Aktuelle Dermatologie 2001; 27(6): 202-204
DOI: 10.1055/s-2001-14536
KASUISTIK
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Pinkus-Tumor, solides Basalzellkarzinom und Mehrsegment-Zoster in der Lumbalregion

Fibroepithelioma of Pinkus, Basal Cell Carcinoma and Multisegmental Zoster in the Lumbal RegionGisela Bormann, Silke Born, W. C. Marsch
  • Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (Direktor: Prof. Dr. W. Ch. Marsch)
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Dr. med. Gisela  Bormann

Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Kromayer-Straße 5/6
06097 Halle (Saale)

Publication History

Publication Date:
31 December 2001 (online)

Table of Contents #

Zusammenfassung

Eine 93-jährige Frau entwickelte innerhalb von 5 Jahren einen Pinkus-Tumor und ein Basalzellkarzinom in der Lumbalregion. Aufgrund eines Mehrsegment-Zosters, der sich, ausgehend von den beiden Tumoren über der Lendenwirbelsäule, in den Segmenten L1-L3 entwickelt hatte, wurde die Patientin akut behandlungsbedürftig. Pinkus-Tumoren treten bevorzugt lumbosakral auf. Häufig haben Patienten mit multiplen Pinkus-Tumoren und Basalzellkarzinomen in der Lumbosakralregion viele Jahre vor der Entstehung der Tumoren eine Radiotherapie, z. B. aufgrund einer ankylosierenden Spondylitis, erhalten. Bei unserer Patientin kam diese Ursache nicht in Betracht. Pathogenetisch ist ein lumbosakraler neurokutaner Terrainfaktor vorstellbar, der möglicherweise durch eine Minderung der lokalen Immunität die Entwicklung der basalzelligen Tumoren und die Entstehung des Mehrsegment-Zoster begünstigt haben könnte.

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Fibroepithelioma of Pinkus, Basal Cell Carcinoma and Multisegmental Zoster in the Lumbal Region

A 93-year old woman presented with a fibroepithelioma of Pinkus and a basal cell carcinoma, which both had developed within the past 5 years in close apposition in the lumbal region. She was admitted to hospital because of a multisegmental zoster, which had evolved in the area of the two tumours. The lumbosacral region is the site of predilection of these fibroepitheliomas of Pinkus. There is often a history of prior regional radiotherapy. However, this was not the case in our patient. Pathogenetically, we speculate that a lumbosacral neurocutaneous terrain factor with a local deficiency of immunity was present. This could have be the basis for the development of two different tumours from basocellular origin and the reactivation of varicella-zoster virus infection involving several dermatoms.

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Einleitung

Pinkus-Tumoren sind meist einzeln, gelegentlich auch in der Mehrzahl, bevorzugt am Rücken von älteren Patienten auftretende, pedunkulierte, fleischfarbene Knoten, die häufig mit gewöhnlichen Basalzellkarzinomen in der unmittelbaren Nachbarschaft vergesellschaftet sind [4] [8] [11]. Das klinische Bild erinnert an gutartige polypöse Tumoren, wie Fibrome, Fibrolipome oder Neurofibrome.

Pinkus-Tumoren sind eine seltene Variante der Basalzellkarzinome. Als Erstbeschreiber gilt Herrmann Pinkus, der das „prämaligne Fibroepitheliom” 1953 aufgrund des histologischen Bautyps von den übrigen Basalzellkarzinomen abgrenzte [10]. Feingeweblich findet man in einem übermäßig stark ausgebildeten Bindegewebskörper dünne, anastomosierende Stränge basaloider Keratinozyten [4] [8] [10] [13]. Pinkus beschrieb den Tumor sehr bildlich als „Schwamm mit dünnen epithelialen Septen” und ordnete ihn den oberflächlichen Basalzellkarzinomen zu [10] [11]. Er bezeichnete den Tumor als „prämaligne”, da sich dieser bei Überwiegen der epithelialen Komponente in ein ulzerierendes Basalzellkarzinom umwandeln kann [11].

In der Wachstumstendenz und Prognose unterscheiden sich Pinkus-Tumoren nicht von Basalzellkarzinomen [4].

