Das Auftreten einer AV-Fistel nach perkutaner Biopsie einer Transplantatniere ist
eine bekannte und ernstzunehmende Komplikation. Als klassische diagnostische Methode
wurde die früher notwendige arterielle Angiographie weitgehend von der Duplex-Sonographie
abgelöst. Die MRA bietet nun eine weitere Methode ohne Belastung der zumeist eingeschränkten
Nierenfunktion. Der folgende Fall beschreibt die sichere Diagnosestellung mittels
kontrastunterstützter MRA sowie das konventionell angiographische Korrelat einschließlich
interventioneller Therapie.
Fallbericht
Der 42-jährigen Patientin war vor einem Jahr eine Niere in die rechte Fossa iliaca
implantiert worden. Die aktuelle Aufnahme erfolgte wegen Diarrhoe und Erbrechen mit
Anstieg der Nierenretentionswerte und Abnahme der Diurese. Es bestand der Verdacht
auf einen Cytomegalie-Virus-Infekt bei positiver CMV-PCR (Polymerase-Chain-Reaction)
im Urin. Bei Aufnahme war die Patientin wach, orientiert und kreislaufstabil. Keine
Ödeme, keine pulmonalen Überwässerungszeichen. Abdomen weich und ohne Druckschmerz.
Die Retentionswerte bei Aufnahme waren deutlich erhöht (Kreatinin 5,27 mg/dl, Harnstoff
180 mg/dl), das Kalium mit 3.29 mmol/l leicht erniedrigt, die übrigen Elekrolytwerte
lagen im Normbereich. Es wurde bei Verdacht auf Abstoßung des Transplantates eine
perkutane, ultraschallgesteuerte Nierenbiopsie durchgeführt, welche nach histologischer
Aufarbeitung die Diagnose einer chronischen Abstoßungsreaktion ergab. Klinisch ließ
sich nun ein Strömungsgeräusch über der Transplantatniere nachweisen und duplexsonographisch
ergab sich der Verdacht auf eine AV-Fistel.
Zur Diagnosesicherung wurde daraufhin eine MR-Angiographie durchgeführt (Philips Gyroscan
ACS NT, 1,5 T, Powertrak 6000). In koronarer Schnittführung (FOV 350 mm) wurde ein
3D-Datensatz (slice 2 mm überlappend) mittels T1-gewichteter Gradienten-Echo-Sequenz (TR: 5,4, TE: 1,4, Flipwinkel 40 °) akquiriert. Es wurden 4 dynamische Sequenzen von 14 s Dauer
in Atemanhaltetechnik gemessen. Die erste Messung wurde nativ vorgenommen, für die
zweite Dynamik wurde ein Bolus von 20 ml Gadolinium-DTPA (Magnevist®) mit einem Flow
von 2 ml/s appliziert. Das Bolusmaximum bzw. die Kreislaufzeit war zuvor mittels einer
Timing-Sequenz und einen 1 ml Gadolinium-Bolus (flow 2 ml/s) bestimmt worden und wurde
in der zweiten Dynamik der MR-Angiographie in das Zentrum der Messung gelegt. Die
dritte und vierte Messung wurde in der venösen Phase jeweils unmittelbar nach wenigen
Atemzügen angeschlossen. Zur Auswertung wurden in erster Linie die primären Einzelschichten
herangezogen. Unterstützend wurden Maximum-Intensity-Projektionen in multiplen Drehungen
angefertigt.
Die primären Einzelschichten (Abb. [1 a]) und MIP-Rekonstruktionen (Abb. [2]) zeigten eine zeitgleiche Füllung von Arterie und Vene des Transplantates ohne Perfusion
des Nierenparenchyms. Somit war die Diagnose einer AV-Fistel gesichert. Erst in der
3. Dynamik war eine Kontrastierung des Nierenkortex erkennbar (Abb. [1 b]). Die Analyse der Einzelschichten lokalisierte die Fistel in den Bereich des Nierenhilus.
Aufgrund des stark geschlängelten Verlaufes der Gefäße gelang in der MRA jedoch keine
sichere Zuordnung zu einem bestimmten Gefäßast.
Da eine weitere Verschlechterung der Nierenfunktion mit Dialysepflicht zu befürchten
war, bestand die Indikation zur arteriellen Angiographie mit Interventionsbereitschaft.
Die AV-Fistel konnte mittels schneller Bildfolge (8/Sekunde) identifiziert werden
(Abb. [3]). Es handelte sich um einen 5 mm langen Steg aus einem Nierenarterienast zweiter
Ordnung. Nach Platzierung eines koaxialen Kathetersystems unmittelbar in den Abgang
des Stegs wurde die Fistel erfolgreich mit zwei Embolisationsspiralen verschlossen
(MWCE-18-1.0-3-HILAL, Cook®). Die Kontrollangiographie (Abb. [4]) zeigte daraufhin eine bessere arterielle Füllung ohne Fistelnachweis. Es war nun
auch ein nephrographische Darstellung erkennbar, welche vor der Intervention aufgrund
des starken Shunts nahezu vollständig fehlte. Die Aa. lobares und interlobares hatten
deutliche Kalibersprünge mit Stenosen und kleinen Aufweitungen im Sinne der chronischen
Abstoßungsreaktion. Es bestanden keine größeren Niereninfarkte. Leider ergab sich
am Tage darauf duplexsonographisch der Verdacht auf partielle Wiedereröffnung der
Fistel. Der Kreatinin-Wert blieb stabil um 4,8 mg/dl. Bei ausreichendem Allgemeinzustand
wurde die Patientin daraufhin auf eigenen Wunsch in die ambulante Weiterbetreuung
entlassen und soll bei weiterer Verschlechterung der Nierenfunktion für erneute interventionelle
Behandlungsmaßnahmen wiederaufgenommen werden.
