Laryngorhinootologie 2000; 79(S2): 0
DOI: 10.1055/s-2000-15985
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Vorwort

ForewordKlaus Jahnke
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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Die Referate zur Jahrestagung unserer wissenschaftlichen Gesellschaft stellen wichtige Bestandsaufnahmen der klinischen Forschung dar. Auf der Schwelle zum neuen Jahrhundert sollen einige der wichtigsten Kapitel der Mittelohr-Chirurgie behandelt werden, als Hauptthema zum ersten Mal seit 43 Jahren. Damals legten Wullstein und Zöllner ihre grundlegenden Konzepte und Ergebnisse der Tympanoplastik dar. In den folgenden Jahrzehnten waren Einzelthemen zur Mittelohr-Chirurgie wiederholt besonders wichtige Beiträge zu den Jahresversammlungen, wie z. B. der Plestersche Hauptvortrag zur Cholesteatom-Chirurgie. Wegen des hier begrenzten Umfangs verzichteten wir auf Vollständigkeit. Vielmehr sollten Akzente gesetzt, noch offene Fragen angesprochen und Anregungen zu zukünftigen Forschungen gegeben werden.

Die Funktion der Tuba Eustachii hat für die Genese und die Ausheilung vieler Erkrankungen des Mittelohrs und dessen erfolgreicher Rekonstruktion eine wesentliche Bedeutung. Herr Pahnke stellt den heutigen Kenntnisstand der Anatomie der Tuba Eustachii, zu dem er wichtige Beiträge geleistet hat, detailliert dar. Ausführlich beschreibt er die Physiologie und Pathophysiologie der Tube und geht auf die heutigen diagnostischen Techniken ein. Schließlich gibt er einen kritischen Überblick über die begrenzten Möglichkeiten, die Tubenfunktion zu beeinflussen und weist auf neuere Entwicklungen hin.

Herr Hüttenbrink übernahm die Aufgabe, nach seinem Referat zur Funktion der Gehörknöchelchen und der Muskeln des Mittelohres im Jahr 1995 nun ausführlich und umfassend den heutigen Stand der Biomechanik der rekonstruierten Schallleitungskette abzuhandeln. Sein Referat ist eine faszinierende Beschreibung der zahlreichen Faktoren, die für die funktionellen Ergebnisse der Schallleitungsketten-Rekonstruktion ausschlaggebend sind. Viele Untersuchungen bestätigen Entwicklungen der Klinik, wie z. B. zur Bearbeitung des Knorpels, der zur Verstärkung der Trommelfellebene eingesetzt wird, auch beim klassischen Typ III und IV. In anderen Fällen trug die Grundlagenforschung in den letzten Jahren entscheidend zur Verfeinerung tympanoplastischer Techniken bei. Allerdings sind in der klinischen Wirklichkeit oft Kompromisse erforderlich, wie z. B. zwischen guter Schwingungsfähigkeit und Stabilität eines rekonstruierten Trommelfells oder hinsichtlich der festen Ankoppelung von Implantaten bei beeinträchtigter Tubenfunktion. Die im letzten Kapitel dargestellten technologischen Fortschritte lassen auch für die nahe Zukunft neue Erkenntnisse erwarten.

Biomaterialienforschung war bis vor wenigen Jahrzehnten nahezu bedeutungslos gewesen, der erste internationale Biomaterialien-Kongress fand 1980 statt. Bis in die jüngste Zeit wurden Implantate neu eingeführt, ohne dass sie zuvor tierexperimentell in analogen Implantatlagern überprüft worden waren. Herr Dost unterzog sich der großen Mühe, die wichtigsten Biomaterialien-Klassen abzuhandeln. In seinem Referat geht er auf die Anforderungen für unterschiedliche Indikationen ein und belegt exemplarisch mit eigenen Untersuchungen die Bedeutung präklinischer tierexperimenteller und Zellkultur-Untersuchungen. Auch weist er auf zukünftigen Forschungsbedarf hin. Aufgrund unserer Erfahrungen mit neueren Stapes-Implantaten unterstreicht er die Notwendigkeit kontrollierter klinischer Studien.

Die Techniken der Cholesteatom-Chirurgie werden nach wie vor sehr kontrovers diskutiert, wie auch die letzten internationalen Cholesteatom-Kongresse zeigten. Hier stellen Herr Hildmann, Herr Sudhoff und ich zunächst die unterschiedlichen Cholesteatom-Formen mit ihrer Pathogenese dar, die einen entscheidenden Einfluss auf das chirurgische Vorgehen hat. Dabei werden auch neuere molekularbiologische Untersuchungen berücksichtigt. Im Mittelpunkt unseres Referats steht das Konzept einer individualisierten Cholesteatom-Chirurgie, das auf den Erfahrungen und Untersuchungsergebnissen beider Kliniken beruht, wie sie auch in zahlreichen Beiträgen auf nationalen und internationalen Operationskursen vorgetragen wurden. Ergänzend werden eine Reihe operationstechnischer Verbesserungen mitgeteilt. Auf die Darstellung der äußerst umfangreichen internationalen Literatur musste hier verzichtet werden, und auch manche wichtige Aspekte, z. B. zu einzelnen Komplikationen können nur stichwortartig besprochen werden.

Die Stapeschirurgie ist in den Händen des Erfahrenen von hohem voraussagbaren Erfolg und sehr geringer Komplikationsrate geprägt. Trotzdem zeichneten sich auch in den letzten Jahren weitere operationstechnische Fortschritte ab. Herr Häusler legt eine umfassende Abhandlung zu allen Teilaspekten der Stapeschirurgie vor. Im Detail geht er auf zahlreiche technische Verfeinerungen ein, und er stellt eigene Innovationen in ihren klinischen Anwendungen und Ergebnissen vor. Dabei sind sowohl verbesserte Instrumente wie auch der Einsatz unterschiedlicher Lasertechniken von größtem Interesse. Er analysiert die umfangreiche Weltliteratur und diskutiert die Methoden der Beurteilung. Nahezu alle Fragestellungen der Stapeschirurgie werden von Herrn Häusler auf dem Boden seiner großen ohrchirurgischen Erfahrungen beantwortet.

Die Entwicklung teil- und vollimplantierbarer Hörgeräte war in den letzten Jahren faszinierend, hierbei wurde wichtige Pionierarbeit von Herrn Zenner und seiner Arbeitsgruppe geleistet. In seinem Referat handelt er sämtliche heute eingesetzten Gerätetypen ab und bespricht auch Entwicklungen, die sich nicht bewährten. Mit überzeugender Klarheit schlägt er eine neue Nomenklatur für aktive Hörimplantate vor, die sich nicht nach dem Implantationsort, sondern nach der zu ersetzenden Funktion richtet. Eingehend befasst er sich mit den Indikationen zur Hörgeräte-Implantation und den bisherigen klinischen Erfahrungen. Herrn Zenners Ausführungen lassen erwarten, dass diese technischen Entwicklungen auch im Spannungsfeld zwischen weiteren Optimierungen konventioneller Hörgeräte und ökonomischen Zwängen einen festen Platz einnehmen werden.

Allen Autoren sei für die großen Mühen gedankt. Möge dieser Referateband ein Zeugnis des hohen Standards und der Innovationsstärke der Mittelohrchirurgie zu Beginn des neuen Jahrhunderts und ein Basiswerk für jeden Ohrchirurgen sein.

Klaus Jahnke

Essen, Februar 2000

Prof. Dr. med. Klaus  Jahnke

Univ.-HNO-Klinik

Hufelandstraße 55
45147 Essen

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