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Kasuistik

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Anamnese

Eine 93-jährige Frau wurde wegen eines linksseitigen Mehrsegment-Zosters im Segment L1-L3 stationär eingewiesen. Das Krankheitsbild hatte 2 Tage vorher mit hämorrhagischen Bläschen am linken Oberschenkel begonnen. Die Patientin gab keine Schmerzen an. Fieber bestand ebenfalls nicht. Bei der Untersuchung der Patientin fielen 2 exophytische Tumoren über der Lendenwirbelsäule auf, die seit etwa 5 Jahren langsam und ohne Beschwerden auszulösen gewachsen seien. Eine Bestrahlung habe in diesem Bereich nie stattgefunden.

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Hautbefund

Über den Dornfortsätzen der oberen Lendenwirbelsäule zeigen sich 2 exophytische, scharf begrenzte, leicht auf der Unterlage verschiebliche Tumoren (Abb. [1]). Der kraniale der Tumoren ist lividrot, misst ca. 5 × 7 cm, hat eine zerklüftete Oberfläche und weist einzelne hämorrhagische Krusten auf. Der blassrote, kaudale Tumor ist ca. 4 × 5 cm groß und zeigt eine glattere, etwas glänzende Oberfläche.

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Abb. 1Tumoren über den Dornenfortsätzen der Lendenwirbelsäule (L2/L3) der 93-jährigen Patientin, kranialer Tumor: solides Basalzellkarzinom, kaudaler Tumor: Pinkus-Tumor.

Im Bereich der Dermatome L1-L3, paravertebral links, ausgehend von den beiden Tumoren bis auf den Oberschenkel und zum Mons pubis ziehend, sieht man gürtelförmig angeordnete, teilweise hämorrhagische Bläschen und Krusten auf Erythemflächen (Abb. [2]).

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Abb. 2Zoster in den Dermatomen L1 - L3 links, ausgehend von den Tumoren über den Dornfortsätzen.

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Histologie

Kranialer Tumor: Klassisches solides Basalzellkarzinom mit Invasion bis in das untere Korium.

Kaudaler Tumor (Abb. [3]): Fibroepitheliom (= Pinkus-Tumor) als Sonderform eines Basalzellkarzinoms. Retikuläre Proliferationen von ausdifferenzierten Keratinozyten im Sinne eines Stratum spinosum, daneben aber auch kleine Komplexe mit basaloider Differenzierung und klassischen peripheren Retraktionsphänomenen, zusätzlich eine muzinös durchtränkte Stromareaktion.

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Abb. 3Pinkus-Tumor: retikuläre Proliferationen von ausdifferenzierten Keratinozyten, daneben auch kleine Komplexe mit basaloider Differenzierung und klassischen peripheren Retraktionsphänomenen (HE × 40).

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Weitere Befunde

Serologisch konnte die Varizella-Zoster-Reaktivierung bestätigt werden (IgG-Ak-Titer deutlich erhöht, IgM-Titer grenzwertig). Es ließ sich eine mäßiggradige mikrozytäre Anämie sowie eine leichte Kreatininerhöhung nachweisen. Eine Röntgen-Aufnahme der LWS in 2 Ebenen war bis auf degenerative Veränderungen unauffällig. In der Röntgen-Aufnahme des Thorax und einer CT-Thorax zeigten sich ein bilateral vergrößertes Herz, Zeichen einer chronisch-pulmonalen Hypertension sowie eine retrosternale Struma. Die Suche nach okkultem Blut im Stuhl blieb negativ. Ebenfalls unauffällig war die Oberbauchsonographie.

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Therapie und Verlauf

Die Patientin erhielt eine intravenöse Therapie mit 3 × 5 mg/kg Körpergewicht Aciclovir über 7 Tage. Der Zoster heilte hierunter ab. Aufgrund des altersbedingten reduzierten Allgemeinzustandes der Patientin und der Größe der Tumoren hielten wir von einer operativen Therapie Abstand. Es wurde eine Strahlentherapie mit einer Röntgenhalbtiefentherapie (125 kV) für 9 Tage begonnen und im Anschluss mit einer Elektronenbestrahlung (9 MeV) fortgesetzt. Insgesamt wurden 17 Sitzungen à 3 Gy durchgeführt. Bei Abschluss der Strahlentherapie zeigte sich eine Größenabnahme der Tumoren. Die Patientin stellte sich dann nicht erneut vor.

