Die spontane, nicht-traumatische Milzruptur ist ein seltenes Krankheitsbild. Bleibt
die Blutung subkapsulär, spricht man von einer okkulten Ruptur. Auch sog. „chronische”
Milzrupturen sind bekannt, bei denen es zu zeitlichen Verläufen von Monaten bis sogar
mehreren Jahren kommt und die aufgrund einer unterschiedlich ausgeprägten Symptomatik
lange der Diagnostik verborgen bleiben können.
Die spontane Ruptur der gesunden Milz ist ein ausgesprochen seltenes Ereignis (Seufert
RM, Chirurgie der Milz - Praktische Chirurgie Band 95. Stuttgart: Enke, 1983). In
den wenigen dokumentierten Fällen sind meist Koagulopathien oder Antikoagulation ursächlich
für die Ruptur. Während bei spontanen Rupturen vorerkrankter Milzen weltweit die Malaria
als Hauptursache zu nennen ist, steht in westlichen Ländern der Morbus Pfeiffer, bei
welchem das Krankheitsbild in etwa 0,1 - 0,5 % der Fälle zu beobachten ist (Paar et
al., Z Gastroenterol 1995; 33: 13), an erster Stelle. Bei den malignen Grunderkrankungen
sind die akute Leukämie und der Morbus Hodgkin zu nennen. Salmonelleninfektionen als
Ursache einer spontanen Milzruptur sind beschrieben, jedoch selten (Mather et al.,
Med J Aust 1991; 155: 714).
Fallbeschreibung
Wir berichten über einen 74-jährigen Patienten, der über die Ambulanz mit dem Bild
eines akuten Abdomens aufgenommen wird, nachdem seit ca. einer Woche bestehende diffuse
Oberbauchbeschwerden akut exazerbieren. Ein Trauma kann ausgeschlossen werden, Anzeichen
für eine Salmonelleninfektion bestehen nicht. Im Labor fällt eine Leukozytose von
23,6 × 103/µl, Thrombozytose von 876 × 103/µl, Hämoglobin von 17,9 g/l (Hämatokrit 53,4 Vol.%) sowie eine Hyperglykämie von
353 mg/dl auf, die übrigen Parameter sind im Normbereich. Der Röntgenthorax zeigt
einen Zwerchfellhochstand links (Abb. [1]), sonografisch findet sich eine subkapsuläre Flüssigkeitssichel um die Milz (Abb.
[2]). Zur besseren Einschätzung des Befundes und Beurteilung des im Ultraschall nicht
einsehbaren Retroperitoneums erfolgte im Anschluss eine Computertomographie (CT).
Man erkennt ein ausgeprägtes subkapsuläres Hämatom der Milz ohne Anzeichen der Kapselruptur
und Blutung nach intraperitoneal. Gleichzeitig lässt sich in der Milzarterie ein Thrombus
erkennen (Abb. [3]).
Es erfolgt die Splenektomie noch am selben Abend. Der intraoperative Abstrich ergibt
massenhaft Salmonella enteritidis. In der Histologie zeigt sich das Bild einer alten
Milzruptur mit flächenhaften Parenchymeinblutungen, im Hilus findet sich eine thrombosierte
Arteria und Vena lienalis.
Postoperativ entwickelt sich eine Sepsis mit Temperaturen bis 40 °C, hohem Volumenbedarf
und instabilem Kreislauf. Die Blutkultur ergibt Salmonella enteritidis. Die Therapie
mit Imipenem (Zienam®) und Netilmicin (Certomycin®) wird sofort eingeleitet,
additiv wird eine Antisepsistherapie mit Hydrocortison und Pentaglobin begonnen.
Im weiteren Verlauf kommt es zur kardiozirkulatorischen und respiratorischen Dekompensation,
akutem Nierenversagen und der Notwendigkeit zur Hämodiafiltration. Der Patient verstirbt
im septischen Organversagen am 5. postoperativen Tag, die Obduktion ergibt als Todesursache
Herz-Kreislauf-Versagen bei ausgedehnt vorgeschädigtem Herzen. Lunge und Nieren sind
im Sinne einer Schocklunge bzw. -niere verändert. In der Milzloge findet sich eine
chronische Peritonitis.
