Die Fremdkörperaspiration oder -ingestion ist ein häufiges Problem in der Pädiatrie
und der pädiatrischen Radiologie. Während die Aspiration immer einer Abklärung und
Therapie bedarf, verläuft die Ingestion von Fremdkörpern meistens komplikationslos.
Die Frage, wann und ob welche Art von Diagnostik und Therapie erforderlich ist, wurde
aktuell gerade wieder kontrovers diskutiert (Winkler U et al., Deutsches Ärzteblatt
2000; 97(6): A316).
Fallbeschreibung
Wir berichten über ein 1¿-jähriges Mädchen, das sich nach Angaben der Eltern beim
Essen von Kartoffelbrei mit einzelnen Stücken Hühnerfleisch „verschluckt” habe mit
anschließendem Husten und Erbrechen mit einzelnen kleinen Blutbeimengungen. In der
Notfallambulanz zeigte das ansonsten klinisch unbeeinträchtigte Kind als Leitsymptom
zunächst ein auffallendes Speicheln. Die Inspektion von Mund und Rachenraum sowie
die Auskultation der Lungen erbrachten keinen pathologischen Befund.
Die Thorax-Durchleuchtung zeigte seitengleich belüftete Lungen ohne Mediastinalpendeln,
somit bestand kein Anhalt für eine Aspiration in den Bronchialbaum. Bei der Durchführung
des Ösophagus-Breischlucks war das Kind nach kurzem Zögern in der Lage, das angebotene
Kontrastmittel problemlos zu schlucken. Das Kontrastmittel passierte den Ösophagus
ungehindert ohne Nachweis einer Aussparung. Entsprechend der problemlosen Kontrastmittelaufnahme
war auch die Symptomatik des Speichelns nach der Untersuchung vollständig behoben
und das Kind zunächst völlig symptomfrei. In der Ausspielung der vor der Kontrastmittelgabe
durchgeführten Leeraufnahme zeigte sich allerdings eine - unter Durchleuchtung auf
dem Monitorbild nicht erkennbare - haarfeine, annähernd kalkdichte Linie in Projektion
auf den Pharynx, die in allen weiteren Aufnahmen nicht mehr nachweisbar war (Abb.
[1]). In der zur näheren Lokalisation nochmals angeschlossenen Durchleuchtung ließ sich
der Befund auf dem Monitorbild jedoch wiederum nicht erkennen, weitere Zielaufnahmen
reproduzierten den Befund in der strengen a.p.-Projektion wiederum, nicht jedoch in
zwei weiteren nur minimal veränderten oder der seitlichen Projektionen (Abb. [2 a] u. b).
Das Kind entwickelte nach einem symptomfreien Intervall von mehreren Stunden einen
ausgeprägten inspiratorischen Stridor. Eine konventionelle Zielaufnahme in zwei Ebenen
(Abb. [3 a] u. b) bestätigte die Persistenz der haarfeinen Linie in der strengen a.p.-Projektion.
Es wurde eine Laryngoskopie durchgeführt, die den Verdacht auf einen dünnen, flächigen
Fremdkörper bestätigte: es fand sich ein hauchdünner, dreieckförmiger, etwa 1 × 1,5
cm messender Hühnerknochen in Höhe der Stimmbänder (Abb. [4]). (Der Hühnerknochen entstammt in erster Linie einem kielförmigen Anteil des Sternums
des Huhns.) Dieser konnte mittels Magillzange problemlos entfernt werden. Unter systemischer
Kortikoidtherapie kam es zur vollständigen Rückbildung der Klinik und das Kind wurde
beschwerdefrei entlassen.
Diskussion
Die fragliche Aspiration oder Ingestion von Fremdkörpern ist ein gängiges Problem
der pädiatrischen und damit auch der pädiatrisch-radiologischen Routine. Über das
Vorgehen bei einer Aspiration liegt weitgehend Konsens vor. Die Aspiration der meist
nicht röntgenschattengebenden Fremdkörper, z. B. Erdnüsse, erfolgt meist in den rechten
Hauptbronchus. Sie führt zu einem Ventilmechanismus, der durch die vermehrte Luftfüllung
der betroffenen Seite und das Mediastinalpendeln zur gesunden Seite radiologisch nachgewiesen
wird. Die Therapie besteht in der bronchoskopischen Entfernung.
Notwendigkeit, Zeitpunkt und Art von Diagnostik und Therapie bei dem Verdacht auf
eine Fremdkörperingestion stehen im Gegensatz dazu jedoch immer wieder zur Diskussion
(Winkler U et al, Deutsches Ärzteblatt 2000; 97(6): A316).
Ingestierte Fremdkörper gehen meist komplikationslos via naturalis ab, insbesondere
nach erfolgter Passage über den Pylorus. Sie führen nur selten zu ernsthaften klinischen
Problemen. Eine Therapie ist erforderlich, wenn sie im Ösophagus stecken bleiben,
eventuell auch bei längerem Verbleib im Magen oder einem in Relation zum Kind sehr
großen Fremdkörper. Des Weiteren ist die Frage des Materials und daraus resultierender
möglicher Komplikationen wie Ulcera oder Verätzungen für das Vorgehen entscheidend.
