Einleitung
Beim Ausblick auf die Zukunft der Suchtmedizin spielen zwei Fragen
eine wichtige Rolle:
1. In welcher Art und Weise integriert die Suchtmedizin sowohl
allgemeine wie auch spezialisierte psychosoziale Interventionen in ihr
Aufgabenprofil?
2. Wie positioniert sie sich zu den anderen Berufsgruppen in der
Suchttherapie, das heißt, wie sollen die Schnittstellen zwischen
Allgemeinmedizinern und Psychiatern bzw. Psychotherapeuten aussehen - und
an welchen Stellen kommen alle Berufsgruppen in die Verantwortung?
Sucht ist eine psychische Störung, die mit vielen physischen
Komplikationen verbunden ist. Sie ist eine der größten
sozialmedizinischen und auch psychosozialen Herausforderungen. Dies macht
einerseits die Integration verschiedener therapeutischer Bemühungen,
andererseits aber auch die Spezialisierung, z. B. im Bereich bestimmter
psychiatrischer, psychotherapeutischer, aber auch somatischer Interventionen
notwendig.
Die Ausgangssituation für die Integration psychosozialer
Interventionen in die Suchttherapie ist äußerst
widersprüchlich:
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Psychosoziale Interventionen im breitesten Sinne sind
Bestandteil aller vorliegenden Standards. Es wird
selbstverständlich gefordert, dass alle Beteiligten nicht nur den Blick
auf mögliche Entzugssymptome oder körperliche Schäden richten,
sondern dem Betroffenen helfen, mit seiner Situation umfassend umzugehen. Dies
gilt sowohl für den gesamten Bereich der abstinenzorientierten
Behandlungsansätze als auch für die Substitution und Entgiftung.
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Trotz dieser breiten Übereinkunft wird die psychosoziale
Seite der Betreuung von den Kostenträgern der GKV
nur zu einem minimalen Teil übernommen. Gerade in der Substitution ist die
Zahl der Gespräche durch die behandelnden Ärzte so stark limitiert,
dass man nicht von einer systematischen Intervention sprechen kann. Spezifische
Formen von Beratung und Therapie finden sich in den EBM-Richtlinien kaum
wieder, was zu einer bis aufs Unsinnige reduzierten Palliativmedizin
führt.
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Versucht man, einen Süchtigen in einer Psychotherapie im Rahmen des Beantragungsverfahrens
unterzubringen, ist dies so gut wie unmöglich. Die Folge: Der Anteil von
Suchtpatienten im Bereich der ambulanten Psychotherapie ist - trotz ihrer
riesigen Bedeutung - verschwindend gering. Für wirkungsvolle
Interventionen wie familientherapeutische und angehörigentherapeutische
Maßnahmen gibt es keine ambulante Finanzierungsmöglichkeit. Und
trotz des riesigen Anteils psychischer Störungen an der Suchtentwicklung
spielen die Psychiaterinnen und Psychiater z. B. in der Substitution so
gut wie keine Rolle.
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Vielen Beteiligten im Behandlungssystem fehlt es zudem an
einschlägigen Qualifikationen, aber auch an
Supervisions- und
Unterstützungsmöglichkeiten. Trotz der Komplexität der
Probleme finden z. B. Fragen der Komorbidität psychischer
Störungen und Sucht sowie der Multimorbidität von verschiedenen
schweren körperlichen Erkrankungen und Abhängigkeitsentwicklung in
der medizinischen und fachmedizinischen Aus- und Weiterbildung nur eine
untergeordnete Aufmerksamkeit.
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Letztendlich ist die Suchtforschung
nach wie vor vollständig unterentwickelt. Sie verfügt insbesondere im
Bereich der klinischen und versorgungsorientierten Fragestellungen über so
gut wie keine Mittel, Ressourcen und Institutionen. Dies hat trotz eines
anderen Ansatzes in der Ausschreibung auch der neue Schwerpunkt zur Schaffung
von Suchtforschungszentren nicht geändert.
Obwohl also die Notwendigkeit psychosozialer Interventionen in der
suchtmedizinischen Behandlung Süchtiger allgemein anerkannt ist, sind wir
von einer effektiven Verzahnung beider Bereiche noch weit entfernt.
Anforderungen und Wirklichkeit klaffen in extremer Art und Weise
auseinander.
Um mögliche Perspektiven für eine bessere Integration und
Arbeitsteilung in diesem Bereich aufzeigen zu können, wird im Folgenden
ausgehend von der Situation in der Praxis der aktuelle Forschungsstand zur
Relevanz und Effektivität psychosozialer Interventionen in der
Suchttherapie dargestellt.
