Zusammenfassung
Der therapeutische Umgang mit Migranten stellt für psychiatrische Kliniken eine hohe
Anforderung dar. Sprach- und Kulturbarriere erschweren nicht selten adäquate Diagnostik
und Therapie. Demzufolge haben wir ein Verbundprojekt zwischen Klinik und einer psychosozialen
Beratungsstelle entwickelt, das durch die regelmäßige mindestens einmal pro Woche
mögliche Teilnahme eines qualifizierten muttersprachlichen, türkischen Psychologen
am Diagnose- und Therapieprozess in der Klinik charakterisiert ist. In zweisprachigen
Therapiegesprächen findet eine Integration relevanter Informationen sowie Therapieinhalte
und ein gegenseitiger Austausch statt. Weiterhin wird eine Behandlungsperspektive
nach der Entlassung etabliert, da türkische Patienten ambulant nach Bahnung in der
Klinik die kooperierende Beratungsstelle aufsuchen können. Durch Untergruppenvergleiche
zwischen derart behandelten türkischen und ohne diese Möglichkeit behandelten nichttürkischen
Migranten können wir empirisch zeigen, dass bei nichtschizophrenen türkischen Patienten
die Verweildauern gesenkt werden sowie bei schizophrenen türkischen Patienten häufiger
Vermittlungen in Rehabilitationseinrichtungen möglich sind. Bei allen türkischen Patienten
ist unabhängig von ihrer diagnostischen Zuordnung sowohl die subjektive Behandlungszufriedenheit
größer als auch die Wiederaufnahmequote in einem 2-Jahres-Zeitraum niedriger. Einen
positiven Einfluss auf stärkere Reduktion der Symptomausprägung bei türkischen Migranten
zum Entlassungszeitpunkt haben wir allerdings nicht nachweisen können.
Evaluation of a Special Project for the Treatment of Turkish Migrants in a Psychiatric
Hospital
The in-patient treatment of migrants with psychiatric disorders causes particular
difficulties. There is often a barrier of language and culture that raises problems
for the diagnostic and therapeutic process. To solve these problems we developed a
bilingual setting by integrating a Turkish psychologist who belongs to a counselling
centre into our therapeutic team for at least once a week.This offers the possibility
for a very qualified psychopathological assessment as the patient can talk to the
Turkish psychologist in his native language and the Turkish psychologist can translate
this and his own impression accurately also using the psychiatric language. All relevant
themes can be discussed, including the possibility of continuing the therapy in the
councelling centre. We investigated the impact of this kind of therapeutic approach
on the duration of hospitalisation, remission in terms of psychopathology, rehabilitation
level, ratio of readmission and contentment with therapy. The migrants were divided
into two groups: Turkish migrants were treated in this special setting, non Turkish
migrants were not treated in the manner described. There are shorter periods of hospital
treatment for Turkish non-schizophrenic in-patients and Turkish schizophrenic patients
achieve higher levels of rehabilitation. Turkish patients with all kinds of psychiatric
diagnoses show lower ratios of readmission and express greater contentment with therapy.
The psychopathological symptoms themselves, however, are not substantically reduced
in this special setting.
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Dr. med. Michael Grube
Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Frankfurt/M.-Höchst
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65929 Frankfurt
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