Rofo 2000; 172(8): 716-717
DOI: 10.1055/s-2000-7173
DER INTERESSANTE FALL

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kompression des N. suprascapularis durchein Ganglion - MR-Diagnostik

A. H. Mahnken, D. C. Wirtz, P. Hermie, J. E. Wildberger
Further Information

Publication History

Publication Date:
31 December 2000 (online)

Table of Contents

Nervenkompressionssyndrome sind in den letzten Jahren infolge verbesserter neurologischer und bildgebender Diagnostik mit zunehmender Häufigkeit diagnostiziert worden. Dazu zählt das erstmals 1959 beschriebene Kompressionssyndrom des N. suprascapularis. Als Ursache sind Traumata, chronische Überlastung und Tumoren beschrieben. In einer Serie von 2520 Patienten mit chronischem Schulterschmerz fanden Post et al. eine Einklemmung des N. suprascapularis in 0,4 % der Fälle (Post M et al., Clin Orthop 1987; 223: 126).

#

Fallbericht

Ein 35jähriger Patient stellte sich mit seit drei Monaten bestehenden rechtsseitigen Schulterschmerzen vor. Weiterhin bestand eine neu aufgetretene Schwäche des rechten Armes bei Arbeiten in Abduktion. Die klinische Untersuchung zeigte eine geringe Atrophie des rechten M. infraspinatus sowie eine Schwäche der Außenrotation des rechten Armes. Elektromyographisch ließ sich eine floride Denervierungsaktivität des M. infraspinatus nachweisen. Konventionelle Röntgenaufnahmen der Schulter waren unauffällig. Unter dem Verdacht einer Nervenschädigung des N. suprascapularis erfolgte eine Kernspintomographie (MRT) der Schulter. Hier zeigte sich eine glatt berandete 3,5 × 2,5 × 3 cm messende Raumforderung dorsal des rechten Schultergelenkes im Bereich der lateralen Spina scapulae (Abb. [1]). Der M. infraspinatus wurde von der Raumforderung nach dorsal imprimiert. Seine Signalintensität war auf den T2-gewichteten Aufnahmen im Vergleich zur übrigen Muskulatur der Rotatorenmanschette angehoben (Abb. [2]). Die Raumforderung selbst stellte sich auf den T1-gewichteten Aufnahmen hypointens und auf den T2-gewichteten Aufnahmen hyperintens dar. Eine Kontrastmittelanreicherung war nicht nachweisbar. Die radiologische Diagnose eines den N. suprascapularis komprimierenden Ganglions wurde operativ bestätigt. Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Der Patient war kurze Zeit nach der Operation völlig beschwerdefrei. Während einer 4-jährigen Nachbeobachtungsperiode ergab sich weder klinisch noch MR-tomographisch Hinweis für ein Rezidiv.

#

Diskussion

Der N. suprascapularis ist ein senso-motorischer Nerv mit zusätzlichen sensiblen Fasern. Er entspringt aus dem Truncus superior (Nervenwurzeln von C4 bis C6) des Plexus brachialis und verläuft unterhalb des M. trapezius entlang des Oberrandes der Scapula zur Incisura scapulae. Diese durchtritt er unterhalb des Ligamentum transversum scapulae. In der Fossa suprascapularis entlässt er motorische Fasern zum M. supraspinatus. Im Weiteren verläuft er um den lateralen Hals der Spina scapulae und innerviert in der Fossa infraspinata den M. infraspinatus. Sensible Äste entlässt er in der Fossa infraspinata als auch am Acromioclaviculargelenk sowie am Glenohumeralgelenk. Die von ihm innervierten Muskeln dienen der Abduktion (M. supraspinatus) und besonders der Außenrotation (M. infraspinatus).

