Einleitung
Einleitung
Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Bronchitis (COB) leiden sehr häufig unter Belastungsdyspnoe, die ihr Korrelat in einer Limitation durch Ventilation und Gasaustausch bei spiroergometrischen Untersuchungen finden [1 ]
[2 ]. Daher umfassen die Therapieempfehlungen der COB neben medikamentösen und physikalischen Maßnahmen auch körperliches Training, dessen Effekte durch mehrere kontrollierte Studien gut belegt sind. Es zeigen sich eine Steigerung der maximalen körperlichen Belastbarkeit und der Gehstrecke ebenso wie eine Verbesserung der Lebensqualität und Abnahme krankheitsbedingter Symptome [3 ]
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Bei Patienten mit schwerer COB ist ein körperliches Training aufgrund der oft erheblichen Muskelatrophie der unteren Extremitäten oder der bereits weitgehenden bzw. vollständigen Bettlägerigkeit mit den herkömmlichen Methoden wie Fahrrad- oder Laufband-Ergometer nicht mehr möglich. In der neurologischen und orthopädischen Rehabilitation kommen motorgetriebene Passiv-Ergometer zum Einsatz, die bei bettlägerigen Patienten passive und durch zusätzliche Mitarbeit des Patienten auch aktive Bewegungsübungen der unteren Extremitäten ermöglichen [10 ]. Die Anwendbarkeit einer derartigen Bewegungstherapie bei Patienten mit Erkrankungen der Lunge wurde bislang noch nicht in klinischen Studien überprüft.
Wir untersuchten daher den Einfluss der passiven Ergometrie und der zusätzlichen aktiven Tretarbeit auf atemphysiologische Parameter bei Gesunden und bettlägerigen Patienten mit schwergradiger COB.
Methodik
Methodik
Wir verwendeten das Gerät „MOTOmed letto” (Fa. Reck, Betzenweiler) (Abb. [1 ]). Hierbei handelt es sich um ein motorbetriebenes Therapiegerät, bei dem im passiven Modus die Beine des im Bett befindlichen Patienten durch einen Elektromotor mit einer frei wählbaren Drehzahl zwischen 10 und 70 Umdrehungen/min bewegt werden. Im aktiven Modus besteht für den Patienten die Möglichkeit, schneller als die vorgegebene Umdrehungszahl zu treten. Die Pedalbelastung kann dabei elektronisch zwischen 5 und 25 Kilogramm reguliert werden.
Untersucht wurden neun weitgehend bettlägerige Patienten aus unserer Klinik mit schwergradiger chronisch-obstruktiver Bronchitis (COB) (Alter 69,2 ± 9,5 Jahre, Gewicht 70,5 ± 13 kg, Größe 167 ± 10 cm). Die Diagnose COB wurde aufgrund der Anamnese und der lungenfunktionsanalytischen Daten nach den Kriterien der ATS gestellt [11 ]. Der mittlere Sauerstoffpartialdruck PaO2 in der Patientengruppe betrug 56,8 ± 8,4 mm Hg und der Kohlendioxidpartialdruck PaCO2 44,8 ± 14,8 mm Hg; zwei Patienten waren hyperkapnisch. Von fünf dieser Patienten lagen bodyplethysmographische Werte des letzten Jahres vor (FEV1.0 0,94 ± 0,18 l, IVC 2,3 ± 0,8 l, Raw 0,91 ± 0,13 kPa/l/s), wohingegen bei vier Patienten eine Lungenfunktionstestung aufgrund der Bettlägerigkeit nicht durchführbar war.
Die Patienten befanden sich zum Zeitpunkt der Untersuchung in einem klinisch stabilen Zustand ohne Hinweise für eine Infektexazerbation ihrer COB. Ausgeschlossen wurden Patienten mit einer akuten Myokardischämie oder kardialen Dekompensation, einer schlecht eingestellten arteriellen Hypertonie (RR > 210/120 mm Hg), höhergradigen Rhythmusstörungen, relevanten Herzvitien oder anderen Erkrankungen, die eine Belastungsuntersuchung verboten. Alle Teilnehmer äußerten ihr Einverständnis zur Studie.
Als Vergleichskollektiv dienten sechs gesunde Mitarbeiter unserer Klinik (Alter 28 ± 8,7 Jahre, Gewicht 81,7 ± 18,7 kg, Größe 183 ± 6 cm).
Bei beiden Gruppen wurden zunächst spiroergometrische Messungen in Ruhe und bei passiver Bewegung mit 30 Umdrehungen (U/min) über fünf Minuten durchgeführt. Den Patienten mit COB wurde anschließend ein konstantes Drehmoment von 5 Nm zugeschaltet und ein aktives Treten über die passiv vorgegebenen 30 U/min hinaus für weitere fünf Minuten ermöglicht. Abschließend wurden die Patienten unter Belassung des Widerstandes und der vorgegebenen Drehzahl aufgefordert, über zwei Minuten mit größtmöglicher Umdrehungszahl zu treten.
