Zentralbl Gynakol 2001; 123(9): 550-551
DOI: 10.1055/s-2001-18232
Berichte

J.A.Barth Verlag in Medizinverlage Heidelberg GmbH & Co.KG

Gemeinsame Wissenschaftliche Sitzung der Berliner Wissenschaftlichen Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin und der Kaiserin-Friedrich-Stiftung

Assistierte Reproduktion - neue Entwicklungen
Wo sollten Embryonenschutzgesetz und gesetzliche Regelungen verändert werden?
Berlin Academic Society, Berlin Society of Obstetrics and Gynecology, Empress Friedrich Foundation, Joint meeting of January 24, 2001 in BerlinH. Kentenich
  • DRK Kliniken Westend, Frauenklinik
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Publication Date:
06 November 2001 (online)

Information und Beratung (Patientenautonomie) Da die angebotenen Maßnahmen der Reproduktionsmedizin immer komplizierter werden, wird eine gute Information und Beratung immer wichtiger. Nur aufgeklärte Patienten können zu autonomen Entscheidungen kommen. Die Herstellung einer adäquaten Patientenautonomie muss (auch auf der Grundlage einer ethischen Debatte) oberstes Prinzip sein. Heterologe Insemination Das Grundproblem in Deutschland ist, dass die heterologe Insemination nicht gesetzlich geregelt ist. Nur höchstrichterliche Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts legen nahe, dass dem Kind sein genetischer Ursprung auf Verlangen bekannt gemacht werden muss. Eine gesetzliche Regelung ist notwendig zur größeren Rechtssicherheit für Vater, Mutter, Kind, Spender und Ärzte. Eizellspende Die Eizellspende in Deutschland ist verboten. Dieses ist für eine nicht geringe Patientinnengruppe (vorzeitige Menopause, operativer Verlust der Eierstöcke) ein ethisch und praktisch nicht nachzuvollziehender Nachteil. Eine gesetzliche Nachbesserung ist notwendig. Behandlung lesbischer Paare Grundsätzlich ist eine Behandlung lesbischer Paare möglich. Nach dem Gleichstellungsgesetz aus dem Jahre 2000 ist dieser Bereich aber nur unvollkommen geregelt. Man sollte diese Behandlung „dem grauen Markt entziehen” und klare gesetzliche Grundlagen geben (wie heterologe Insemination). Auswahl von Embryonen Da nur etwa die Hälfte der Embryonen entwicklungsfähig ist, bleiben die Schwangerschaftsraten nach In-vitro-Fertilisation begrenzt. Eine Selektionsmöglichkeit wie in vielen Ländern erscheint zur Verbesserung der Schwangerschaftsraten sinnvoll. Außerdem könnte man die Zahl der transferierten Embryonen verringern, sodass zugleich die Mehrlingsrate gesenkt werden könnte. Die Mehrlingsrate ist zum jetzigen Zeitpunkt auf das 10-fache erhöht gegenüber der spontanen Mehrlingsrate. Forschung an Embryonen Die Forschung an Embryonen ist zur Zeit verboten. Hier ist zu fragen, ob eine limitierte Forschung (zeitliches Limit, Eingrenzung der Forschungsinhalte) entsprechend der englischen Regelung sinnvoll ist (zeitliche Forschung für bis zu 14 Tage möglich). Präimplantationsdiagnostik Die Präimplantationsdiagnostik ist nach Meinung des BMJ verboten. Hierzu hat die Bundesärztekammer eine unterschiedliche Auffassung. In Deutschland wären etwa 100 Fälle pro Jahr zu erwarten, die zum jetzigen Zeitpunkt ins Ausland geschickt werden müssen. Da eine „Schwangerschaft auf Probe” den Paaren nicht zumutbar erscheint, wäre eine gesetzliche Regelung von Nöten. Status des Embryos Ein humaner Embryo ist menschliches Leben von Anfang an. Trotzdem bleibt der Status des Embryos Inhalt einer kontroversen Debatte.Wenn dieser Embryo in Konfliktsituation zur Mutter tritt, so überwiegen die Rechte der Mutter (gesetzliche Grundlage des Schwangerschaftsabbruchs). Aufgrund des Embryonenschutzgesetzes ist der Status des Embryo „in-vitro” so geregelt, sodass Embryonen nicht beforscht werden dürfen. Auf der anderen Seite ist es aber möglich, durch hormonelle Kontrazeption (Pille danach) sowie durch Einlegen einer Spirale einen Embryo an seiner Implantation zu hindern bzw. seine Entwicklungsmöglichkeit zu nehmen, wenn seine Implantation noch nicht stattgefunden hat und der Konflikt des Embryos der Mutter gegenüber nur antizipatorisch zu definieren wäre.Insofern wird es zum Status des Embryos nie widerspruchsfreie Lösungen geben. Daher wäre eine gesetzliche Regelung in Deutschland sinnvoll, die den unterschiedlichen Beweggründen gegenüber dem Status des Embryos gerecht wird (Schwangerschaftskonflikt, Forschungsfreiheit).Ein abgestuftes Konzept des Lebensschutzes erscheint ethisch sinnvoll, um den angesprochenen Konfliktsituationen gerecht zu werden. Kontraargumente Sie überwiegen bei: Leihmutterschaft (Unterbrechung der Mutter-Kind-Beziehung), retroproduktivem Klonen, Behandlung homosexueller männlicher Paare (da nur über Leihmutter oder retroproduktives Klonen möglich), Behandlung allein stehender Frauen mit Kinderwunsch, Kerntransplantation („alter Kern in junge Eizelle”), genetischer Manipulation an Gameten und Embryonen, Schwangerschaft bei postmenopausalen Frauen, Post-mortem-Insemination, Chimärenbildung.

Die jetzige intensive Debatte zur Weiterentwicklung der Reproduktionsmedizin wird nie homogen sein, wie es auch die unterschiedlichen Stellungnahmen des Bundespräsidenten und des Bundeskanzlers zeigen. Die Grenzziehung ist aber zum jetzigen Zeitpunkt in Deutschland unzeitgemäß und an die vorgegebene Konfliktsituation nicht konkret genug adaptiert. Dieses sollte verändert werden. Da es sich um wesentliche Fragen gesellschaftlicher Werte handelt, ist ein offener Diskurs sinnvoll und ein breiter Konsens notwendig - insbesondere zur Präimplantationsdiagnostik, Auswahl von Embryonen und Embryonenforschung. In der Diskussion ist allerdings zu beachten, dass die wesentlichen Weichenstellungen mit der Möglichkeit des Schwangerschaftsabbruchs nach § 218 StGB und der Möglichkeit der Pränataldiagnostik mit nachfolgendem Abbruch der Schwangerschaft bereits gemacht sind.

Weitere Grundlagen all dieser Veränderungen sollten die veränderte Qualität von Information und Beratung darstellen. In der Reproduktionsmedizin werden die Entscheidungen in erster Linie durch das Paar selbst bestimmt. Ein wesentliches ethisches Prinzip ist die Patientenautonomie. Nur wenn die Patientenpaare nach ausführlicher Information und Beratung und nach Auseinandersetzung mit Alternativen (z. B. keine Kinderwunschtherapie) in der Lage sind, zu einer weitgehend autonomen Entscheidung gefunden zu haben, dann kann auch in der täglichen Durchführung der Reproduktionsmedizin eine erweiterte Diagnostik und Therapie im Sinne der Paare möglich werden.

Prof. Dr. med. Heribert Kentenich

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