Sehr häufig handelt es sich um röntgendichte Fremdkörper (Münzen, Nägel, Knopfbatterien),
die durchleuchtungsunterstützt mittels Magnetsonde oder Ballonkatheter extrahiert
werden können. Alternativ bzw. bei fehlendem Erfolg der genannten Methoden erfolgt
die endoskopische Entfernung. Die genannten Verfahren sind etabliert jedoch immer
wieder in ihrer Wertigkeit diskutiert (AlQudah A et al, Europ J Cardio Thorac Surg
1998; 13(5): 494; Conners GP, Ped Emerg Care 1997; 13(2): 154; Harned RK et al, Am
J Roentgenol 1997; 168(2): 443; Kim JK et al, Endoscopy 1999; 31(4): 302; Morrow SE
et al, J Ped Surg 1998; 33(2): 266) und hängen nicht zuletzt auch von den lokalen
Bedingungen der Verfügbarkeit sowie der eventuellen Notwendigkeit einer Sedierung
oder Narkose ab. Der radiologische Nachweis nicht röntgendichter FK ist nur bei Lokalisation
im Oesophagus anhand einer Kontrastmittelaussparung im Breischluck möglich und kann
je nach Größe und Form (insbesondere bei Kleinkindern) schwierig sein.
Über einzelne Fälle mit schwerwiegenden Komplikationen wurde berichtet, z. B. über
die Perforation einer Walnuss (Litzlbaur HD et al, Eurp Radiol 1999; 9(5): 1009) oder
eines Hühnerknochens (Simic MA et al, Am J Forens Med Path 1998; 19(2): 166), eine
Fistelbildung zur A. subclavia bei Ingestion einer Fischgräte (Leow CK, Surg Today
Japan J Surg, 1998: 28(4): 409) oder eine ösophago-aortale Perforation (Dahiya M et
al., Am J Forens Med Pathol 1999; 20(2): 184; Sugawara Y et al., Surg Today Japan
J Surg 1998; 28(8): 843). Eine Studie an 327 Patienten (Singh B et al., Ann Otol Rhinol
Larnygol 1997; 106(4): 301) hat gezeigt, dass insbesondere spitze, nicht röntgenologisch
darstellbare Fremdkörper, z. B. Fischgräten, und deren Lokalisation im Pharynx bei
Patienten über 10 Jahren als gefährlich anzusehen sind.
Bei dem vorliegenden Fall handelt es sich in zweierlei Hinsicht um eine seltene Konstellation.
Erstens muss der Fremdkörper direkt zu Beginn der Untersuchung seine Position so verändert
haben, dass er durch die Ausrichtung in sagittaler Ebene den Schluckakt nicht mehr
behindert hat. Das Symptom der Ingestion, das Speicheln, sistierte somit. Es kam zu
einem symptomfreien Intervall, nach dem erst die einsetzende Schleimhautschwellung
in Höhe der Stimmbänder zu dem Symptom der Aspiration, dem Stridor führte. Zweitens
war die Diagnose radiologisch erschwert durch die ungewöhnliche Form des hauchdünnen
Knochens, der lediglich in einer Projektion darstellbar, dort aber reproduzierbar
war. Die unzureichende Qualität des Durchleuchtungsmonitorbildes weist auf die Notwendigkeit
einer entsprechenden Zielaufnahme hin. Die besondere Gefährdung, die sich durch spitze
Fremdkörper im Larynx, Pharynx oder oberen Ösphagus ergibt, erfordert eine besondere
Sorgfalt in der Diagnostik.
Zusammenfassend spielt grundsätzlich die Klinik die führende Rolle für die weiteren
radiologischen und endoskopischen Maßnahmen, wobei einer möglichen Ingestion oder
Aspiration eines nicht-röntgendichten, spitzen Fremdkörpers bei Kindern besondere
Aufmerksamkeit zu schenken ist und gegebenenfalls eine frühzeitige Endoskopie erfolgen
sollte. Jeder radiologisch nachgewiesene Befund ist bei entsprechender Anamnese ohne
Klinik zumindest kontrollbedürftig. Jede klinische Symptomatik aber erfordert selbst
bei fehlendem radiologischen Befund eine weitere Abklärung.
F. Körber, G. Willig, G. Hüls, G. Alzen,Gießen
Abb. 1Digitale Aufnahme a. p. mit Darstellung des haarfeinen Fremdkörpers.
Abb. 2(a) Digitale Aufnahme gedreht. (b) Digitale Aufnahme gedreht.
Abb. 3(a) Konventionelle Zielaufnahme a. p. (b) Konventionelle Zielaufnahme seitlich.
Abb. 4Mittels Magillzange entfernter Hühnerknochen.