Der Befall des zentralen Nervensystems ist eine seltene Manifestation der Sarkoidose
und aufgrund des uncharakteristischen klinischen Erscheinungsbildes schwierig zu diagnostizieren.
Zusätzlich bestehen keine spezifischen nichtinvasiven Tests, so dass die Diagnose
in der Annahme, dass es sich um eine Systemerkrankung mit Beteiligung des zentralen
Nervensystems (ZNS) handelt, letztendlich durch das Erfüllen verschiedener Kriterien
gestellt wird. Dazu gehören neben der neurologischen Symptomatik unter anderem der
Kveim-Test, die Untersuchung des Liquors und der histologische Nachweis nichtverkäsender,
epitheloidzelliger Granulome, der überlicherweise aus transbronchial gewonnenem Gewebematerial
gelingt (Radziwill et al., Nervenarzt 1995; 66: 915). Einen besonders wichtigen Platz
im diagnostischen Ablauf nimmt aufgrund ihrer hohen Sensitivität die kontrastmittelverstärkte
Magnetresonanztomographie (MRT) ein (Pickuth et al., Radiologe 1999, 39: 889).
Wir berichten über eine junge Patientin, deren MRT die typischen Veränderungen beim
Befall der basalen Meningen durch die Sarkoidose und als seltene Komplikation einen
Hirnstamminsult dokumentierte.
Fallbeschreibung
Fallbeschreibung
Die 29-jährige Patientin litt seit bereits einem Jahr an rezidivierenden Kopfschmerzen,
die sie als dauerhaften Druck empfand. Zusätzlich traten im letzten halben Jahr vor
Hospitalisation 1-2-mal wöchentlich kurzdauernde Störungen der Sensibilität mit Parästhesien
im linken Arm, Bein und in der linken Gesichtshälfte auf. Frühzeitig wurde eine neurologische
Abklärung vorgenommen, wobei der klinische Status keine Ausfälle zeigte. Die nativ
durchgeführte MRT zeigte keine intrakranielle Pathologie. Die Beschwerden wurden zu
diesem Zeitpunkt als Migraine accompagnée interpretiert.
Im weiteren Verlauf kam es zu einer Zunahme der oben beschriebenen Symptome sowie
zu einer Antriebsverminderung und einer Abnahme der Leistungsfähigkeit, wodurch der
Verdacht auf eine zusätzliche depressive Symptomatik geäußert und die antidepressive
Medikation begonnen wurde.
Am Tag der notfallmäßigen, stationären Aufnahme bemerkte die Patientin Kribbelparästhesien
in der ganzen linken Körperhälfte, die sie in dieser Intensität noch nie erlebt hatte.
In der klinischen Eintrittsuntersuchung fielen ein positives Babinski-Zeichen links,
eine Pronation der linken oberen Extremität, ein Absinken der linken unteren Extremität
und ein multidirektioneller Blickrichtungsnystagmus auf. Aufgrund dieser Befunde wurde
der Verdacht auf einen Hirnstammprozess erhoben. Die MRT des Neurokraniums dokumentierte
in der T2- und der Diffusionswichtung eine umschriebene, im Territorium der rechtsseitigen,
perforierenden, kurzen und langen zirkumferenten Äste der Art. cerebelli superior
und Art. cerebri posterior (P2-Segment) lokalisierte Hyperintensität (Abb. [1], [2]) im Hirnstamm, die einen deutlich erniedrigten Diffusionskoeffizienten aufwies (Abb.
[3]). Nach der intravenösen Gabe von Kontrastmittel zeigte sich eine feinnoduläre leptomeningeale
Anreicherung im Bereich der basalen Meningen und des Tentoriums mit einer markanten
Verdickung des Hypophysenstieles (Abb. [4]), sowie deutlich weniger ausgeprägt über der Konvexität des supratentoriellen Hirnparenchyms.
