Einleitung
Einleitung
Bei nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom kann es lange vor der Diagnose von scheinbar
lokalisierten Primärtumoren zu einer okkulten, hämatogenen und lymphatischen Streuung
von Tumorzellen kommen [[1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]]. Dieser Befund ist konsistent mit einem unbefriedigenden Langzeitergebnis der alleinigen
chirurgischen Therapie mit einer 5-Jahres-Überlebensrate von nur 60 % auch in frühen
Tumorstadien [[5 ]]. Um die Diagnose dieses okkulten Stadiums der frühen Metastasierung zu verbessern,
haben verschiedene Gruppen, so auch wir, sensitive immunzytochemische oder molekulare
Techniken entwickelt, die den Nachweis von isolierten Lungenkrebszellen in tumorfernen
Regionen (z. B. Knochenmark oder Lymphknoten) ermöglichen [[1 ]
[2 ]
[3 ], [6 ], [7 ]]. Die besondere Bedeutung der Knochenmarkuntersuchung liegt darin, dass das Knochenmark
im Gegensatz zu anderen Organen leicht mittels einer Nadelaspiration untersucht werden
kann. Obwohl es Hinweise gibt, dass Cytokeratin-positive, epitheliale Tumorzellen
bei etwa 40 bis 60 % der Patienten mit lokalisiertem nicht-kleinzelligen Karzinom
nachgewiesen werden können [[1 ]
[2 ]
[3 ]], ist die klinische Bedeutung eines Befundes jedoch umstritten [[8 ]]. Bis heute gibt es kaum Untersuchungen, die die Bedeutung eines solchen Knochenmarkbefundes
auf das Gesamtüberleben analysieren.
In dieser Arbeit präsentieren wir Ergebnisse, die darauf hinweisen, dass eine minimal-residuale
Knochenmarkbeteiligung ein starker und unabhängiger Faktor für die Vorhersage des
Langzeitüberlebens von Patienten mit vollständig reseziertem, lymphknoten-negativem,
nicht-kleinzelligem Karzinom (pT1 - pT3, pN0, M0, R0) ist. Dieser Befund, zusammen
mit der Beobachtung, dass Tumorzellen auch Monate nach der Operation im Knochenmark
nachgewiesen werden können, unterstreicht den malignen Charakter von immunzytochemisch
nachweisbaren Zellen im Knochenmark.
Patienten und Methoden
Patienten und Methoden
Patienten und Follow-up
Zum Operationszeitpunkt wurden Tumorproben und Knochenmarkaspirate von 139 Patienten
mit operablem, nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom gesammelt, die zwischen Oktober
1989 und Dezember 1991 mittels Lobektomie oder Pneumonektomie in Kombination mit einer
systematischen, mediastinalen Lymphadenektomie operiert worden waren. Das Tumorstadium
und das Tumorgrading wurden anfangs nach der 4. Ausgabe der International Union Against
Cancer (1987) [[9 ]] klassifiziert und später mit Hilfe des neuen internationalen Staging-Systems reklassifiziert
[[10 ]]. Nur Patienten im Stadium M0 (ohne Anhalt für eine Fernmetastasierung) und vollständig
reseziertem Primärtumor (R0) wurden für die Studie zugelassen. Alle Teilnehmer gaben
ihr Einverständnis. Die meisten Patienten erhielten keine adjuvante Therapie. Ausgenommen
waren Patienten mit pT3- oder pT4-Tumoren, die postoperativ eine perkutane Bestrahlung
(50 Gy) des Tumorbettes erhielten und Patienten mit einer pN2-Erkrankung, bei denen
eine postoperative mediastinale (50 Gy) Bestrahlung vorgenommen wurde.
Postoperativ wurden die Patienten für 2 Jahre alle 3 Monate nachuntersucht und danach
in 6-monatigen Intervallen. Die Untersuchungen beinhalteten eine körperliche Untersuchung,
eine Röntgen-Thorax-Aufnahme, halbjährlich eine Bronchoskopie mit peribronchialen
oder intraluminalen Biopsien, ebenso halbjährlich ein Computertomogramm des Thorax
und des Abdomens, eine abdominelle Ultraschalluntersuchung und ein Knochenszintigramm.
