Einleitung
Aus pluripotenten Stammzellen im Knochenmark entwickeln sich über viele Zwischenstufen
reife leukozytäre Zellen. Im Falle einer malignen Transformation und klonalen Expansion
einer sich differenzierenden Zelle des hämatopoetischen Systems gelangt eine große
Zahl atypischer Leukozyten eines einzigen Differenzierungsstadiums in das periphere
Blut. Die malignen Zellen können das gesamte blutbildende System infiltrieren, ebenso
extramedulläre Organe und die Haut [1 ]. Je nach Differenzierungsgrad der Zelle entsteht klinisch das Bild einer akuten
oder chronischen Leukämie.
Insektenstichähnliche Hautveränderungen stellen eine seltene Hautmanifestation bei
Patienten mit malignen hämatopoetischen Erkrankungen dar, ebenso überschießende Reaktionen
auf tatsächlich erfolgte Insektenstiche. Vornehmlich wurden solche Veränderungen bei
Patienten mit chronisch lymphatischer Leukämie (CLL) beschrieben [2 ]
[3 ]
[4 ]
[5 ]. Die Bezeichnung „verstärkte Reaktion auf Insektenstiche” („exaggerated reaction
to insect bites”) wurde von Weed et al. 1965 wegen der auffälligen Morphe der Läsionen
geprägt (Durchmesser über 20 mm, erythematöse, ödematöse und vesikulobullöse Anteile)
[6 ]. Obwohl sich die meisten Patienten nicht an einen Stich erinnern konnten, wurden
diese Effloreszenzen als verstärkte Reaktion auf Insektenstiche gedeutet. Die Genese
ist unklar; am ehesten werden immunologisch bedingte Störungen im Rahmen der lymphoproliferativen
Erkrankung angenommen [3 ]
[6 ].
Anhand der folgenden Kasuistik sollen Klinik, Diagnostik und andere mögliche Ursachen
dieser ungewöhnlichen Läsionen im Rahmen hämatologischer Erkrankungen dargestellt
werden. Dabei wird erstmals über solche Veränderungen bei einer prä-T-ALL berichtet.
Fallbeschreibung
Ein 80-jähriger Patient bemerkte am Kapillitium frontal eine rasch entstandene, schmerzlose
Hautläsion, die er als Insektenstichreaktion deutete und der er zunächst keine weitere
Bedeutung zumaß. Nachdem jedoch nach 14 Tagen keine Rückbildung erfolgt war, stellte
er sich beim Dermatologen vor, der die Verdachtsdiagnose einer Borreliose stellte
und Doxycyclin verordnete.
Die Effloreszenz heilte unter dieser Therapie nicht ab, wurde größer und rötlich-livide.
Die Erstbefundung einer Probebiopsie in einem auswärtigen dermatohistologischen Labor
erbrachte die Verdachtsdiagnose auf ein Pseudolymphom. Es folgte eine weitere referenzpathologische
Beurteilung. In der Biopsie zeigte sich eine Epidermis ohne ausgeprägte Entzündung,
im Korium entzündliche und perivaskulär sowie periadnexiell rundzellige Infiltrate
mit atypischen lymphoiden Zellen, teilweise auf das subkutane Fettgewebe übergreifend.
Nach weiterer molekularpathologischer Analyse mittels PCR und ergänzenden immunhistochemischen
Färbungen ließ sich eine kutane Infiltration durch eine maligne hämatopoetische Neoplasie
darstellen, wobei zunächst an eine myeloische Neoplasie gedacht wurde.
Bei der körperlichen Untersuchung vier Monate später war ein 4 × 5 cm großer rötlich-livider
Knoten frontal (Abb. [1 ]) und eine 2 cm große livide Makula temporal rechts zu dokumentieren. Ansonsten war
die Untersuchung bis auf einen links inguinal palpablen bohnengroßen Lymphknoten unauffällig.
Abb. 1 Akute lymphatische Leukämie (prä-T-ALL): derber, livid-rötlicher Knoten frontal (80-jähriger
Patient).
