Pneumologie 2000; 54(1): 16-19
DOI: 10.1055/s-2000-9055
FALLBERICHT
Georg Thieme Verlag Stuttgart ·New York

Solitäre fibröse Pleuratumoren - Seltene Tumoren mit unvorhersehbarem klinischen Verhalten

Solitary Fibrous Tumors of the Pleura - Rare Tumors with Unpredictable Clinical Behaviour: A Case Report:P. Düster1 , E. Mayer1 , T. Kramm1 , Ch Düber3 , J. Kriegsmann2 , H. Oelert1
  • 1Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie (Direktor: Prof. Dr. H. Oelert), Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 2Pathologisches Institut, Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
  • 3Radiologische Klinik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Weitere Informationen

Dr. P. Düster

Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Langenbeckstr. 1

55101 Mainz

Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
31. Dezember 2000 (online)

Inhaltsübersicht

Zusammenfassung:

Solitäre fibröse Pleuratumoren sind seltene Tumoren mit unvorhersehbarem klinischen Verlauf. Wir berichten über zwei Patienten mit dem Zufallsbefund einer unklaren intrathorakalen Raumforderung. Die präoperative Diagnostik bez. der Dignität war unsicher. Bei beiden Patienten wurde über eine anterolaterale Thorakotomie ein solider Pleuratumor im Gesunden in Kombination mit einer atypischen Lungenkeilresektion entfernt. Der postoperative Verlauf war unkompliziert. Die Verlaufskontrolle nach 6 Monaten zeigte keinen Hinweis auf ein lokoregionäres Rezidiv.

Solitary fibrous tumors of the pleura are rare tumors with unpredictable clinical behaviour. We report about two patients with an incidental finding of an intrathoracic tumor. Preoperative diagnosis was uncertain. In both patients, a solid tumor of the pleura was resected en bloc in combination with a wedge resection of the lung following anterolateral thoracotomy. The postoperative course was eventful. Six months after primary complete resection there were no signs of tumor recurrence.

Solitäre fibröse Tumoren der Pleura sind seltene Neoplasien [[4], [19], [21], [34]], die ein unvorhersehbares klinisches Verhalten aufweisen [[7]]. Die Tumoren können rasch wachsen ohne histologische Zeichen einer Malignität aufzuweisen, sie können aber auch noch Jahre nach kompletter Resektion Lokalrezidive ausbilden und maligne entarten [[7]].

Maligne Formen finden sich in 12 % aller fibrösen Pleuratumoren und sind im Gegensatz zu den benignen Formen selten gestielt. Wie die benignen Formen können sie ihren Ursprung von der viszeralen oder der parietalen Pleura nehmen [[19]]. Die malignen Formen sind oft größer als 8 cm und finden sich in atypischen Lokalisationen (mediastinale Pleura, Interlobulärfissuren, intraparenchymal) [[2], [4], [23]].

Durch bildgebende Diagnostik (Rö-Thorax-Übersichtsaufnahmen, CT, MRT) einschließlich Feinnadelbiopsie kann eine maligne Verlaufsform nicht sicher ausgeschlossen werden, so dass immer die chirurgische Exploration und primär komplette Resektion unmittelbar nach Diagnosestellung indiziert ist [[7]].

Im Folgenden werden 2 Fälle mit solitärem benignen fibrösen Pleuratumor dargestellt.

Fallbeschreibungen

Zwei männliche Patienten im Alter von 57 und 63 Jahren mit solitärem fibrösen Pleuratumor wurden operativ behandelt. Neben Anamneseerhebung und klinischer Untersuchung sowie kardiopulmonaler Risikoabklärung wurde zur präoperativen Diagnostik und Einschätzung der lokalen Resektabilität ein CT, eine MRT und eine Bronchoskopie durchgeführt. Bez. des weiteren Tumor-Stagings erfolgte eine Ganzkörperknochenszintigraphie und ein CT des Abdomens.

Beide Patienten waren langjährige Raucher und zum Zeitpunkt der Diagnosestellung klinisch asymptomatisch. Bei Pat. 1 wurde eine Rö-Thorax-Übersichtsaufnahme im Rahmen eines Tbc-Screenings durchgeführt, die zur Entdeckung einer intrathorakalen Raumforderung führte (Abb. [1]). Bei Pat. 2 führte eine entsprechende Rö-Thorax-Übersichtsaufnahme im Rahmen des präoperativen Stagings bei stanzbioptisch gesichertem Prostatakarzinom (pT2a pNo G2a) zur Verdachtsdiagnose (Abb. [4]). Die übrige Staging-Diagnostik ergab bei beiden Patienten keinen pathologischen Befund.

