Einleitung
Das primitive Immunsystem von Drosophila hat eine erstaunlich hohe Wirksamkeit bei der Bekämpfung mikrobieller Krankheitserreger
entwickelt, vorwiegend durch eine Familie von Rezeptoren auf der Zell-Oberfläche,
den Toll-Proteinen. Die Aktivierung von Toll durch mikrobielle Liganden induziert
eine intrazelluläre Signaltransduktionskaskade, die den Kernfaktor kB (NFkB) stimuliert,
wodurch Gene transkribiert werden, die antimikrobielle Proteine kodieren [1 ]
[2 ]
[3 ]. Das Drosophila Toll-System wurde strukturell auch beim Menschen konserviert und ist der Familie
der TLR bei Säugern homolog [4 ]. Mikrobielle Liganden, darunter Lipopolysaccharid (LPS) und bakterielle Lipoproteine,
aktivieren die TLR der Säuger und führen dadurch zur Transkription von Genen, welche
die erworbene Immunantwort regulieren, darunter Zytokine und kostimulatorische Moleküle
[5 ]
[6 ]
[7 ]
[8 ]
[9 ]. Bislang blieb jedoch noch offen, ob die Aktivierung von TLR auch beim Säuger antimikrobielle
Effektormechanismen bewirkt.
Methoden
Monozyten und Zelllinien
Für Experimente mit Mauszellen wurde die Makrophagenlinie RAW264.7 Zellen (ATCC, Manassas,
VA, USA) verwendet. Humane Monozyten wurden nach Dichtegradienten-Zentrifugation von
Blut gesunder Spender nach 90-minütiger Adhärenz und Abwaschen nicht-haftender Lymphozyten
gewonnen. Durchfluss-zytometrische Analysen zeigten, dass diese Zellen zu über 95
% aus Monozyten bestehen. Alveolarmakrophagen wurden aus der bronchoalveolären Lavage
von Patienten aufgereinigt, die aus anderen diagnostischen Gründen lavagiert wurden
und nicht an einer Tuberkulose litten. Die Spülflüssigkeit wurde durch ein Zellsieb
filtriert (Labor Schuberth, Amberg), um den Schleim und grobe Partikel zu entfernen.
In einigen Experimenten wurden die adhärenten Zellen durch immunomagnetische Depletion
von Lymphozyten (CD3, CD19, CD56) aufgereinigt. Die restlichen Zellen bestanden zu
über 95 % aus Alveolarmakrophagen, wie durch α-Naphtyl-Azetat-Esterase Färbung (Sigma)
gezeigt wurde.
Infektion mit M. tuberculosis
Makrophagen wurden mit M. tuberculosis (virulenter Stamm H37Rv) in einem Verhältnis von 5 Bakterien auf 1 Zelle (MOI 5)
für vier Stunden infiziert wie beschrieben [10 ]
[11 ]. Die Zellen wurden dann mit dem mikrobiellen Liganden 19-kD-Lipoprotein von M. tuberculosis
[7 ] oder dem Tp47 von Treponema pallidum für 48 Stunden koinkubiert. Gegebenfalls wurden den Ansätzen Inhibitoren der iNOS
(L-NIL, L-NAME, oder D-NAME) zugegeben. Für die Blockierungsexperimente wurden M. tuberculosis -infizierte Zellen mit ihrem Liganden in der Gegenwart monoklonalen Antikörpern gegen
TLR2 (10 µg/ml) [7 ]
[8 ], neutralisierenden TNF-Antikörpern (20 µg/ml, R&D Systems) oder einer Isotyp-Kontrolle
bebrütet. Danach wurden die Zellen mit 0,3 % Saponin (Sigma, Deisenhofen) lysiert
und die Anzahl koloniebildender Einheiten (CFU) durch Plattieren von vier Verdünnungen,
jeweils in Duplikaten auf 7H11-Platten bestimmt.
Immunhistochemie
Lymphknotenproben wurden von 5 Tuberkulosepatienten entnommen. Immunperoxidase Färbung
wurde mit monoklonalen TLR2-Antikörpern durchgeführt wie beschrieben [12 ].