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Diskussion

Pinkus-Tumoren treten im Allgemeinen in der 2. Lebenshälfte auf. Der bevorzugte Sitz der Tumoren ist die Lumbosakralregion (hier vor allem median und paravertebral), die Leistenbeugen, das Abdomen sowie die untere Extremität [9]. Unsere Patientin wies demnach einen Tumor in typischer Lokalisation auf. Eventuell ist das Auftreten der Pinkus-Tumoren in der Lumbosakralregion auf bestimmte Terrainfaktoren zurückzuführen. Pinkus-Tumoren haben eine schwammartige Konsistenz und können bis kindsfaustgroß werden [5] [6]. In 2 Fällen sind Pinkus-Tumoren an der Haut über einem Mamma-Karzinom gefunden worden [1].

Hinsichtlich der Histopathogenese geht man von einer engen Verwandtschaft von Basalzellkarzinomen und Fibroepitheliomen aus. Weshalb es zu der überschießenden Bildung eines fibrösen Stromas kommt, ist unbekannt. Angaben zu Inzidenz und Prävalenz der Pinkus-Tumoren sowie zur relativen Häufigkeit der Pinkus-Tumoren unter den Basalzellkarzinomen waren der Literatur nicht zu entnehmen. Von einigen Autoren wird vermutet, dass es sich um eine Ausdehnung eines Basalzellkarzinoms entlang der Schweißdrüsengänge handelt, wobei diese als Leitschiene für die Ausbreitung der Tumorstränge dienen sollen [13]. Eine Therapie der Pinkus-Tumoren kann durch Exzision oder alternativ durch Strahlentherapie erfolgen. Aufgrund der möglichen Umwandlung des Pinkus-Tumors in ein ulzeriertes Basalzellkarzinom ist eine Therapie grundsätzlich angezeigt. Wir entschlossen uns zu einer Radiatio, da der Allgemeinzustand der Patientin einen der Größe und der Lokalisation der Tumoren entsprechenden operativen Eingriff nicht zuließ. Mehrere Autoren berichteten über das gehäufte Auftreten von multiplen Pinkus-Tumoren und Basalzellkarzinomen viele Jahre nach einer Röntgentherapie im Bereich der Wirbelsäule [2] [3] [4] [12]. Außerdem wird diskutiert, ob nicht auch die während einer konventionellen Röntgen-Aufnahme der Lumbosakralregion anfallenden Strahlendosen für die Tumorauslösung ausreichend sein könnten [7]. Da man in Pinkus-Tumoren und auch in Arealen mit chronischer Radiodermatitis eine erhöhte Dichte von Merkel-Zellen gefunden hat, wurde eine pathogenetische Rolle der Merkel-Zellen bei der Entstehung der Pinkus-Tumoren vermutet. Die neuroendokrinen Merkel-Zellen sollen regulativ im Wachstumsprozess des Follikelepithels wirken [7]. Unsere Patientin hat weder eine Bestrahlungstherapie noch häufige diagnostische Röntgen-Aufnahmen der Lendenwirbelsäule erhalten.

Möglicherweise ist die Entstehung eines Pinkus-Tumors durch einen neurokutanen Terrainfaktor bedingt, der zumindest eine Minderung der lokalen Immunität beinhaltet. So würde auch der nicht erkennbar durch vertebragene Faktoren reaktivierte, gar mehrere Dermatome erfassende Zoster in einem pathogenetischen Zusammenhang erklärlich werden.