Laborbefunde und apparative Untersuchungen
Blutbild und Differenzialblutbild: Ery 4,29/pl (NW: 4,6 - 6,2/pl), Hb 14,4 g/dl (NW:
14,0 - 18,0 g/dl), Hk 44,9 % (NW: 40,0 - 54,0 %), MCV 105,0 fl (NW: 82,0 - 95,0 fl),
MCH 33,6pg (NW: 28,0 - 32,0 pg), MCHC 32,0 g/dl (NW: 32,0 - 36,0 g/dl), Leuko 9,3/nl
(NW: 4,0 - 10,5/nl), Thrombo 462/nl (NW: 150 - 400/nl), Lympho 26,0 % (NW: 25,0 -
40,0 %), Neutro 66,2 % (NW: 41,2 - 70,1 %), Eos 0,6 % (NW: 2,0 - 4,0 %), Baso 1,1
% (NW: 0,0 - 2,0 %), Mono 4,0 % (NW: 2,0 - 8,0 %). BSG 1 mm/h.
Ferritin 607 ng/ml (NW: bis 435 ng/ml), Index der alkalischen Leukozytenphosphatase
< 10 (NW: 20-100), b-2- Mikroglobulin 2,4 mg/dl (NW: 0,0 - 2,0 mg/dl).
Normal bzw. negativ waren plasmatische Gerinnung, Serum-Elektrolyte, harnpflichtige
Substanzen, Gesamteiweiß, Serumelektrophorese und Immunfixation, Gesamtbilirubin,
alkalische Phosphatase, Gamma-GT, GOT, GPT, LDH, Vitamin B12 und Folsäure sowie die im Rahmen des Staging durchgeführte Röntgen-Thorax-Untersuchung.
Bei der Oberbauchsonographie zeigte sich eine Splenomegalie (12,4 × 4,7cm). Lymphknotensonographisch
fanden sich lediglich mehrere kleine echoreiche Lymphknoten links zervikal und ein
echoreicher Lymphknoten links inguinal.
Knochenmarkdiagnostik
Ein Beckenkammaspirat erbrachte den Verdacht auf ein myeloproliferatives Syndrom,
am ehesten im Sinne einer chronisch myeloischen Leukämie (CML), wobei zu diesem Zeitpunkt
noch kein molekularbiologischer und zytologischer Befund vorlag.
Eine durchgeführte Durchflusszytometrie des Knochenmarkaspirates zeigte lediglich
myeloische Vorstufen mit Expression von CD 13, CD 33, CD 15 ohne Nachweis eines aberranten
Phänotyps, so dass sich kein Hinweis auf ein leukämisches Knochenmarkinfiltrat ergab.
Die Beckenkammstanze (Abb. [2 ]) zeigte ein stark hyperzelluläres Knochenmark bei trilineärer Hyperplasie der hämatopoetischen
Stammreihen mit Dominanz der Granulopoese. Diese Veränderungen in Verbindung mit einer
Dystopie der Erythropoese und einer Dysmegakaryopoese führten zur Verdachtsdiagnose
einer myelogenen Neoplasie, am ehesten vom Typ eines myelodysplastischen Syndroms
(MDS). Differenzialdiagnostisch konnte eine leukämoide Markhyperplasie nicht eindeutig
ausgeschlossen werden. Referenzpathologisch wurde die Diagnose einer initialen chronisch-myelomonozytären
Leukämie (CMMoL) gestellt. Das initiale Beckenkammtrepanat zeigte immunhistologisch
keine auffälligen Zellinfiltrate bei Färbungen mit den T-Zell-spezifischen Antikörpern
UCHL 1 und CD 3. Auf weitere immunhistochemische Färbungen wurde aufgrund des damaligen
histomorphologischen Befundes verzichtet.
Abb. 2 Knochenstanzzylinder des Beckenkamms mit hyperplastischer, dysplastisch imponierender
Hämatopoese, unten typischer Knochentrabekel (Giemsa 200 × ).