Relevanz psychosozialer Interventionen in der Praxis
Derzeit sind Ausgestaltung und Qualitätsindikatoren der
psychosozialen Behandlung kaum standardisiert - selbst der psychosoziale
Anteil in der Suchttherapie ist in keiner Weise einheitlich. Die psychosoziale
Behandlung stellt in vorhandenen Settings und Interventionsstrategien entweder
die einzige oder bestimmende Vorgehensweise dar oder aber sie wird mehr
unterstützend und begleitend eingesetzt. Deshalb ist es auch schwierig,
die Frage nach der Relevanz psychosozialer Interventionen generalisierend zu
beantworten.
Es gibt jedoch eine Reihe von wichtigen Indikatoren, die
übergreifend einige Rückschlüsse auf die Bedeutung des
psychosozialen Anteils in der Suchttherapie ziehen lassen:
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In der fachpolitischen Diskussion um Leitlinien und Standards, soweit sie im Suchtbereich
entwickelt ist, hat die psychosoziale Betreuung in ihren verschiedenen Formen
einen hohen Stellenwert [1].
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Allen Unterschieden in Qualität und Ausgestaltung zum Trotz
spiegelt sich die hervorgehobene Bedeutung der psychosozialen Betreuung auch
in
der klinischen Wirklichkeit wider. Auch wenn dort zum
Beispiel im Rahmen der Substitution eine begleitende Betreuung, Beratung und
Psychotherapie zum Einsatz kommt, heißt dies jedoch nicht, dass die
Krankenversicherung dafür die Kosten übernimmt. Vielmehr zahlen an
den meisten Orten für die entsprechende Beratung und Betreuung die
Kommunen.
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Als dritter Indikator für den Stellenwert der
psychosozialen Anteile in der Suchttherapie lassen sich die therapeutischen Ziele anführen, die sich weitgehend
mit den Wünschen der Betroffenen und ihrer
Familien decken. Diese Erwartungen sind nur mit angemessenen und
intensiven psychosozialen Maßnahmen zu erreichen. Insbesondere wenn es um
das Herauswachsen aus der Sucht, die Überwindung sozialer Isolation, das
Zurechtkommen mit rückfallgefährdenden Situationen und die
Bewältigung suchtunterhaltender Verhaltensweisen geht, sind psychosoziale
Strategien führend. Dies gilt für alle Behandlungssettings von der
Substitution über die Entgiftung bis hin zu langfristigen
Entwöhnungsbehandlungen.
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Auch aus der Perspektive der angemessenen
somatischen Versorgung, der Therapie chronischer Erkrankungen sowie der
Behandlung von Begleiterkrankungen haben vielfältige Erfahrungen
gezeigt, dass ohne ein entsprechendes „Krankheitsmanagement”
sowie kontinuierliche Begleitung und Beratung auch diese Therapien relativ
geringe Erfolgsquoten aufweisen. So ist z. B. die Behandlung von
schweren Infektionserkrankungen bei Drogenabhängigen nur im Rahmen eines
suchtmedizinischen Settings erfolgversprechend, das sowohl die Möglichkeit
der Substitution als auch eine qualifizierte psychosoziale Behandlung umfasst.
Ähnliches gilt beispielsweise auch für chronische Hepatopathien bei
Alkoholikern.
Zusammenfassend gibt es also einen allgemeinen, weit reichenden
Konsens hinsichtlich der Relevanz psychosozialer Interventionen in der
suchtmedizinischen Behandlung - der auch durch die Gesundheitspolitik
nicht bestritten wird. Er sollte als Grundlage für eine weitere
Entwicklung des Suchthilfesystems zugunsten einer indikationsangemessenen
Integration psychosozialer Behandlungsstrategien in jede Form der Suchttherapie
genutzt werden.
Wissenschaftlicher Hintergrund und Forschungsstand
Im Kontrast zu ihrer Rolle in der Praxis ist der Stellenwert der
Suchtbehandlung und insbesondere auch der psychosozialer Interventionen in der
Forschung ernüchternd: Betrachtet man die für die Suchtforschung zur
Verfügung stehenden Ressourcen, so werden dafür 90 bis
95 % in den USA (allein 2001 ca. 1,5 Milliarden Dollar) und
5 % im Rest der Welt aufgebracht. Von den Forschungsanstrengungen
insgesamt wird wiederum der bei weitem kleinere Teil für die Untersuchung
psychosozialer Interventionen verwendet.