Im Hirnstamm fand sich keine Blut-Hirn-Schrankenstörung. Die Liquoruntersuchung ergab
eine monozytäre Pleozytose von 49 × 106/l (Norm 1.1-1.9), eine Erhöhung des Gesamtproteins auf 1982 mg/l (Norm 180-480),
ein erhöhtes Lactat von 2.8 mmol/l (Norm 1.1 - 1.9), ein erniedriger Glucosewert mit
1.1 mmol/l (Norm 2.2-4.2) und eine leicht erhöhte Aktivität des Angiotensin-converting-Enzyms
von 7 U/l (Norm < 3). Bis auf eine Hyponatriämie von 127 mmol/l (Norm 131 - 142) war
die weitere Labordiagnostik des Liquors und des peripheren Blutes unauffällig, insbesondere
gab es keine Hinweise auf die häufigsten zerebralen Infektionen (Herpes, Varizellen,
FSME, Lues, Borelliose, HIV, Masern, Röteln, Tuberkulose).
Abb. 1
Hirnstamminfarkt: Die axiale T2-gewichtete (TSE-Technik, TR 3800 ms, TE 90/2 ms) Sequenz zeigt eine umschriebene,
rechtsseitig lokalisierte Hirnstammläsion mit hoher Signalintensität (Pfeil).
Abb. 2
Hirnstamminfarkt: Das axiale Diffusions-gewichtete Bild (EPI-SE-Technik, bo = 1000) zeigt eine hohe Signalintensität an gleicher Lokalisation wie das T2-gewichtete Bild (Pfeil).
Abb. 3
Hirnstamminfarkt: Im axialen Diffusionskoeffizientenbild (ADC) weist die Läsion aus Abbildung 1 und
2 einen emiedrigten Diffusionskoeffizienten auf (Pfeil).
Abb. 4 Neurosarkoidose: In der axialen T1-gewichteten MRT (SE-Technik, TR 600 ms, TE 14/I ms) kommen nach intravenöser Kontrastmittelgabe
feinnoduläre, meningeale Anreicherungen, die v. a. infratentoriell gelegen sind, zur
Darstellung (Pfeil). Ferner zeigt sich eine Hyperintensität im Bereich des Hypophysenstiels
(Pfeilspitze).
Aufgrund dieser Befunde wurde der Verdacht auf eine Neurosarkoidose mit einem Hirnstamminfarkt
als Komplikation gestellt. Zur weiterführenden Diagnostik erfolgte die Computertomographie
(CT) des Thorax: Es konnten pathologisch vergrößerte Lymphknoten im Mediastinum dargestellt
werden; Hinweise für eine Mitbeteiligung des Lungenparenchyms bestanden nicht. Der
Nachweis nichtverkäsender Granulome gelang anschließend bei der histologischen Aufarbeitung
von transbronchial gewonnenem Biopsiematerial aus mediastinalen Lymphknoten.
Die umgehend eingeleitete immunsuppressive Therapie mit initial hochdosierten Steroiden
in Kombination mit Azathioprin führte zu einer schnellen Besserung der bei Eintritt
bestandenen Symptomatik.
Diskussion
Diskussion
Ein Befall des ZNS, der zur klinischen Manifestation führt, wird bei der systemischen
Sarkoidose in etwa 5 % beschrieben (Delaney et al., Ann Intern Med 1977, 42: 909).
Dies bedeutet, dass bei einer Prävalenz der Sarkoidose von 20 - 50 Fälle/100 000 Individuen
diejenige der Neurosarkoidose noch bei 1 - 2,5/100 000 liegt.
Die klinischen Symptome bei der Neurosarkoidose ergeben sich je nach befallenen Arealen.
In über 50 % gibt es mehr als eine Manifestation. Bevorzugt präsentiert sich die Neurosarkoidose
durch Hirnnervenausfälle, wobei der N. facialis am häufigsten betroffen ist (Delaney
et al., Ann Intern Med 1977, 42: 909). Eine weitere Prädilektionsstelle ist der Hypophysenstiel
mit konsekutiver Funktionsstörung der Hypophysenhinterlappenhormone, insbesondere
dem klinischen Bild eines Diabetes insipidus, der wie bei unserer Patientin subklinisch
bleiben kann und erst aufgrund einer vorliegenden Hyponatriämie erkannt wird.