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Literatur

  • 1 Bryant J. Fibroepithelioma of Pinkus overlying breast cancer.  Arch Dermatol. 1985;  121 310
  • 2 Cahuzac P, Hermier C, Thivolet J. Tumeurs fibro-épithéliales de Pinkus et antécédents d’irradiation. Analyse d’une étude portant sur 20 sujets.  Ann Dermatol Venereol. 1982;  109 355-358
  • 3 Colombe D, Drevon J P, Kirkorian M, Gho A. Le rôle cancérigène des irradiations antérieures par des rayons x dans les épithéliomatoses multiples du dos.  Ann Dermatol Venereol. 1985;  112 13-15
  • 4 Colombe D, Vittori F, Perraud R. Les épithéliomas baso-cellulaires et les tumeurs fibro-épithéliales de Pinkus multiples de la région lombo-sacrée.  Sem Hôp Paris. 1975;  51 2655-2664
  • 5 Feinberg H. Premalignant fibroepithelial tumors of Pinkus.  Arch Dermatol. 1968;  97 604-606
  • 6 Gellin G A, Bender B. Giant premalignant fibroepithelioma.  Arch Dermatol. 1966;  94 70-73
  • 7 Hartschuh W, Schulz T. Merkel cell hyperplasia in chronic radiation-damaged skin: its possible relationship to fibroepithelioma of Pinkus.  J Cutan Pathol. 1997;  24 477-483
  • 8 Hornstein O. Über die Pinkussche Varietät der Basaliome.  Hautarzt. 1957;  8 406-411
  • 9 Jones C C, Ansari S J, Tschen J A. Cystic fibroepithelioma of Pinkus.  J Cutan Pathol. 1991;  18 220-222
  • 10 Pinkus H. Premalignant fibroepithelial tumors of skin.  Arch Dermatol. 1953;  67 598
  • 11 Pinkus H. Epithelial and fibroepithelial tumors.  Arch Dermatol. 1965;  91 28-37
  • 12 Sarkany R B, Fountain C D, Evans R, Morrison R, Szur L. Multiple basal-cell epitheliomata following radiotherapy of the spine.  Br J Dermatol. 1968;  80 90-96
  • 13 Stern J B, Haupt H M, Smith R L. Fibroepithelioma of Pinkus: eccrine duct spread of basal cell carcinoma.  Am J Dermatopathol. 1994;  16 585-587

Dr. med. Gisela  Bormann

Universitätsklinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie
der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Kromayer-Straße 5/6
06097 Halle (Saale)

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Literatur

  • 1 Bryant J. Fibroepithelioma of Pinkus overlying breast cancer.  Arch Dermatol. 1985;  121 310
  • 2 Cahuzac P, Hermier C, Thivolet J. Tumeurs fibro-épithéliales de Pinkus et antécédents d’irradiation. Analyse d’une étude portant sur 20 sujets.  Ann Dermatol Venereol. 1982;  109 355-358
  • 3 Colombe D, Drevon J P, Kirkorian M, Gho A. Le rôle cancérigène des irradiations antérieures par des rayons x dans les épithéliomatoses multiples du dos.  Ann Dermatol Venereol. 1985;  112 13-15
  • 4 Colombe D, Vittori F, Perraud R. Les épithéliomas baso-cellulaires et les tumeurs fibro-épithéliales de Pinkus multiples de la région lombo-sacrée.  Sem Hôp Paris. 1975;  51 2655-2664
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  • 6 Gellin G A, Bender B. Giant premalignant fibroepithelioma.  Arch Dermatol. 1966;  94 70-73
  • 7 Hartschuh W, Schulz T. Merkel cell hyperplasia in chronic radiation-damaged skin: its possible relationship to fibroepithelioma of Pinkus.  J Cutan Pathol. 1997;  24 477-483
  • 8 Hornstein O. Über die Pinkussche Varietät der Basaliome.  Hautarzt. 1957;  8 406-411
  • 9 Jones C C, Ansari S J, Tschen J A. Cystic fibroepithelioma of Pinkus.  J Cutan Pathol. 1991;  18 220-222
  • 10 Pinkus H. Premalignant fibroepithelial tumors of skin.  Arch Dermatol. 1953;  67 598
  • 11 Pinkus H. Epithelial and fibroepithelial tumors.  Arch Dermatol. 1965;  91 28-37
  • 12 Sarkany R B, Fountain C D, Evans R, Morrison R, Szur L. Multiple basal-cell epitheliomata following radiotherapy of the spine.  Br J Dermatol. 1968;  80 90-96
  • 13 Stern J B, Haupt H M, Smith R L. Fibroepithelioma of Pinkus: eccrine duct spread of basal cell carcinoma.  Am J Dermatopathol. 1994;  16 585-587

Dr. med. Gisela  Bormann

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der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg

Ernst-Kromayer-Straße 5/6
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Abb. 1Tumoren über den Dornenfortsätzen der Lendenwirbelsäule (L2/L3) der 93-jährigen Patientin, kranialer Tumor: solides Basalzellkarzinom, kaudaler Tumor: Pinkus-Tumor.

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Abb. 2Zoster in den Dermatomen L1 - L3 links, ausgehend von den Tumoren über den Dornfortsätzen.

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Abb. 3Pinkus-Tumor: retikuläre Proliferationen von ausdifferenzierten Keratinozyten, daneben auch kleine Komplexe mit basaloider Differenzierung und klassischen peripheren Retraktionsphänomenen (HE × 40).