Prädilektionsstellen der Suprascapulariskompression sind zum einen die Incisura suprascapularis und zum anderen der laterale Hals der Spina scapulae. Bei Verletzungen des Nerven an der Incisura scapulae kommt es nachfolgend zur Schädigung der Mm. supra- et infraspinatus, während bei Kompression an der Spina scapulae ausschließlich der M. infraspinatus betroffen ist. Neben Traumafolgen, chronischer Überlastung und anatomischen Varianten kommen seltener Raumforderungen als Ursache einer Kompression des N. suprascapularis in Betracht (Habermeyer P et al., Orthopäde 1987; 16: 448). In der Literatur wurden dabei neben Ganglien Sarkome, Metastasen und Knochenzysten beschrieben (Cummins CA et al., J Bone Joint Surg Am 2000; 82: 415). Die Therapie ist zumeist operativ, wobei in Abhängigkeit von der Lokalisation der Nerveneinklemmung eine Dekompression des N. suprascapularis angestrebt wird. Im Falle eines Ganglion ist die CT- oder ultraschallgesteuerte Punktion eine therapeutische Alternative. Dabei kann es jedoch zu einem Rezidiv kommen, welches eine erneute Punktion erfordert (Cummins CA et al., J Bone Joint Surg Am 2000; 82: 415).

Die konventionelle Röntgenaufnahme der Schulter ist bei Ganglien im Schulterbereich im Regelfall unauffällig. Die Ultraschalluntersuchung der Schulter kann eine zystische Raumforderung nachweisen (Hashimoto BE et al., J Ultrasound Med 1994; 13; 671), jedoch ist die MRT zur weiterführenden Diagnostik bei Verdacht auf eine Nervenkompression im Bereich der Schulter die Methode der ersten Wahl. Ganglien stellen sich hier typischerweise als zystische, umschriebene, glatt berandete Raumforderungen dar, die auf T1-gewichteten Aufnahmen hypointens und auf T2-gewichteten Aufnahmen hyperintens zur Darstellung kommen. Eine Kontrastmittelanreicherung der Kapsel ist in einigen Fällen beschrieben (Fritz RC et al., Radiology 1992; 182: 437). Weiterhin stellt die MRT das exakte Ausmaß einer eventuellen Kompression von Nachbarstrukturen dar. Sekundäre Muskelschäden können ebenfalls durch die MRT erfasst werden. Hier kann neben einer Muskelatrophie als Denervationsfolge regelmäßig eine Signalanhebung der betroffenen Muskeln in T2-gewichteten Sequenzen beobachtet werden. Neben der Aus-dehnungsdiagnostik macht insbesondere die Darstellung umgebender Strukturen die MRT zur Untersuchungs-methode der ersten Wahl in der Abklärung vermuteter Nervenkompressionssyndrome der oberen Extremität.

A. H. Mahnken, Aachen; D. C. Wirtz, Aachen; P. Hermie, Würselen; J. E. Wildberger, Aachen

Zoom Image

Abb. 1Die koronare T1-gewichtete MRT der rechten Schulter (TE 554, TR 15) zeigt eine glatt berandete, hypointense Raumforderung (Z) zwischen Scapula (S) und M. supraspinatus (M. ssp.). Weitere markierte Leitstrukturen sind Humeruskopf (H) und Acromion (A).

Zoom Image

Abb. 2(a) Die axiale T2-TSE gewichtete MRT (TE 2592, TR 130) zeigt eine Impressison des M. infraspinatus (Pfeile) durch die hyperintense Raumforderung (Z) sowie die typische Signalintensitätsanhebung des Muskelbauches infolge der Denervation. (b) Die parasagittale Schnittführung verdeutlicht die Lagebeziehung des Ganglions zum Collum scapulae.

Zoom Image

Abb. 1Die koronare T1-gewichtete MRT der rechten Schulter (TE 554, TR 15) zeigt eine glatt berandete, hypointense Raumforderung (Z) zwischen Scapula (S) und M. supraspinatus (M. ssp.). Weitere markierte Leitstrukturen sind Humeruskopf (H) und Acromion (A).

Zoom Image

Abb. 2(a) Die axiale T2-TSE gewichtete MRT (TE 2592, TR 130) zeigt eine Impressison des M. infraspinatus (Pfeile) durch die hyperintense Raumforderung (Z) sowie die typische Signalintensitätsanhebung des Muskelbauches infolge der Denervation. (b) Die parasagittale Schnittführung verdeutlicht die Lagebeziehung des Ganglions zum Collum scapulae.