In einer 1994 veröffentlichten Meta-Analyse von Grawe, Donati
und Bernauer [2] zur Psychotherapie fanden sich so gut
wie keine systematischen, methodischen Mindestanforderungen genügenden
Therapiestudien aus dem Bereich der Suchttherapie. Dies mag auch das geringe
Ausmaß an Standardisierung in diesem Bereich miterklären.
Insbesondere in den USA arbeiten immerhin einige wenige
Arbeitsgruppen intensiv und systematisch an der Frage psychosozialer Begleitung
und ihrer Rolle in der Suchttherapie. Die meisten dieser Studien, mit Ausnahme
der Kokain-Studie von Crits-Cristopher et al. [3], sind
bereits in den 80er und 90er Jahren durchgeführt worden.
Einige der methodisch anspruchsvollsten und wissenschaftlich
relevantesten Arbeiten stammen aus der Arbeitsgruppe aus Philadelphia um Chuck
O’Brien, George Woody und Thomas McLellan. Woody et al.
[4] legten dar, dass zwei Faktoren dafür
verantwortlich seien, dass klinisch der Eindruck entstehe, Psychotherapie sei
bei Heroinabhängigen kaum wirksam:
-
die Schwierigkeit, bei einem ausgeprägten
Acting-Out-Verhalten eines Drogenabhängigen ein Therapie- bzw.
Arbeitsbündnis herzustellen und zu festigen.
-
die Ansicht, dass viele Abhängige Soziopathien und damit
traditioneller Psychotherapie nicht zugänglich seien.
Die Autoren überprüften diese Ansichten in einem
randomisierten Design an 110 Methadonpatienten und verglichen drei
Therapieangebote: Counseling, also die traditionelle Drogenberatung,
supportiv-expressive therapy, eine psychoanalytisch orientierte Fokaltherapie,
und die kognitiv-behaviorale Verhaltenstherapie. Ein wesentlicher Unterschied
zwischen den beiden Psychotherapiegruppen wurde nicht gefunden, wohl aber eine
Überlegenheit beider dem alleinigen Counseling gegenüber.
Im Anschluss konnten Woody et al. [5] zeigen,
dass Klienten mit mittleren bis hohen Psychopathologie-Scores, gemessen am
Addiction-Severity-Index, signifikant bessere Behandlungsergebnisse erzielten,
wenn sie sich einer Psychotherapie unterzogen hatten. Im einjährigen
Follow-up [6] erwies sich darüber hinaus, dass die
als Soziopathen diagnostizierte Gruppe Drogenabhängiger, die eine
zusätzliche psychiatrisch relevante Störung wie beispielsweise eine
Depression aufgewiesen hatten, vergleichsweise von einer psychotherapeutischen
Behandlung mehr profitierte als Patienten mit der alleinigen Diagnose
„Soziopathie”.
In der New Haven Studie [7], die im Design
der oben erwähnten Untersuchung von Woody et al. ähnlich war, wurden
Methadonpatienten entweder einer Gruppe mit interpersonaler Psychotherapie
(IPT) mit einer Wochenstunde oder einer mit einer zwanzigminütigen
Beratungssitzung einmal monatlich zugeteilt. Die Drop-out-Rate in beiden
Gruppen war außerordentlich hoch und lediglich 38 % der
IPT-Gruppe befanden sich nach sechs Monaten noch im Programm. Von zwölf
Outcome-Kriterien differierten die beiden Verfahren lediglich in zweien. Das
Ergebnis war also hinsichtlich Effektivität der Psychotherapie deutlich
schlechter als in der Studie von Woody. Eine Teilerklärung für die
unterschiedlichen Resultate liegt u. a. darin, dass in der New Haven
Studie die Psychotherapieangebote nicht in das jeweilige Methadonprogramm
integriert waren, sondern andernorts stattfanden. Dies unterstreicht einmal
mehr die Bedeutung der Einbettung eines psychotherapeutischen Angebotes in eine
umfassende Suchtbehandlung.
Kosten et al. [8] resümierten nach einer
zweieinhalbjährigen Follow-up-Untersuchung im Anschluss an das
New-Haven-Projekt, dass sich behaviorale, edukative und
direktiv-psychotherapeutische Elemente in der Behandlung Opiatabhängiger
besser bewährten als eine auf Einsicht hinarbeitende psychoanalytische
Therapie.