Bei der Spiroergometrie (Oxycon Alpha, Fa. Jaeger, Würzburg) wurden als wesentliche Parameter die Sauerstoffaufnahme O2 , die Kohlendioxidabgabe CO2 , die Atemfrequenz BF und das Atemminutenvolumen E in einer breath by breath-Analyse aufgezeichnet, wobei für jede Phase unter passiver und aktiver Belastung jeweils die gemittelten Werte über die Zeit verwendet wurden.
Zur Überprüfung der Unterschiede zwischen den einzelnen Belastungsstufen wurden als statistische Methoden die einfaktorielle Varianzanalyse mit Messwiederholungen, der Friedman-Test sowie der t-Test für gepaarte Stichproben verwandt. Bei einem p < 0,05 wurde der Unterschied als signifikant angesehen.
Abb. 1 Motorbetriebenes Therapiegerät „MOTOmed letto” (Fa. Reck, Betzenweiler).
Ergebnisse
Ergebnisse
Die Sauerstoffaufnahme O2 lag bei den COB-Patienten in Ruhe bei 311 ± 56 ml/min und stieg unter alleiniger passiver Bewegung mit 30 U/min signifikant auf 369 ± 88 ml/min (p < 0,02) an. Demgegenüber fiel O2 bei der Kontrollgruppe von 378 ± 38 in Ruhe auf 336 ± 27 ml/min bei passiver Bewegung ab (Abb. [2 ]).
Bei der COB-Gruppe zeigte sich unter zusätzlichem aktiven Treten mit 5 Nm eine weitere signifikante Steigerung der O2 auf 467 ± 116 ml/min (p < 0,005) und bei maximaler Tretkurbelarbeit eine O2 von 618 ± 117 ml/min (p < 0,001 gegenüber O2 bei 30 U/min+5 Nm) (Abb. [2 ]).
Das Atemminutenvolumen E stieg bei den COB-Patienten signifikant von 13,3 ± 2,7 l/min in Ruhe auf 16,4 ± 4,1 (p < 0,01) unter passiver und auf 19,1 ± 4,7 l/min (p < 0,01 gegenüber E passiv) unter zusätzlicher aktiver Bewegung an, während es bei maximaler Umdrehungszahl 24,1 ± 5 l/min betrug. Bei den Gesunden war ein Abfall von E von 11,1 ± 1,3 in Ruhe auf 9,1 ± 1 l/min bei rein passiver Bewegung zu verzeichnen (Abb. [3 ]).
Dementsprechend zeigte sich ein Anstieg der Atemfrequenz bei der COB-Gruppe von 17,6 ± 3,1/min in Ruhe auf 19 ± 5,3 (n. s.) bei passiver bzw. auf 22,1 ± 6,2 (p = 0,01) bei aktiver Tretkurbelarbeit und auf 26/min (p < 0,001) unter maximal möglicher Umdrehungszahl. Bei der Kontrollgruppe fiel die Atemfrequenz von 14 ± 2,1 in Ruhe auf 12 ± 2,4 bei Passivbewegung ab (Abb. [4 ]).
Die COB-Patienten nahmen bereits 53 % ihres O2 peak in Ruhe und 62 % bzw. 72 % ihres O2 peak bei alleiniger passiver bzw. zusätzlicher aktiver Tretarbeit auf. Das Atemminutenvolumen in Ruhe betrug 55 % des maximal erreichten Wertes, während es beim passiven Treten 68 % und bei der aktiven Bewegung 79 % von E max erreichte (Abb. [5 ]).
Abb. 2 Sauerstoffaufnahme O2 der COB-Patienten (Rechtecke) und der Kontrollgruppe (Rauten) zu den verschiedenen Untersuchungszeitpunkten * (p < 0,01 vs. Ruhe), ** (p < 0,01 vs. Passiv), *** (p < 0,001 vs. Aktiv).
Abb. 3 Atemminutenvolumen E der COB-Patienten (Rechtecke) und der Kontrollgruppe (Rauten) zu den verschiedenen Untersuchungszeitpunkten * (p < 0,01 vs. Ruhe), ** (p < 0,01 vs. Passiv), *** (p < 0,001 vs. Aktiv).
Abb. 4 Atemfrequenz BF der COB-Patienten (Rechtecke) und der Kontrollgruppe (Rauten) zu den verschiedenen Untersuchungszeitpunkten * (p = 0,01 vs. Passiv), ** (p < 0,01 vs. Aktiv).
Abb. 5 Prozentualer Anteil der Sauerstoffaufnahme O2 (Kreise) und des Atemminutenvolumens E (Kreuze) an der O2 peak bzw. am E max zu den verschiedenen Untersuchungszeitpunkten bei den COB-Patienten.
Diskussion
Diskussion
Ziel der Arbeit war es, den Einfluss einer alleinigen passiven Tretbewegung und einer zusätzlichen aktiven Tretarbeit auf die Atmung bei weitgehend bettlägerigen Patienten mit einer schwergradigen chronisch-obstruktiven Bronchitis zu untersuchen. Dieses Patientengut ist aufgrund der Bettlägerigkeit und der erheblichen Muskelatrophie mit einer herkömmlichen Spiroergometrie bzw. einem 6-Minuten-Gehtest nicht zu belasten und konnte daher bislang einem an der individuellen maximalen Leistungsfähigkeit orientierten Ergometertraining nicht zugeführt werden. Mit sog. Passiv-Ergometern besteht die Möglichkeit, diese Patienten im Bett nach einer Phase rein passiver Bewegungsübungen zusätzlich aktiv gegen definierte Widerstände antreten zu lassen. Der Einfluss auf atemphysiologische Parameter wurde in diesem Zusammenhang bislang nicht untersucht.