Vollständige Informationen über ein Tumorrezidiv und das Überleben lag von 128 der
139 Patienten vor. Die übrigen 11 Patienten wurden ausgeschlossen wegen eines nicht-malignom-assoziierten
Todes (n = 7) oder der Rezidivstatus war unbekannt (n = 4). Die mediane Beobachtungszeit
betrug 66 Monate (Range: 48 - 74 Monate).
Eine postoperative Knochenmarkuntersuchung wurde zweimal bei 12 Patienten vorgenommen.
Die erste postoperative Knochenmarkaspiration wurde zwischen dem 3. und 7. postoperativen
Monat (Median: 6 Monate) vorgenommen und eine zweite 10 - 18 Monate (Median: 12 Monate)
postoperativ. Für die postoperativen Knochenmarkanalysen wurde ein Beckenkamm in Lokalanästhesie
ambulant punktiert. Für den Vergleich des Knochenmarkstatus zum Zeitpunkt der Operation
und postoperativ wurde nur ein Beckenkammaspirat berücksichtigt.
Gewebepräparation
Zum Zeitpunkt der Primäroperation wurden 2 - 4 Knochenmarkaspirate von beiden Beckenkämmen
und wenigstens einer Rippe durch Aspiration gewonnen. Mittels Ficoll-Hypaque-Dichtegradientzentrifugation
konnten zwischen 5 × 106 und 6 × 107 (Mittel: 2,5 × 107 ) mononukleäre Zellen aus 2 - 10 ml (Mittel: 5 ml) Knochenmark gewonnen werden. Eine
definierte Zahl dieser Zellen (8 × 104 ) wurde mittels Zytozentrifugation (150 g für 5 Minuten) auf Objektträger transferiert,
über Nacht getrocknet und dann entweder sofort gefärbt oder bei - 80 °C gelagert.
Immunzytochemie und Auswertung
Die Knochenmarkpräparate und der Primärtumor wurden mittels des monoklonalen Antikörpers
CK2 (IgG1, 2,5 µg/ml; Boehringer Mannheim), welches gegen das Cytokeratin-Polypeptid
Nr. 18 (CK18) gerichtet ist, gefärbt. CK2 reagiert mit einfachen Epithelien und daraus
abstammenden Tumoren und auch mit den meisten Plattenepithelkarzinomen der Lunge [[11 ]].
In einer kürzlich publizierten immunhistochemischen Untersuchung konnte eine CK18-Expression
bei 95,5 % (84 von 88) Lungentumoren nachgewiesen werden [[12 ]]. Die hohe Sensitivität von CK18 für den Nachweis von disseminierten Tumorzellen
im Knochenmark konnten wir in unserer vor kurzem erschienenen Studie zeigen [[3 ]]. In einer Kontrollgruppe von 215 Patienten mit benignen epithelialen Tumoren, nicht
epithelialen Malignomen und entzündlichen Erkrankungen oder mesenchymalen Malignomen
waren nur 2,8 % von 215 Patienten CK18-positiv.
In allen Experimenten wurde ein irrelevanter muriner monoklonaler Antikörper (MOPC
21, IgG1; Sigma, Deisenhofen) als Isotyp-Kontrolle verwendet. Für die Darstellung
der Antikörper-Bindung wurde die alkalische Phosphatase-antialkalische Phosphatase
(APAAP-Technik verwendet, die mit der Neufuchsin-Methode kombiniert wurde, wie kürzlich
berichtet [[3 ]]. Kurz zusammengefasst: Nach Inkubation mit CK2 wurde ein polyvalentes Kaninchen-Antimaus-Immunglobulin-Antiserum
(30 Minuten, Z259; Dako, Heidelberg) und präformierte Komplexe von alkalischer Phosphatase-
und monoklonaler antialkalischer Phosphatase-Antikörper (30 Minuten, D651; Dako) in
den entsprechenden Verdünnungen verwendet.
Von jedem Knochenmarksaspiraten wurden fünf Zytospin-Präparate analysiert (4 × 105 Zellen pro Objektträger). Alle Objektträger wurden von zwei Untersuchern begutachtet.