Interventionsbezogene Studien
Ansätze der kognitiven
Verhaltenstherapie gehören zu den wissenschaftlich am besten
untersuchten psychosozialen Ansätzen in der Behandlung von Suchtpatienten
[9]. Bis Ende der 90er Jahre lagen mehr als 24
randomisierte klinische Studien zur Frage der Wirksamkeit kognitiver
Verhaltenstherapie bei Nikotin-, Alkohol-, Kokain-, Cannabis- und
Opiatabhängigen vor.
Eine Querschnittsauswertung dieser Studien [10] zeigt eine hohe Effektivität der kognitiven
Verhaltenstherapie gegenüber Kontrollgruppen ohne Behandlung. Dagegen sind
Vergleichsstudien mit anderen Interventionstechniken weniger eindeutig. Einige
zeigen eine vergleichbar hohe Effektivität, andere auch eine
Überlegenheit gegenüber z. B. interpersonaler Therapie oder
psychodynamischen Ansätzen. Besonders wirksam ist die kognitive
Verhaltenstherapie bei der Einschränkung der Schwere von
Rückfällen. Eine hohe Effektivität zeigt sich in einigen Studien
auch bei der Behandlung mehrfach Erkrankter.
Die aktuellste, sehr aufwändige vergleichende
Psychotherapiestudie aus den USA beschäftigt sich mit der Behandlung von
Kokainabhängigen [3]. In einem multizentrischen
Kontrollgruppendesign wurden Kokainabhängige randomisiert verschiedenen
Therapiebedingungen zugeordnet und die Effekte im Verlauf auf der Grundlage
standardisierter Protokolle untersucht.
Die so genannte dialektische
Verhaltenstherapie wurde federführend von Marsha M. Linehan
entwickelt und hat ihre größte Verbreitung in der Behandlung von
Patientinnen und Patienten mit einer Persönlichkeitsstörung vom
emotional instabilen Typ [11]. Unter so genannten
Borderline-Patienten ist der schädliche Konsum psychotroper Substanzen ein
verbreitetes Symptom. Eine Untersuchung von Ulit und anderen fand bei
67 % der Borderline-Patienten eine Komorbidität mit Sucht
[12]. Sowohl für Patientinnen und Patienten mit
Persönlichkeitsstörungen wie für Suchtpatienten gibt es nur
wenige effektive und auf die Bedürfnisse dieser Patientengruppe
zugeschnittene Interventionsformen. Hierzu zählt die dialektische
Verhaltenstherapie, die bisher in einigen randomisierten klinischen
Prüfungen untersucht wurde und sich auch in Europa zunehmender
Aufmerksamkeit erfreut. Eine Studie zu diesem Bereich [11] versuchte, das vorhandene Therapiemanual für
dialektische Verhaltenstherapie an die besonderen Erfordernisse der Patienten
mit einer Komorbidität von Sucht und Persönlichkeitsstörungen
anzupassen. An einer Stichprobe von 28 Frauen mit einer
Borderline-Persönlichkeitsstörung sowie einer nach DSM-III-R
diagnostizierten Suchterkrankung wurde die dialektische Verhaltenstherapie mit
einer etablierten Verfahrensweise (Treatment as usual - TAU)
verglichen.
Diese Studie führte zu im Wesentlichen drei Ergebnissen:
Erstens finden sich bei der Anwendung der dialektischen Verhaltenstherapie
signifikant höhere Reduktionen im Substanzmittelkonsum als bei der
konventionellen Vorgehensweise. Der Durchschnittseffekt im Gruppenvergleich
variiert zwischen 0,6 und 1,1 je nach Auswertung. Zweitens ist es mit der
dialektischen Verhaltenstherapie effektiver möglich, die Betroffenen in
der Therapie zu halten (64 % gegenüber 27 %
bei konventioneller Vorgehensweise). Und drittens sind auch die Verbesserung
der sozialen Integration sowie der globalen Anpassung bei Einsatz der
dialektischen Verhaltenstherapie den Standardbedingungen signifikant
überlegen.
Trotz einer Reihe von Einschränkungen bezüglich der
Generalisierbarkeit der Ergebnisse gerade in einem so komplizierten
Forschungsfeld sind diese Resultate ein wichtiger Anstoß, gerade auch in
Patientengruppen mit einer komorbiden Störung neue Verfahrensweisen zu
erproben und zu evaluieren.
Gesundheitssystemforschung
Außer den interventionsbezogenen Studien sind international
noch einige Untersuchungen des Behandlungssystems zu berücksichtigen, die
insbesondere die Effekte bestimmter Therapie-Settings und
Interventionsstrategien untersuchten. Die größte dieser Studien ist
die so genannte „National Treatment Outcome Research Study”
[13] aus Großbritannien.