Diskussion
Da es im oben beschriebenen Fall nicht zur Kapselverletzung mit Blutung nach intraperitoneal
kam, ist von einer okkulten bzw. chronischen Milzruptur auszugehen. Ursächlich ist
hier eine Parenchymschädigung, welche zu wiederholten subkapsulären Blutungen bei
erhaltener Kapsel führt. In unserem Fall liegt pathophysiologisch ein Milzinfarkt
auf dem Boden einer infektiösen Milzarterienthrombose bei klinisch stummer Salmonelleninfektion
vor.
Die Klinik einer spontanen okkulten Milzruptur ist unspezifisch und nicht richtungweisend.
Der Verlauf kann sich Monate oder gar Jahre der Diagnose entziehen. Zahlreiche Krankheitsbilder
wie Herzinfarkte, Pneumonien oder Pankreatitiden können vorgetäuscht werden (Buciuto
et al., Eur J Surg 1992; 158: 129).
Hinweis kann ein linksseitiger Pleuraerguss mit Zwerchfellhochstand sein. Da dies
ein unspezifisches Zeichen ist, wird die Diagnose der Milzruptur meist durch den Ultraschall
gestellt. Im Anschluss sollte frühzeitig eine CT durchgeführt werden, um die Ausdehnung
der Ruptur, Infarzierungen und die Größe des Milzhämatoms zu ermitteln. Diese Informationen
sind relevant, da mit dem Nachweis eines Milzhämatoms die Gefahr einer zweizeitigen
Blutung in die Bauchhöhle besteht. In unserem Fall kam ein großes subkapsuläres Hämatom
zur Darstellung, wobei der Parenchymverlust mehr als 50 % betrug, was neben dem
schlechten Allgemeinzustand des Patienten zur Laparotomie führte. Hinweise für einen
infektiösen Fokus ergaben sich nicht, jedoch ließ sich thrombotisches Material in
den Hilusgefäßen der Milz nachweisen.
Die Therapie ist in der Regel chirurgisch, wobei einige Autoren auch die konservative
Therapie befürworten, sofern guter Allgemeinzustand vorliegt. Schuler und Filtzer
haben 40 Fälle von spontaner Milzruptur aufgearbeitet, hiervon wurden immerhin 12
Patienten (30 %) erfolgreich konservativ therapiert (Schuler et al., Arch Surg 1995;
130: 662). Das Alter betrug durchschnittlich 20,7 Jahre (14 - 41 Jahre), die Patienten
waren also wesentlich jünger als in unserem Fall. Zudem bot unser Patient schon bei
der Aufnahme das klinische Bild eines akuten Abdomens, so dass nach der Diagnose der
Milzruptur die Indikation zur sofortigen Laparotomie bestand. Bei in kurzem Zeitintervall
zunehmender abdomineller Beschwerdesymptomatik und deutlichen Entzündungsparametern
war die Splenektomie indiziert. Postoperativ kam es jedoch zu einem septischen Krankheitsbild
mit Nachweis von Salmonella enteritidis in der Blutkultur. Ursache für die Salmonellen-Sepsis
war vermutlich die hohe Keimbeladung im OP-Gebiet in Kombination mit der perioperativen
Immunsuppression bei deutlich reduziertem Allgemeinzustand des Patienten.
Die Sonographie stellt die Methode der Wahl zur primären Bildgebung der Milz dar und
kann Ruptur oder Infarkt meist zuverlässig darstellen. Nach dieser Primärdiagnose
sollte möglichst ohne Zeitverzögerung eine CT durchgeführt werden, um das Ausmaß der
Ruptur, das Verhältnis von durchblutetem zu infarziertem Milzparenchym und das meist
vorhandene Milzhämatom zu quantifizieren. Der Nachweis eines Milzhämatoms ist klinisch
sehr wichtig, da nach einer Kapselruptur eine lebensbedrohliche Blutung in die Bauchhöhle
erfolgen kann, so dass u.a. basierend auf dem CT-Befund die Indikation zur Laparotomie
gestellt wird. Wird eine Milzruptur diagnostiziert und liegt ein direktes Trauma nicht
vor, sollte man immer die entzündliche Genese in die Differentialdiagnose mit einbeziehen,
wobei die Salmonelleninfektion mit chronischer Milzruptur ein seltenes Krankheitsbild
darstellt.
M. Kimpel, T. Zander, M. Düx, Heidelberg
Abb. 1Thorax pa: Linksseitiger Zwerchfellhochstand.
Abb. 2Sonographie: Perisplenische Flüssigkeitssichel.
Abb. 3KM-CT: Subkapsuläres Hämatom und Parenchymdestruktionen der Milz. Die Pfeilspitzen
markieren ein thrombosiertes Hilusgefäß.