In etwa 90 % der Präparate fanden beide Untersucher das gleiche Ergebnis; Präparate
mit unterschiedlichen Ergebnissen wurden reevaluiert und eine Konsensus-Entscheidung
herbeigeführt.
Statistische Analyse
Für die statistische Analyse wurden alle Variablen dichotomisiert. Das Alter als einzige
kontinuierliche Variable wurde am Median (60 Jahre) dichotomisiert, um die Annahmen
der multivariaten Analyse zu erfüllen. Kaplan-Meier-Kurven wurden berechnet und das
beobachtete Überleben mit dem Log-rank-Test verglichen. Unter Verwendung des SPSS-Programms
(SPSS-Software München) wurden für die multivariate Analyse Cox Proportional Hazard
Models berechnet.
Ergebnisse
Ergebnisse
Häufigkeit von CK18-positiven Tumorzellen im Knochenmark zum Zeitpunkt der Operation
Die immunzytochemische Färbung mit dem monoklonalen CK2 (gegen das Cytokeratin Nr.
18 gerichtet) zeigte disseminierte epitheliale Zellen in 83 (59,7 %) der 139 Patienten
mit resektablem nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom (Abb. [1 ]). Zwischen den verschiedenen Tumorstadien fanden sich keine Unterschiede in der
Häufigkeit von CK18-positiven Zellen (Tab. [1 ]). Bei Patienten mit pT1, pN0-Tumoren (n = 15) wurden disseminierte Tumorzellen im
Knochenmark bei 9 (60 %) der Patienten gefunden, bei den pT2, pN0-Patienten (n = 47)
in 23 (48,9 %) der Fälle und bei 6 (75 %) der 8 pT3, pN0-Patienten fand sich ein positiver
Knochenmarkbefund (p = 0,346, χ2 -Test). Die meisten CK18-positiven Zellen zeigten sich als isolierte Tumorzellen.
Tumorzellverbände wurden nur bei einigen Patienten (10,1 %) gesehen [[3 ]]. Im Median wurden 2 (Range 1 - 531) CK18-positive Zellen in 4 × 105 mononukleäre Zellen gefunden (Abb. [2 ]). Im Hinblick auf das gesamte Knochenmark würde dies einer geschätzten Tumorlast
von 4 × 106 bis 2 × 109 Zellen bedeuten [[13 ]].
Abb. 1 Fotografie einer isolierten CK18+ Zelle im Knochenmark eines Patienten mit einem resektablen
Bronchialkarzinom (Adeno-Ca; pT1, pN0, M0). APAAP-Färbung mit dem monoklonalen Antikörper
CK-2 gegen das Cytokeratin No. 18; um das Auffinden von immunzytochemisch positiven
Zellen zu erleichtern, wurde keine Gegenfärbung vorgenommen.
Abb. 2 Häufigkeit von CK18+ Tumorzellen im Knochenmark von Patienten mit vollständig reseziertem
nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinom.
Tab. 1 Häufigkeit von CK18+ Zellen im Knochenmark von Patienten mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom
in verschiedenen Tumorstadien
Tumorstadium*
Anzahl der Patienten
Anzahl der Patienten mit CK18+ Zellen im Knochenmark (%)
alle Patienten
139
83 (59,7)
Stadium IA
15
9 (60,0)
Stadium IB
47
23 (48,9)
Stadium IIA
4
2 (50,0)
Stadium IIB
17
12 (70,6)
Stadium IIIA
36
25 (69,4)
Stadium IIIB
20
12 (60,0)
* Pathologisches Tumorstadium entsprechend dem neuen Staging-System (1997) [[25 ]]
Prognostische Bedeutung von CK18-positiven Tumorzellen
Nach einer mittleren Beobachtungszeit von 66 Monaten war die Prognose der 62 Patienten
mit manifesten Lymphknotenmetastasen (pN1 - 2) unabhängig vom initialen immunzytochemischen
Knochemarkbefund (Daten nicht gezeigt). Im Gegensatz dazu hatten Patienten mit einer
pN0-Erkrankung, die 2 oder mehr CK18-positive Zellen im Knochenmark aufwiesen, ein
signifikant schlechteres Überleben als Patienten ohne isolierte Tumorzellen (p = 0,007,
Log-rank-Test) (Abb. [3 ]). Entsprechend zeigten diese Patienten eine höhere Rezidivrate als Patienten ohne
disseminierte Zellen (p = 0,005; Daten nicht gezeigt). Bei Patienten, bei denen lediglich
eine CK18-positive Zelle in einem der Knochenmarkaspirate nachgewiesen wurde, war
die Prognose nicht verschieden von denjenigen Patienten mit einem vollständig negativen
Knochenmark. Interessanterweise war die Häufigkeit von Knochenmetastasen durch den
Nachweis des Knochenmarkstatus nicht beeinflusst: 7,5 % der Patienten mit einem negativen
Knochenmark entwickelten Knochenmetastasen im Vergleich zu lediglich 13,3 % der Patienten
mit disseminierten Tumorzellen im Knochenmark (p = 0,3, χ2 -Test).