Ergebnisse und Diskussion
Zunächst untersuchten wir, ob die Aktivierung von Mausmakrophagen durch bakterielle
Lipoproteine die Überlebensfähigkeit von M. tuberculosis einschränkt. Das 19-kD-Lipoprotein von M. tuberculosis oder das Tp47-Lipopeptid von Treponema pallidum
[7 ] verringerten die Anzahl lebendiger Mykobakterien in der Mausmakrophagen-Zelllinie
RAW264.7 bis zu 70 % (Daten nicht gezeigt). Die Induktion der induzierbaren Stickoxidsynthase
(iNOS) und die Freisetzung von Stickoxid (NO) stellen einen entscheidenden antimykobakteriellen
Abwehrmechanismus von Mauszellen dar [13 ]
[14 ]
[15 ]. Da bakterielle Lipoproteine die Promotoraktivität von iNOS induzieren, stellten
wir die Hypothese auf, dass die antimikrobielle Aktivität durch TLR-vermittelte Freisetzung
von NO erfolgen könnte. Mit M. tuberculosis infizierte RAW-Zellen wurden mit dem 19-kD-Lipoprotein in der An- und Abwesenheit
von pharmakologischen Inhibitoren der iNOS stimuliert und die Sekretion von NO sowie
die antibakterielle Aktivität bestimmt. Wir fanden, dass die NO-Synthese in der Anwesenheit
von L-N6 -Iminoethyl-Lysin (L-NIL) oder L-N6 - Nitro-Arginin-methylester (L-NAME) fast völlig unterdrückt wurde (Abb. [1a ], links), jedoch nicht in der Anwesenheit von inaktivem Enantiomer D-NAME. Die Hemmung
der NO-Produktion korrelierte mit der durch das 19-kD-Lipoprotein-induzierten antimikrobiellen
Aktivität (Abb. [1a ], rechts). Dies zeigt die Abhängigkeit von TLR-vermittelter antibakterieller Aktivität
von der Verfügbarkeit von NO.
Um zu zeigen, dass die lipoproteininduzierte antimikrobielle Aktivität von der Aktivierung
der TLR abhängt, untersuchten wir die Fähigkeit des 19-kD-Lipoproteins, in Peritonealmakrophagen
von TLR2- oder TLR4-defizienten Mäusen eine antimikrobielle Aktivität zu induzieren.
Die Experimente wurden mit nichtinfizierten und M. tuberculosis -infizierten (Abb. [1b ]) Makrophagen durchgeführt. Primäre Peritonealmakrophagen von TLR2-defizienten Mäusen
reagierten nur mit geringer NO-Produktion auf das 19-kD-Lipoprotein und die Variabilität
der intrazellulären Bakterien wurde nicht wesentlich reduziert verglichen mit Wildtyp-Makrophagen
(Abb. [1b ]). Dieses Ergebnis bestätigt, dass die Aktivierung von TLR2 in Mausmakrophagen zu
einer NO-abhängigen Wachstumshemmung intrazellulärer Tuberkel führt.
Bislang ist unklar, ob humane Makrophagen antimikrobielle Aktivität durch NO vermitteln
können. Wir wollten klären, ob die Stimulation von TLR zur NO-abhängigen Limitierung
des mykobakteriellen Wachstums führt. Die Aktivierung humaner Monozyten mit bakteriellen
Lipoproteinen reduzierte das intrazelluläre Wachstum von M. tuberculosis in vergleichbarem Ausmaß wie in Mausmakrophagen (Daten nicht gezeigt). Das Abtöten
der intrazellulären Mykobakterien in humanen Monozyten war eindeutig abhängig von
der 19-kD-vermittelten Aktivierung von TLR2, da monoklonale Antikörper gegen TLR2
[7 ]
[8 ] den Effekt zu über 90 % inhibierten (Abb. [2a ]). In Gegensatz zu Mausmakrophagen führte die Zugabe des NO-Inhibitors L-NIL nicht
zur Verminderung der 19-kD-vermittelten antibakteriellen Aktivität. Diese Beobachtung
korrelierte mit der fehlenden NO-Freisetzung durch humane Monozyten nach Inkubation
mit dem 19-kD-Lipoprotein (Abb. [2b ]). Dieser Befund wurde durch die Verwendung eines zusätzlichen Stimulus zur NO-Freisetzung
erweitert, nämlich der Kombination aus Tumor-Nekrose-Faktor (TNF) und Interferon γ
(IFN-γ) [16 ]. In der RAW-Zellen ergab sich nach Zugabe von TNF und IFN-γ eine gesteigerte Produktion
von NO (Abb. [2b ], links) und eine signifikant erhöhte antimikrobielle Aktivität (Abb. [2b ], rechts). Das Ausmaß war vergleichbar mit der durch das 19-kD-Protein-induzierten
Abtötung. Im Gegensatz dazu induzierten TNF und IFN-γ in humanen Makrophagen weder
NO (Abb. [2b ], links) noch eine antimykobakterielle Aktivität (Abb. [2b ] rechts). Sie führten jedoch zu einer Freisetzung von Interleukin 12 (Daten nicht
gezeigt). Obwohl TNF das Wachstum von avirulenten Mykobakterien in humanen Alveolarmakrophagen
reduziert [17 ], fanden wir, dass die Wachstumsrate von virulenten Bakterien durch TNF in diesen
Zellen sogar gesteigert wird [18 ]. Außerdem inhibierte die Zugabe von TNF-Antikörpern nicht die durch das 19-kD-Lipoprotein
induzierte Wachstumhemmung von dem virulenten Bakterienstamm, der in unseren Experimenten
verwendet wurde (Abb. [2c ]). Zusammengefasst zeigen diese Daten, dass die Aktivierung von TLR2 in humanen Zellen
einen effektiven antibakteriellen Abwehrmechanismus induziert, der unabhängig von
TNF und NO ist.