Zytogenetik
Im weiteren Verlauf konnte mittels der Polymerase-Kettenreaktion (PCR) keine Translokation
des c-abl-Protoonkogens von Chromosom 9 zu 22 in die Region des bcr-Gens (bcr-abl-Transskript)
nachgewiesen werden, ebenso war das Karyogramm unauffällig, so dass eine chronisch
myeloische Leukämie (CML) weitestgehend ausgeschlossen werden konnte.
Verlauf
Unter der Verdachtsdiagnose eines myelodysplastischen Syndroms vom Typ einer CMMoL
wurde bei dem Patienten mit einer lokalen Bestrahlungstherapie der Läsion am Kapillitium
begonnen.
Inzwischen bestand nach einer Latenzzeit von weiteren vier Wochen eine morphologisch
gleichartige, makulöse insektenstichähnliche Effloreszenz am rechten Oberarm (Abb.
[3 ]). Wegen papulöser Umwandlung der Läsionen temporal rechts und am Oberarm wurden
diese probebiopsiert (Abb. [4 ]).
Abb. 3 Erythematöser makulopapulöser insektenstichähnlicher Herd am rechten Oberarm.
Abb. 4 Infiltration der Haut und Subkutis durch die prä-T-ALL (HE 20 × ).
Histologisch zeigten sich nodulär konfluierende dermal-subkutane Infiltrate einer
malignen kleinzelligen zelldichten Neoplasie mit Expression von allgemeinem Leukozytenantigen
(LCA) und hohem Proliferationsindex (Ki-67-Index) sowie eine Epidermotropie. Die Zellen
der Infiltrate reagierten nicht mit CD 3, CD 5, CD 45RO (T-Lymphozyten), CD 20 und
CD 79a (B-Lymphozyten). Auch ließen die zum Teil monoblastär imponierenden Tumorzellen
eine myeloische Markexpression vermissen, so dass insgesamt keine Linienspezifität
nachweisbar war.
Zu diesem Zeitpunkt ging man von leukämischen Hautinfiltraten im Rahmen der CMMoL
aus. Allerdings fehlte weiterhin die für eine CMMoL erforderliche periphere Monozytose.
Wegen Progredienz der Hautveränderungen mit Ausbreitung auf das gesamte Integument
wurde eine zusätzliche palliative Chemotherapie mit Hydroxyurea und Cytarabin eingeleitet.
Sechs Monate später kam es unter dem Bild einer Verdrängungsmyelopathie bei einer
Thrombozytenzahl von < 25 000/nl zu Einblutungen in die linke Tonsille und zu einer
substitutionspflichtigen Anämie (Hb 7,0 g/dl).
Die erneute Untersuchung des Knochenmarkaspirates erbrachte den Befund einer akuten
Blastenleukämie mit subtotaler Verdrängung der normalen Hämatopoese. Zytomorphologisch
lagen große monozytoid imponierende Blasten vor mit basophilem Zytoplasma und z. T.
deutlicher Vakuolenbildung, so dass zunächst der Eindruck entstand, es liege eine
Transformation der CMMoL in eine sekundäre akute myeloische Leukämie mit myelomonozytärer
Differenzierung vor.
In der Zytochemie waren die Blasten jedoch negativ für die Reaktionen auf Peroxidase
und Esterase, hingegen stark positiv für PAS (Perjod-Schiff-Säure). Demzufolge konnte
es sich nicht um eine myeloische Leukose handeln, sondern um eine lymphatische.
Die anschließende Immunphänotypisierung erbrachte die Klärung: Phänotypisch lag eine
prä-T-ALL mit starker aberranter Expression von CD 56 (NK-Zellmarker) und schwacher
aberranter Expression des myeloischen Differenzierungsantigens CD 15 vor (bei unreifen
akuten lymphatischen Leukämien nicht selten zu finden).