In einem Cox-Regressionsmodell wurde die Unabhängigkeit des prognostischen Wertes
des Knochenmarkstatus bei lymphknotennegativen Patienten untersucht. Es wurde der
Einfluss von disseminierten Tumorzellen im Knochenmark, vom pT-Status und vom Alter
des Patienten auf das Gesamtüberleben analysiert (Tab. [2 ]). Da lediglich Patienten mit einem T3-Tumor eine adjuvante Strahlentherapie erhielten
und diese Variable bereits in das Cox-Analysemodell integriert war, war es nicht notwendig,
die Therapie als eine zusätzliche Variable zu betrachten. Ein Einfluss des Tumorgradings,
der Tumorhistologie oder des Geschlechtes auf die Überlebensraten war nicht erkennbar,
so dass diese Covariaten von der Analyse ausgeschlossen wurden. Die multivariate Analyse
zeigte ein 2,8-mal höheres Risiko für ein kürzeres Überleben bei Patienten mit CK18-positiven
im Vergleich zu Patienten ohne diese Zellen. Ein höheres t-Stadium oder ein höheres
Patientenalter hatten einen ähnlichen prognostischen Wert für ein vermindertes Überleben
(relatives Risiko 3,3 bzw. 2,8).
Abb. 3 Überleben (Kaplan-Meier-Analyse) von pN0-Patienten (n = 66) mit reseziertem nicht-kleinzelligen
Bronchialkarzinom in Abhängigkeit des immunzytochemischen Nachweises (--) oder des
Fehlens (--) von CK18+ Tumorzellen (≥ 2 Zellen pro 4 × 105 Knochenmarkzellen) im Knochenmark. Der Unterschied ist signifikant mit p = 0,007
(log-rank-Test).
Tab. 2 Multivariate Analyse des Überlebens mit pN0-Patienten#
univariate
multivariate Analyse (Cox model)
Variable
p†
Geschätzter Koeffizient
SE
p
relatives Risiko (95 % KI)
Knochenmark-Status (positiv* vs. negativ)
0,007
1,022
0,513
0,046
2,8 (1,1 - 7,5)
pT-Stadium (pT1 - 2 vs. pT3 )
0,007
1,211
0,444
0,006
3,3 (1,4 - 8,0)
Alter (Jahre) (≤ 60 vs. > 60)
0,024
1,030
0,502
0,040
2,8 (1,0 - 7,6)
# n = 66 * Mehr als 2 CK18+ Zellen, † Log-rank-Test
Follow-up-Knochenmark-Untersuchung
Postoperativ wurden Knochenmarkaspirate bei 12 Patienten 3 - 7 bzw. 10 - 12 Monate
nach der Operation entnommen (Tab. [3 ]). CK18-positive Zellen wurden bei 6 (50 %) dieser Patienten gefunden, von denen
5 zum Zeitpunkt der Operation CK18-positiv waren, währenddessen 1 Patient (Nr. 25)
initial keine CK18-positiven Zellen zeigte. Drei Patienten waren zum Zeitpunkt der
Operation CK18-positiv, wurden aber negativ während der Nachbeobachtung. 4 der 6 Patienten
mit einem positiven Knochenmark postoperativ entwickelten ein Tumorrezidiv 11 - 44
Monate nach der Operation.
Im Gegensatz dazu blieben 5 der 6 Patienten ohne Tumorrezidiv entweder negativ (Nr.
