Das Qualitätssicherungsprogramm in der stationären Rehabilitation der GRV
Das Qualitätssicherungsprogramm in der stationären Rehabilitation der GRV
Das in seiner konzeptionellen Entwicklung stark durch die Rentenversicherung geprägte
bundesdeutsche rehabilitative Versorgungssystem kann im internationalen Vergleich
unter quantitativen und qualitativen Gesichtspunkten als sehr gut entwickelt betrachtet
werden. Es ist geprägt von einem differenzierten und umfassenden Netzwerk rehabilitativer
Versorgungseinrichtungen, deren Arbeit sich an den Ansätzen des Krankheitsfolgenmodells
orientiert (vgl. ICIDH - International Classification of Impairments, Disabilities
and Handicaps [1]). Hieraus begründet sich ein breites Spektrum von durchgeführten Behandlungen (somatisch,
funktionsbezogen und psychosozial), welche in der Regel durch interdisziplinäre Behandlungsteams
erbracht werden. Die medizinische Rehabilitation berücksichtigt dabei sozialmedizinische
Erfordernisse und bindet Maßnahmen zur beruflichen und sozialen Wiedereingliederung
ein. Mit diesem umfassenden Leistungsspektrum entwickelte sich das bundesdeutsche
Rehabilitationssystem zu einem wichtigen Anbieter für die sekundäre bzw. tertiäre
Prävention [2].
In den letzten Jahren wurde die öffentliche und politische Diskussion der Rehabilitation
allerdings weniger durch die Stärken als durch eine Reihe kritischer Argumente bestimmt.
Sie bezogen sich in einem Hauptpunkt auf ungeklärte Fragen der Nutzungsadäquanz und
der Bedarfsorientierung. Zudem wurde der hohe Institutionalisierungsgrad der medizinischen
Rehabilitation kritisiert, verbunden mit einer starken Betonung von stationären Leistungen
und fehlenden ambulanten und wohnortnahen Maßnahmen sowie mit einer geringen Flexibilität
der Leistungsangebote. Die Kritik einer unzureichenden Verzahnung richtete sich auf
die Verbindung zwischen den verschiedenen (insbesondere den medizinischen und beruflichen)
rehabilitativen Versorgungsfeldern, aber auch auf Schnittstellenprobleme zwischen
kurativen, rehabilitativen und pflegerischen Maßnahmen. Weiter wurden Reibungsverluste
durch die verschiedenen Träger- und Finanzierungszuständigkeiten konstatiert. Schließlich
wurde nicht nur eine unzureichende wissenschaftliche Fundierung der Rehabilitation,
sondern auch das Fehlen von Maßnahmen zur Überprüfung bzw. Weiterentwicklung der Qualität
der Versorgung bemängelt.
Die Existenz von Strukturdefiziten wurde durch die sorgfältigen Analysen der vom Verband
Deutscher Rentenversicherungsträger eingesetzten Kommission zur Weiterentwicklung
der Rehabilitation in der Gesetzlichen Rentenversicherung [3] zumindest im Grundsatz bestätigt. In der Folge wurden deshalb seit Beginn der 90er
Jahre eine größere Zahl von Veränderungsmaßnahmen initiiert. Die wesentlichen durch
die Reformkommission veranlassten Innovationen betreffen vor allem Zielsetzungen wie
stärkere Bedarfsorientierung, stärkere Orientierung an Qualitäts- und Ergebniskriterien,
stärkere Flexibilisierung, Lösungen bei den Schnittstellenproblemen, Entwicklung neuer
(nicht-stationärer) Angebotsformen sowie eine stärkere wissenschaftliche Orientierung
der medizinischen Rehabilitation und eine Intensivierung der Qualitätssicherung.
Mit dem Ziel einer intensiveren Ergebnis- und Nutzerorientierung initiierte die Gesetzliche
Rentenversicherung als eine der Reformmaßnahmen zu Beginn der 90er Jahre ein umfassendes
Qualitätsmanagementprogramm. Seine Konzeption orientiert sich in wesentlichen Grundzügen an komplexen US-amerikanischen
Qualitätssicherungsprogrammen aus anderen Versorgungsbereichen. Angelehnt an die Konzeption
einer „kontinuierlichen Qualitätsverbesserung” baut das Programm dabei auf das Prinzip
dynamischer selbst lernender Systeme auf. Seine Verfahren ermöglichen eine Analyse
wesentlicher Gesichtspunkte der Struktur-, Konzept-, Prozess- und Ergebnisqualität
in den einzelnen Kliniken und eine ergebnisvergleichende Rückmeldung an die teilnehmenden
Einrichtungen.[1]
Konzeptuell baut das Qualitätssicherungsprogramm auf der Problemanalyse innerhalb
von vier Programmpunkten und einem Programmpunkt der Lösungserarbeitung auf:
-
Programmpunkt 1 dient der Abbildung von „Strukturen- und Konzepten” der Einrichtungen und der Einteilung der Kliniken nach dem Prinzip ähnlicher Strukturen,
-
im Programmpunkt 2 „Patiententherapiepläne” sollen die Behandlungspläne für die Hauptbehandlungsgruppen der Kliniken nach prozessbezogenen
Aspekten analysiert werden,
-
zur Prozessqualität wird im Rahmen des Programmpunktes 3, des „Qualitäts-Screenings”, anhand konkreter Fälle die Sachgerechtheit in der Durchführung der rehabilitativen
Maßnahme beurteilt (s. u.),
-
schließlich werden im Rahmen des Programmpunktes 4 Patientenbefragungen zur Zufriedenheit mit dem Aufenthalt und der Behandlung und zur Einschätzung des
Therapieerfolges durchgeführt.
-
Die Ergebnisse werden im Rahmen eines klinikvergleichenden Berichts- und Informationssystems
zurückgemeldet. Die Rückmeldungen umfassen als einen wesentlichen Aspekt Hinweise
auf Optimierungsbedarfe und bestehende Qualitätsmängel, hierzu sollen im Rahmen von
angeleiteten problemorientierten Qualitätszirkeln (Programmpunkt 5) Lösungsmöglichkeiten erarbeitet werden.
Am Qualitätssicherungsprogramm der Rentenversicherung beteiligen sich alle 27 Rentenversicherungsträger
sowie die Arbeitsgemeinschaft für Krebsbekämpfung in Nordrhein-Westfalen mit insgesamt
935 von ihnen federführend belegten Kliniken und Fachabteilungen. Die zentrale Koordination
liegt beim VDR, der BfA und der LVA Westfalen. Die Verfahrens- und Methodenentwicklung
erfolgte unter Beteiligung von vier externen wissenschaftlichen Instituten, unterstützt
durch mehr als 100 Experten aus Klinik und Sozialmedizin.
Das Peer Review-Verfahren als Zugang zur Prozessqualität
Das Peer Review-Verfahren als Zugang zur Prozessqualität
Die im Qualitäts-Screening fokussierte objektive, verlässliche und valide Erfassung
und Beurteilung der Prozessqualität in den Kliniken stellt eine besonders schwierige
Aufgabe innerhalb eines Qualitätssicherungsprogramms dar. Bezogen auf den gewählten
Zugang des Qualitäts-Screenings musste festgelegt werden, wodurch die Informationsgrundlage
für die Evaluation der Behandlungsprozesse gebildet wird, nach welchen Kriterien und
Grundlagen die Beurteilungen der Prozessqualität erfolgen sollen und wer die Qualität
beurteilt.
