Zeitraum 1988 - 1997.
Anzahl der Kinder mit pos. RAST in % |
RAST-Klasse |
1988 (n = 281) |
1997 (n = 390) |
p-Wert |
D. pteronyssinus |
2 - 4 |
9,1 |
13,1 |
NS |
|
1 |
11,4 |
18,5 |
< 0,1 |
A. alternata |
2 |
3,7 |
6,2 |
NS |
|
1 |
5,1 |
7,4 |
NS |
Prick
(Tab. [3]):
Die Anzahl der Kinder mit zumindest einem positiven Ergebnis im Prick-Test hat von
24,2 % auf 33,8 % signifikant zugenommen.
Tab. 3Anzahl der Kinder in Prozent mit ≥ 1 pos. Ergebnis im Prick-Test.
1988 (n = 281) |
1997 (n = 390) |
p-Wert |
24,2 |
33,8 |
< 0,01 |
Bronchiale Reagibilitätsprüfung
(Tab. [4]):
Die PD20 lag 1988 bei 2270 µg ± 1021, 1997 bei 1340 µg ± 969.
Die Prävalenz der bronchial überempfindlichen Kinder hat von 19,9 % auf 27,0 % statistisch
signifikant zugenommen.
Tab. 4Hyperreagibilität im Vergleich 1988 und 1997 (%).
1988 (n = 281) |
1997 (n = 296) |
p-Wert |
19,9 |
27,0 |
< 0,05 |
Fragebogenuntersuchung
(Tab. [5]):
Sowohl die asthmaspezifischen Symptome Atemnot und Husten als auch die Diagnosen Asthma
und Allergien nahmen zu. Bezüglich des sozialen Hintergrundes ist auffällig, daß es
in der untersuchten Population sehr viele Raucherhaushalte gab, und daß diese scheinbar
weiterhin im Zunehmen begriffen sind.
Tab. 5Fragebogenergebnisse - Vergleich 1988 und 1997.
Fragen |
1988 (n = 281) |
1997 (n = 390) |
p-Wert |
Asthmaspezifische Symptome |
Atemnot in % (Frage 2) |
8,5 |
12,5 |
< 0,1 |
Husten in % (Frage 6) |
13,5 |
14,3 |
NS |
Husten + Auswurf in % |
1m4 |
2,3 |
NS |
Diagnosen
|
Asthma in % (Frage 7) |
3,6 |
4,9 |
NS |
Allergien in % (Frage 17) |
14,6 |
20,2 |
< 0,1 |
Sozialer Hintergrund
|
Anzahl der im Haushalt lebenden Personen (Frage 26) |
4,4 ± 1,3 |
4,1 ± 1,6 |
NS |
Raucherhaushalte (Frage 52) |
182 (64,8 %) |
285 (73 %) |
< 0,05 |
Diskussion
Diskussion
In vielen Industrieländern ist die Prävalenzänderung von Asthma über die Zeit untersucht
worden. Obwohl unterschiedliche Definitionen von Asthma bronchiale benutzt wurden,
schlußfolgern die meisten Autoren, daß in den letzten Dezennien ein signifikanter
Anstieg der Prävalenz im Kindesalter erfolgte [[4], [5], [13]].
In unserer Studie wurde an zehn- bis 14jährigen Wiener Kindern die Prävalenzänderung
von Asthma und Allergie sowie von asthmaassoziierten Symptomen, wie Husten oder Atemnot,
mittels Fragebogen untersucht. Außerdem wurde die Prävalenzänderung einer gemessenen
bronchialen Hyperreagibilität und der Sensibilisierung gegen Aeroallergene im Zeitraum
von 1988 bis 1997 bestimmt.
Mittels Testmethoden wie Methacholinprovokation, dem Haut-Prick-Test und dem RAST
konnten wir in zwei gleichen Untersuchungen eine deutliche Zunahme der Prävalenz bronchialer
Hyperreagibilität und des Sensibilisierungsgrades gegen Aeroallergene bei Wiener Kindern
im Alter zwischen zehn und 14 Jahren innerhalb eines Zeitraumes von neun Jahren feststellen.
Sowohl der Fragebogen als auch die Testmethoden und die durchführenden Personen waren
in beiden Untersuchungen dieselben, wodurch wir methodisch bedingte Fehler weitestgehend
ausschließen konnten. Andere Einflußvariablen, wie Alter, Geschlecht, Größe, Gewicht
oder Anzahl der im Haushalt lebenden Familienmitglieder, blieben gleich.
Allerdings konnte eine signifikante Zunahme der Passivrauchexposition gezeigt werden.
Weitere Untersuchungen sind nötig, um zu zeigen, wieweit diese Zunahme einen Einfluß
auf den Anstieg der bronchialen Hyperreagibilität hat.
Auch das Symptom Atemnot sowie diagnostizierte Allergien nahmen zu. Dies jedoch in
geringerem Ausmaß als das Auftreten bronchialer Hyperreagibilität. Keine relevante
Änderung zeigte sich in der vom Arzt gestellten Diagnose Asthma bronchiale.
Unsere Studie zeigte ähnliche Ergebnisse wie die Arbeiten anderer Autoren, welche
über einen längeren Zeitraum untersucht haben [[4], [5]]. Sowohl Burr u. Mitarb. [[4]] als auch Peat u. Mitarb. [[5]] kamen zu dem Schluß, daß die Prävalenz der bronchialen Hyperreagibilität im Vergleichszeitraum
signifikant zugenommen hat, wie auch die Prävalenz des Giemens bzw. des Asthma bronchiale.
Zum Unterschied von Peat u. Mitarb. [[5]] konnten wir jedoch auch eine Zunahme des Sensibilisierungsgrades gegen Aeroallergene
nachweisen. Auf diese wurde von Nakagomi und Mitarb. [[14]] bei Schulkindern im Alter von 13 bis 14 Jahren auch hingewiesen. Er konnte einen
Anstieg der Sensibilisierungsrate um bis zu 40 % im Zeitraum 1978 bis 1991 feststellen.
Ein möglicher Kritikpunkt unserer Arbeit ist, daß die tatsächliche Exposition bzw.
Expositionsänderung der Kinder gegenüber Aeroallergenen nicht bestimmt wurde. Auf
die Änderung des Passivrauchens sei wieder hingewiesen. Wir halten diese Information
für sehr wichtig und werden ihr bezüglich der Genese bronchialer Überempfindlichkeit
weiter nachgehen.
Zusammenfassend konnten wir zeigen, daß die Zunahme asthmaspezifischer Symptome und
festgestellter Allergien durch den Nachweis eines vermehrten Auftretens einer Sensibilisierung
gegen Aeroallergene bestätigt wird. Mittels inhalativer Methacholinprovokation konnte
eine relevante Zunahme des Auftretens bronchialer Hyperreagibilität bei Wiener Volksschulkindern
im Zeitraum von neun Jahren nachgewiesen werden.