Der abschließende Phänotyp war somit HLA DR+, intrazytoplasmatisch CD 3+, CD 2+, CD
4+, CD 10+, low CD 15+ (40 %), stark CD 56+, CD 45+, FLT 3+ (Stammzellmarker), CD
43+.
Die in Kenntnis des durchflusszytometrischen Befundes erhobene Knochenmarkhistologie
konnte die abschließende Diagnose einer T-Vorläufer-ALL bestätigen.
Aufgrund des hohen Alters des Patienten wurde ein rein palliatives Therapiekonzept
gewählt, da normale altersadaptierte Induktionsprotokolle akuter Leukämien eine hohe
Toxizität aufweisen und sehr nebenwirkungsreich sind. Es wurde mit einer palliativen
Vorphase mit 2 mg Vincristin in wöchentlichen Abständen und 100 mg Prednisolon pro
Tag begonnen. Unter engmaschiger Kontrolle der Blutbildparameter bei langsamer Reduktion
der Steroiddosis bildeten sich die Hautveränderungen zurück unter gleichzeitiger Blastenclearance
in der Knochenmarkszytologie, was einen ungewöhnlich günstigen Verlauf darstellt.
Diskussion
Das myelodysplastische Syndrom (MDS) ist definiert als heterogene Gruppe klonaler
Erkrankungen der hämatopoetischen Stammzellen mit ineffektiver Hämatopoese und peripherer
Zytopenie (Mono-, Bi-, oder Panzytopenie). Das Knochenmark erweist sich oft als zellreich
mit deutlichen Zeichen der hämatopoetischen Reifungsstörung aller drei Zellreihen
in Form von Dyserythropoese, Dysgranulozytopoese und Dysmegakaryopoese. Hautmanifestationen
sind selten [7 ], bei der chronisch-myelomonozytären Leukämie (CMMoL), einer Unterform von myelodysplastischen
Syndromen mit z. T. deutlichen morphologischen Zügen einer myeloproliferativen Erkrankung
[8 ] werden gelegentlich spezifische Hautinfiltrationen durch myelomonozytäre Zellen
beobachtet [7 ]
[9 ]
[10 ].
Die akute lymphatische Leukämie (ALL) ist eine maligne Erkrankung unreifer lymphatischer
Vorläuferzellen des Knochenmarks [7 ]. Die unkontrollierte Expansion der lymphatischen Blasten führt zu einer Verdrängung
der normalen Blutbildung mit nachfolgender hämatopoetischer Insuffizienz sowie zur
Ausschwemmung lymphatischer Blasten in das periphere Blut und zur disseminierten Infiltration
anderer Organe. Einzelne, transformierte lymphatische Vorläuferzellen bilden den Ausgangspunkt
für die Entstehung der ALL. Die Typisierung der Leukämie in Untergruppen erfolgt nach
immunologischen Kriterien. Das Spektrum reicht von frühen, unreifen Stadien wie pro-B-
oder prä-T-ALL zu reiferen Formen wie die B-ALL oder die reife T-ALL [7 ]. Das Differenzialblutbild zeigt sehr häufig Blasten im peripheren Blut sowie eine
Anämie oder aber eine Thrombozytopenie. Ein normales Differenzialblutbild schließt
eine ALL jedoch nicht aus.
Leucaemia cutis umfasst durch leukämische Zellen hervorgerufene spezifische Hautveränderungen,
bei denen die für die zugrunde liegende Leukämie typischen Zellen histologisch nachzuweisen
sind. Klinisch reicht das Bild von Maculae, Papeln und Knoten, infiltrierenden Plaques
bis zu Ulzera, Ekchymosen und Purpura, es ist jedoch nicht streng spezifisch für einen
bestimmten Leukämietyp [1 ]
[11 ]. Solche Hautveränderungen können bei etwa 7 % der Patienten mit chronisch-lymphatischer
(CLL) oder akuter myeloischer Leukämie (AML) der leukämischen Manifestation im peripheren
Blutbild vorausgehen [1 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]
[15 ]. Leukämische, spezifische Hautinfiltrate zeigen bei akuter Monozytenleukämie, myelomonozytärer
und T-Zell-Leukämie die größte Inzidenz [16 ] und sind häufig mit leukämischen Infiltraten in anderen extramedullären Organen
assoziiert [16 ]
[17 ]
[18 ].