Diskussion
Die Häufigkeit von iatrogenen AV-Fisteln nach Punktionen von Transplantatnieren wird
zwischen 0,9 und 15 % angegeben (Dorffner et al, Cardiovasc Intervent Radiol 1998;
21: 129). Viele dieser Fisteln bleiben asymptomatisch und verheilen nach Literaturangaben
zu 33 - 90 % spontan (Harrison et al, J Am Soc Nephrol US 1994; 5: 1300). Einige können
jedoch zu schwerwiegenden Folgen in Form von Niereninsuffizienz, Blutungen. Hämaturie,
Hypertonie oder Herzinsuffizienz führen. Die Diagnose kann oft anhand der Duplexsonographie
sicher gestellt werden (Mutze et al, Pediatr Radiol 1997; 27: 898). Andere Untersuchungsmethoden
werden notwendig. falls die Duplexsonographie keine sichere Diagnose ergibt, oder
falls die Indikation zur Therapie (Operation oder Intervention) besteht. Die kontrastmittelunterstützte
MRA in der oben dargestellten Technik bietet ein Verfahren zur eindeutigen Diagnosestellung
einer AV-Fistel und zur übersichtlichen Darstellung der topographischen Verhältnisse
für den interventionell tätigen Radiologen oder Operateur. Über die Bedeutung der
MRA zur Beurteilung von arteriellen Stenosen, Verschlüssen oder auch Venenthrombosen
nach Nierentransplantation wurde bereits berichtet (Wiesner et al, Fortschr Röntgenstr
1998; 169: 290). Die MRA ist insbesondere aufgrund der fehlenden Nephrotoxizität der
Kontrastmittel geeignet, da es sich bei den untersuchten Nieren häufig um Organe mit
eingeschränkter Funktionstüchtigkeit handelt (V. a. Abstoßung oder Infekt).
Nach unseren Kenntnissen handelt es sich im vorliegenden Fall um eine erstmalige Fallvorstellung
in der deutschsprachigen Literatur. In der internationalen Literatur findet sich bisher
lediglich ein ähnlicher Fallbericht (Bagga et al, Am J Roentgenol 1999; 172: 1509).
Die Zuordnung der Gefäße im Detail gelingt in der Regel nur in der Betrachtung der
Einzelschichten. Dies betrifft im vorgestellten Fall auch insbesondere die Differenzierung
zwischen den stark geschlängelt verlaufenden Arterien und Venen bei zeitgleicher KM-Anreicherung
durch den Shunt. Die MIP-Rekonstruktionen dienen hauptsächlich zur übersichtlichen
Veranschaulichung. Wichtig ist das optimale Bolus-Timing, um die Kontrastmittelanflutung
darzustellen, bevor die Perfusion des Nierenparenchyms erfolgt und somit bereits eine
physiologische Anreicherung der Nierenvene stattfindet. Die Grenzen der MRA liegen
derzeit in der räumlichen und zeitlichen Auflösung. So gelang im beschriebenen Fall
nur in der selektiven DSA durch die schnelle Bildfrequenz die exakte Zuordnung des
Fistelganges. Die MRA mit Hilfe einer Phased-Array-Körper-Oberflächen-Spule, die in
unserem Institut derzeit noch nicht zur Verfügung steht, könnte hier zumindest die
räumliche Auflösung etwas verbessern.
Die interventionelle Therapie von AV-Fisteln bei Nierentransplantaten wird in zahlreichen
Veröffentlichungen als erfolgreiche Behandlungsmethode beschrieben (z. B. Dorffner
et al.). Die bekannte Komplikation eines größeren Niereninfarktes konnte in unserem
Fall vermieden werden. Nicht selten jedoch kommt es zu einer spontanen Wiedereröffnung
der behandelten AV-Fistel, so dass wiederholte Interventionen erforderlich werden
können.
B. Kinkel, M. Parusel, J. P. Hedde, Köln-Merheim
Abb. 1 Einzelschichten der Kontrastmittel-MRA in koronarer Schnittführung. In der arteriellen
Phase (a) zeitgleiche Füllung von Arterie und Vene bei fehlender Parenchymperfusion. Erst
in der späteren Phase (b) Darstellung der Transplantatniere.
Abb. 2MIP-Rekonstruktion der kontrastverstärkten MRA, arterielle Phase. Übersichtliche Darstellung
von Arterie (A.) und shunt-gespeister Vene (V.) sowie deren Anastomosen mit den Iliacal-Gefäßen.
Abb. 3i. a. DSA in ähnlicher Projektion wie Abb. [2]. Die schnelle Bildfolge sichert den Fistelsteg in einem Nierenarterienast 2. Ordnung
(Pfeil). Fehlendes Nephrogramm.
Abb. 4i. a. DSA nach erfolgreicher Embolisation der Fistel mittels Microcoils. In der arteriellen
Phase nun keine frühe Darstellung der Nierenvene. Nephrogramm ohne größere Infarzierungen.
Kaliberunregelmäßigkeiten der Aa. lobares und interlobares i. S. der chronischen Abstoßungsreaktion.