Pulmonale Verkalkungen sind ein häufiger Thoraxbefund. Sie finden sich bei pulmonalen
und nicht-pulmonalen Erkrankungen, sind Ausdruck abgeheilter bzw. progredienter Prozesse.
Ihr Erscheinungsbild erlaubt Rückschlüsse auf Ätiologie, Verlauf und evtl. Therapieerfolg.
Grundsätzlich wird zwischen Verkalkungen vom „dystrophen”, vom „benigne metastatischen”
und vom „malignen Typ” unterschieden.
Die Verkalkungen vom dystrophen Typ sind am häufigsten und basieren auf Ablagerungen
in pathologisch verändertem, meist nekrotischem Gewebe z. B. nach Infektionen. Die
benignen Verkalkungen haben ihre Ursache in Störungen des Kalzium-Phosphat-Stoffwechsels,
die zum Einbau von Kalziumsalzen in gesundes Gewebe führen. Maligne Verkalkungen dagegen
entstehen durch die Fähigkeit maligner Tumorzellen, Kalziumsalze zu metabolisieren
und einzulagern.
Die folgende Kasuistik berichtet über ausgedehnte benigne metastatische Verkalkungen
(BMV) der Lunge bei einer Patientin mit sekundärem Hyperparathyreoidismus (SHPT) nach
Niereninsuffizenz und Nierentransplantation.
Fallbericht
Eine 48jährige Patientin erhielt nach 4 Jahren dialysepflichtiger Niereninsuffizienz
ein Nierentransplantat (11/97). Vor der Operation angefertigte konventionelle Röntgenaufnahmen
des Thorax zeigten beidseits basal diskrete Verschattungen. Ein halbes Jahr nach Transplantation
entwickelte die Patientin unter Cortisontherapie zunehmende Dyspnoe, Husten, Leistungsabfall
und einen CRP-Anstieg auf 6,31 mg/dl (Norm (0,04 - 0,5 mg/dl). Die Beschwerden besserten
sich unter Antibiose nur gering. Im Röntgenthorax (Abb. [1] vom 21. 10. 1998) fanden sich beidseits basal betonte, klein- bis grobfleckige,
teils konfluierende Verschattungen, die als Pneumonie gedeutet wurden. Nachdem eine
Bronchiallavage und eine transbronchiale Biopsie keinen Anhalt für eine Pneumonie
ergaben, zeigte eine CT des Thorax (Abb. [2] vom 23. 10. 98) ausgedehnte parenchymatöse Verkalkungen vor allem im Mittellappen
und der Lingula sowie deutlich Verkalkungen der Mitralklappe.
Nach Nierentransplantation bestand laborchemisch ein ausgeprägter sekundärer Hyperparathyreoidismus:
Parathormon (PTH) 641,0 ng/l (Norm: 12,0 - 72,0 ng/l), Kalzium 2,84 mmol/l (2,03 -
2,6 mmol/l), Phosphat 2,66 mmol/l (0,87 - 1,45 mmol/l), Kalzium/Phosphat-Produkt 7,55
mmol/l (< 6,0 mmol/l). Die Lungenfunktion ergab eine geringgradige periphere Obstruktion
mit Teilrestriktion. In der CCT-Untersuchung fanden sich diskrete Pallidumverkalkungen
linksseitig. Des weiteren bestanden ausgeprägte Gefäßverkalkungen der Koronarien und
der Aorta sowie der Extremitätenarterien.
11/98 wurde eine Parathyreoidektomie mit Autotransplantation eines Epithelkörperchens
in den Unterarm durchgeführt. In den Wochen postoperativ normalisierten sich das PTH
und unter medikamentöser Therapie auch die Werte für Kalzium und Phosphat. Die pulmonalen
Verkalkungen haben im Thoraxbild seit der Parathyreoidektomie nicht mehr relevant
zugenommen.
Diskussion
Kuhlman J.E. et al. (Radiology 1989; 173: 459 - 460) beschreiben, daß ausgedehntere
Kalzifikationen oft erst post mortem in Zusammenschau mit dem Sektionsbefund auf dem
Röntgen-Thoraxbild als solche diagnostiziert werden, obwohl sie aufgrund von Ausdehnung,
Dichte und Verlauf als solche zu erkennen wären.
Histologisch sind BMV in den Alveolarsepten lokalisiert, können jedoch auch pulmonale
Arterien und Bronchialwände betreffen (Murris-Espin M. et al., Eur Resp J 1997; 10:
1925 - 1927). Schwere Kalzifikationen gehen oft mit einer interstitiellen Fibrose
einher („Bims-” oder „Tuffsteinlunge”).