Als Informationsgrundlage der Beurteilung wurden der einheitliche Entlassungsbericht der Rentenversicherung
und die zugehörigen individuellen Therapiepläne gewählt. Sie liegen für jeden Patienten
wenige Wochen nach der Durchführ- ung der Rehabilitationsmaßnahme beim Rentenversicherungsträger
vor. Dabei gewährleisten bundeseinheitlich bei allen Rentenversicherungsträgern geltende
Richtlinien die Vergleichbarkeit. Für den Berichtsaufbau sind zunächst in weitgehend
standardisierter Form eine Basisdokumentation wichtiger Patientendaten, die sozialmedizinische
Leistungsbeurteilung und eine Dokumentation der therapeutischen Leistungsdaten vorgegeben.
Der sich anschließende frei zu formulierende, aber an einem festen Gliederungsraster
zu orientierende ärztliche Bericht geht regelmäßig auf die Aspekte „Allgemeine und
klinische Anamnese”, „Jetzige Beschwerden und funktionelle Einschränkungen”, „Gegenwärtige
Therapie und behandelnde Ärzte”, „Allgemeine Sozialanamnese”, „Berufsanamnese”, „Aufnahmebefund,
Vorbefunde und ergänzende Diagnostik”, „Rehabilitationsdiagnosen und -ziele”, „Rehabilitationsverlauf”,
„Rehabilitationsergebnis” und „Sozialmedizinische Epikrise” ein.
Die Beurteilung der Entlassungsberichte im Rahmen des Peer Reviews basiert auf einer mehrdimensionalen
Checkliste. Diese beinhaltet qualitätsrelevante Prozessmerkmale, die gemeinsam mit
ihren Indikatoren und den vorgesehenen Antwortkategorien durch ein Manual definiert
und ausführlich unter Heranziehung von Beispielen erläutert werden. An der Erarbeitung
der Checkliste qualitätsrelevanter Merkmale und des Manuals waren neben den Arbeitsgruppen
der wissenschaftlichen Institute (s. u.) Vertreterinnen und Vertreter aus der rehabilitativen
Praxis und der sozialmedizinischen Dienste beteiligt.
In Analogie zu wissenschaftlichen Beurteilungsprozessen im Rahmen von Publikationen
und Anträgen auf Forschungsförderung sieht das Verfahren als Beurteiler den Einsatz
erfahrener, unabhängiger und im Verfahren geschulter Fachkollegen des jeweiligen Indikationsbereiches
(„Peers”) vor. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Beurteiler eine leitende Funktion in einer Rehabilitationseinrichtung wahrnehmen und mindestens
über dreijährige praktische Erfahrung in diesem Arbeitsfeld verfügen. Außerdem wurde
von ihnen erwartet, dass sie über die Zusatzbezeichnung „Sozialmedizin” oder eine
gleichwertige Qualifikation verfügen. Desweiteren mussten sie an einer Schulung für
das Verfahren teilgenommen haben.
Das grundlegende Verfahrensmodell des Peer-Reviews für das Qualitäts-Screening der
Rehabilitationsprozesse wurde von der Arbeitsgruppe um Prof. Jäckel (Hochrhein-Institut,
Bad Säckingen) für die somatischen Rehabilitationsindikationen entwickelt [8].
Nachdem sich das Verfahren im Rahmen einer Pilotstudie mit 23 Rehabilitationskliniken
als grundsätzlich praktikabel und erfolgversprechend erwiesen hatte, adaptierte die
Forschungsgruppe Qualitätsmanagement der Abteilung für Medizinische Psychologie, Universitätskrankenhaus
Hamburg-Eppendorf, das Verfahren für die Indikationsbereiche Psychosomatik und Abhängigkeitserkrankungen.
Hierzu war eine Reihe vor allem inhaltlicher Anpassungen der Checkliste qualitätsrelevanter
Merkmale und des Manuals erforderlich. Die so entwickelte Variante des Verfahrens
für die Indikationsbereiche Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik wurde ebenfalls
im Rahmen einer Pilotstudie geprüft, die auch hier die Praktikabilität und Objektivität
des Verfahrens erwies.
In der sich an die Erprobung anschließenden ersten Phase der Routinisierung wurden
ab 1997 zunächst 100 Kliniken aus den bedeutensten sechs somatischen Indikationsbereichen[2] auf freiwilliger Basis in das Peer-Review einbezogen. Das hiermit beauftragte Hochrhein-Institut
nahm neben der Schulung der Peers die grundlegende Prüfung der Praktikabilität (Bearbeitungsaufwand)
des Verfahrens und dessen messtechnische Überprüfung bei der Übertragung auf die Versorgungspraxis
vor. Das Ziel bestand darin, das Peer Review auf einer breiten Datengrundlage abzusichern
und für einen effektiven Routineeinsatz zu optimieren. Weiterhin waren Prozeduren
für die Ergebnisrückmeldung zu erarbeiten.
Aufbauend auf die positiven Ergebnisse dieses Arbeitsschrittes übernahm die Hamburger
Forschungsgruppe Qualitätsmanagement ab Herbst 1998 den Auftrag, eine vergleichbare
Überprüfung und Weiterentwicklung für die Indikationsbereiche Abhängigkeitserkrankungen
und Psychosomatik zu leisten. An den Schulungen und Beurteilungen nahmen im Jahre
1999 21 Kliniken aus dem Bereich Psychosomatik und 30 Kliniken für die Behandlung
von Abhängigkeitserkrankungen teil. Die unten berichteten Ergebnisse beziehen sich
auf die Peer-Reviews in den 30 beteiligten Einrichtungen aus dem Indikationsbereich
Abhängigkeitserkrankungen.
Das Peer Review im Bereich Abhängigkeitserkrankungen
Das Peer Review im Bereich Abhängigkeitserkrankungen
Der Ergebnisdarstellung ist eine Beschreibung des Verfahrens in seiner Anpassung an
die Besonderheiten in der Suchtrehabilitation vorangestellt. Weiterhin werden die
Verfahrensabläufe und die Rückmeldeprozedur erläutert.
Checkliste qualitätsrelevanter Prozessmerkmale und Manual
Die für die Indikationsbereiche Abhängigkeitserkrankungen und Psychosomatik adaptierte
Checkliste umfasst insgesamt 67 qualitätsrelevante Prozessmerkmale. Sie gliedert sich
in die Bereiche Anamnese, Diagnostik, Therapieziele und -planung, Verlauf und Epikrise,
Sozialmedizinische Stellungnahme und weiterführende therapeutische Maßnahmen (vgl.
Tab. [1]). Für die Bewertung der einzelnen Prozessmerkmale stehen die drei Kategorien „keine
Mängel”, „leichte Mängel” und „gravierende Mängel” zur Verfügung sowie eine zusätzliche
Kategorie „entfällt”. Für jeden der genannten Bereiche findet zusätzlich eine zusammenfassende
Beurteilung statt, für die vier Kategorien zur Verfügung stehen („keine Mängel”, „leichte
Mängel”, „deutliche Mängel” und „gravierende Mängel”). Ebenfalls anhand dieser vier
Beurteilungskategorien erfolgt zum Abschluss der Begutachtung eine zusammenfassende
Bewertung des gesamten Reha-Prozesses. Damit liegt für jede in das Verfahren aufgenommene
Dokumentation eine Bewertung zu 67 Einzelmerkmalen, sechs übergeordneten Bereichen
und zum Gesamtprozesses vor.