Unter dem Aspekt der uncharakteristischen Symptome und dem relativ seltenen Auftreten
der Erkrankung bleibt die Neurosarkoidose ein diagnostisches Problem. Nebst dem klinischen
Status wird der Liquor untersucht, der jedoch in 1/3 der Fälle keine Abnormalitäten
aufweisen kann, der histologische Nachweis nichtverkäsender Granulome aus anderen
Organen angestrebt und die kontrastmittelverstärkte MRT eingesetzt. Frühere und neuere
Studien ergaben eine Sensitivität der MRT von 90 %, während die CT mit 77 % deutlich
weniger geeignet ist zur Abklärung der Neurosarkoidose. Die Spezifität beider Untersuchungen
ist indessen gering. Als häufigster MRT-Befund, mit rund 50 %, werden hyperintense
Marklagerläsionen und periventrikuläre Läsionen in T2-gewichteten Bilder angegeben, die den Veränderungen der Multiplen Sklerose ähnlich
sehen. Ebenfalls häufig (40-50 %) tritt nach Gadolinium-Gabe ein meningeales Enhancement
von nodulärem Charakter im basalen und tentoriellen Bereich auf. Differenzialdiagnostisch
sollte bei diesen Veränderungen an eine tuberkulöse Meningitis, an eine Meningeosis
carcinomatosa oder an eine leukämische Infiltration gedacht werden. Seltener zeigen
sich multiple, miliare supra- und infratentorielle Läsionen mit homogener Kontrastmittelanreicherung,
die dem Bild intrazerebraler Metastasen gleichen. Des Weiteren werden mit geringer
Häufigkeit (5 - 10 %) folgende Befunde als Komplikationen beschrieben: Hydrozephalus,
intra- bzw. extraaxiale solitäre Raumforderung, vergrößertes und hyperintenses Infundibulum
(Pickuth et al., Radiologe 1999, 39: 889; Lexa et al., Am J Neuroradiol 1994, 15:
973). Selten sind als Komplikation der Sarkoidose zerebrale ischämische Läsionen beschrieben
(Brown et al., Stroke 1989, 20: 400). Gemäß unseres Wissens wird in der Literatur
bis anhin erst von einem Fall mit meningealem Enhancement und gleichzeitigem Infarkt
im anliegenden Pons in der MRT berichtet, obwohl aus pathologischen Studien eine zerebrale
Angiitis aufgrund der granulomatösen Entzündung der Adventitia seit langem bekannt
ist (Lexa et al., Am J Neuroradiol 1994, 15: 973) und diese zu Hirnstamminfarkten
führen kann. Als Pathomechanismus wird diskutiert, dass die primär leptomeningeale
Entzündung entlang der Virchow-Robin-Räume ins Parenchym vordringt und dort entweder
mechanisch oder entzündlich zu Verschlüssen der perforierenden Arterien führt. Die
Diffusionsbildgebung erlaubt wie in unserem Fall durch die Darstellung des infarkttypischen,
zytotoxischen Ödems eine Abgrenzung zu möglichen sarkoidosespezifischen intraparenchymatischen
Läsionen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass beim Vorliegen einer leptomeningealen Erkrankung
in der MRT-Untersuchung mit Hypophysenstielbefall und feinnodulärem meningealen Enhancement,
im Zusammenhang mit einem Diabetes insipidus und uncharakteristischen neurologischen
Symptomen, eine Neurosarkoidose wahrscheinlich ist. Da in seltenen Fällen als Komplikation
ischämische Veränderungen vorliegen können, sollten bei einem akut aufgetretenen Symptomenkomplex
zusätzlich diffusionsgewichtete MRT-Sequenzen durchgeführt werden.
Springende Punkte
Springende Punkte
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seltene Manifestation der Sarkoidose
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uncharakteristische neurologische Symptome
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hohe Sensitivität der kontrastmittelverstärkten MRT
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zerebrale Ischämie als Komplikation möglich
U. Studler, Ph. Lyrer, A. Kaim, Basel