Geburtshilfe Frauenheilkd 2000; 60(7): 354-361
DOI: 10.1055/s-2000-7390
Originalarbeit

Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Sectio caesarea: ein harmloser Eingriff aus mütterlicher Sicht?

Cesarean Section: A Harmless Operation for the Mother?M. Kühnert1 , S. Schmidt1 , A. Feller2 , K-H. K-H. Vonderheit2
  • 1 Klinik für Geburtshilfe und Perinatalmedizin der Universität Marburg
  • 2 Geschäftsstelle für Qualitätssicherung in Hessen, Eschborn
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

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Zusammenfassung

Fragestellung

Derzeit besteht in Deutschland der Trend, die mütterliche Morbidität und Mortalität bei Sectio caesarea zu vernachlässigen. Schlagworte wie die „sanfte Sectio“ suggerieren eine völlige Risikofreiheit für die Mutter und führen zu einer „Bagatellisierung“ dieser Operation. „Wunschsectiones“ werden zunehmend aus diesen Gründen durchgeführt. Wie hoch liegt die Rate der mütterlichen Todesfälle bei Sectio caesarea in Hessen?

Material und Methode

In einer retrospektiven Analyse der Hessischen Perinataluntersuchung (HEPE) von 1990 - 1998 wurde anhand von 526 255 Geburten explizit dieser Parameter untersucht. Dabei ergab sich eine Sectiorate von 100 241 = 19,05 %.

Ergebnisse

In der Zeit von 1990 - 1998 fanden sich insgesamt 37 mütterliche Todesfälle, 25 im Zusammenhang mit einer Sectio caesarea. Dies entspricht einem Anteil von mütterlichen Sterbefällen bei Sectio an der Gesamtmüttersterblichkeit in Hessen laut HEPE-Statistik für diesen Zeitraum von 67,6 %. Im Vergleich der Müttersterblichkeit zwischen vaginalen und Sectioentbindungen ergab sich ein 8,9fach höheres Sterblichkeitsrisiko für die Mutter bei Sectio aus diesen Daten. Das Gestationsalter zum Zeitpunkt der Sectio und die mütterliche Altersverteilung zeigten in diesem Zusammenhang keinerlei Korrelation. Erstgebärende waren 1,8fach häufiger betroffen als Mehrgebärende. Bedenklich stimmte das Verhältnis zwischen primärer und sekundärer Sectio von 17 : 8 (= 2 : 1). Die höchste mütterliche Mortalität ergab sich innerhalb der ersten 3 postoperativen Tage (n = 11). Die Haupttodesursache bildeten tiefe Thrombosen und Embolien (n = 12).

Schlussfolgerungen

Der Hauptanteil der Müttersterblichkeit fand sich laut der HEPE mit 67,6 % bei der Sectio caesarea, wobei das Verhältnis primäre zu sekundärer Sectio = 2 : 1 betrug. Die mütterliche Sterblichkeit bei Sectio war nach diesen Daten 8,9fach höher als bei vaginaler Entbindung. Es muss hierzu bemerkt werden, dass mütterliche Vorerkrankungen nicht eindeutig aus der HEPE eruierbar sind und dass eine exakte Trennung von mütterlicher Sectiomortalität und Sectioletalität nur über Einzelfallerhebung mittels Krankenblatteinsicht möglich ist. Eine adäquate Thromboseprophylaxe muss ebenso dringlich bei Sectio gefordert werden wie eine auf streng rationaler Basis erfolgende Stellung der Sectio-Indikation unter entsprechender Risikogewichtung für Mutter und Kind. Nur unter diesen Kautelen können das mütterliche Sectiorisiko und die Sectiorate insgesamt sinnvoll gesenkt werden.

Summary

Objective

In Germany the trend is to minimize maternal morbidity and mortality in connection with cesarean section. Buzzwords such as "gentle cesarean delivery" imply a total absence of maternal risk and have contributed to a trend toward elective cesarean delivery. We analyzed maternal mortality with cesarean delivery in the German state of Hesse.

Methods

We reviewed maternal mortality in the Hesse Perinatal Data Base between 1990 and 1998 in a total of 526 255 deliveries. The cesarean section rate was 19.05% ( n=100,241).

Results

Of 37 maternal deaths overall 25 (68%) were in connection with cesarean delivery. The maternal mortality rate after cesarean delivery was 8.9 times higher than that after vaginal delivery. There were no correlations with gestational age or maternal age. The maternal mortality rate of primiparae was 1.8 times that of multiparae. Of the 25 maternal deaths with cesarean section, 17 occurred with primary and 8 with secondary cesarean deliveries. 11 of 25 maternal deaths after cesarean delivery occurred within the first 3 postoperative days and 12 were due to thromboembolic disease. The database did not permit detailed assessment of concomitant maternal conditions so that we were not able to assess precisely which deaths were due to cesarean delivery per se and which were due to underlying conditions.

Conclusion

Patients delivered by cesarean section appear to have a higher risk for maternal mortality than those delivered vaginally. Patients undergoing cesarean delivery should receive prophylaxis for thromboembolic disease. The indications for cesarean delivery should be clearly defined and take into considerations risks and benefits for mother and newborn.

Literatur

Dr. med. M Kühnert

Klinik für Geburtshilfe und Perinatalmedizin der Universität Marburg

Pilgrimstein 3

35033 Marburg