Tab. 1 Bereiche und qualitätsrelevante Prozessmerkmale der Checkliste
Bereich
(A):
Anamnese
|
Bereich
(C):
Therapieziele
und
-planung
|
A.1 Spezielle, auf die Hauptindikation bezogene Anamnese: |
C.1 Ziele adäquat für Reha-Problem des Patienten |
A.1.1 Aktuelle Beschwerden |
C.2 Ziele konkret formuliert |
A.1.2 Krankheitsverlauf |
C.3 Ziele mit Patienten besprochen |
A.1.3 Bisherige diagnostische Maßnahmen |
C.4 Individueller Behandlungsplan schlüssig dargestellt |
A.1.4 Bisherige therapeutische Maßnahmen |
C.5 Behandlungsprogramm adäquat für Reha-Problem: |
A.1.5 Funktionseinschränkungen im Alltag |
C.5.1 Art der Behandlungsmaßnahmen adäquat |
A.1.6 Funktionseinschränkungen im Beruf |
C.5.2 Häufigkeit angemessen |
A.1.7 Krankheitsverständnis |
C.5.3 Reihenfolge u. Verteilung sinnvoll |
A.1.8 Zuweisungsdiagnose genannt |
C.6 Gesundheitsinformation/-training adäquat |
A.2 Weitere reha-relevante psychische u. somatische Erkrankungen: |
Bereich
(D):
Verlauf
und
Epikrise
|
A.2.1 Vorerkrankungen |
D.1 Diagnosen durch Anamnese und Befund plausibel |
A.2.2 Ko- und Multimorbidität (mit Ang. zu A.1.1-A.1.6) |
D.2 Änderung der Zuweisungsdiagnose nötig |
A.3 Krankheitsrelevante biografische Anamnese |
D.3 Darstellung des Reha-Verlaufs: |
A.4 Krankheitsrelevante Familienanamnese |
D.3.1 Medizinischer Teil |
A.5 Vegetative Beschwerden |
D.3.2 Psychotherapeutischer Teil |
A.6 Derzeitige Risikofaktoren und Risikoverhalten: |
D.3.3 Sozialtherapeutischer und berufsbezogener Teil |
A.6.1 Somatisch |
D.4 Veränderung der Reha-Dauer begründet
|
A.6.2 Psychosozial |
D.5 Motivation und Kooperation des Patienten
|
A.7 Derzeitige Belastungsfaktoren |
D.6 Behandlungsergebnis / Abschlussbefund: |
A.8 Sozialmedizinische Anamnese: |
D.6.1 Therapeuteneinschätzung |
A.8.1 Beruflicher Werdegang |
D.6.2 Patientenselbsteinschätzung |
A.8.2 Beschreibung der letzten versicherungspflichtigen Tätigkeit |
D.7 Aussagen zur Übereinstimmung von Beschwerdenund erhobenen Befunden |
A.8.3 Erwerbsstatus |
D.8 Kritische Würdigung: Reha-Prozess u. erreichte Ergebnisse: |
A.8.4 AU-Zeiten |
D.8.1 Medizinischer Teil |
A.9 Initiative zur Reha-Antragstellung: |
D.8.2 Psychotherapeutischer Teil |
A 9.1 Behandlungsmotivation |
D.8.3 Sozialtherapeutischer und berufsbezogener Teil |
A 9.2 Reha-Vorbereitung und Zugang |
Bereich
(E):
Sozialmedizinische
Stellungnahme
|
Bereich
(B):
Diagnostik
|
E.1 Bezogen auf die letzte berufliche Tätigkeit: |
B.1 Medizinische Untersuchungen und Befunde: |
E.1.1 Qualitative Beurteilung |
B.1.1 Allgemeinärztlicher Befund |
E.1.2 Quantitative Beurteilung |
B.1.2 Indikationsspezifischer internistischer Befund |
E.2 Bezogen auf das positive und negative Leistungsbild: |
B.1.3 Technische Befunde |
E.2.1 Qualitative Beurteilung |
B.1.4 Zusätzliche Befunde aus anderen Fachgebieten |
E.2.2 Quantitative Beurteilung |
B.2 Psychiatrische u. psychologische Untersuchungen/Befunde: |
E.3 Empfehlungen für berufsfördernde Maßnahmen |
B.2.1 Psychischer bzw. psychopathologischer Befund |
E.4 Selbsteinschätzung des Patienten zur beruflichen Leistungsfähigkeit |
B.2.2 Psychodynamischer Befund |
E.5 Bezogen auf die Selbstversorgung/Pflegebedürftigkeit |
B.2.3 Verhaltensanalytischer Befund |
Bereich
(F):
Weiterführende
Maßnahmen
/
Nachsorge
|
B.2.4 Testpsychologische Befunde |
F.1 Empfehlungen plausibel u. adäquat: |
B.2.5 Weitere psychosoziale und interaktionelle Diagnostik |
F.1.1 Weitere Diagnostik |
B.2.6 Verhaltensaktiva
|
F.1.2 Weitere Therapie: |
B.3 Indikationsbezogene Fähigkeits-/Funktionsstörungen |
F.1.2.1 Medizinische Therapie |
B.4 Zusammenschau/Aggregation der Diagnostik |
F.1.2.2 Psychosoziale Therapie |
|
F.2 Konkrete Einleitung von weiteren (ambulanten Reha-)Maßnahmen einschließlich Nachsorge |
|
F.3 Eigene Pläne des Patienten |
Die Einzelkriterien und die Bereiche der Checkliste werden im zugehörigen Manual definiert
und operationalisiert. Das Manual enthält für jedes Prozessmerkmal Kriterien, die
der Qualitätsbeurteilung zugrunde gelegt werden müssen. Abb. [1] zeigt beispielhaft für das Prozessmerkmal A 1.3 „Bisherige diagnostische Maßnahmen”
den Aufbau des Manuals.
Prinzipiell muss sich die Beurteilung eines qualitätsrelevanten Prozessmerkmals an
den im Manual aufgeführten Kriterien orientieren. Die zusammenfassenden Bewertungen
von Bereichen müssen sich entsprechend an den zuvor vorgenommenen Beurteilungen der
entsprechenden qualitätsrelevanten Prozessmerkmale ausrichten. Dabei sollen bei der
Beurteilung der einzelnen qualitätsrelevanten Prozessmerkmale und bei den zusammenfassenden
Bewertungen sowohl quantitative (Anzahl erfüllter Kriterien bzw. Merkmale) als auch
qualitative Gesichtspunkte (Gewichtung einzelner Kriterien bzw. Merkmale nach den
spezifischen Gegebenheiten des jeweiligen Falls) zugrunde gelegt werden. Bei den zusammenfassenden
Bewertungen ist eine integrierte Bewertung erforderlich, die berücksichtigt, welchen
Stellenwert gegebenenfalls festgestellte Mängel für eine fachgerechte Durchführung
der gesamten Reha-Maßnahme in dem vorliegenden Fall hatten.