Unspezifische Hautveränderungen kommen bei etwa 30 % der Patienten mit Leukämie vor
und sind meist Folge der gestörten Hämatopoese, können aber auch als Paraneoplasie
in Erscheinung treten. Bekannt sind Petechien und Ekchymosen aufgrund der hämorrhagischen
Diathese, Hautmykosen, unstillbarer Pruritus, urtikarielle, ichthyosiforme, ekzematoide
oder makulopapulöse Hautveränderungen, bullöses Pemphigoid, Sweet-Syndrom oder Pyoderma
gangraenosum [1 ]
[19 ]. Bei der AML findet man neben spezifischen auch eine besonders große Vielfalt an
unspezifischen Hautveränderungen [20 ].
Spezifische und unspezifische Läsionen können histologisch-immunhistochemisch voneinander
differenziert werden, da das Färbemuster der spezifischen Hautinfiltrate dem der transformierten
Zellen des Knochenmarkes entspricht [21 ]
[22 ]. Die Schwierigkeit der Unterscheidung von spezifischen und unspezifischen Läsionen
wird von Allen und Bluefarb [23 ]
[24 ] hervorgehoben und die Wichtigkeit der histologischen Abklärung verdeutlicht.
Bei Leukämien mit spezifischen Hautinfiltraten besteht ein beträchtliches Risiko,
innerhalb weniger Monate das Vollbild einer akuten Leukämie zu entwickeln. Eine bioptisch
gesicherte Leucaemia cutis hat mit etwa drei Monaten mittlerer Überlebenszeit nach
Diagnosestellung eine schlechte Prognose [25 ]
[26 ].
Verstärkte Reaktionen auf Insektenstiche werden bei Patienten mit CLL unabhängig von
Laborwerten, Krankheitsverlauf oder Therapie beschrieben [2 ]
[6 ]
[27 ]. Die Lokalisation an exponierten Arealen wie Gesicht und Extremitäten [2 ]
[6 ], die Morphe, die Rückbildung innerhalb von 2-14 Tagen, die Histologie mit dichten
dermalen perivaskulären und interstitiellen Infiltraten von Eosinophilen und Lymphozyten,
teilweise auch Histiozyten [2 ]
[6 ] und das Auftreten von Mai bis September sprechen für Reaktionen auf Insektenstiche,
auch wenn der Stich meist nicht erinnerlich ist [2 ]
[6 ]. Ähnlichkeit wurde auch zu Läsionen nach Insektenstichen bei anderen immunsuppressiv
wirkenden Erkrankungen wie HIV [28 ]
[29 ], kongenitaler Agammaglobulinämie [30 ] und large granular lymphocyte leukemia [31 ]
[32 ] festgestellt und als Ursache eine Dysregulation des Immunsystems diskutiert.
Im Gegensatz dazu sprach der Verlauf, die Verteilung der Läsionen sowie die Effektivität
der präventiven Maßnahmen bei anderen Patienten, gegen das Vorliegen von Insektenstichen.
Barzilai et al. [27 ] untersuchten acht hämatologisch erkrankte Patienten mit insektenstichähnlichen Hautveränderungen
ohne Erinnerung an einen Stich und fanden als weitere mögliche Ursachen bei einem
Patienten eine begonnene Chemotherapie, bei einem anderen ein spezifisches Infiltrat
im Rahmen einer Leucaemia cutis bei CLL. Deshalb wurde der Ausdruck „insektenstichähnliche
Hautveränderung” („insect bite-like reaction”) oder „eosinophiler Ausschlag hämatoproliferativer
Krankheiten” („eosinophilic eruption of hematoproliferative disease”) geprägt. Insektenstichähnliche
Hautveränderungen wurden hier in die Liste der nicht-spezifischen Hautveränderungen
bei Patienten mit malignen hämatopoetischen Neoplasien aufgenommen, da sie nicht nur
bei CLL beobachtet wurden, sondern auch andere Ursachen infrage kamen.
