Ein heute 59-jähriger Betriebsschlosser kam erstmals 1996 wegen Luftnot bei langjährig
bekanntem Lungenemphysem zur stationären Aufnahme. Es lag eine berufliche Asbestexposition
vor. Im rechten Spitzenfeld der Lunge fanden sich narbig erscheinende Veränderungen,
im linken Lungenoberlappen erschien ein Rundherd tumorverdächtig. Eine Dignitätssicherung
gelang damals nicht. Bereits zu diesem Zeitpunkt war der Patient funktionell inoperabel,
auf invasivere Diagnostik wurde verzichtet. Verlaufskontrollen zeigten 1998 zunächst
keine signifikante Größenzunahme der Herde. Anfang 2000 fanden sich die Indurationsherde
in der rechten Lunge unverändert, die Raumforderung im linken Oberlappen hatte aber
erheblich an Größe zugenommen. Eine Zelltypsicherung war bronchoskopisch nicht möglich,
die Telomeraseaktivität in den Bürstenbiopsien fiel rechts negativ, links deutlich
positiv aus. Eine CT-gestützte Punktion des linken Herdes bewies zytologisch ein Plattenepithelkarzinom
(Abb. [1]). Unter der Annahme, dass es sich bei den rechtsseitigen Veränderungen um Narben
handelte, ergab sich das Tumorstadium T2, N0, M0. Die Operabilität wurde erneut überprüft.
Trotz Ausschöpfung aller medikamentösen Maßnahmen beklagte der Patient jedoch weiterhin
Luftnot bei geringster Belastung. Bereits in Ruhe war er wiederholt partialinsuffizient.
Radiologisch wie funktionsanalytisch fand sich das Vollbild eines Lungenemphysems
(Abb. [2]). Der Atemstoß betrug 0,8 L (24 % des Solls), es lagen eine irreversible Obstruktion
mit einem sRtot von 7,1 kPa*s (600 % der Norm) und eine irreversible Überblähung vor.
Der Patient erschien uns auch für einen parenchymsparenden, minimalinvasiven Eingriff
nicht operabel. Den letzten Ausschlag zu dieser Entscheidung gab eine schwere respiratorische
Insuffizienz durch einen Mantelpneu nach der CT-Punktion. Die Möglichkeit einer konventionell
fraktionierten Strahlentherapie wurde wegen des hohen Risikos einer Strahlenpneumonitis
oder Fibrose ebenfalls verworfen. Eine stereotaktische Einzeitbestrahlung wurde in
der interdisziplinären Tumorkonferenz beschlossen und dem Patienten vorgeschlagen.
Es erfolgte eine computergestützte Planung der Bestrahlung anhand von Querschnittsbildern
der CT (Abb. [3]). Hierbei wurden sechs Marker an der Thoraxwand verwendet. Zur genauen Lagerung
des Patienten verwenden wir das computergestützte Positionierungssystem Exa Trac der
Firma BrainLab. Über die Markierungspunkte wird die genaue Position des Tumors und
des Patienten im Raum errechnet. Die Differenz zwischen Ist- und errechneter Sollposition
wird während der Behandlung ständig angezeigt.
Die Bestrahlung wurde in intravenöser Allgemeinnarkose durchgeführt. Dabei wurde der
Patient mit einem Hochfrequenz-Jet-Ventilator (Acutronic) beatmet, um die Atemexkursionen
so gering wie möglich zu halten. Die hochdosierte Einzeitbestrahlung wurde lokal und
allgemein subjektiv ohne Nebenwirkung toleriert. Die Kontrolluntersuchung nach sechs
Wochen zeigte eine vollständige Remission des Tumors und ganz diskrete, nur fokale
Zeichen einer Pneumonitis (Abb. [4]
a u. b).
Diskussion
Durch chirurgische Behandlung erzielt man bei nicht-kleinzelligen T1-Bronchialkarzinomen
5-Jahres-Überlebensraten um 65 % [1]. Mit kurativ intendierten Strahlentherapieprotokollen kann ein Langzeitüberleben
in 40 % der Fälle erreicht werden. Die Strahlentherapie bei Patienten mit schwerem
Lungenemphysem ist aber problematisch, da das Risiko einer Strahlenpneumonitis und
Fibrose besteht [2]. Mit der stereotaktischen Bestrahlung kann vom theoretischen Ansatz her das Risiko
einer größeren Fibrosereaktion minimiert werden. Stereotaktische Verfahren sind bei
intrakraniellen Tumoren etabliert, für intrapulmonale Tumoren gibt es bisher wenig
Erfahrungen [3]
[4]. Am Krebsforschungszentrum in Heidelberg wurde ein Protokoll erstellt, um in einer
einzigen Sitzung 24 Gy in die Zielregion zu applizieren [5]. Dem verminderten Langzeitrisiko steht das Problem der schwierigeren Zielplanung
gegenüber. Bereits minimale Verschiebungen zwischen der Situation während der Planung
und der tatsächlichen Bestrahlung können dazu führen, dass ein Teil des Tumors außerhalb
des Bestrahlungsfeldes liegt. Eine exakte Planung und das Anbringen von Referenzmarkern
ist unumgänglich. Bei wachen Patienten besteht die Gefahr, dass durch geringe Körperbewegungen
das Target verfehlt wird und bei konventioneller Beatmung kommt es atemlageabhängig
zu Verschiebungen bis zwei Zentimeter. Um mit einem kleinstmöglichen Zielvolumen arbeiten
zu können, führen wir daher die stereotaktische Bestrahlung in Hochfrequenzbeatmung
durch. Die Methode ist aufwändig und erfordert eine gute Vorbereitung. Langzeitergebnisse
stehen noch aus. Zur Zeit wird eine Phase-I-Studie durchgeführt, um den Stellenwert
der stereotaktischen Einzeitbestrahlung zu überprüfen. Sollten sich die vorläufigen
Ergebnisse bestätigen, könnte auch Patienten mit T1- bis T2-Tumoren und stark eingeschränkten
Lungenfunktionswerten eine potenziell kurative Therapie angeboten werden.
Danksagung
Die Erweiterung unseres Linearbeschleunigers zur stereotaktischen Bestrahlung wurde
mit finanzieller Unterstützung des Landes NRW ermöglicht. Diese Arbeit wird Herrn
PD Dr. H.-N. Macha zum 60. Geburtstag gewidmet.
Abb. 1Emphysemkonstellation mit stark eingeschränkten Funktionswerten.
Abb. 2Zytologische Sicherung des peripheren Bronchialkarzinoms durch CT-gestützte Punktion.
Abb. 33-dimensionaler stereotaktischer Bestrahlungsplan.
Abb. 4
a Tumor vor Bestrahlung. b Sechs Wochen nach Bestrahlung vollständige Remission des Tumors. Narbige Residuen
ohne Fibrose.