Verfahrensablauf
Die Grundlage für die Einschätzung der Prozessqualität in einer Einrichtung bildet
eine durch den Rentenversicherungsträger zufallsausgewählte Stichprobe von individuellen
Entlassungsberichten. Um eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zu gewährleisten, wird
i.d.R. ein sechsmonatiger Zeitraum festgelegt, in dem die zugrunde gelegten Behandlungen
abgeschlossen worden sein müssen. Dabei liegt dieser Zeitraum möglichst kurze Zeit
zurück, um eine Aktualität der Beurteilungen zu sichern.
Die Anonymisierung der einzusendenden Berichte, insbesondere bezogen auf schutzwürdige
Daten der Patienten, erfolgt bereits in der Klinik. Anschließend werden die Berichte
vor Weitergabe an die Auswertungsstellen beim VDR und der BfA durch den zuständigen
Rentenversicherungsträger dahingehend anonymisiert, dass die einzelne Klinik nur noch
über eine Code-Nummer identifizierbar ist.
Auch die Verteilung der Berichte auf die begutachtenden Peers geschieht zufallsgestützt.
Abgesichert wird hierbei jedoch, dass ein Peer nicht Berichte seiner eigenen Einrichtung
zur Bewertung erhält. Die Berichte einer Klinik werden grundsätzlich auf die größtmögliche
Anzahl verschiedener Peer verteilt.
Die Peers schicken nach durchgeführter Begutachtung die Berichte gemeinsam mit den
bearbeiteten Checklisten an die Auswertungsstellen zurück, bei denen anschließend
die Dateneingabe und -kontrolle erfolgen. Auf der Basis des so erstellten Datensatzes
erfolgt nun die Datenauswertung und die Erstellung von Rückmeldeberichten durch das
beteiligte wissenschaftliche Institut (Abteilung für Medizinische Psychologie, Universitätskrankenhaus
Hamburg-Eppendorf). Nach Prüfung der Arbeitsergebnisse durch die Auswertungsstellen
werden die klinikbezogenen Berichte über die zuständigen Rentenversicherungsträger
an die beteiligten Einrichtungen rückgemeldet.
Abb. 1 Struktur des Manuals zur Checkliste qualitätsrelevanter Prozessmerkmale.
Klinikbezogener Ergebnisbericht
Für jede teilnehmende Klinik wird ein Ergebnisbericht erstellt, der neben einer methodischen
Einführung eine detaillierte Rückmeldung der Beurteilungen durch die Peers hinsichtlich
der beschriebenen Bewertungsdimensionen umfasst. Daraus kann ersehen werden, in welchen
Prozessbereichen bzw. bei welchen qualitätsrelevanten Merkmalen Probleme oder Stärken
bestehen. Dabei erhalten die Kliniken ergänzend Informationen über ihre Position im
Vergleich zu den anderen Kliniken ihres Indikationsbereichs bei den zusammenfassenden
Bewertungen zu den sechs Beurteilungsbereichen und zum Gesamtprozess.
Der Ergebnisteil der Rückmeldungen an die Kliniken gliedert sich in:
-
grafische Darstellungen der zusammenfassenden Bewertungen des gesamten Reha-Prozesses
und der einzelnen Bereiche der Checkliste mit Gegenüberstellungen der Bewertungen
der Klinik mit den durchschnittlichen Verteilungen für alle Kliniken des Indikationsbereichs
und für das beste und das schlechteste Ergebnis,
-
eine tabellarische Übersicht zu den grafischen Darstellungen mit den individuellen
Klinikwerten und den Verteilungswerten aller Kliniken des Indikationsbereiches,
-
eine entsprechende Tabelle der Bewertungen der Einzelmerkmale der Checkliste, in der
zusätzlich Unterschiede zwischen Werten der jeweiligen Einrichtung und den Durchschnittswerten
aller Einrichtungen des Indikationsbereichs auch auf statistische Signifikanz getestet
werden, und
-
ein Polaritätenprofil, das einen prägnanten Überblick über besondere Stärken und Schwächen
der jeweiligen Klinik in den Einzelmerkmalen vor dem Hintergrund der Ergebnisse der
anderen Kliniken des Indikationsbereichs bietet. Hierfür wurde für jede Klinik ermittelt,
welche Einzelmerkmale deutlich besser oder deutlich schlechter beurteilt wurden als
in der Gesamtgruppe der Kliniken des betreffenden Indikationsbereichs.
Mit diesem Aufbau orientiert sich die Ergebnisrückmeldung am Entscheidungs- und Bearbeitungsvorgehen
der Qualitätszirkel in den Reha-Kliniken. Globale Hinweise auf Schwachstellen und
mögliche Optimierungsbedarfe lassen sich den grafischen Vergleichen der Verteilungen
und den Polaritätenprofilen entnehmen. Weitergehende Analysen, Entscheidungen und
Verbesserungsansätze können auf den differenzierten tabellarischen Mitteilungen aufbauen,
bei denen die Ergebnisse der Signifikanztests zusätzliche Unterstützung für die Ergebnisinterpretation
anbieten.
Empirische Erprobung des Peer Review-Verfahrens für den Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen
Empirische Erprobung des Peer Review-Verfahrens für den Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen
Fragestellung und methodischer Zugang
Ab Herbst 1998 wurde das Peer Review-Verfahren für den Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen
im Rahmen einer ersten Stufe der Routinisierung in 30 freiwillig teilnehmenden Einrichtungen
eingeführt. Unter methodischen Gesichtspunkten sollte dabei geprüft werden, ob das
Verfahren für den Routineeinsatz hinreichend praktikabel ist, ob eine ausreichende
Interrater-Reliabilität erreicht wird (mit einer Abschätzung eventuell notwendiger
Kontroll- und Korrektur-Strategien) und ob eine Differenzierung zwischen den Ergebnissen
der beteiligten Einrichtungen erreicht werden kann.
Die eingesetzten Begutachter („Peers”) wurden zuvor von den teilnehmenden Kliniken
benannt und erfüllten die im Abschnitt 2 als Grundvoraussetzungen zur Verfahrensteilnahme
beschriebenen Kriterien. Sie wurden vor der Durchführung der Beurteilungen im Rahmen
von zweitägigen Trainings in das Verfahren eingeführt und im Gebrauch der Checkliste
und des Manuals geschult.
Aus jeder der 30 an der Prüfung beteiligten Einrichtungen für Abhängigkeitserkrankungen
wurden grundsätzlich 25 Entlassungsberichte (Entlassungszeitraum in der Regel Mai
bis Oktober 1998) zufallsgestützt bestimmt, die in das Peer-Review-Verfahren eingingen.
Nach Durchlaufen der mehrstufigen Anonymisierungs- und Bewertungsprozedur standen
nach Datenkontrolle und -korrektur für die statistischen Analysen die Bewertungen
von 604 Entlassungsberichten als Beurteilungsstichprobe zur Verfügung - durchschnittlich
etwa 20 bewertete Berichte pro Klinik.[3]
Über die Beurteilungsstichprobe hinaus wurden zusätzlich fünf Kontrollberichte ausgewählt,
die von allen Peers des Indikationsbereichs bewertet wurden. Sie bildeten die Grundlage
für die Bestimmung des Grades der Übereinstimmung zwischen den Peers.
Methodische Details der Auswertungsschritte werden nachfolgend in den jeweiligen Abschnitten
mitgeteilt.
