Dtsch Med Wochenschr 2000; 125(45): 1349
DOI: 10.1055/s-2000-8169
Editorial
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kognitive Störungen und Demenz - neue Endorganschäden bei Hypertonie

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Publication Date:
31 December 2000 (online)

Hypertonie als eindeutiger Risikofaktor für kardio- und zerebrovaskuläre Komplikationen und medikamentöse Hochdrucktherapie als wirksames Mittel zur Prävention dieser Ereignisse sind inzwischen weltweit akzeptiert.

Erst in den letzten Jahren konnte über den bekannten Zusammenhang zwischen Hypertonie und Schlaganfall hinaus auch ein klarer Zusammenhang zwischen Hypertonie und Gedächnisstörungen (kognitive Fehlfunktion) bis zum Vollbild eines demenziellen Syndroms gesichert werden [2] [3]. Interessanterweise bezog sich dieser Zusammenhang nicht nur auf die vaskuläre Demenz, sondern auch auf die Demenz vom Alzheimer-Typ. In beiden Studien lag der Blutdruck bei Probanden, die eine Demenz oder eine kognitive Störung entwickelten, 15 Jahre (Göteborg-Studie [3] bzw. > 20 Jahre (Hawaii-Studie [2] zuvor signifikant höher als bei Probanden, die ohne kognitive Störung oder Demenz blieben. Mit Entwicklung der Demenz kam es zum bekannten Abfall des Blutdrucks (»Pseudonormalisierung«), was erklärt, warum in früheren reinen Querschnittsuntersuchungen oft sogar Hypotonie und Demenz in Verbindung gebracht worden waren.

Demenzielle Syndrome sind bei einer auf Grund der steigenden Lebenserwartung immer älter werdenden Bevölkerung und einer zunehmenden Prävalenz im höheren Lebensalter eine der großen Herausforderungen des neuen Milleniums - dies gilt medizinisch wie sozialpolitisch.

Aus diesem Grunde werden natürlich alle potenziellen Therapieansätze aufmerksam verfolgt. In diesem Heft berichten Lehrl et al. über positive Ergebnisse mit dem langwirksamen Dihydropyridin-Calciumantagonisten Felodipin bei 50- bis 70-jährigen Hypertonikern mit nachgewiesener Einschränkung ihrer geistigen Leistungsfähigkeit. Im Vergleich zu einer Therapie mit der Diuretikakombination HCT (50 mg)/Amilorid (5 mg) kam es unter 12-wöchiger Behandlung mit Felodipin (10 mg) zu einer signifikant stärkeren Zunahme der vor Therapiebeginn verminderten kognitiven Leistungsfähigkeit (gemessen als Verbesserung der Kurzspeicherkapazität mittels Kurztest für allgemeine Informationsverarbeitung, KAI). Dabei war die Blutdrucksenkung während der ganzen Studie in beiden Gruppen vergleichbar.

Inwieweit können und sollten die Ergebnisse der Erlanger Arbeitsgruppe bereits Einzug in den praktischen Alltag finden? Zurecht bezeichnen die Autoren ihre Untersuchung als Pilotstudie; leider haben von 60 ursprünglich randomisierten Patienten nur 31 die Studie beendet. Begründet wird die hohe Zahl von Drop-outs mit »Protokollverletzungen«, was letztlich auch nur eine Per-Protokoll-Analyse erlaubte. Die Ergebnisse bedürfen deshalb unbedingt der Überprüfung in einer größeren Untersuchung an zumindest mehreren hundert Patienten. Umgekehrt »bestätigt« die Pilotstudie für einen Surrogatparameter, die »kognitive Funktion«, was zwei größere Studien zur Behandlung der isolierten systolischen Hypertonie in den letzten Jahren für die Prävention der Demenz gezeigt hatten. In der SYST-EUR-Studie war ebenfalls ein Kalziumantagonist, Nitrendipin (in einem Drittel der Fälle kombiniert mit dem ACE-Hemmer Enalapril), in der Lage, das Auftreten einer Demenz gegenüber Plazebo signifikant um die Hälfte zu reduzieren [1]. Dies war in der SHEP-Studie mit dem Diuretikum Chlorthalidon nur als Trend nachweisbar (Verminderung der Demenz um 16 % nicht signifikant).

Somit stellt sich die alte Frage: Was ist Folge der Blutdrucksenkung per se und was ist Folge einer spezifischen Wirkung der eingesetzten Antihypertensiva? Die pathophysiologischen Argumente für Calcium-Antagonisten, wie Verbesserung der Mikrozirkulation über die Blutdrucksenkung hinaus, sind durchaus überzeugend. Dies gilt nach den Ergebnissen der HOPE-Studie [5] wohl auch für ACE-Hemmer. Für AT1-Rezeptorenblocker liegt bisher zur Frage Demenzprävention ebenfalls nur eine positive Pilotstudie vor [4]. Weltweit läuft hier eine große Multicenterstudie (SCOPE), die an fast 5000 Patienten untersucht, ob ein AT1-Blocker (Candesartan cilexetil) oder ein Diuretikum (HCT) besser in der Lage sind, die Entwicklung einer Demenz zu verhindern. Ergebnisse sind Mitte 2002 zu erwarten.

Im Augenblick sollte deshalb die konsequente Blutdrucksenkung bei Hypertonikern aller Altersgruppen, vor allem auch im höheren Lebensalter, im Vordergrund stehen. Da für eine echte Blutdrucknormalisierung fast nie eine Monotherapie ausreicht, erscheint es nach den Ergebnissen von SYST-EUR, HOPE und der Pilotstudie von Lehrl et al. durchaus gerechtfertigt, dazu eine Kombination mit langwirksamen Kalziumantagonisten oder ACE-Hemmern zur spezifischen Prävention eines demenziellen Syndroms einzusetzen.

Literatur

  • 1 Forette F, Seux M L, Staessen J A. et al . Prevention of dementia in randomised double-blind placebo-controlled Systolic Hypertension in Europe (SYST-Eur) trial.  Lancet. 1998;  352 1347-1351
  • 2 Launer L J, Masaki K, Petrovitch H, Foley D, Havlik R J. The association between midlife blood pressure levels and late-life cognitive function.  JAMA. 1995;  274 1846-1851
  • 3 Skoog I, Lernfelt B, Landahl S. et al . 15-year longitudinal study of blood pressure and dementia.  Lancet. 1996;  347 1141-1145
  • 4 Tedesco M A, Ratti G, Mennell S. et al . Comparison of losartan and HCT on cognitive function and quality of life in hypertensive patients.  Am J Hypertens. 1999;  12 1130-1134
  • 5 The Heart Outcomes Prevention Evaluation Study Investigators . Effects of an angiotensin-converting enzyme inhibitor, ramipril, on cardiovascular events in high-risk patients.  N Engl J Med. 2000;  342 145-153

PD Dr. Peter Trenkwalder

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