Die CT-Diagnostik des Thorax zeigte in beiden Fällen einen gut abgegrenzten, kontrastmittelaufnehmenden epidiaphragmalen Tumor ohne sichere Infiltration der angrenzenden Organstrukturen. Die Lokalisation des Tumors bei Pat. 1 war epidiaphragmal rechts paravertebral, die Tumorgröße betrug 9 × 5 cm (Abb. [2]). Im MRT stellte sich der Tumor ebenfalls solide und durch eine Fettlamelle gut abgegrenzt dar (Abb. [3]). Der Tumor nahm verzögert Kontrastmittel auf und wies keine Beziehung zu den Neuroforamina der unteren BWS auf.

Bei Pat. 2 fand sich im CT wie im MRT eine ca. 10,5 × 6,0 cm große solide, gut abgegrenzte, ebenfalls Kontrastmittel aufnehmende Raumforderung links epidiaphragmal und dorsal gelegen (Abb. [5]). Präoperativ wurde die Verdachtsdiagnose eines soliden Pleuratumors durch uns gestellt. Der Patient stellte sich anschließend in mehreren anderen Kliniken vor. Hier wurden u. a. folgende Differentialdiagnosen erwogen: abgekapseltes organisiertes Hämatom nach Reitunfall vor Jahren, Metastase bei gesichertem Prostatakarzinom, Zwerchfellhernie mit Prolaps von Milz und linker Kolon-Flexur, primäres Bronchial-Ca.

Beide Patienten wurden anterolateral thorakotomiert. Intraoperativ fand sich jeweils ein gut abgegrenzter, an der viszeralen Pleura des Lungenunterlappens gestielter solider Tumor. Weitere pathologische Befunde fanden sich intraoperativ nicht. Es erfolgte bei beiden Patienten die komplette Tumorresektion im Gesunden in Kombination mit einer atypischen Keilresektion des angrenzenden Lungenunterlappens. Der postoperative Verlauf gestaltete sich in beiden Fällen unkompliziert.

Das makroskopische und histologische Bild ergab in beiden Fällen einen ca. 10 cm großen soliden, gut umschriebenen Tumor aus schlanken bis plumpen spindeligen Zellen, meist faszikulär oder storiform angeordnet, ohne Zeichen der Kernatypie und ohne erhöhte Mitoseaktivität (Abb. [6]). Die Tumoren waren sehr kollagenreich. Die Dignität des solitären fibrösen Tumors war durch den histologischen Befund alleine nicht verläßlich zu bestimmen, da ein blandes histologisches Bild ein aggressives Verhalten der Neubildungen nicht ausschließt [[15]].

Immunhistochemisch zeigten die Tumorzellen eine Expression von CD 34, jedoch keine Expression von CD 68, S-100, Aktin und Desmin. Die Bestimmung von CD 34 wird zur Differentialdiagnose von mesenchymalen Tumoren unter Berücksichtigung des klinikopathologischen Gesamtbefundes und in Zusammenschau mit anderen Antikörperbestimmungen eingesetzt [[15], [34]]. Die mittels MIB-1 bestimmte Proliferationsaktivität des Tumors war sehr gering (< 5 % der Tumorzellen MIB-1 positiv). Die kritische Wertung ergab somit solitäre fibröse Pleuratumoren ohne Anhalt für Malignität.

Die postoperative CT-Thorax-Verlaufskontrolle nach sechs Monaten ergab bei beiden Patienten keinen Hinweis auf ein lokoregionäres Rezidiv.

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Abb. 1Seitliche Rö-Thorax-Aufnahme (Pat. 1) mit Nachweis einer epidiaphragmalen Raumforderung rechts.

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Abb. 2CT-Thorax mit Darstellung einer epidiaphragmalen tumorösen Raumforderung rechts paravertebral (Pat. 1).

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Abb. 3MRT des Thorax (T1-gewichtet mit KM) mit Darstellung einer durch eine Fettlamelle gut abgegrenzten, Kontrastmittel aufnehmenden tumorösen Raumforderung rechts paravertebral (Pat. 1).

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Abb. 4Seitliche Rö-Thorax-Aufnahme (Pat. 2) mit Nachweis einer epidiaphragmalen Raumforderung links.

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Abb. 5MRT des Thorax (T1-gewichtet mit KM) mit Darstellung einer soliden tumorösen Raumforderung epidiaphragmal links (Pat. 2).

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Abb. 6Hämatoxilin-Eosin-Färbung. Charakteristische Darstellung des aus spindeligen Zellelementen aufgebauten Tumors. Ein Wachstumsmuster ist nicht erkennbar. Lediglich umschrieben sind storiforne Areale vorhanden (150-fache Vergrößerung).