Ergebnisse der testtheoretischen Überprüfung des Verfahrens
Ergebnisse der testtheoretischen Überprüfung des Verfahrens
Bearbeitungsdauer
Da das Peer Review auf eine Beurteilung von Prozessdokumentationen durch leitende
Kliniker aufbaut, ist es erforderlich, den zeitlichen Aufwand für die Bewertungen
in einem angemessenen Verhältnis zum angestrebten Ergebnis zu halten. Insofern bezog
sich die erste Prüffragestellung auf die Ökonomie der Durchführung des Verfahrens.
Auf der Basis der Selbstangaben der Peers ergab sich eine Bearbeitungsdauer von durchschnittlich
33,4 Minuten. In 88 % der Fälle waren für die Bearbeitung eines Berichts nicht mehr
als 45 Minuten nötig, für 2,5 % der Begutachtungen wurden mehr als 60 Minuten aufgewendet.
Da durch jeden Peer maximal 25 Entlassungsberichte (einschließlich Kontrollberichte)
zu bewerten sind, beträgt der zeitliche Aufwand eines Peers bei einem Durchgang des
Verfahrens durchschnittlich etwa 13 Stunden. Dieser Zeitaufwand wird derzeit als angemessen
eingeschätzt, wenn man bedenkt, dass die teilnehmenden Kliniken im Gegenzug aggregierte
Rückmeldungen über wichtige Aspekte der Prozessqualität erhalten - auf der Basis von
Beurteilungen durch eine Gruppe von erfahrenen und besonders qualifizierten Reviewern.
Im weiteren Fortlauf des Qualitäts-Screenings sollte dennoch geprüft werden, durch
welche Modifizierungen des Verfahrens und Vorgehens eine Entlastung für die Beurteiler
erreicht werden kann.
Interrater-Reliabilität
Als ein weiteres Testgütemaß wurde der Grad der Übereinstimmung zwischen den Peers
(Interrater-Reliabilität) überprüft. Die Grundlage hierfür bildeten je Indikationsbereich
fünf so genannte Kontrollberichte, die von jedem Peer zu beurteilen waren. Damit bezogen
sich für den Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen 145 Kontrollbewertungen
auf die 5 Berichte[4].
Die Interrater-Reliabilität wurde nach Finn [9]
[10] ermittelt. Diese Methodik wurde im Rahmen des Peer-Review-Verfahrens gewählt, da
sie bei geringer Varianz zwischen den Entlassungsberichten hinsichtlich der Bereiche
und der zusammenfassenden Bewertung ein robustes Äquivalent zur sonst üblichen Ermittlung
der Intraklassenkorrelation darstellt [11].
Der Koeffizient beträgt für die zusammenfassende Bewertung des gesamten Reha-Prozesses
für Abhängigkeitserkrankungen wie für die zusammenfassenden Bewertungen der einzelnen
Bereiche der Checkliste im Indikationsbereich Abhängigkeit zwischen 0,5 und 0,64 (vgl.
Tab. [2]). Damit ist die Gutachterübereinstimmung für die zusammenfassenden Bewertungen des
Reha-Prozesses und der einzelnen Bereiche im Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen
als zufriedenstellend einzustufen.
Tab. 2 Interrater-Reliabilitäten für die zusammenfassenden Bewertungen der einzelnen Bereiche
der Checkliste und die zusammenfassende Bewertung des gesamten Reha-Prozesses (Grundlage:
5 Be- richte, bearbeitet von 30 Peers)
Bewertungsgrundlagen |
Interrater-Reliabilitäten (Finn-Koeffizienten) |
(A) Anamnese |
0,61 |
(B) Diagnostik |
0,50 |
(C) Therapieziele und -planung |
0,60 |
(D) Verlauf und Epikrise |
0,54 |
(E) sozialmedizinische Stellungnahme |
0,54 |
(F) weiterführende therapeutische Maßnahmen |
0,64 |
zusammenfassende Bewertung |
0,53 |
Unterschiede der Beurteilerstrenge
Bei einem solchen Begutachtungsverfahren ist es prinzipiell möglich, dass einige Gutachter
generell zu „strengen” oder „milden” Bewertungen neigen. Für den Fall gravierender
systematischer Unterschiede im Bewertungsverhalten wäre mit unterschiedlichen Strategien
vorzugehen. So könnte es erforderlich sein, Gewichtungen vorzunehmen oder gegebenenfalls
Gutachter, die in ihrer Beurteilung erheblich vom Durchschnitt abweichen, von dem
Verfahren auszuschließen.
In den Analysen anhand der Kontroll-Entlassberichte, die durch alle Peers begutachtet
wurden, ließen sich systematische Beurteilerunterschiede finden. Diese streuen aber
in einem engen Bereich um den Mittelwert aller Bewertungen. Insgesamt zeigt sich ein
gut vergleichbares Ausgangsniveau in Bezug auf die Bewertungsstrenge/-milde. Von 70
% der Peers weichen die Bewertungen durchschnittlich um weniger als 0,5 Bewertungsstufen
vom Mittelwert aller Peers des Indikationsbereichs ab - selbst die höchste durchschnittliche
Abweichung beträgt lediglich 0,8 Bewertungsstufen (vgl. Abb. [2]). Dennoch sollte bei der Interpretation der nachfolgend dargestellten Ergebnisse
zur Prozessbeurteilung berücksichtigt werden, dass die Konfidenzbereiche für jeden
einzelnen Peer im Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen durchschnittlich bis
zu 0,28 Bewertungsstufen betragen.
Abb. 2 Systematische Beurteilerunterschiede: Zusammenfassende Bewertungen des Reha-Prozesses;
gekennzeichnet ist der Bereich von ± 0,5 Punkten Abweichung (70 % der Peers).
Individuelle Mittelwertunterschiede zwischen den Beurteilern - wenngleich quantitativ
begrenzt - begründen die Frage, wie sich die vorgenommene Verteilung der Berichte
auf die Gesamtbewertungen der einzelnen Kliniken im Peer-Review-Verfahren auswirkt.
Theoretisch wäre es denkbar, dass die Entlassungsberichte aus einer Klinik überdurchschnittlich
häufig von „strengeren” Peers bzw. „milderen” Peers beurteilt würden. Diese Klinik
würde dann aufgrund der systematischen Unterschiede im Beurteilungsverhalten der Peers
entsprechend schlecht bzw. gut abschneiden.
Im Peer Review-Verfahren wird versucht, diesem Risiko zu begegnen, indem die Entlassungsberichte
einer Einrichtung randomisiert auf die größtmögliche Anzahl verschiedener Beurteiler
verteilt werden. Im Mittel verteilten sich in der durchgeführten Erprobung die Entlassungsberichte
einer Klinik auf 17 Peers. Damit wurde die gewünschte Streuung der Berichte über die
Peers durch das Zuweisungsverfahren erreicht.
Ob damit auf eine Korrektur von individueller Beurteilerstrenge (oder -milde) verzichtet
werden kann, wurde geprüft, indem für jede Klinik ein Vergleich der mittleren „zusammenfassenden
Bewertung des gesamten Reha-Prozesses” mit und ohne einen Korrekturfaktor erfolgte,
der die unterschiedlichen Mittelwerte der einzelnen Beurteiler berücksichtigt. Die
Ergebnisse zeigen für die 30 Kliniken des Indikationsbereichs Abhängigkeitserkrankungen
nur marginale Unterschiede zwischen den korrigierten und unkorrigierten Klinikmittelwerten
(vgl. Abb. [3]).
