Das solitäre adulte Lymphhämangiom der Leber ist ein seltener benigner Tumor, der
seit seiner Erstbeschreibung durch Ziegler im Jahr 1892 (Ninard B, Tumor du fois 1959;
453 - 455) nur in seltenen Fällen dokumentiert wurde. Lymphhämangiome sind in ca.
95 % in der Hals- oder Axillenregion lokalisiert. Die restlichen 5 % verteilen sich
auf die übrigen Körperorgane. Ein Befall der Leber ist dabei sehr ungewöhnlich (Stavropoulos
M, et al, HPB Surgery 1994; 8: 33 - 36). Im Folgenden berichten wir über den sehr
seltenen Fall eines solitären adulten Lymphhämangioms der Leber als Zufallsbefund
bei einem 19-jährigen Mann.
Fallbeschreibung
Im Dezember 2000 befand sich der 19-jährige Patient zur Überprüfung der Wehrdienstfähigkeit
in der orthopädischen Abteilung des Bundeswehrkrankenhauses Hamburg. Er klagte zusätzlich
über einen ungewollten Gewichtsverlust von ca. 20 kg in den letzten 9 Monaten.
Die eingehende internistische Untersuchung war unauffällig. Auch laborchemisch zeigte
sich mit Ausnahme einer geringen Eosinophilie von 8 % (Normwert: 0 - 4 %) ein im Wesentlichen
unauffälliger Befund.
In der Abdomensonographie fand sich eine subkapsuläre echoreiche Raumforderung im
Bereich des rechten Leberlappens. Die Raumforderung stellte sich mit einer Größe von
ca. 3,9 cm × 3,2 cm und homogener Binnenstruktur dar. Eine Vaskularisation war nicht
nachweisbar. Ansonsten wurde bei normal großer Leber ein regulärer Sonographiebefund
erhoben. Pathologische Lymphknoten oder andere Raumforderungen waren nicht nachweisbar.
Zur weiteren Abklärung erfolgten ein Spiral-CT des Oberbauches in nativer Technik
und nach Gabe von 120 ml Imeron 300® ein biphasisches Spiral-CT der Leber (arterielle
und portale Phase) und einer zusätzlichen späten Phase nach ca. 5 min. Es zeigte sich
im rechten Leberlappen im Segment VI eine in nativer Technik hypodense Struktur von
ca. 2,0 cm Durchmesser und einer Dichte von - 83 HE. Diese Raumforderung ist randständig
leicht lobulär konfiguriert, aber scharf abgrenzbar. Septierungen waren nicht ersichtlich.
Nach Kontrastmittelgabe konnte ein wesentliches Dichteenhancement nicht nachgewiesen
werden. Die übrigen abgebildeten Organstrukturen stellten sich auch in der Computertomographie
unauffällig dar.
Aufgrund des Dichteverhaltens wurde ein Fettgewebstumor in der Differenzialdiagnose
priorisiert. Da jedoch ein niedrig-malignes Liposarkom nicht sicher auszuschließen
war, führten wir eine CT-gesteuerte Punktion des Tumors durch.
Die pathomorphologische Begutachtung ergab als Befund die äußerst rare Variante eines
solitären adulten Lymphhämangioms der Leber. Eine lipomatöse Neoplasie konnte immunhistochemisch
ausgeschlossen werden.
Diskussion
Die häufig routinemäßig eingesetzte Sonographie der Oberbauchorgane führt immer wieder
zu sonographisch detektierten Leberherden, ohne dass mit dieser Methode eine eindeutige
Diagnose zu stellen ist. Von benignen Tumoren wie zum Beispiel Leberhämangiomen oder
der fokalen nodulären Hyperplasie (FNH) sind maligne Raumforderungen wie primäre Lebertumoren
oder Metastasen zu differenzieren. Zur weiteren Abklärung werden hier zusätzliche
bildgebende Verfahren wie die Computertomographie oder die Kernspintomographie eingesetzt.
Als Ultima ratio in der Diagnosefindung verbleibt die Probeentnahme, zum Beispiel
sonographisch oder computertomographisch gesteuert, zur sicheren histologischen Differenzierung.
Um das Ziel einer möglichst raschen und kostengünstigen Diagnosestellung zu erreichen,
müssen bei der Interpretation von bildgebenden Verfahren neben den häufigen Differenzialdiagnosen
auch seltene Befunde berücksichtigt werden. Ein solcher seltener, aber differenzialdiagnostisch
wichtiger Befund wird in dieser Fallbeschreibung dargestellt.
Das solitäre adulte Lymphhämangiom der Leber ist eine äußerst seltene Variante des
vornehmlich in der Hals- oder Axillenregion auftretenden solitären adulten Lymphhämangioms.
In nur 5 % der Fälle ist der Befall einer anderen Körperregion nachweisbar. Dieser
Tumor ist klinisch unauffällig. Beschwerden werden nur bei deutlicher Größenzunahme
und hierdurch bedingter Verdrängung anderer Organstrukturen angegeben. In der Literatur
wird es als benigner Tumor ohne Malignitätspotential beschrieben (Barnes PA, Thomas
JL, Bernardino ME, Radiology 1981; 141: 129 - 133).
Die bildgebenden Verfahren zeigen in den Literaturangaben typischerweise eine zystische
oder multizystische Struktur mit Septen, die nur schwerlich von nekrotisierenden Lebermetastasen
zu differenzieren sind (Blumhagen JD, Wood DJ, Rosenbaum DM, J Ultrasound 1987; 6:
487 - 495). Bei den Lymphhämangiomen handelt es sich um meistens angeborene Malformationen
des lymphatischen Systems. Die mit Endothel ausgekleideten Höhlen sind mit Lymphe
oder chylöser Flüssigkeit gefüllt und führen bei chylösem Inhalt zu negativer Dichte
in der Computertomographie. Zur histologischen Differenzierung gegenüber einem in
der Struktur sehr ähnlichem Hämangiom der Leber sind der Nachweis von Lymphe oder
chylöser Flüssigkeit und das Fehlen von roten Blutkörperchen in den Gängen beweisend.
Sonographisch ist eine sichere Differenzierung nicht möglich, da sich beide Strukturen
sehr echoreich darstellen. Computertomographisch spricht ein fehlendes Kontrastmittelenhancement
gegen ein Hämangiom.
In unserem Falle wurden in der Computertomographie bei fehlendem Kontrastmittelenhancement
fettäquivalente Dichtewerte ermittelt, die unsere Differenzialdiagnose zunächst auf
einen Fettgewebstumor richtete und die endgültige Diagnose nicht mit einbezog. Nach
histologischer Befundung und unserer Literaturrecherche handelt es sich hierbei jedoch
um eine benigne Raumforderung der Leber mit der sehr seltenen und, soweit uns bekannt,
in nur vier Fällen dokumentierten Diagnose eines solitären adulten Lymphhämangioms
der Leber.
M. W. Bartelheimer, H.-M. Schlegel,
K. Picolin, Hamburg
Abb. 1Sonographiebefund
Abb. 2CT-Befund: (a) nativ, (b) arterielle Phase, (c) portale Phase, (d) urographische Phase