Die Fähigkeit von Alveolarmakrophagen M. tuberculosis aufzunehmen und zu eliminieren stellt einen entscheidenden Abwehrmechanismus gegen
Tuberkulose dar. Alveolarmakrophagen wurden aus der bronchoalveolären Lavage aufgereinigt,
mit M. tuberculosis infiziert und mit dem 19-kD-Lipoprotein inkubiert. Nach 48 Stunden wurde die Anzahl
lebendiger Mykobakterien bestimmt (Abb. [3a ]). Stimulation infizierter Alveolarmakrophagen mit Lipoprotein induzierte eine antimikrobielle
Aktivität, die unabhängig von der NO-Freisetzung, aber abhängig von dem TLR2-Signal
war. Konsistent mit dem Befund, dass der spezifische iNOS-Inhibitor L-NIL die antimykobakterielle
Wirkung nicht hemmte, sezernierten infizierte Alveolarmakrophagen nach Stimulation
mit 19-kD-Lipoprotein in vitro kein NO (Daten nicht gezeigt). Obwohl berichtet wurde,
dass Alveolarmakrophagen iNOS exprimieren [19 ], zeigten unsere Daten, dass zusätzlich ein NO-unabhängiger Abwehr-Mechanismus existiert,
der zur antibakteriellen Aktivität beiträgt. Die Expression von TLR2 auf der Oberfläche
von Zellen aus der Monozyten/Makrophagen-Linie in tuberkulösen Herden in menschlichem
Gewebe zeigt, dass die Aktivierung von TLR2 zur protektiven Immunabwehr am Ort der
Infektion beitragen kann (Abb. [3b ]).
Über hunderte von Millionen Jahren der Evolution hat das Immunsystem die Struktur
der TLR wie auch den NFkB-Signaltransduktionsweg als einen Abwehrmechanismus der angeborenen
Immunantwort beibehalten, um der Bedrohung durch mikrobielle Krankheitserreger zu
begegnen. Die geschilderten Ergebnisse zeigen, dass sowohl humane als auch Mauszellen
den TLR-Signalweg benutzen, über den antimikrobielle Effektormechanismen stimuliert
werden. Allerdings sind die Effektormoleküle unterschiedlich: Während in Mäusen TLR-Aktivierung
zu einer NO-abhängigen antibakteriellen Aktivität führt, ist der TLR-vermittelte Abwehrmechanismus
beim Menschen NO-unabhängig. Bei Drosophila führt die Aktivierung von Toll zur Produktion einer Vielzahl antimikrobieller Peptide,
darunter Metchnikowan, Defensine, Cecropine, und Drosomycin [1 ]
[2 ]
[3 ]. Unsere Arbeit lässt erwarten, dass eine genaue Untersuchung von TLR2-abhängigen
Effektormechanismen in humanen Makrophagen Rückschlüsse auf die Wirkungsweise der
angeborenen Immunität ermöglicht. Die Arbeiten über Drosophila deuten darauf hin, dass die Untersuchung der Induktion antimikrobieller Peptide in
diesen Zellen fruchtbar sein kann. Erkenntnisse aus derartigen Studien ergeben neue
Einblicke in die Immunantwort beim Menschen.