Abb. 3 Klinikmittelwerte (Zusammenfassende Bewertung des Reha-Prozesses) mit/ohne Korrektur.
Zusammenfassend ist damit belegt, dass das Randomisierungsverfahren systematische
Unterschiede zwischen den Peers weitestgehend ausbalanciert und deshalb sowohl auf
das Herausnehmen einzelner, besonders „strenger” oder „milder”, Beurteiler als auch
auf die Einführung einer beurteilerbezogenen Abweichungskorrektur verzichtet werden
kann.
Differenzierungsmöglichkeiten der Einrichtungen nach dem Grad der Prozessqualität
Eine zentrale Anforderung an das für das Qualitäts-Screening entwickelte Verfahren
besteht in der Eignung zur Differenzierung der Ergebnisse der einzelnen Einrichtungen.
Für Entscheidungen über Qualitätsverbesserungsansätze werden in den Einrichtungen
Ergebnisrückmeldungen benötigt, die auch Vergleiche zu den anderen Einrichtungen des
Indikationsbereiches umfassen. Hierbei sind grundsätzlich zwei Zugänge denkbar: eine
Rangreihung der Einrichtungen nach ihren Ergebnissen im Sinne eines Benchmarkings
und ein Vergleich der Ergebnisse der einzelnen Einrichtungen mit denen der Gesamtgruppe.
Für die zusammenfassenden Bewertungen der sechs Bereiche und der Gesamtprozesse lassen
sich aufgrund weiter Konfidenzintervalle die Mittelwerte der einzelnen Einrichtungen
nur mit erheblicher Unsicherheit für ein Benchmarking zugrunde legen. Deshalb wurde,
um vergleichende Rückmeldungen zu geben, eine Gegenüberstellung der relativen Häufigkeiten
der Beurteilungen vorgenommen.
Für die auf Einzelitems bezogene Darstellung spezifischer Stärken und Schwächen ist
das Verfahren gut geeignet, die relativen Häufigkeiten der Bewertungen für Einzelkliniken
den Verteilungen für alle Einrichtungen des Indikationsbereiches gegenüberzustellen
und (non-parametrisch) zu vergleichen. Eine Aufdeckung von besonderen Stärken und
Schwachstellen der Einzeleinrichtungen, im Vergleich zu allen Einrichtungen des Indikationsbereiches,
wird weiterhin möglich, indem Prozessmerkmale ausgewählt werden, die für die Einzeleinrichtung
vom jeweiligen Mittelwert für alle Einrichtungen des Indikationsbereiches um mehr
als eine Standardabweichung (der Gesamtgruppe) abweichen.
Insgesamt zeigten die Erprobungen hier, dass eine Differenzierung der Ergebnisse der
Einzelkliniken von der Gesamtgruppe der Einrichtungen auf diesem Wege erreicht werden
kann. Statistische Absicherungen sind aber vor dem Hintergrund der pro Einrichtung
vergleichsweise kleinen Stichproben auch mit Unsicherheiten belastet.
Analyse der Prozessqualität
Analyse der Prozessqualität
Das Ziel des Peer Reviews ist es, wie zuvor beschrieben, den Klinikern eine Rückmeldung
über die Prozessqualität in der eigenen Einrichtung im Vergleich zu anderen Einrichtungen
zu geben. Betrachtet man die Ergebnisse aller Kliniken, so ergibt die Auswertung gleichzeitig
einen Eindruck über die gegenwärtigen Stärken und Schwächen innerhalb des Versorgungsbereichs
Suchtrehabilitation und über eventuelle Optimierungsbedarfe. Mit dieser Zielsetzung
werden in den nachfolgenden Darstellungen für die sechs übergeordneten Bereiche der
Checkliste die jeweiligen kategorialen Häufigkeiten der Beurteilungen (%) mitgeteilt.
Für die 67 Einzelmerkmale werden lediglich die Prozentsätze der gravierenden Mängel
angegeben.
Die Berechnungen basieren auf 604 Checklisten. Datenausfälle reduzieren die Stichproben
jeweils in geringem Umfang.
Prozessqualität auf der Ebene der zusammenfassenden Bewertungen
In Tab. [3] sind die prozentualen Verteilungen der zusammenfassenden Bewertungen dargestellt
- zunächst der einzelnen Bereiche und anschließend des gesamten Reha-Prozesses. (Vergleiche
mit anderen Indikationsbereichen sollten auf dieser Basis allerdings nicht vorgenommen
werden, da hier unterschiedliche Reha-Prozesse den Bewertungen unterzogen werden.)
Tab. 3 Zusammenfassende Bewertungen für die einzelnen Bereiche des Reha-Prozesses und zusammenfassende
Bewertung des gesamten Prozesses (Angaben in %) (Grundlage: 604 Fallberichte aus 30
Kliniken für Suchtrehabilitation)
Bereich |
keine Mängel |
leichte Mängel |
deutliche Mängel |
gravierende Mängel |
Anamnese |
29,3 |
47,2 |
18,4 |
5,2 |
Diagnostik |
23,0 |
43,9 |
25,9 |
7,2 |
Therapieziele und -planung |
31,9 |
38,9 |
20,0 |
9,2 |
Verlauf und Epikrise |
35,7 |
40,8 |
16,3 |
7,2 |
sozialmedizinische Stellungnahme |
41,3 |
32,9 |
17,1 |
8,7 |
weiterführende Maßnahmen/Nachsorge |
53,3 |
31,4 |
11,4 |
4,0 |
zusammenfassende Bewertung |
19,8 |
46,6 |
25,6 |
8,0 |
Betrachtet man die Beurteilungen „keine Mängel” und „leichte Mängel” insgesamt als
positive Einschätzungen, so zeigt sich auf der Basis von mehr als 600 beurteilten
Prozessdokumentationen ein Anteil günstiger Einschätzungen je nach Bereich von bis
zu 85 Prozent. Fasst man die Bewertungen „deutliche Mängel” und „gravierende Mängel”
zusammen, dann liegen die Werte für die Bereiche Diagnostik (33,1 %), Therapieziele
und -planung (29,2 %) sowie sozialmedizinische Stellungnahme (25,8 %) am höchsten
und weisen auf einen deutlichen Optimierungsbedarf hin. Für die zusammenfassenden
Bewertungen der gesamten Reha-Prozesse ergibt sich ein Anteil von insgesamt 33,6 %
deutlicher und gravierender Mängel. Zusammenfassend ist festzustellen, dass je betrachteter
Fragestellung der Anteil der als substanziell eingeschätzten Mängel zwischen etwa
⅓ und etwa 1/7 liegt. Dem steht allerdings auch das Ergebnis gegenüber, dass zwischen
66,4 % und 84,6 % der Bewertungen keine oder lediglich geringe Mängel aufweisen.
Bewertungen auf der Ebene der Einzelmerkmale
Die Bewertung der Einzelmerkmale durch die Peers erfolgte im Gegensatz zu den vierstufigen
Beurteilungen der zusammenfassenden Bewertungen dreistufig: „keine Mängel”/„leichte
Mängel”/„gravierende Mängel”. Entsprechend dem Verständnis, dass „leichte Mängel”
noch keinen Hinweis auf drängende Optimierungsbedarfe geben, liegt der Fokus der nachstehenden
Darstellungen auf den Einschätzungen der „gravierenden Mängel”.