79, 88, 118) oder wurden CK18-negativ (Nr. 47, 103) während der Follow-up-Untersuchungen
(Tab. [2 ]). Der verbleibende Patient (Nr. 73) war zum Zeitpunkt der Operation positiv, zeigte
einen negativen Befund zum ersten Nachbeobachtungszeitpunkt und wurde später erneut
positiv. Interessanterweise zeigte keiner der Patienten mit einem negativen Knochenmarkbefund
zu allen Untersuchungszeitpunkten später ein Tumorrezidiv.
Tab. 3 Follow-up-Knochenmark-Untersuchung 3 - 18 Monate postoperativ
Patienten ID
CK18-Status zum Op-Zeitpunkt
CK18-Status 3 - 7 Monate postoperativ
CK18-Status 10 - 18 Monate postoperativ
Rezidiv
Zeit bis zum Rezidiv oder letztes Follow-up (Monate)
# 45
+
+
+
Ja
15
# 73
+
-
+
Nein
66
# 111
+
-
+
Ja
28
# 19
+
+
-
Ja
37
# 103
+
+
-
Nein
44
# 18
+
-
-
Ja
18
# 57
+
-
-
Nein
72
# 9
+
-
-
Ja
42
# 79
-
-
-
Nein
63
# 88
-
-
-
Nein
66
# 118
-
-
-
Nein
72
# 25
-
n. d.
+
Ja
11
Diskussion
Diskussion
Diese Studie wurde durchgeführt, um die prognostische Bedeutung von einzelnen disseminierten
Tumorzellen im Knochenmark von Patienten mit vollständig reseziertem nicht kleinzelligem
Bronchialkarzinom (pT1 - 4, pN0 - 2, M0) zu untersuchen. Durch eine intensive methodologische
Analyse konnten wir und andere zeigen [[1 ], [14 ], [15 ], [16 ]], dass die immunzytochemische Untersuchung eine gut etablierte Methode ist, um sogar
eine epitheliale Zelle in einer hohen Anzahl (106 ) mononukleärer Knochenmarkzellen nachzuweisen. Die maligne Natur von isolierten epithelialen
Zellen im Knochenmark konnte bei verschiedenen Tumoren durch die Überexpression des
Onkogens erbB2, der Herunterregulierung von MHC-Klasse1-Antigenen und auch durch ihr
Wachstumspotential in Zellkulturen nachgewiesen werden [[17 ], [18 ]].
In der vorliegenden Untersuchung zeigte eine multivariate Analyse, dass der Nachweis
von disseminierten epithelialen Tumorzellen im Knochenmark von Patienten mit lymphknotennegativen
nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen mit einer erhöhten Rate von Tumorrezidiven
und einem verkürzten Überleben assoziiert ist. Der prädiktive Wert von isolierten
Tumorzellen im Knochenmark für ein verkürztes Überleben ist von ähnlicher Wichtigkeit
wie der prädiktive Wert des t-Stadiums.
Interessanterweise ist der Nachweis von isolierten Tumorzellen im Knochenmark nicht
mit einem späteren Auftreten von manifesten Knochenmetastasen assoziiert. Daher können
disseminierte Tumorzellen im Knochenmark eher als ein Parameter für das Streuungspotential
eines individuellen Tumors betrachtet werden. Frühere Studien haben zeigen können,
dass ein großer Teil der Tumorzellen im Knochenmark nicht proliferierende Zellen darstellen
[[17 ]]. Daher ist es vorstellbar, dass das Knochenmark eine Art Reservoir für diese Tumorzelle
ist, und dass diese später über den Blutstrom in andere sekundäre Organe transportiert
werden, wo Tumorzellen ein geeigneteres Wachstumsmilieu finden können. Ein wichtiger
Faktor, um manifeste Metastasen bilden zu können, scheint die Expression des Plasminogen-Aktivators
vom Urokinase-Typ zu sein, welche den Zellen die Degradation von Matrix-Proteinen
erlaubt [[19 ]].