Unter Berücksichtigung der genannten Punkte können insektenstichähnliche Hautveränderungen
bei hämatologisch erkrankten Patienten wirklich durch Stiche, aber auch durch eine
begonnene Therapie oder durch spezifische Infiltrate der zugrundeliegenden Erkrankung
verursacht werden.
Im Fall einer verstärkten Stichreaktion mag bei normalem Immunstatus die aufgrund
immunologischer Reize stattfindende größere Mobilität der malignen Lymphozyten eine
Rolle spielen oder aber eine durch leukämische Alteration hervorgerufene stärkere
Immunantwort bewirkt eine sekundäre Einwanderung der Zellen der neoplastischen Klone
des Knochenmarks in die Haut [6 ]
[27 ].
Bei dem hier vorgestellten Patienten sprach die ausgebliebene Rückbildung der Läsion
ebenso wie die winterliche Jahreszeit für eine andere Genese und nicht für einen Insektenstich.
Phänotypisch liegt bei dem Patienten eine akute T-lymphatische Leukämie vor, da neben
den oben angeführten T-Zellmarkern (cyCD 3, CD 2, CD 4) das Stammzellantigen FLT 3
exprimiert wird, sich eine aberrante Expression eines myeloischen Antigens findet
und CD 10 koexprimiert wird, wie es häufig bei unreifen akuten lymphatischen Leukämien
mit T-Zell-Phänotyp zu finden ist.
Die aberrante Expression von CD 56 mag möglicherweise den ungewöhnlichen, klinischen
Verlauf und den Hauttropismus erklären. In der Literatur werden ähnliche, zumeist
aggressiv verlaufende Erkrankungen beschrieben, die, wenn sie zusätzlich positiv für
CD 4 sind, als blastoide NK-Zell-Lymphome/Leukämien bezeichnet werden und als myeloische
NK-Zell-precurser-Leukämie, wenn myeloische Antigene wie CD 13, CD 33 und das Stammzellantigen
CD 34 zu finden sind [33 ]. Für beide gilt als charakteristischer Phänotyp: sCD 3-, CD 16-,CD 56+, CD 57-.
Nach unserer Kenntnis der Literatur wurde bisher kein Fall einer prä-T-ALL beschrieben,
bei dem insektenstichähnliche Hautveränderungen im Sinn einer primär kutanen Manifestation
der Grunderkrankung auftraten. Was die Frage der Spezifität betrifft, so ist diese
noch nicht endgültig geklärt. In der kürzlich von Barzilai et al. [27 ] publizierten Übersicht werden insektenstichähnliche Hauteffloreszenzen bei Leukämie
zu den unspezifischen Hautveränderungen gerechnet. Bei unserem Patienten ist aufgrund
der zweifelsfrei neoplastischen Hautinfiltration jedoch ein der Diagnosestellung vorausgehendes
spezifisches Infiltrat anzunehmen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass insektenstichähnliche Hautveränderungen, die
nicht von selbst oder unter Antibiose abheilen, ein Warnsymptom darstellen.
Maligne hämatologische Erkrankungen können bei Patienten mit noch unauffälligen Blutparametern
und ohne subjektive Krankheitszeichen durch eine harmlose, an Insektenstiche erinnernde
Morphe oder aber auch durch spezifische und unspezifische Infiltrate maskiert sein.
Die Diagnostik stützt sich auf eine sorgfältige Anamnese, eine Probebiopsie mit immunhistochemischer
Färbung mittels spezifischer Marker, die histologische und zytologische Knochenmarkuntersuchung
sowie die FACS-Analyse [34 ]. Diese Untersuchungen sollten unverzüglich erfolgen, damit zu einem möglichst frühen
Zeitpunkt eine adäquate Therapie eingeleitet werden kann.