In Tab. [4] sind jeweils die 5 häufigsten gravierenden Mängel bei den Einzelmerkmalen innerhalb
der sechs Bereiche zusammenfassend wiedergegeben.
Tab. 4 Qualitätsrelevante Prozessmerkmale mit vergleichsweise hohen Anteilen an problematischen
Einschätzungen (Grundlage: 604 Fallberichte aus 30 Kliniken für Suchtrehabilitation)
Bereich |
Merkmal |
gravierende Mängel (%) |
Anamnese |
Funktionseinschränkungen im Beruf |
12,6 |
subjektives Krankheitsverständnis |
12,5 |
vegetative Beschwerden |
15,6 |
letzte berufliche Tätigkeit |
12,6 |
Vorbereitung der Reha-Behandlung |
13,0 |
Diagnostik |
psychodynamischer Befund |
25,5 |
verhaltensanalytischer Befund |
17,9 |
testpsychologischer Befund |
19,8 |
Verhaltensaktiva |
17,7 |
Aggregation der Diagnostik |
16,3 |
Therapieziele und -planung |
Ziele konkret formuliert |
13,4 |
Ziele mit Patienten besprochen |
24,7 |
individuelles Behandlungskonzept schlüssig |
23,9 |
angemessene Reihenfolge der Maßnahmen |
13,8 |
Gesundheitsinformation adäquat |
20,6 |
Verlauf und Epikrise |
Ergebniseinschätzung durch den Patienten |
17,9 |
Verlauf: sozialtherapeutisch/berufsbezogener Teil |
11,0 |
Verlauf: medizinischer Teil |
10,2 |
kritische Würdigung: sozialtherapeutischer Teil |
12,4 |
kritische Würdigung: medizinischer Teil |
10,4 |
sozialmedizinische Stellungnahme |
Selbsteinschätzung des Patienten |
27,8 |
qualitative Leistungsbild-Beurteilung (nach Abschluss) |
16,4 |
quantitative Leistungsbild-Beurteilung (nach Abschluss) |
10,5 |
qualitative Beurteilung (letzte Tätigkeit berücksichtigt) |
14,4 |
Empfehlungen für berufsfördernde Maßnahmen |
13,4 |
weiterführende therapeutische Maßnahmen / Nachsorge |
eigene Pläne des Patienten |
9,6 |
Einleitung weiterer Maßnahmen
|
9,5 |
Diagnostikempfehlungen plausibel |
7,9 |
medizinische Therapieempfehlungen plausibel |
7,7 |
psychosoziale Therapieempfehlungen plausibel |
7,4 |
Insgesamt weisen zwölf von den 67 analysierten Prozessmerkmalen über 15 Prozent gravierende
Mängel auf, bei zwei Merkmalen fielen sogar mehr als 25 Prozent der Beurteilungen
als „gravierender Mangel” aus. Besonders stark betroffen sind Einzelmerkmale aus den
Bereichen „Diagnostik” und „Therapieziele und -planung”.
Zusammenfassend zeigt sich, dass die Mängel insbesondere auf zwei Ebenen zu finden
sind, die nach dem Selbstverständnis der medizinischen Rehabilitation gerade als „rehaspezifisch”
anzusehen sind. Die erste Ebene betrifft die Einbeziehung der subjektiven Perspektive der Patienten in die individuelle Planung und die Bewertung des Reha-Prozesses. Den
dargestellten Ergebnissen zufolge ließen sich bei einem essenziellen Anteil der dokumentierten
Reha-Prozesse dem subjektiven Krankheitsverständnis, der Selbsteinschätzung zur allgemeinen
und zur beruflichen Leistungsfähigkeit und den Plänen des Patienten am Ende der Rehabilitation
mehr Gewicht beimessen. Hierin würde sich auch die Umsetzung eines Leitbildes einer
gestärkten Patientenrolle wiederfinden.
Die zweite Ebene bezieht sich insbesondere bei Anamnese, Diagnostik und Therapieplanung
auf die Berücksichtigung von individuellen Beschwerdekonstellationen der Patienten und einer entsprechenden Abstimmung des erforderlichen therapeutischen
Vorgehens. Eine Stärkung dieser Aspekte würde zugleich eine Unterstützung der Rolle
der medizinischen Rehabilitation im Versorgungssystem bedeuten, mit individueller
Indikationsstellung und Maßnahmenzuweisung.
Zusammenfassung und Diskussion
Zusammenfassung und Diskussion
Das Qualitäts-Screening innerhalb des Reha-Qualitätssicherungsprogramms der Gesetzlichen
Rentenversicherer zielt auf die objektive, reliable und valide Erfassung der Prozessqualität
in der medizinischen Rehabilitation. Das hierzu entwickelte Peer-Review-Verfahren
basiert auf zufällig ausgewählten Entlassungsberichten, deren Beurteilung anhand einer
Checkliste qualitätsrelevanter Prozessmerkmale und eines Manuals durch geschulte,
erfahrene und trainierte Rater erfolgt. Das Verfahren zeigte bei den somatischen Rehabilitationsindikationen
gute messtechnische Werte und erwies sich als aussagekräftiges und motivierendes Instrument
zur vergleichenden Beschreibung und Analyse der in der Klinik ablaufenden Prozesse
und des jeweiligen rehabilitativen Versorgungsbereiches.
In diesem Beitrag ging es um die Anpassung des Peer Review-Verfahrens an die spezifischen
Bedingungen von Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen in der stationären Suchtrehabilitation.
An einer substanziellen Stichprobe von Entlassungsberichten wurden die Gütekriterien
des adaptierten Verfahrens geprüft und gleichzeitig eine Beschreibung des Systems
der Suchtrehabilitation durch qualitätsrelevante Prozessmerkmale vorgenommen.
Die Ergebnisse zeigen auf der messtechnischen Ebene, dass das Verfahren den Anforderungen
eines Screenings der Prozessqualität für die Suchtrehabilitation gerecht wird:
-
Mit einem durchschnittlichen Zeitbedarf von 33 Minuten je beurteiltem Entlassungsbericht
erweist sich das Peer-Review-Verfahren auch hier als praktikabel. Es ist dennoch weiter
über Verkürzungen und zeitsparende Ansätze nachzudenken, auch um die Compliance der
als Beurteiler eingesetzten Rehabilitationskliniker dauerhaft sicherzustellen.
-
Die Übereinstimmungen zwischen den Ratern sind in den geprüften Bereichen als zufriedenstellend
einzuschätzen. Punktuell besteht ein Optimierungsbedarf durch Anpassungen der Schulung
sowie durch weitere Präzisierungen der Kategorien und Instruktionen im Manual.
-
Die Prüfungen zeigen weiterhin, dass Befürchtungen, einzelne Kliniken würden unter
Umständen durch die Zulosung von besonders strengen Gutachtern benachteiligt, nicht
zutreffend sind. Die Zufallszuordnung von Berichten zu den Ratern führt zu einem Ausgleich
von individuellen Unterschieden der Peers hinsichtlich ihrer Beurteilungsstrenge.