Abb. 1 Mikrobielle Lipoproteine inhibieren das Wachstum von M. tuberculosis.
(A ) Das 19-kD-Lipoprotein von M. tuberculosis vermittelt eine NO-abhängige antimikrobielle
Aktivität in RAW-Zellen. Die Anzahl der koloniebildenden Einheiten (CFU) wurde 48
Stunden nach Infektion mit einer MOI von 5 ermittelt. Die Inhibitoren (L-NIL, 1mM;
L-NAME, 2mM) wurden direkt nach der Pulsinfektion zusammen mit dem 19-kD-Lipoprotein
(1 µg/ml) zu den Zellen gegeben. Die Abbildungen zeigen den Durchschnitt ± SEM von
drei oder mehr unabhängigen Experimenten.
(B ) Lipoproteininduziertes Abtöten von M. tuberculosis wird durch TLR2 vermittelt. Thioglykollatinduzierte
Peritonealmakrophagen von Kontroll- (wt) und gendefizienten (TLR2 -/-) Mäusen wurden
mit M. tuberculosis (MOI 5) infiziert. Die Produktion von NO (Griess Reaktion) und
die Bakterienlast (Plattieren von Zell-Lysaten) wurde 48 Stunden nach der Zugabe des
19-kD-Lipoproteins (1 µg/ml) oder LPS (0,1 µg/ml) bestimmt. Die Abbildung zeigt den
Durchschnitt aus Triplikaten eines Experimentes ± SEM.
Abb. 2 Humane Zellen töten M. tuberculosis über einen TLR2-abhängigen, aber NO-unabhängigen
Mechanismus.
(A ) Die Inhibierung von mykobakteriellem Wachstum in humanen Monozyten wird durch die
Anwesenheit blockierender Antikörper gegen TLR2 (αTLR2) gehemmt, ist aber unabhängig
von der NO-Freisetzung. Infizierte Monozyten (MOI 5) wurden mit αTLR2 (10 µg/ml) oder
L-NIL (1mM) für 48 Stunden inkubiert und das intrazelluläre Wachstum wurde durch das
Plattieren von vier Verdünnungen der Zell-Lysate, jeweils in Duplikaten, bestimmt.
(B ) TNF und IFN-γ induzieren die Freisetzung von NO und antimikrobielle Aktivität in
Mausmakrophagen, nicht aber in humanen Monozyten. TNF und IFN-γ (jeweils 10 ng/ml)
wurden zu infizierten Mausmakrophagen (RAW) oder humanen Monozyten gegeben. Die Freisetzung
von NO und die Bakterienlast wurden nach 48-stündiger Kultur bestimmt. Die Abbildungen
zeigen den Durchschnitt von vier unabhängigen Experimenten ± SEM mit Zellen von verschiedenen
Spendern.
(C ) Die antimykobakterielle Aktivität des 19-kD-Lipoproteins ist TNF-unabhängig. Das
19-kD-Lipoprotein (2 µg/ml) und Antikörper gegen TNF (20 µg/ml) wurden wie in der
Beschriftung angegeben pipettiert. Die Zellen wurden nach 48 Stunden lysiert und die
Anzahl der CFU bestimmt.
Abb. 3 TLR2 wird am Ort der Tuberkulose-Infektion beim Menschen exprimiert.
(A ) Aktivierung von Alveolarmakrophagen durch das 19-kD-Lipoprotein reduziert das Überleben
intrazellulärer Mykobakterien auf TLR2-abhängige, jedoch NO-unabhängige Weise. Alveolarmakrophagen
wurden mit M. tuberculosis mit einer MOI von 2 für vier Stunden infiziert und danach
das Lipoprotein (1 µg/ml) oder die Inhibitoren zugegeben. Das bakterielle Wachstum
wurde nach 48 Stunden gemessen. Die Abbildung zeigt ein repräsentatives Experiment
mit Alveolarmakrophagen von vier unterschiedlichen Spendern. Die Daten sind als CFU
± SEM angegeben.
(B ) zeigt die TLR2-Expression im Gewebe von Patienten mit Lymphknoten-Tuberkulose. Die
Immunperoxidase-Färbung zeigt Bilder (40fache Vergrößerung) mit TLR2-Expression in
Rot auf großen, ovalen Zellen innerhalb der Granulome, welche typisch für Zellen der
Monozyten/Makrophagen-Linie sind.