Der Verkalkungsprozeß ist abhängig von laborchemischen Parametern wie z. B. Ca2+ und
PO4
3 (Murris-Espin M. et al.). Romagnoli M. et al. (Eur Resp J 1997; 10: 958 - 960) beschrieben
jedoch auch ausgedehnte BMV ohne Veränderungen dieser Laborparameter.
Häufigster Grund für pulmonale BMV sind die chronische Niereninsuffizienz und/oder
ein primärer, sekundärer oder tertiärer Hyperparathyreoidismus von langer Dauer (Kuhlman
J.E. et al.), wie sie auch bei unserer Patientin vorlagen. Nach Murris-Espin M. et
al. finden sich BMV in Autopsien von Dialysepatienten zu 60 - 90 %.
Die wichtigste klinische Differentialdiagnose sind Pneumonien, da sie ähnliche Symptome
machen (Husten, Dyspnoe). BMV sind meist symptomärmer und durch Labor und klinischen
Verlauf (Ansprechen auf Antibiotika) zu differenzieren. Bei ausgedehnteren Befunden
sind Reizhusten, Dyspnoe und objektiv nachweisbare restriktive Ventilationsstörungen
beschrieben (Oursin C. et al., Radiologe 1992; 32: 77 - 79). Sie können zu Lungenfibrose,
Cor pulmonale und respiratorischer Insuffizienz führen.
Pneumonien sind eher basal lokalisiert und zeigen wechselnde Verteilung, Dichte und
Konfiguration. Prädilektionsstellen für pulmonale BMV sind aufgrund des höheren Ventilations-/Perfusions-Verhältnisses
die oberen Lungenabschnitte. Dort führt der erhöhte O2- und erniedrigte CO2-Gehalt zu einem pH-Anstieg auf ca. 7,51, verglichen mit ca. 7,39 in den basalen Abschnitten,
und dies begünstigt nach Oursin C. et al. das Ausfällen von Kalziumsalzen.
Da die Verkalkungen in unserem Fall für BMV untypisch in den basalen Lungenabschnitten
lokalisiert sind, sind differentialdiagnostisch auch Verkalkungen vom dystrophen Typ,
die sich in einem durch eine basale Pneumonie vorgeschädigtem Gewebe entwickelt haben,
in Betracht zu ziehen.
Nach Henk et al. (Radiologe 1996; 36: 534 - 542) führen auch kardiovaskuläre Ursachen
häufig zu pulmonalen Verkalkungen. Bei einer Mitralstenose kann man in 13 % der Fälle
intraalveoläre Kalkdepots basal im Röntgenbild feststellen. Fördernd dabei sind eine
länger bestehende pulmonale Hypertension sowie rezidivierend auftretende Lungenödeme.
Da bei unserer Patientin die Mitralklappe deutlich verkalkt war, muß auch dies als
Grund für die Verkalkungen in Betracht gezogen werden. Die Pleurosis calcarea ist
in der Thoraxaufnahme in zwei Ebenen meist gut von intrapulmonalen Verkalkungen zu
differenzieren. Häufig tritt sie nach Thoraxtrauma, -empyem und -erguß auf. Die Anamnese
kann somit für diese DD wiederum richtungweisend sein.
Zur verbesserten Diagnostik empfehlen Romagnoli M. et al. die digitale Radiographie,
welche zum Aufspüren von intrapulmonalen Verkalkungen sensitiver zu sein scheint als
das konventionelle Thoraxröntgen.
Die CT ermöglicht durch genaue Dichtebestimmung die exakteste Diagnostik bei pulmonalen
Verkalkungen und sollte in Zweifelsfällen bei Verdacht auf eine derartige Erkrankung
als weiterführendes Diagnostikum angewendet werden.
T. Finkenzeller, K. Hill, J. Link, Regensburg
Abb. 1Die Thoraxaufnahme p. a. vom 21. 10. 1998 zeigt beidseits basal betonte, klein- bis
grobfleckige, teils konfluierende Verschattungen.
Abb. 2Die native Computertomographie vom 23.10.1998 zeigt ausgedehnte parenchymatöse Verkalkungen
vor allem des Mittellappens und des Lingulasegmentes, mit Dichtewerten bis über 1000
HE, sowie deutliche Kalkablagerungen an der Mitralklappe (Pfeil).