-
Die über die Berichte der einzelnen Einrichtungen aggregierten Klinikkennwerte weisen
bei den berücksichtigten Dimensionen der Prozessqualität auf deutliche Unterschiede
hin. Eine statistisch abgesicherte Differenzierung zwischen Einrichtungen ist aber
bei den begrenzten Fallzahlen von Berichten und den damit verbunden hohen Konfidenzintervallen
nur eingeschränkt möglich. Bei der Diskussion dieses Sachverhaltes ist allerdings
zu bedenken, dass das Peer-Review-Verfahren die Funktion eines Screening-Instrumentes
hat, das Hinweise auf mögliche Schwachstellen geben soll. Um diese zu belegen, muss
sich, wie bei der Nutzung von Ergebnissen von Screening-Verfahren allgemein üblich,
eine systematische und dementsprechend aufwendige Analyse anschließen, diese könnte
zum Beispiel durch Klinikbegehung erfolgen.
Insgesamt fand das Verfahren bei den Peers eine hohe Akzeptanz. Dies zeigt auch ein
am Ende der Schulung eingesetzter Feedback-Fragebogen: Ein Großteil der Teilnehmer
gab an, dass bereits die Schulungen hilfreich für die Qualitätsverbesserung ihrer
Entlassungsberichte seien und dass wertvolle Anregungen zur Verbesserung der Prozessqualität
in der eigenen Klinik vermittelt wurden. Dabei berücksichtigen die Peers rehabilitationsspezifische
Aspekte bewusster, differenzierter und kritischer und fokussieren im Training als
Schwachstellen benannte Aspekte genauer. Konkrete Auswirkungen auf die aktuelle Rehabilitationspraxis
gehen über Fortbildungen der Mitarbeiter und Anpassungen der Entlassungsberichte hinaus
und umfassen auch eine stärkere Berücksichtigung bisher vernachlässigter Aspekte des
Rehabilitationsprozesses sowie eine Verbesserung der Dokumentation.
Wer Gelegenheit hatte, die erfahrenen Peers bei den Schulungen in ihren intensiven
und teilweise kontroversen Diskussion über die diagnostischen und therapeutischen
Erfordernisse einer Suchtbehandlung zu beobachten, wird sich kaum des Eindrucks erwehren,
dass das Peer-Review-Verfahren in der Lage ist, den Diskurs um die Qualität zu aktivieren.
Wird dieser Prozess von den Peers auch in die Klinik getragen, so ist diese wichtige
Zielsetzung des Peer-Review-Verfahrens erreicht.
In der Diskussion des Verfahrens standen als Kritik vor allem drei Argumente im Vordergrund:
-
Zeitlicher Aufwand der Peers für die Teilnahme am Verfahren: Dieser entsteht durch
die Vorbereitung zur Versendung der Entlassberichte zur Beurteilung, die Teilnahme
an den Schulungen und die Bearbeitung der zu begutachtenden Behandlungsdokumentationen.
Durch die zeitliche Einbindung in die Qualitätssicherung zu Lasten der Zeit im beruflichen
Alltag ginge ein Teil der ohnehin nur knapp bemessenen Zeit für die therapeutische
Arbeit verloren. Dem steht gegenüber, dass die teilnehmenden Kliniken im Gegenzug
fundierte Rückmeldungen über wichtige Aspekte in ihrer Prozessqualität erhalten und
diese für das interne Qualitätsmanagement nutzbar machen können.
-
Steigender Aufwand für die Dokumentation: Das Wissen um das Qualitäts-Screening erhöht
nach dem Eindruck vieler Peers die Ausführlichkeit der Entlassungsberichte. Innerhalb
einer dafür von der Rentenversicherung gebildeten Arbeitsgruppe werden die Erfahrungen
aus der Gestaltung des einheitlichen Entlassungsberichtes derzeit geprüft. In diesem
Kontext sollen die möglichen Auswirkungen des Peer Reviews auf die Berichtsgestaltung
ebenfalls berücksichtigt werden.
-
Validität des Verfahrens: Zwar gibt es Hinweise darauf, dass das Peer-Review-Verfahren
Qualitätsunterschiede valide abbilden kann. Der eigentliche Prozess der Validierung
steht aber noch aus. Hierzu gehören auch Studien, die andere Zugänge der Prozessbeschreibung
vergleichend einbeziehen. Ein spezielles Problem könnte darin liegen, dass die jährlichen
Reviews eher die Qualität der Entlassungsberichte als die Behandlungsprozesse verbessern.
Da das Verfahren in seiner Zielsetzung für die beteiligten Einrichtungen zunehmend
transparenter wird, ist die Hypothese, dass sich mit der Zeit seine Validität partiell
verringern könnte, nicht völlig zurückzuweisen. Aber auch dieses Argument belegt lediglich
die Notwendigkeit einer steten Weiterentwicklung und Anpassung des Verfahrens.
Andere Fragen im Zusammenhang mit der Validität des Peer Review-Verfahrens ergeben
sich auch aus der Handhabung der Ergebnisse durch den jeweiligen Reha-Träger. Unerwünschte
Auswirkungen können sich dann ergeben, wenn der jeweils für die Einrichtung zuständige
RV-Träger oder der Klinikbetreiber die Ergebnisse ausschließlich im Sinne eines Kontrollinstruments
behandelt. In diesem Kontext wäre zu überlegen, welche Vorteile es hätte, den Rückmeldungsprozess
über neutrale Instanzen zu organisieren. Ziel wäre es dabei, das Verfahren stärker
im Sinne eines Selbst-Management-Instrumentes zu nutzen.
Im Rahmen der durchgeführten Untersuchung wurde auch eine Beschreibung des Systems
der Suchtrehabilitation durch qualitätsrelevante Prozessmerkmale versucht. Sie zeigte,
basierend auf 604 Beurteilungen von Entlassungsberichten aus 30 Einrichtungen, dass
bei dem Großteil der durchgeführten Behandlungen eine gute Prozessqualität vorzufinden
war. Allerdings sind in einigen Bereichen der Suchtrehabilitation auch Schwächen und
Optimierungsbedarfe deutlich geworden. Dabei zeigen sich die Bereiche „Diagnostik”,
„Therapieziele und -planung” und die „Sozialmedizinische Stellungnahme” als besonders
betroffen. Hier können sich einerseits direkt aus den Rückmeldungen in die Einrichtungen
Verbesserungsansätze ergeben. Auf der anderen Seite bieten auch die Schulungen der
Peers eine Möglichkeit, Einfluss auf persönliche Bewertungskriterien zu nehmen und
so Veränderungen in der klinischen Praxis anzustoßen.
Abschließend kann man zur Frage der Übertragbarkeit des Peer Review-Verfahrens auf
den Indikationsbereich Abhängigkeitserkrankungen zunächst einmal feststellen, dass
die Ergebnisse die positiven Ergebnisse aus anderen Indikationsbereichen bestätigen.
Allerdings ergeben sich in Bezug auf das Management des Qualitäts-Screenings einige
spezifische und noch zu lösende Probleme. So weist ein substanzieller Teil der Kliniken
der Suchtrehabilitation nur eine sehr begrenzte Zahl von Behandlungsplätzen auf. Bei
den gleichzeitig im Vergleich zu den anderen Rehabilitationsindikationen erheblich
längeren Behandlungszeiten in der Suchtrehabilitation ist es nicht ohne weiteres möglich,
in dem vorgesehenen Zeitfenster in diesen Kliniken genügend Behandlungsberichte zu
erhalten. Hier sind Varianten der Verfahrenssteuerung noch zu entwickeln.