Unsere vorläufigen Follow-up-Knochenmarkuntersuchungen zeigen, dass in etwa 2 /3 der Patienten mit einem positiven Knochenmarkstatus zum Operationszeitpunkt auch
3 - 18 Monate postoperativ CK18-positive Zellen im Knochenmark nachgewiesen werden
können. Bei den meisten dieser Patienten war ein postoperativ positiver Knochenmarkbefund
mit einem späteren klinisch nachweisbaren Tumorrezidiv assoziiert. Obwohl diese Annahme
durch größere Studien bestätigt werden sollte, geben diese Daten Hinweise darauf,
dass Zellen von nicht-kleinzelligen Bronchialkarzinomen im Knochenmark nach der Operation
des Primärtumors persistieren können. Daher erscheinen diese Zellen eher lebensfähige
Mikrometastasen zu sein, als abgestoßene Tumorzellen mit einer nur limitierten Lebenserwartung.
Diese Ergebnisse stehen im Gegensatz zu den Daten von Mansi und Kollegen, die bei
den meisten ihrer Patienten mit Mammakarzinom in postoperativen Knochenmarkaspiraten
keine Tumorzellen fanden [[20 ]].
Wie schon früher gezeigt, war der Nachweis von Tumorzellen im Knochenmark nicht mit
einer frühen lymphogenen Tumorzelldisseminierung assoziiert [[4 ]], was darauf hinweist, dass eine frühe hämatogene und frühe lymphogene Disseminierung
unterschiedlich geregelt sein kann. Diese Vermutung wird durch die Beobachtung unterstützt,
dass bei Primärtumoren von Patienten mit einer frühen Disseminierung von Tumorzellen
in die Lymphknoten, wie sie durch sensitive immunhistochemische Methoden nachgewiesen
werden kann, sich eine verminderte Expression des MHC-Klasse1-Antigen-Komplexes sowie
von ICAM-1-Molekülen findet, währenddessen die Expression dieser immunregulatorischen
Moleküle bei Primärtumoren von Patienten mit einer Knochenmark-Mikrometastasierung
nicht verändert ist [[21 ]].
Im Hinblick auf die prognostische Bedeutung von disseminierten Tumorzellen im Knochenmark
sind verschiedene Versuche unternommen worden, um die Sensitivität der gegenwärtigen
Nachweissysteme zu verbessern. Die Durchflusszytometrie hat bislang nicht beweisen
können, dass sie dem immunzytochemischen Nachweis überlegen ist [[22 ]], aber auch mit dieser Methode sind in der Zukunft vielversprechende Ergebnisse
zu erwarten [[23 ]]. Kürzlich sind molekulare Methoden unter Verwendung der Reverse-Transcriptase-Polymerase-Kettenreaktion
(RT-PCR) entwickelt worden, die im Knochenmark oder Blut nach tumorassoziierter oder
organspezifischer mRNA-Expression fahnden. Der Nachteil der RT-PCR-Technik ist jedoch,
dass die Herkunft eines positiven Nachweises nicht einer intakten und lebensfähigen
Tumorzelle zugeordnet werden kann. Daher können illegitime (nichttumorspezifische)
Expressionen von kleinen Mengen von tumorassoziierter mRNA (CK 18, 19, EGP-40, MCU1
oder CEA) im Knochenmark nachgewiesen werden, wenn ausgedehnte Amplifikationen der
cDNA vorgenommen werden [[24 ]].
Zusammenfassend stellt der immunzytochemische Nachweis von Tumorzellen im Knochenmark
eine Möglichkeit dar, eine sonst okkulte miminale systemische Disseminierung aufzuzeigen
und kann daher zu einer verbesserten Identifikation von Patienten mit einer ungünstigen
Prognose führen. Diese Ergebnisse unterstützen den Vorschlag des Standardisierungskomitees
der International Union Against Cancer (UICC), dieses frühe Tumorstadium der metastatischen
Erkrankung mit der Kategorie pM1(i) in die existierende Tumorklassifikation einzubinden
[[25 ]]. Ob die identifizierten Patienten von einer adjuvanten Therapie profitieren können,
muss in weiteren Studien erarbeitet werden.
Diese Arbeit wurde unterstützt von Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft (SFB
469), Bonn, der K. L. Weigand-Stiftung, München, und der MMW-Herausgeberstiftung München.
Wir bedanken uns bei Simone Baier und Tanja Hoffmann für ihre ausgezeichnete technische
Unterstützung.