Aus dem deutschsprachigen Raum liegen keine methodisch
aufwändigeren Untersuchungen, etwa im Rahmen klinischer Prüfungen
oder Kontrollgruppendesigns, vor. Die meisten in Deutschland produzierten
Arbeiten sind Verlaufsuntersuchungen bzw. naturalistische Designs. Hingegen
wurden Fragestellungen z. B. zur psychosozialen Betreuung im Rahmen der
Suchtmedizin oder der allgemeinärztlichen Versorgung,
Differentialindikation oder psychosozialer Interventionen bisher im
deutschsprachigen Raum nicht untersucht.
Zusammenfassung und vorläufige Schlussfolgerungen
Die vorhanden Untersuchungen und der Forschungsstand
bezüglich psychosozialer Interventionen im Suchtbereich lassen sich
zusammenfassend wie folgt darstellen:
-
Im Suchtbereich finden eine Vielzahl von unterschiedlichen
Interventionen Anwendung. Die Effektivität dieser Behandlungsstrategien
ist bisher nur sehr unzureichend untersucht [14] und im
deutschsprachigen Raum liegen keine kontrollierten Therapiestudien vor.
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Die Effektivität verschiedener psychosozialer
Interventionen konnte sowohl im Rahmen der Interventionsforschung
[3]
[15] als auch im Rahmen der
Gesundheitssystemforschung [13] nachgewiesen
werden.
-
Die wenigen vergleichenden Untersuchungen konnten keine
entscheidenden Vorteile zugunsten bestimmter Interventionen nachweisen.
Offensichtlich sind sowohl psychodynamische als auch verhaltenstherapeutische
und familientherapeutische Interventionen sinnvoll und effektiv.
-
Im Falle psychiatrischer Komorbidität findet die
ansonsten durchaus effektive Drogenberatung ihre Grenzen und andere
Interventionsformen zeigen ein deutlich besseres Outcome [4 6].
Was bedeuten diese Ergebnisse für die anfangs aufgeworfenen
Fragen zur zukünftigen Rolle psychosozialer Interventionen in der
Suchtmedizin? Zuallererst ist festzuhalten, dass es eine - mehr oder
weniger ausgeprägte und mal stärker, mal nur eingeschränkt
geglückte - Verzahnung von suchtmedizinischer Behandlung und
psychosozialer Betreuung in der Praxis längst gibt. Es geht also nicht um
ein Ob der Integration und berufsübergreifenden Zusammenarbeit, sondern um
das Wie. Wie jedoch eine solche Verbindung
idealerweise aussehen sollte und insbesondere welche Formen der psychosozialen
Interventionen bei welchen Patientinnen und Patienten am
erfolgsversprechendsten sind, hierzu sind Erkenntnisse der Suchtforschung in
weitaus größerem Umfang erforderlich, als sie bisher vorliegen.
Einen Beitrag hierzu wird die im Rahmen des bundesdeutschen
Modellprojekts zur heroingestützten Behandlung stattfindende Studie zur
psychosozialen Begleitung liefern, in der - neben der medikamentösen
Therapie - insgesamt 1120 Patientinnen und Patienten in zwei
verschiedenen standardisierten Behandlungssettings behandelt werden: erstens
dem Case-Management mit motivierender Gesprächsführung, einem
strukturierten, individuell begleitenden und nachgehenden Konzept der Betreuung
mit hoher Kontaktdichte, sowie zweitens einer Kombination aus Drogenberatung
und Psychoedukation in einem gruppentherapeutischen Setting.
Dies kann jedoch nur ein Anfang sein. Weitere Studien sind in
jedem Fall erforderlich. In nennenswertem Umfang werden sie jedoch nur
möglich sein, wenn sich die für die Suchtforschung zur Verfügung
stehenden Ressourcen gerade auch in der Bundesrepublik wenigstens ein
Stück weit in Richtung auf die in den USA investierten Beträge
zubewegen.
Eine willkommene Nebenwirkung so gewonnener Erkenntnisse
könnte nicht zuletzt darin liegen, dass die Krankenkassen vermutlich in
größerem Umfang dazu bereit wären, auch die - auf die
Bedürfnisse des jeweiligen Patienten zugeschnittenen -
psychosozialen Anteile einer Suchtbehandlung zu finanzieren, wenn deren
Effektivität durch umfangreiche wissenschaftliche Erkenntnisse belegt
ist.