Patienten mit einer schwergradigen COB weisen eine deutlich reduzierte maximale Belastbarkeit bzw. Sauerstoffaufnahme (O2 peak) auf. Casaburi u. Mitarb. dokumentierten bei ihrem Patientengut (FEV1 0,93 ± 0,27 l) eine O2 peak von 860 ml/min und ein maximales Atemminutenvolumen (E max) von 33 l/min [12 ]. Andere Untersucher konnten diese Ergebnisse bestätigen [13 ]
[14 ]
[15 ]. Die von uns untersuchten COB-Patienten lagen mit ihrer O2 peak bzw. dem E max noch deutlich unter diesen Werten, was vermutlich damit zu erklären ist, dass unsere Patienten weitgehend bettlägerig waren und zum Teil selbst einer Bodyplethysmographie nicht unterzogen werden konnten, während in den anderen Studien noch mobile Patienten untersucht wurden. Untersuchungen von Yoshikawa u. Mitarb. belegten, dass gerade COB-Patienten mit einer schwergradigen funktionellen Einschränkung eine disproportionale Reduktion der Muskelmasse der unteren Extremitäten aufweisen und diese zur früheren Belastungslimitation beiträgt [16 ]. Die Ausprägung der funktionellen Einschränkung zeigte sich bei unseren Patienten auch daran, dass sie in Ruhe bereits 53 % ihres O2 peak und 55 % ihrer E max leisteten.
Auffällig war, dass es bei den COB-Patienten in unserer Studie im Gegensatz zu den Gesunden zu einem Anstieg von Atemfrequenz, Atemminutenvolumen und Sauerstoffaufnahme alleine bei passiver Bewegung mit 30 U/min kam und diese immerhin ein Ausmaß von 62 % des O2 peak und 68 % des E max dieser Patienten erreichte. Die belastungsinduzierte Hyperpnoe wird mit einer Reaktion auf afferente Stimuli aus Propriorezeptoren bzw. Muskelspindeln der Arbeitsmuskulatur erklärt [17 ], wobei jedoch tierexperimentelle Untersuchungen die Bedeutung dieser Rezeptoren eher infrage und kardiovaskuläre bzw. hämodynamische Einflüsse in den Vordergrund stellten [18 ]
[19 ]. Offenbar ist jedoch eine alleinige passive Bewegung bei Gesunden nicht in der Lage, einen Anstieg der Sauerstoffaufnahme zu erreichen, während diese bei den schwerst kompromittierten COB-Patienten - möglicherweise doch rezeptorvermittelt oder über einen vermehrten Rückfluss desaturierten Blutes aus der Muskulatur [17 ] - bereits eine vermehrte Ventilation induziert. Ähnliche Beobachtungen machten Sala u. Mitarb. sowie Nery u. Mitarb., die bei Patienten mit COB unter submaximaler (aktiver) Belastung eine signifikant höhere Sauerstoffaufnahme und ein signifikant größeres Atemminutenvolumen als bei Gesunden fanden [20 ]
[21 ].
Empfohlen wird für COB-Patienten ein körperliches Training mit 60 - 80 % der maximalen Belastung zur Steigerung ihrer Belastbarkeit [8 ]. Bei den von uns untersuchten COB-Patienten ließen sich durch die zusätzliche aktive Mitarbeit die O2 auf 72 % des O2 peak und das E auf 79 % des E max steigern.
Der Nachteil des von uns benutzten Passiv-Ergometers ist jedoch, dass die aktuelle Wattzahl nicht direkt angegeben werden kann, so dass eine Quantifizierung der Trainingsbelastung nur über die Umdrehungszahl bei konstantem Tretwiderstand möglich ist. Hier wäre in einem nächsten Schritt eine „Eichkurve” zur Darstellung des Zusammenhangs zwischen Wattzahl, O2 -Aufnahme und Umdrehungszahl zu erstellen. Damit ließe sich auch für bettlägerige COB-Patienten ein Trainingsprogramm entwerfen und eine Steigerung der Belastbarkeit objektivieren.
Zusammenfassend konnten wir feststellen, dass bettlägerige Patienten mit einer schwergradigen COB bereits in Ruhe 55 % ihres O2 peak aufnehmen und schon unter alleiniger passiver Bewegung mittels Bett-Ergometer im Gegensatz zu Gesunden eine signifikante Steigerung der Sauerstoffaufnahme und des Atemminutenvolumens aufweisen, die bei zusätzlicher aktiver Mitarbeit annähernd 75 % ihrer maximalen Belastbarkeit erreichen. Mit dem Passiv-Ergometer kann somit auch für dieses Patientenklientel ein körperliches Training durchgeführt werden.