Diskussion

Solitäre fibröse Pleuratumoren sind insgesamt seltene Tumoren [[4], [19], [21], [34]], die jedoch in die differentialdiagnostischen Überlegungen bei Vorliegen unklarer intrathorakaler Raumforderungen einbezogen werden sollten [[18], [1]]. Briselli et al. [[4]] haben 1981 in ihren Ausführungen 368 Fälle der Weltliteratur zusammengefaßt. 1989 wurden von England et al. [[10]] 223 Fälle analysiert, die sich mit den bislang bekannten Fällen zu 598 summieren. Trombetta et al. [[27]] berichten 1996 über 456 weitere Fälle, die seit 1991 publiziert wurden. Nach aktueller Durchsicht der Weltliteratur von 1996 bis Ende 1999 finden sich 86 neu publizierte Fälle, so dass bisher über ca. 1140 Fälle berichtet wurde. Mayer et al. [[18]] fanden bei 2411 Thorakotomien (1981 - 1998) 16 Fälle. Dies entspricht einem Anteil von 0,66 % aller thorakotomierten Patienten.

Die Tumoren können vor allem im mittleren Lebensalter bei beiden Geschlechtern auftreten. Häufig sind die betroffenen Patienten asymptomatisch. Erst bei einem Tumordurchmesser > 10 cm treten lokale Symptome auf. Maligne Formen sind meist > 8 cm und treten in atypischen Lokalisationen auf [[18]]. Gelegentlich leiden diese Patienten an wiederkehrender Hypoglykämie [[5], [28]]. Extrathorakale Manifestationen werden in der Regel nicht beobachtet. Die Tumoren können sowohl von der viszeralen als auch von der parietalen Pleura ausgehen, sind meist gut umschrieben abgegrenzt und finden sich an der Lungenperipherie [[7]].

Obwohl durch bildgebende Verfahren die Verdachtsdiagnose eines Pleuratumors gestellt werden kann, ist eine sichere Tumorklassifikation und Dignitätsbeurteilung auch durch zusätzlichen Einsatz bioptischer Methoden nicht möglich [[7]]. Bioptische Methoden sind nicht indiziert, da auf jeden Fall die chirurgische Therapie anzustreben ist. Dabei ist die komplette Resektion im Gesunden, meist kombiniert mit einer atypischen Lungenkeilresektion, ausreichend. Die videothorakoskopische Resektion der häufig kleinen, gestielten benignen Tumoren ist die Methode der Wahl [[18], [26]]. In unseren beiden Fällen wurde in Anbetracht der Größe der Tumoren und dem möglichen Vorliegen einer malignen Variante thorakotomiert. Eine Lobektomie oder gar Pneumonektomie ist nur selten erforderlich [[7]].

Zur differentialdiagnostischen Abgrenzung der solitären fibrösen Tumoren zu anderen mesenchymalen Tumoren (Nervenscheidentumor, hämangioperizytomfibröses Histiozytom, Fibrosarkom, Leiomyosarkom) stellt der CD 34-Antigen-Nachweis in den Spindelzellen ein sinnvoller immunhistochemischer Marker dar [[15], [34]].

Da auch noch Jahre nach kompletter Resektion Lokalrezidive vorkommen und eine Tendenz zur malignen Entartung besteht, sollten alle Tumoren unmittelbar nach Stellen der Verdachtsdiagnose der chirurgischen Therapie zugeführt werden und langjährige Kontrolluntersuchungen erfolgen [[7], [18]]. Ausreichende Erfahrungen über eine adjuvante postoperative Chemo- und Strahlentherapie, vor allem bei malignen Verlaufsformen, liegen nicht vor [[7]].

Literatur

Dr. P. Düster

Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Langenbeckstr. 1

55101 Mainz

Literatur

Dr. P. Düster

Klinik für Herz-, Thorax- und Gefäßchirurgie Klinikum der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Langenbeckstr. 1

55101 Mainz

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Abb. 1Seitliche Rö-Thorax-Aufnahme (Pat. 1) mit Nachweis einer epidiaphragmalen Raumforderung rechts.

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Abb. 2CT-Thorax mit Darstellung einer epidiaphragmalen tumorösen Raumforderung rechts paravertebral (Pat. 1).

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Abb. 3MRT des Thorax (T1-gewichtet mit KM) mit Darstellung einer durch eine Fettlamelle gut abgegrenzten, Kontrastmittel aufnehmenden tumorösen Raumforderung rechts paravertebral (Pat. 1).

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Abb. 4Seitliche Rö-Thorax-Aufnahme (Pat. 2) mit Nachweis einer epidiaphragmalen Raumforderung links.

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Abb. 5MRT des Thorax (T1-gewichtet mit KM) mit Darstellung einer soliden tumorösen Raumforderung epidiaphragmal links (Pat. 2).

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Abb. 6Hämatoxilin-Eosin-Färbung. Charakteristische Darstellung des aus spindeligen Zellelementen aufgebauten Tumors. Ein Wachstumsmuster ist nicht erkennbar. Lediglich umschrieben sind storiforne Areale vorhanden (150-fache Vergrößerung).