Fallbericht
Anamnese: Stationäre Aufnahme des
12-jährigen Mädchens in eine auswärtige Klinik wegen eines
zunehmenden Ikterus, wechselnder Übelkeit und acholer Stühle,
Verdachtsdiagnose: Hepatitis.
Untersuchungsbefund: Leicht reduzierter
Allgemein- und Ernährungszustand, geringer Ikterus, ca.
8 - 10 cm großer derber rechtsseitig tastbarer
Oberbauchtumor.
Laborbefunde: Im Sinne einer Cholestase und
Pankreatitis verändert.
Bildgebende Diagnostik: MRT
(Abb. [1]) und MRCP (Abb. [2]): ca. 12 cm großer, gekapselter,
teilvaskularisierter, fettgewebsreicher, solider Tumor in der Leberpforte bzw.
im Pankreaskopfbereich mit konsekutiver Erweiterung der intra- und
extrahepatischen Gallenwege, unauffälliger Ductus pancreaticus, keine
Infiltration in umgebende Organe, nach Kontrastmittelgabe
Signalverstärkung der Tumorkapsel.
Weiterer Verlauf: Nach dieser Diagnostik
Verlegung des Mädchens zur weiteren Abklärung und der sich daraus
ergebenden Therapie in unser Haus. Vor der Laparotomie mit geplanter Biopsie
nochmals Durchführung einer Abdomensonographie (Abb. [3]). Diese erbringt gegenüber den Voruntersuchungen
keine neuen Erkenntnisse. Eine Magen-Darm-Passage zeigt die Verlagerung des
Duodenums durch den Tumor (Abb. [4]). Durch
eine Laparatomie mit gezielter Biopsie kann der Tumor endgültig dem
Pankreas zugeordnet und die Diagnose papillär-zystischer Pankreastumor
gestellt werden (Prof. Dr. Dr. h. c. Harms, Institut für
Pathologie, Universitätsklinik Kiel, 100280/00 ).
Therapie: Komplette Pankreaskopfresektion
mit pyloruserhaltender Gastroduodenostomie, bilidigestiver Anastomose mit
antirefluxiver Mukosaklappe und y-Roux-Pancreaticojejunostomie mit
Cholezystektomie. Das Operationspräparat zeigt keinen Befall der
entnommenen Lymphknoten sowie tumorfreie Resektat- und
Pankreasresektionsränder. Von daher kann eine komplette Entfernung des
Tumors angenommen werden.
Kommentar
Der papillär-zystische Tumor des Pankreas ist eine
niedrigmaligne Neoplasie. Er kommt am häufigsten bei Frauen zwischen dem
20. und 30. Lebensalter vor. Das Auftreten im Kindesalter ist sehr selten. Bis
1999 wurden 62 Fälle, davon 57 Mädchen und 5 Jungen, bekannt
[1]. Die Klinik ist untypisch. Lange Zeit kann der Tumor
symptomlos zu einer großen abdominalen Raumforderung heranwachsen.
Häufig wird er erst entdeckt, wenn er einen Durchmesser von
durchschnittlich 10 cm hat und die verdrängende Wirkung des Tumors
das klinische Bild - z. B. Bauchschmerzen, Brechreiz,
Appetitlosigkeit, Ikterus, Durchfall, tastbarer Tumor - bestimmt. Der
Tumor ist durch ein nicht invasives Wachstum und eine seltene Metastasierung,
meist in die Leber oder das Peritoneum, charakterisiert. Die metastatische
Tumorausdehnung wird durch Bauchtraumen, die den Tumor mitbetreffen, oder durch
Tumorbiopsien begünstigt [2].
Die komplette Tumorresektion ist die adäquate Behandlung. Die
Prognose ist danach sehr gut.
In der Bildgebung - Sonographie, CT, MRT, MRCP - hat der
Tumor ein breites Erscheinungsbild. Obgleich nicht spezifisch, zeigt er sich
als gut abgekapselte solide Masse mit zentralen zystischen Arealen
unterschiedlicher Ausdehnung. Dabei korrespondieren die zystischen Räume
mit hämorrhagischen Nekrosen im histologischen Befund.
Gelegentlich werden randständige Verkalkungen gefunden
[3]. Der Ursprung des Tumors kann sowohl mit der
Sonographie als auch der CT oder der MRT gut abgeklärt werden. Die MRT in
Kombination mit der MRCP ist wegen der sehr guten Bildqualität bei der
Darstellung des Oberbauches zur Beurteilung der Pankreasloge, zur
Differenzierung der hämorrhagischen Bezirke in den soliden Formationen,
zur Beurteilung des Gallengangs- und Pankreasgangsystems und zur Klärung
der Tumorinvasion günstig. Der Pankreasgang ist meist bogig verlagert bzw.
ausgezogen, aber entgegen den Befunden, die man bei hoch malignen
Pankreastumoren findet, nicht stenosiert. Beim Druck auf das Gallengangssystem
kann es zu Abflussstörungen mit entsprechenden Komplikationen kommen. Eine
Infiltration in die Nachbarorgane ist sehr selten [4].
Da Pankreastumoren sich in allen heute zur Verfügung stehenden
diagnostischen Verfahren unspezifisch darstellen, ist eine zuverlässige
Differenzierung noch nicht möglich.
Übereinstimmend mit der Literatur weisen in unserem Fall aber
folgende Kriterien auf die Diagnose papillär-zystischer Pankreastumor
hin:
1) das Alter
2) das Geschlecht
3) der große palpable Oberbauchtumor mit kurzer
klinischer Anamnese
4) der durch die Bildgebung festgestellte solid zystische, gut
abgekapselte, in der Kapsel Kontrastmittel aufnehmende Pankreastumor ohne
Infiltration in die umgebenden Organe und ohne Hinweis auf Metastasierung, der
zwar zur Stauung des Gallengangssystems führt, aber keine
Malignitätszeichen am Pankreasgangsystem erkennen lässt.
Sind diese Kriterien bei dem Vorliegen eines Pankreastumors
erfüllt, ist es unseres Erachtens möglich, eine diagnostische und
prognostische Aussage zu treffen und die Patientinnen einer operativen
kurativen Therapie zuzuführen.